V. S. Naipaul – Wahlkampf auf karibisch. Oder: Eine Hand wäscht die andere

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    Inhalt: Trinidad 1950. Die Wahlen zum Abgeordnetenhaus stehen bevor, und Surujpat Harbans möchte doch gerne Abgeordneter für Elvira und Cordoba werden. Harbans ist Hindu wie die Mehrzahl der Bewohner der beiden Dörfer. Doch das hat nichts zu sagen, denn es gibt auch einen Gegenkandidaten, genannt Prediger. Dieser bekommt Unterstützung von einem jungen Hindu, der normalerweise mit seinem Lautsprecherwagen das Kinoprogramm ankündigend durch die Straßen fährt, diesen jetzt aber für einen Zusatzverdienst nutzt. Auch ist damit zu rechnen, daß die christlichen Schwarzen den Prediger wählen. Und für wen stimmen die 1000 Moslems? Und für wen die „Spanier“ in Cordoba? Wahlkampf tut also not. Harbans bastelt sich ein Komitee aus dem Hindu-Goldschmied und respektierten Bürger Chittaranjan, dem ältesten Sohn Foam des selbsternannten Moslemführers Baksh und einigen weiteren Hindus. Nun fängt das Geschacher an, denn der Prediger überzeugt mit persönlichem Einsatz bei Hausbesuchen (wieviel Geld wandert dabei eigentlich von einer Hand in die andere?) und Harbans muß schon ordentlich in die Tasche greifen, um mitzuhalten. Rückschläge in der Stimmenbeschaffung und die Plünderung seiner Brieftasche lassen ihn leicht in depressive Zustände verfallen, aber sein Team ist unerschütterlich. Problematisch sind nur ein paar kleinere Störungen. Da ist diese merkwürdige Sache mit dem Hund. Wer hext da jetzt wem Böses ins Haus bzw. an den Hals? Und warum halten sich diese beiden Frauen von den Zeugen Jehovas nicht aus dem Wahlkampf heraus? Nicht einmal vor dem Ruf und der Ehre zweier junger Hindufrauen macht der Wahlkampf halt.



    Meine Meinung: Ein Buch wie aus dem Leben. Ich fühlte mich streckenweise sehr an Berichterstattung von aktuelleren Wahlen in einigen Ländern erinnert. Hier wird geschachert und geschoben, daß es eine Art hat. Jeder versucht, für sich noch ein Häppchen mehr aus den Kandidaten herauszuholen, sei es in Form von Geld oder anderen Zuwendungen oder sogar eines Schwiegersohns. Harbans schwankt in seinen Stimmungen je nach „Wahlprognose“ zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt und macht es seinem Team damit nicht einfach. Zu vielem muß er gedrängt werden: Besuch und Unterstützung Kranker, die Finanzierung eines Autokorsos am Wahltag usw. Das alles gibt ein munteres und amüsantes Hin-und-Her mit einem – bezogen auf die Gesamtsituation – erwartbaren und typischen Ausgang.


    Naipauls Figuren sind dabei, mit Ausnahme Harbans, durchaus sympathisch gezeichnet. Ich hatte für ihre jeweiligen Handlungen jedenfalls viel Verständnis. Harbans ist an der erreichbaren Position aus finanziellen Gründen interessiert, nicht, um wirklich etwas für seinen Wahlkreis zu tun. Das weiß man als Leser ziemlich von Beginn an, und so benimmt er sich eigentlich auch durchgehend. Er ist ehrgeizig, zum Glück aber nicht völlig skrupellos (es gibt also keine Morde o. ä.). Dem einen oder anderen Dörfler eröffnet sich mit und in diesem Wahlkampf eine Absprungchance, die er nutzt, andere bleiben als Verlierer zurück.


    Ich nehme an, daß Naipaul die Gespräche in einer Art Kreol- oder Pidgin-Englisch geschrieben hat. Gelungen fand ich die sprachliche Umsetzung in der Übersetzung, die das einfache Sprachniveau mit verkürzten Wörtern und oft nur halben Sätzen sehr gut wiedergibt. Es fügt sich gut in die Gesamterzählung ein, ohne übertrieben zu wirken oder den Sprachfluß zu hemmen.


    4ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen