Antonio Tabucchi - Erklärt Pereira

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  • Antonio Tabucchi – Erklärt Pereira


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    Lissabon 1938 – die Zeit der Salazar-Diktatur in Portugal, Doktor Pereira ist Witwer, lebt allein und schreibt die Kulturseite für die Abendzeitung „Lisboa“. Er lebt ein einsames, zurückgezogenes Leben, interessiert sich nicht für Politik, obwohl er Journalist ist und weiß nicht viel über die Verhältnisse in seinem Land, da die Zeitungen nicht darüber berichten.


    Das alles ändert sich, als er Monteiro Rossi kennenlernt und ihn als Praktikant einstellt. Monteiro Rossi liefert zwar keine Artikel, die veröffentlicht werden können, weil er regime-kritisch schreibt, aber er rüttelt Pereira wach. Pereira wird in die Probleme von Monteiro Rossi hineingezogen, er kann sich nicht weiter aus allem raushalten sondern muss Stellung beziehen. Es vollzieht sich ein langsamer Wandel in seinen Gedanken und seinem Leben...


    Der Roman ist zum Großteil in indirekter Rede geschrieben. Denn Pereira erzählt uns seine Geschichte, als würde er eine Zeugenaussage machen. "Pereira erklärt" oder "erklärt Pereira" steht nicht nur am Anfang eines jeden Kapitels, sondern beinahe in jedem Absatz. Dadurch hat man das Gefühl, alles aus Pereiras Sicht, aus erster Hand sozusagen zu erfahren, andererseits verschweigt Pereira auch einiges, was seiner Meinung nach nicht zur Geschichte gehört.


    Das Buch hat mich sehr beeindruckt und nachdenklich gemacht. Es hinterlässt ein beklemmendes Gefühl und wirft die Frage auf, ob man lieber sein eigenes Leben leben soll und damit sich selbst schützen, oder sich politisch engagieren und eventuell in Gefahr begeben.


    Ich selbst hatte vor dem Lesen dieses Buches keine Ahnung von den politischen Verhältnissen in Portugal zu dieser Zeit, deshalb waren mir auch beim Lesen nicht alle Zusammenhänge 100% klar. Das Buch hat mich allerdings neugierig gemacht, mich über die Geschichte Portugals zu informieren.


    Von mir bekommt das Buch 4ratten

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de

  • Es gibt auch eine wunderbare Verfilmung dieses Buches. Marcello Mastroianni spielt Pereira und Maestro Morricone hat die Filmmusik beigesteuert. Die bekannte Fadosängerin Dulce Pontes, singt das Hauptthema.

  • Ich bin durch einen Tipp eines Forumsmitglieds auf "Erklärt Pereira" gestoßen, weil ich im Sommer zwei Monate in Lissabon verbringen und mich literarisch schon einmal auf den Aufenthalt einstimmen möchte. Nachdem ich gerade zuvor bereits Tabucchis "Lissabonner Requiem" verschlungen hatte, rechnete ich mit einem guten Buch, aber "Erklärt Pereira" hat alle meine Erwartungen übertroffen.


    Die Geschichte selbst ist unheimlich spannend, und durch die außergewöhnliche Erzählweise scheint es einem als würde man mit Pereira auch selbst immer weiter in sie hineingezogen. Wie Pereira, der beginnt in Frage zu stellen, ob die eigenen gewohnten Verhaltensmuster angesichts der Lage im Portugal von 1938 aufrechterhalten werden sollen, beginnt man auch selbst zu zweifeln. Pereira macht im Laufe der Erzählung einen Wandel durch, und ebenso verändert sich das Bild, das man als Leserin von ihm gewinnt. Dieser Wandel zeigt sich bei Pereira in vielen Bereichen seines Lebens: seiner Gesundheit, seinen Gedanken über die Seele, seinen wenigen Freundschaften. Von einem fetten, kranken, desinteressierten Journalisten, der am liebsten in Ruhe gelassen werden möchte, entwickelt er sich zu einem Menschen mit Rückgrat, der, wenn es darauf ankommt, gar nicht anders kann als mutig für Demokratie und Menschenrechte aufzustehen.


