Gerd Forster - Die pfälzische Krankheit und andere Geschichten

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  • Gerd Forster - Die pfälzische Krankheit und andere Geschichten


    Das ist nun also mein Kurzgeschichten - Buch für den SLW 2008, hierzu gibt es bei amazon leider kein Bild. Egal es geht auch ohne.


    Klappentext:
    In den fünf Geschichten dieses Bandes, die Szenen von Kafkaesker Beklemmung bis zu slapstickhafter Situationskomik enthalten, kippen früher oder später die Ereignisse, geraten ins Rollen und entwickeln eine zumeist groteske Dynamik.
    Ob sich der Held plötzlich in der Scheinwelt von Filmdreharbeiten wiederfindet ( Der Barockspiegel), ob ein Mann mittleren Alters sich zurückbegibt in die Szenerie seiner Kindheit oder ob dem Publikum ein ins Surreale gesteigertes Klavierkonzert geboten wird: Gerd Forsters Erzählungen führen den Leser in eine Welt jenseits der Alltagsrealität, sie zeigen - wohltuend humorvoll - die Brüchigkeit und Doppelbödigkeit unserer menschlichen Existenz


    wie schon im Klappentext erwähnt, gibt es in diesem Büchlein (88Seiten) 5 Kurzgeschichten, welche man sehr gut mal eben, zwischendurch lesen kann


    Der Barockspiegel
    Die pfälzische Krankheit
    Die Zugabe
    Das letzte Blatt
    Das glühende Knie oder der Aufbruch der Wünsche



    Ich werde hier zu jeder Geschichte eine Rezi einstellen


    Der Barockspiegel
    Wie schon oben erwähnt, gerät bei dieser Geschichte ein Spiegel-Liebhaber , plötzlich in die Scheinwelt von Dreharbeiten, die ausgerechnet in dem Antiquitätenladen, statt finden, in welchem er sich nach einem neuen "alten" Spiegel umsehen möchte.
    Jedoch gibt es für ihn nur eine Chance in den Laden hineinzukommen: Er muß mit in den Film. Also fragt er den Regisseur was denn für eine Szene gedreht werden würde? Erstaunlicherweise handelte es sich um eine Szene, in der ein Mann einen alten Spiegel kaufen möchte, jedoch vom Verkäufer ausversehen einen falschen eingepackt bekommt, (natürlich wird das nicht bemerkt) und eben in diesem falschen Spiegel, sei Heroin versteckt. Der Mann fährt mit dem Spiegel und Taxi davon...
    Er bearbeitet den Regisseur, indem er ihm klar macht das er die Rolle sehr identisch spielen könnte, mit Erfolg und schon kommt er an seine geliebten Spiegel.


    Das Schicksal nimmt seinen Lauf. Die Szene wird gedreht, der Mann steigt ins Taxi und fährt davon - es war allerdings kein Taxi von den Filmleuten.
    Aber anstatt umzudrehen und die Sache aufzuklären, nimmt er, schlechten Gewissens den Spiegel(ohne Heroin-Inhalt) mit.
    Die Zugfahrt war für ihn eine Katastrophe, da er sich die schlimmsten Sachen ausmalt. Kripo, Aktenzeichen X,Y usw. Ich muß jetzt allerdings zitieren, denn der letzte Absatz war so klasse, das ich ihn meiner Tochter laut vorgelesen habe und wir Tränen lachten. :totlach:

    Zitat

    Diese Aussicht schlug mir vehement auf den Bauch, und ich mußte erneut, diesmal zweckgebunden, eine Toilette aufsuchen, wohin ich, da ich allein im Abteil war, das Paket(den Spiegel) widerum mitnahm.
    Und während ich dort saß, erschüttert von den Vibrationen des Zuges und meiner Erregung, packte ich den Schatz aus, von dem ich mich bald trennen mußte und stellte ihn seitlich von mir an die Wand. eine wahrscheinlich einmalige Szene in der Geschichte der Deutschen Bundesbahn: ein kostbarer Barockspiegel und darin, goldgefaßt, ein Mann in einer beschissenen Situation


