Rolf Vollmann: Die wunderbaren Falschmünzer. Ein Roman-Verführer 1800-1930.

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  • Rolf Vollmann: Die wunderbaren Falschmünzer. Ein Roman-Verführer 1800-1930.


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    Leider nur noch als Taschenbuch erhältlich. Die gebundene Version ist antiquarisch erhältlich. Ursprünglich bei Eichborn in 2 Leinen-Bänden in der "Anderen Bibliothek" erschienen, später als einbändige Erfolgsausgabe.


    Dieses Buch ist ein Roman-Führer, der sich von den üblichen Führern fundamental unterscheidet. Vollmann schreibt in chronologischer Folge über alle wichtigen Neuerscheinungen der Jahre 1800 bis 1930 in erzählender Form auf über 1000 Seiten. Inhaltsangaben findet man nur selten, er charakterisiert vielmehr Bücher mit ganz wenigen Sätzen. Er schreibt über die Bedeutung von mehr als 1000 Büchern, die er alle selbst gelesen hat. Über einige Romane wird eine ganze Seite geschrieben, andere erhalten nur wenige Zeilen. Vollmann hält sich mit seinem eigenen Geschmacksurteil nicht zurück. Balzac ist einer seiner Lieblinge, mehr als 20 Romane werden gepriesen, Thomas Mann hingegen mag er nicht besonders. In teils über mehrere Seiten gehenden Fußnoten wird die ein oder andere Anekdote erzählt oder Anmerkungen abseits des Haupttextes gegeben.


    Ich besitze dieses Buch jetzt schon seit vielen Jahren, habe es seinerzeit einmal komplett gelesen und bin nun wieder am Stöbern und überrascht, welche Autoren sich mit meinem inzwischen deutlich vergrößerten Lesehorizont immer noch auftun. Gerade wenn man das ein oder andere schon kennt, weiß man Vollmann zu schätzen. Man lernt den Geschmack Vollmanns zu "verstehen" und kann dann seine Empfehlungen auch ganz gut einordnen. Dieses Buch macht Lust auf Klassiker, hervorgerufen nicht zuletzt durch den gut lesbaren, intellektuellen Stil. Die hier vorgestellten Bücher reichen für ein ganzes Leseleben.


    Die Bücher werden durch mehrere Indizes erschlossen und dennoch empfieht es sich, die Post-It-Markierer bereit zu halten. So sinniert Vollmann über die seiner Meinung nach größte Leistung im Werk Arno Schmidts, ohne dass dies im Index wiederzufinden wäre (es handelt sich um eine Übersetzung Bulwer-Lyttons).


    Wer sich lediglich über Inhalte informieren will, ist mit einem richtigen Literaturlexikon besser bedient.


    5ratten


    Gruß, Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()

  • Ich kenne nur Vollmanns Roman-Naivgator. Und den fand ich irgendwo zwischen langweilig, nichtssagend und arrogant, überheblich. :sauer:

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001


  • Ich kenne nur Vollmanns Roman-Naivgator. Und den fand ich irgendwo zwischen langweilig, nichtssagend und arrogant, überheblich. :sauer:


    Den kenne ich auch. Finde ich ebenfalls ziemlich nichtssagend und recht langweilig. Die beiden Bücher sind m.E. nicht miteinander zu vergleichen. Nun, Vollmann schreibt schon selbstbewusst, der ein oder Autor wird evtl. etwas ungerecht behandelt, in Summe finde ich seine Urteile im Roman-Verführer schon ziemlich passend, keinesfalls mit Reich-Ranickis überheblichen Urteilen zu vergleichen. Aufgrund seines Stils, auf Amazon nennen ihn einige auch geschwätzig (aber so hat jedes Ding seine zwei Seiten), ist er immer ohne Langeweile zu lesen.


    Schöne Grüße,
    Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()

  • BigBen: Nenn mir doch drei Werke, dann zitiere ich was er dazu schreibt.


    Dann kannst du dir selber ein Bild machen.


    Gruß, Thomas

  • So sinniert Vollmann über die seiner Meinung nach größte Leistung im Werk Arno Schmidts, ohne dass dies im Index wiederzufinden wäre (es handelt sich um eine Übersetzung Bulwer-Lyttons).


    Klingt überhaupt ein bisschen nach einem Arno-Schmidt-Schüler - zumindest im weitesten Sinne.


    BigBen: Nenn mir doch drei Werke, dann zitiere ich was er dazu schreibt.