    Ein unglaubliches Buch! 5ratten:tipp:


    Der Film steht definitiv auf meiner "to be watched"-Liste!

  • lebenohnegebaeude: Dein Beitrag vor einigen Wochen hat mich so neugierig auf das Buch gemacht, dass ich es mir sofort geholt und soeben zuende gelesen habe.


    Ich bin wirklich begeistert, das Buch hat mich sehr berührt. Da war ein Sog, der mich immer mehr hineingezogen hat und den Wandel Pereiras durch die Geschichte hinweg so unmittelbar gemacht hat. Ich fand auch viele Kleinigkeiten sehr berührend, etwa wenn Pereira das Bild seiner verstorbenen, kranken Frau oben in den Koffer legt, damit sie atmen kann... Am Ende hatte ich dann sogar ein bisschen Gänsehaut. Ein wunderbares Buch, ich danke euch für den Tipp!


  • lebenohnegebaeude: Dein Beitrag vor einigen Wochen hat mich so neugierig auf das Buch gemacht, dass ich es mir sofort geholt und soeben zuende gelesen habe.


    Freut mich, dass ich dazu beitragen konnte.


    Und stimmt, dieses Bildhafte fand ich auch sehr schön... und wie Pereira ganz naiv, fast mit Kinderaugen beginnt, seine Umwelt zu hinterfragen. Einfach herrlich geschrieben.

  • Auch auf die Gefahr hin, mich als Banause zu outen:
    Ich habe das Buch nach 10 Seiten entnervt beiseite gelegt. Ich hatte das Gefühl, einen Schreikrampf zu bekommen, wenn ich noch einmal "erklärt Pereira" oder "Pereira erklärt" (bzw. "påstår Pereira", da ich die schwedische Übersetzung besitze) lesen müsste. Ein drei- oder viermaliges Auftauchen einer Phrase pro Seite ist (mir) einfach viel zu viel! Ein kurzes Vorblättern zeigte mir dann, dass sie auch weiterhin mindestens einmal pro Seite zu finden war, woraufhin ich meine Lektüre erst mal abgebrochen habe.
    Es mag ja inhaltlich ein sehr gutes Buch sein - um das zu beurteilen, habe ich viel zu wenig gelesen - aber diese zwei Worte haben mir das Buch effektiv vergällt. Ich werde es wohl später noch einmal versuchen in der Hoffnung, dass mir der Ausdruck dann weniger auf den Geist geht, so dass ich mich dann mehr auf das Wesentliche konzentrieren kann.

    Wir sind irre, also lesen wir!


  • Auch auf die Gefahr hin, mich als Banause zu outen:
    Ich habe das Buch nach 10 Seiten entnervt beiseite gelegt. Ich hatte das Gefühl, einen Schreikrampf zu bekommen, wenn ich noch einmal "erklärt Pereira" oder "Pereira erklärt" (bzw. "påstår Pereira", da ich die schwedische Übersetzung besitze) lesen müsste.


    Kann ich schon ein wenig nachvollziehen. Auch wenn ich es durchaus gern zu Ende gelesen habe, halte ich das Buch stilistisch nicht für den ganz großen Wurf.


    Gruß, Thomas

  • Ich finde das komisch, gerade Tabucchi ist ein sprachlicher Meister. Ich kann mir das nicht erklären. Ich werde mir den Film ansehen, das Buch habe ich auch nicht geschafft. Traurig das zu schreiben.

  • Hm, ich musste jedes Mal schmunzeln, wenn wieder "erklärt Pereira" kam. Ich mag solche Wiederholungen meistens.

  • Ich fand diese Wiederholung auch nicht so schlimm, vor allem da das "Erklärt Pereira" nur am Anfang so penetrant oft vorkam. Danach war das nur alle paar Seiten mal, so weit ich mich erinnern kann.

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  • Als "nervig" empfinden würde ich das nur, wenn es sichtlich ungewollt so oft wiederholt würde. Aber da dieses "erklärt Pereira" ja mehr oder weniger der Aufhänger des ganzen Buches ist, stört mich das hier garnicht, im Gegenteil. Ich lese gerade Thomas Bernhards "Untergeher", und auch dieses Buch ist ja mehr oder weniger komplett in der (in)direkten Rede geschrieben (oft auch über zwei Ecken, sodass alle paar Zeilen steht "...sagte er, dachte ich.") Würde mich interessieren, ob ihr es da auch als störend empfindet. Ich muss sagen dass mich das als Stilmittel echt begeistert, sowohl bei Tabucchi als auch bei Bernhard.