    Forsters Art zu schreiben, fand ich so erfrischend komisch, das ich doch sehr oft lachen musste. Schade jedoch, das es nicht in Dialekt geschrieben ist.
    Auch bei diesem Buch frage ich mich: Warum hat es so lange gesubt???
    Es ist wirklich sehr schön, witzig und wie oben im Zitat auch mit einem gewissen Hang zur Selbstironie geschrieben, also genau das richtige für mich :bang:

    :biene:liest :lesen: und hört

    07/60

    2116 /25.525 Seiten


    Einmal editiert, zuletzt von Bine1970 ()

  • Hier kommt die 2te Kurzgeschichte


    Die pfälzische Krankheit
    Ein Arzt liest in der Zeitung, von einem früheren Studienkollege, welcher nun Professor und Chefarzt der Tübinger Augenklinik ist.
    Dieser ganze Artikel schmeisst ihn dermaßen aus der Bahn und buggsiert ihn in eine Art Mitlife- Crisis.
    Plötzlich ist er von Selbstzweifel geplagt denn eigentlich wollte er doch ein ganz anderes Leben führen, Karriere machen und nicht als 2 facher Familienvater und Allgemein-Mediziner mit eigener Praxis mitten in der pfälzischen Provinz enden.Total gefrustet ruft er seinen alten Arbeitkollegen an und heult sich bei ihm aus. Die Diagnose des Kollegen lautet pfälzische Krankheit und erklärte ihm dann was er damit meinte.
    Der Allgemeinmediziner ist beruhigt und beschliesst ein Studientreff zu planen,damit er erfährt was aus den anderen Kommilitonen wurde. Er verändert sich daraufhin so drastisch, das seine Frau letztendlich denkt, er habe eine Affäre. Das widerum gefällt ihm so gut, das er gar nicht mehr gefrustet ist, sondern sehr beschwingt, weil seine Ehefrau ihm so etwas noch zutraut. Vergessen ist sein ach so schlecht gelaufenes Leben. Er erklärt ihr alles und der Haussegen hängt wieder gerade



    Die Geschichte kann einen schon ziemlich nahe gehen, denn mal ehrlich, haben wir nicht alle schon solche Gedanken gehabt, was denn in unserem Leben schief gegangen ist?
    Schade fand ich auch hier widerum, dass man nicht erfährt in welcher pfälzischen Provinz er lebte, da aber sein ehemaliger Kollege auf der Sickinger Höhe wohnt, vermute ich mal das die pfälzische Kleinstadt Landstuhl ist.... das ist wirklich Provinz :breitgrins: und ich verstand den Arzt doch etwas.
    Im großen und ganzen fand ich die Geschichte okay, aber nicht so schön geschrieben wie die erste. Mir fehlte hier das Quentchen Ironie, welches in der ersten Geschichte so toll war.

