Knut Hamsun - Das letzte Kapitel

  • Hallo,


    Knut Hamsun: "Das letzte Kapitel", 1923


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    "Das letzte Kapitel" gehört zum Spätwerk Knut Hamsuns. Der Romantitel weist auf das Lebensende des Menschen hin. Das Buch handele vom Tod, sagte Hamsun kurz und bündig. Zu Beginn der Lektüre war mir diese Tatsache nicht bewusst. Es dauerte ein wenig, bis ich darauf kam.


    Zu Beginn werden wir in Daniels Leben eingeführt, der die verkommene Sennhütte seines Vaters wieder aufbaut und als Bauer ein zurückgezogenes Leben führt. Er ist sehr fleißig, ein echter Naturbursche, der auch das Ziel verfolgt, seine längjährige Freundin Helena aus dem Dorfe Kirchspiel zu heiraten. Doch daraus wird nichts. Aus Rache will er sie verbrennen. Der erste Konflikt ist da. Diese Untat kann noch verhindert werden.


    Nicht weit von Davids Sennhütte wird ein Sanatorium erbaut, welches eine zentrale Rolle im Roman spielt. Dort begegnen wir Menschen, die wie Daniel mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen haben. Doch das reicht Hamsun nicht. Er schafft einzigartige Karikaturen und deckt damit ihre Schwächen und Eitelkeiten auf.


    Fräulein d' Espard, eine Dame französischer Abstammung, die sich was darauf einbildet, dass sie französisch sprechen kann, psychisch aber instabil, möchte unbedingt heiraten, sie ist ja plötzlich schwanger. Der Schuldirektor Oliver, ein philologischer Fachidiot, der nur glücklich ist, wenn er Schülern seine Fachsimpeleien einbleuen kann. Leonhard Magnus, der sog. Selbstmörder, ist in Sachen Bildung ein harter Gegenspieler zum Schuldirektor, er kritisiert, den Schülern wird nur unnötiges Wissen eingetrichtert und das Leben an sich kommt zu kurz. Wenn wir heutzutage den Anstieg von Jugendkriminalität und Gewalt betroffen zusehen, wird klar, wie aktuell Hamsuns Kritik noch ist.


    Ich habe mich damit sehr anfreunden können, dass Hamsun seine Figuren zu Karikaturen überzeichnet. Das macht einen großen Reiz des Buches aus, und für den Autor ist dies ein dankbares Mittel, dem Leser das Wesentliche bewusst zu machen. Der Streit, den er mit dem schwerkranken Moß führt, wird von tiefer Menschlichkeit und Liebe getragen. Ich hatte den Eindruck, die Streitereien und Konflikte sind nur Ausdruck von Langerweile. Sie möchten ihre Einsamkeit irgendwie ausfüllen. Als Außenseiter fühlen sie sich alle.


    Magnus, der Selbstmörder, für mich die herausragende Figur des Romans, ein philosophischer Denker, ein Mahner. Durch ihn lässt Hamsun die Erkenntnis fließen, das Leben hört auch mal auf, dann kommt der Tod. Hamsun ist ein Meister der Lakonie:


    "Ja, das Leben war nicht ohne Komik, und der Tod auch nicht."


    "Ja, so geht es Fräulein d'Espard, wir sind Wanderer, wir wandern zur Heilstätte in den Bergen herauf und bleiben hier liegen."


    Wir brauchen uns gar nicht zu wichtig nehmen, wir werden geboren, leben ein wenig, um zu sterben. Wenn wir unser Leben aus diesem Blickwinkel betrachten, erscheinen unsere großen Probleme unendlich kleinlich. Wir sind Gast auf dieser Erde und sterben, damit wir anderem Leben eine Chance geben. Mit solch einer Erkenntnis, lässt es sich doch mit Freude und Gelassenheit leben. Der Mensch macht Fehler, das liegt in seiner Natur. Jeder trägt sein eigenes Schicksal, jeder hängt an seinem Leben. Wir sind aber nur ein kleines Sandkorn im Zyklus des Werdens und Vergehens.


    Mit diesen Gedanken schließe ich zufrieden das Buch.


    5ratten


    Liebe Grüße
    mombour