    Tristram Shandy, Reise um die Erde in 80 Tagen, Die erdabgewandte Seite der Geschichte ;)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Tristram Shandy, Reise um die Erde in 80 Tagen, Die erdabgewandte Seite der Geschichte ;)


    Hallo,


    das erste Werk ist außerhalb des gewählten Zeitraums erschienen, mal schauen, ob er dennoch was dazu schreibt. Vorschlag 2 von Verne ist meines Wissens nicht besprochen (habe gerade gestern zufällig die Teile über Verne nachgeschlagen - und er hat nur 20.000 Meilen unter dem Meer und noch ein weiteres Werk aufgenommen), beim dritten Werk bräuchte ich den Autor.


    Gruß, Thomas

  • Hallo,


    ich kann nur unterstreichen, was Klassikfreund zu diesem Werk ausführt! Sicher, das Buch ist keine sachliche Infoquelle und Vollmann schreibt als Genießer, also emotional, aber genau das macht den Reiz des Werkes aus.
    Wie Klassikfreund bin ich der Meinung, dass man selbst schon einigermaßen belesen sein sollte, denn dann kann man im Geist mit Vollmann diskutieren und sich an seinen Kommentaren erfreuen oder - wenn's denn sein soll - auch ärgern.
    Es macht ungeheuer Spaß, dieses Buch zu lesen: Ich habe es verschlungen wie einen Krimi, weil es wirklich ein Reich öffnet und Nebenpfade des eigenen Leseweges aufzeigt. Insgesamt ist es eine wunderbare, auch stilsichere Hommage an die "gehobene" Literatur!
    Den Romannavigator finde ich daneben auch sehr enttäuschend.
    HG
    finsbury

  • Hallo,


    das erste Werk ist außerhalb des gewählten Zeitraums erschienen, mal schauen, ob er dennoch was dazu schreibt. Vorschlag 2 von Verne ist meines Wissens nicht besprochen (habe gerade gestern zufällig die Teile über Verne nachgeschlagen - und er hat nur 20.000 Meilen unter dem Meer und noch ein weiteres Werk aufgenommen), beim dritten Werk bräuchte ich den Autor.


    Gruß, Thomas


    1800-1930 ... habe ich übersehen ... dann ist's mit der erdabgwandten Seite auch nichts :(

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • BigBen: Nenn mir doch drei Werke, dann zitiere ich was er dazu schreibt.


    Danke für das Angebot. Wie wäre es z.B. mit Wilhelm Raabe "Die Chronik der Sperlingsgasse" oder mit Gustave Flaubert "Bouvard und Pécuchet"?

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Wilhelm Raabe debütiert mit der Chronik der Sperlingsgasse, einem kleinen Roman aus dem alten Berlin, vielgerühmt, vor allem in jenen Zeiten, in denen Raabe vorwiegend für Bücher wie Der Hungerpastor als groß galt; Raabe hat später, mit recht, beide Werke nicht mehr gemocht; tatsächlich ist die Chronik, weit entfernt von irgendeiner Verwandschaft mit Jean Paul (den Raabe mochte, aber das ist etwas andres), ein FAtal langweiliges und betulich -sentimentales Buch, allenfalls interessant für schizoide Züge des damaligen Verfassers, die sich hier spiegeln. (Fußnote mit Verweis auf ein Raabe-Buch von Werner Fuld) S. 395


    Flaubert als also bringt das Buch über siene beiden normannischen Biedermänner nicht mehr fertig, Bouvard und Pécuchet (Turgenjew, in einem Brief gleich nach Flauberts Tod an dessen Nichte Caroline: er halte sich ganz zu ihrer Verfügung" bei der Veröffentlichung des Romans der ihn umgebracht hat") - entgegen allem Ruhmgerede ein immer mehr grauenhaft ermüdendes, wenn natürlich auch ohne den Schimmer eines Zweifels ein ungeheuer wichtiges Buch; es ist als ob die Lethargie, die bei den Titelhelden jedem Strohfeuer folgt, das sie entfachen, sich immer tödlicher auch, wie Mehltau, über das Buch selber legt; nicht, als ob nicht Einzelheiten fabelhaft wären, aber das lesende Auge, oder der aufnehmende Geist dahinter, will nicht mehr, es hat ihn und das Auge wie eine Krankheit befallen. S. 555


    Auch wenn ich nicht solch ein Klassikfreund :zwinker: bin, habe ich das Buch von Vollmann mit Faszination gelesen. Mit entsprechend ausgestatteter Klassikerbibliothek in Handgreifweite hätte ich sicher Jahre für dieses Buch gebraucht, da ich immer wieder lesen wollte, was Vollmann denn da so beurteilt. Der Navigator war aber tatsächlich längst nicht so "verführend"


    :winken:
    illy

  • Danke, illy, für die beiden Rezis. Vollmann hat wie es aussieht nicht den gleichen Lesegeschmack wie ich. Das Buch ist wohl nichts für mich.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001


  • Danke, illy, für die beiden Rezis. Vollmann hat wie es aussieht nicht den gleichen Lesegeschmack wie ich. Das Buch ist wohl nichts für mich.