    :biene:liest :lesen: und hört

    07/60

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  • Die 3te Kurzgeschichte


    Die Zugabe


    Die Geschichte fand ich eher so naja :rollen:.
    Es geht hier um ein surrealistisches Klavierkonzert(lt. Klappentext), ein Debütkonzert eines jungen Japaners
    in Deutschland. Leider waren die Gäste des Konzertes anfangs nicht sehr begeistert,so toll fanden sie den jungen Pianisten nicht, trotzdem verlangen sie anstandshalber eine Zugabe.
    Der Japaner ist etwas verwirrt, warum weiß ich nicht,setzt sich aber wieder an den Flügel und spielt. Die Zuhörer rätseln welches Stück der Pianist spielt, aber keiner kommt darauf. Mittlerweile dauert die Zugabe schon so lange, das die Zuhörer ungeduldig werden und manche sich aus dem Saal schleichen. Immer weniger Gäste befinden sich im Saal und diejenigen, welche verblieben sind, rücken immer weiter nach vorne, bis sie letztendlich sogar den Flügel in ihrer Mitte haben. Die Veranstalter, mittlerweile auch genervt von der Länge der Zugabe, schalten das Licht aus, was wohl niemand weiter stört.
    Plötzlich ist es still, das Licht geht wieder an und..... wo ist der Pianist, der eben noch gepielt hat??? Keiner mehr da.
    Ich kann gar nicht sagen was ich bei dieser Geschichte empfunden habe, ich hab sie halt gelesen, bei der Vorstellung, das die Gäste den Saal verlassen musste ich allerdings schon schmunzeln.Aber warum war der Pianist verwirrt, als nach einer Zugabe verlangt wurde? Ist das in Japan nicht üblich?
    Fragen über Fragen.
    Bin ja mal auf die 4te Geschichte gespannt, denn bis jetzt gefiel mir Der Barockspiegel am besten

    :biene:liest :lesen: und hört

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    Einmal editiert, zuletzt von Bine1970 ()

  • Die 4te Kurzgeschichte :klatschen:


    Das letzte Blatt


    Die Geschichte beginnt mit einem Prozeß der schon Tage lang dauert und kein Ende in Sicht ist.
    Die Anklage gegen einen Vermessungsbeamten lautet: Unterlassene Hilfeleistung an dem vom Borkenkäfer befallenen Heimatdichter Maximilian Mayer!


    Ja ihr lest richtig. Ein Heimatdichter ist von einem Borkenkäfer angegriffen und ermordet worden. :entsetzt:
    Nun möchte der Richter herausfinden warum?
    Der Vermessungsbeamte erklärt seine unterlassene Hilfeleistung damit, das er den Dichter kannte und als dieser ihn um Hilfe bat, dachte der Beamte, der Dichter benötige Hilfe bei einer Formulierung und dafür habe er sich nun mal nicht kompetent gefühlt und er ging somit weiter.


    Die Gerichtsverhandlung ist so zum Lachen, da wird von Sabotage gegenüber dem Buchdruck geredet Denn der Borkenkäfer, welcher auf Grund seines Fraßbildes wohl auch Buchdrucker betitelt wird, dezimiere ja den Holzbestand ungemein. :jumpies:
    Ein Exredakteur, welcher der Verhandlung beiwohnt, stellt fest das die gefräßigen Tiere ihr Vernichtungswerk nicht nur auf den Holzbestand, nein sogar auch noch auf die Buchverfasser ausdehnen. :entsetzt: Und hoffentlich bleibt das ein Einzelfall. Ich dachte in dem Moment an eine ganze Serie von Morden an Dichter, Autoren und sonstigen Schreiberlingen :verschwoerung:


    Dann wird da auch noch von Aggressionsmoment geredet. So nach dem Motto, die Borkenkäfer sind sauer auf den Dichter, welcher sich anscheinend in seinem jüngsten Bericht kritisch über die Borkenkäfer ausgelassen hat. :kommmalherfreundchen: boxen


    Mit einem Urteil kann man aber vorerst noch nicht rechnen, da erst mal der Obduktionsbefund erörtert werden muß, vielleicht hat ja der Borkenkäfer eine geheime Botschaft hinterlassen, ihr wisst schon, da das Fraßbild ja oft Buchstaben ähnelt.



    Wißt ihr an wenn ich dachte als ich diese Geschichte las???


    An unseren lieben Bigben ;) Ich denke er hat auch diese ausgeprägte Fantasie. :totlach:
    Man betrachte sich nur einmal seine Geschichte aus Sicht eines Buches Wie kann man nur auf solche Ideen kommen? Niemals würde mir in den Sinn kommen einen Borkenkäfer des Mordes zu verdächtigen. Der Beamte spielte in der Geschichte doch eher eine kleine Nebenrolle und geriet dann sogar gänzlich in Vergessenheit.. Von den bisher gelesenen Kurzgeschichte ist diese bei mir nun auf Platz 1 gelandet und der Barockspiegel auf Platz 2
    Jetzt fehlt nur noch eine:


    Das glühende Knie oder der Aufbruch der Wünsche

    :biene:liest :lesen: und hört

    07/60

    2116 /25.525 Seiten



  • Wißt ihr an wenn ich dachte als ich diese Geschichte las???