  • Als "nervig" empfinden würde ich das nur, wenn es sichtlich ungewollt so oft wiederholt würde. Aber da dieses "erklärt Pereira" ja mehr oder weniger der Aufhänger des ganzen Buches ist, stört mich das hier garnicht, im Gegenteil. Ich lese gerade Thomas Bernhards "Untergeher", und auch dieses Buch ist ja mehr oder weniger komplett in der (in)direkten Rede geschrieben (oft auch über zwei Ecken, sodass alle paar Zeilen steht "...sagte er, dachte ich.") Würde mich interessieren, ob ihr es da auch als störend empfindet. Ich muss sagen dass mich das als Stilmittel echt begeistert, sowohl bei Tabucchi als auch bei Bernhard.


    Sehe ich genauso. :winken:

  • Zitat

    Ich muss sagen dass mich das als Stilmittel echt begeistert, sowohl bei Tabucchi als auch bei Bernhard.


    Normalerweise auf jeden Fall (Ich erinnere an den berühmten "Ohrensessel" bei Bernhard!), hier bin ich skeptisch.


  • Würde mich interessieren, ob ihr es da auch als störend empfindet. Ich muss sagen dass mich das als Stilmittel echt begeistert, sowohl bei Tabucchi als auch bei Bernhard.


    In gewisser Weise ist es auch bei Bernhard auffällig. Aber bei Bernhard gehört das viel enger zum Stil als bei Tabucchi, wo ich die Notwendigkeit für dieses Stilmittel gar nicht sehe.


    Gruß, Thomas

  • Mir hat das Stilmittel mit der Wiederholung auch gut gefallen, eben aus den Gründen, die lebenohnegebaeude und kat schon nannten.


    Mit Bernhard kann ich es nicht vergleichen, da ich noch nichts von diesem gelesen habe, was ich aber jetzt ändern möchte. (Bücher führen eben zu Büchern...)


    Ob es nun "die ganz große Literatur" ist, kann und will ich nicht beurteilen, da mir dazu noch die Leseerfahrung fehlt. Für mich persönlich war es ein sehr gutes Buch und mit Sicherheit auch noch nicht das letzte von Tabucchi.

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    OT: Sostiene Pereira
    OA: 1994
    224 Seiten
    ISBN:978-3423124249


    Inhalt:
    Die Geschichte eines Sommers im Jahre 1938, die Geschichte des unscheinbaren Lissabonner Kulturredakteurs Pereira, der ganz unversehens zum Helden wird...


    Eigene Meinung:
    Antonio Tabucchi hat hier ein ganz besonders faszinierendes Buch geschrieben. Es ist die Geschichte eines eher ängstlichen Mannes, der sich aber eines Tage nicht mehr der Verantwortung entziehen kann sich einzumischen und ganz klar Stellung zu beziehen. Die Beschreibung der Veränderungen in Pereiras Ansichten und seinem Verhalten sind ausgesprochen detailliert und somit einer der interessantesten Aspekte dieses Buches.
    Ebenfalls interessant ist, dass her wurde von einem Land berichtet wird, welches man nicht unbedingt direkt mit dem Nationalsozialismus in Verbindung bringt.
    Diese Geschichte bringt den Leser dazu über sich selbst nachzudenken. Zu überlegen, wie weit man selbst gehen würde, würde man sich mit Unrecht gegenüber Dritten konfrontiert sehen, welches das eigenen Leben in Gefahr bringen könnte, würde man intervenieren. Diese Frage kann man sich letztendlich aber nur beantworten, wenn wirklich selbst vor dieser Entscheidung steht.
    Pereira ist hier nur eine einzelne Person, welche stellvertretend alle diejenigen ehrt, die eben nicht den Mund gehalten haben und im Stillen für Verfolgte und Geächtete eintraten. Die leisen Helden, an welche sich leider meist keiner mehr erinnert.


    5ratten


    Tina