    Scheint wirklich ein Schmidt-Schüler zu sein ;) . Aber ganz unrecht hat er bei Raabes Erstling nicht ... :wegrenn::breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Scheint wirklich ein Schmidt-Schüler zu sein ;) . Aber ganz unrecht hat er bei Raabes Erstling nicht ... :wegrenn::breitgrins:


    Also langweilig kann man die Chronik wohl nicht nennen. :grmpf:

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Also langweilig kann man die Chronik wohl nicht nennen. :grmpf:


    Hm ... nein ... aber "betulich-sentimental". Ich halte es für einen guten Einstieg in Raabe, aber dann unbedingt "Stopfkuchen" und sein Alterswerk! :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Hm ... nein ... aber "betulich-sentimental". Ich halte es für einen guten Einstieg in Raabe, aber dann unbedingt "Stopfkuchen" und sein Alterswerk! :winken:


    Vollmann ist ein Raabe-Liebhaber. Über 20 Werke sind aufgenommen, nur findet er halt nicht alle gleich gut. Irgendwo hat er - wenn ich das richtig erinnere - geschrieben dass Raabe wieder mehr gelesen werden sollte. Ich müsste noch mal raussuchen, bei welchen Werken Raabes er besonders in Schwärmen gerät.


    Bei Balzac werden fast 60 Werke besprochen (und nicht wie ich ursprünglich schrieb "über 20").


    Gestern ist mir ein vollkommen unbekanntes Buch aus dem Jahr 1885 ans Herz gelegt worden. Auf mehr als einer Seite (mit einer langen Fußnote, in der er versucht zu erschließen, was schöne Romane ausmacht) schwärmt Vollmann über Merediths "Diana am Kreuzweg". Ein Buch, welches bei Amazon gar nicht mehr erhältlich ist. Das sind dann so Empfehlungen, die man anderswo nicht findet. Ob sie berechtigt sind, kann ich nicht beurteilen.


    Schöne Grüße,
    Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()

  • Vollmann ist ein Raabe-Liebhaber. Über 20 Werke sind aufgenommen, [...]


    Das sind m.M.n. 16 zu viel :breitgrins: . Neben der "Chronik" (für den Raabe-Anfänger) würde ich (so aus dem Stand) nur noch empfehlen: "Stopfkuchen" (der vielleicht genialste Roman der Weltliteratur!), "Die Akten des Vogelsang" (die "Sperlingsgasse" in der reifen Version) und "Altershausen" (leider unvollendet). Ähnlich wie Dickens wird Raabe mit zunehmendem Alter immer realistischer (und somit auch pessimistischer ;)).


    Diese 4 Werke allerdings gehören m.M.n. in die Elementarbibliothek eines jeden Liebhabers klassischer Literatur.


    Bei Balzac werden fast 60 Werke besprochen (und nicht wie ich ursprünglich schrieb "über 20").


    Das sind nun mindestens 50 zu viel ... ;) Balzac litt bekanntlich an literarischer Diarrhoe und musste ausserdem einen nicht unbeträchtlichen Schuldenberg schreibenderweise abtragen. Ich bin kein Balzac-Spzialist ... Was müsste man gelesen haben? "Père Goriot", "Les contes drolatiques", "La peau de chagrin", "Illusions perdues", eventuell "Splendeurs et misères des courtisanes" (obwohl ich's da nie über die ersten 30 Seiten hinaus geschafft habe ...).


    :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Das sind m.M.n. 16 zu viel :breitgrins: . Neben der "Chronik" (für den Raabe-Anfänger) würde ich (so aus dem Stand) nur noch empfehlen: "Stopfkuchen" (der vielleicht genialste Roman der Weltliteratur!), "Die Akten des Vogelsang" (die "Sperlingsgasse" in der reifen Version) und "Altershausen" (leider unvollendet). Ähnlich wie Dickens wird Raabe mit zunehmendem Alter immer realistischer (und somit auch pessimistischer ;)).


    Diese 4 Werke allerdings gehören m.M.n. in die Elementarbibliothek eines jeden Liebhabers klassischer Literatur.


    Wie gern würde ich sandhofers Literatur-Verführer lesen...


    Gruß, Thomas