    An unseren lieben Bigben ;) Ich denke er hat auch diese ausgeprägte Fantasie. :totlach:


    :redface:

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Das glühende Knie


    Eine blöde Geschichte.
    Ein Mann, Arnold, wurde arbeitslos und lebt nur noch vor sich hin, weiß mit sich nichts mehr anzufangen und seine Frau schreit nur noch mit ihm herum: Arnold tu dies tu das.
    Irgendwann erinnert er sich an früher und an ein Mädchen, welches ihm gegenüber gewohnt hat. Sie hat sich immer an die Hauswand gelehnt und ein Bein angehoben, so dass die Sonne auf ihr Knie schien, deshalb das glühende Knie. Er weiß nicht was aus dem Mädchen wurde, da er etwas älter war als sie und er sie als er aufs Gymnasium ging, aus den Augen verlor
    Plötzlich fertigt er ein Modell von der damaligen Hausfront an. Seine Frau weiß nicht warum er das macht, aber sie freut sich das er sich wieder mit etwas beschäftigt.
    Arnold hofft dass das Mädchen zurück kommt.


    Die Geschichte nimmt auf einmal eine Wende, denn der Mann wird auf einmal zum Kind.
    Ich dachte er träumt. Als ich merkte das er doch nicht träumt, dachte ich: oje der Arme, jetzt hat er auch noch beginnende Alzheimer(hier kam die Altenpflegerin in mir zum Vorschein).
    Doch das war es auch nicht. :confused:
    Die Ehefrau und der Sohn haben keine Ahnung was da passiert, Arnold scheint geschrumpft zu sein, seine Kleider passen ihm auf einmal nicht mehr. Er sucht nach Kleidern von seinem Sohn. Arnold wird zu einem Kind, spielt in der Wohnung Ball und rennt nur herum.


    Seine Frau versucht heraus zu finden was mit Arnold passiert ist und gerät an einen Dr. Schnitzky, welcher ihr erzählt:

    Zitat

    „Das alles hier bei uns, sagt Dr. Schnitzky, geschehe nur deshalb, weil jemand, ein Autor, es irgendwo schreibe. Und was weiterhin geschehen werde, hänge davon ab, wie es geschrieben werde“

    :vogelzeigen:
    Hä, was soll das denn nun sein. Stellt euch mal vor, ihr seit Protagonisten in einem Buch und alles was ihr macht passiert nur, weil es irgendjemand so geplant hat und aufschreibt. :entsetzt:


    Das komische an der Geschichte ist, dass ich früher als ich noch einige Jahre jünger war, so als Teenie, mir vorgestellt habe, Gott und alle Himmelsbewohner sehen alles was ich mache in so einer Art Fernseh, wie eine Dailysoap. Und heute lese ich so eine Geschichte, die genau das wiederspiegelt. Ist ja schon etwas unheimlich. Big Brother ist watching you :hm:



    Von den 5 Geschichten haben mir tatsächlich nur 2 gefallen.
    Der Barockspiegel versprach ja schon sehr viel und ich dachte was ein tolles Buch, viel Witz und Ironie. Von wegen! :grmpf:
    Das war ein raffinierter Autor, die beste Geschichte nach vorne, damit man glaubt wow, dann kommen 2 Naja- Geschichten die vierte noch mal :karotte: und den Rest, kannste vergessen.


    Höchstens 2 Ratten

    :biene:liest :lesen: und hört

    07/60

    2116 /25.525 Seiten


    Einmal editiert, zuletzt von Bine1970 ()


  • Seine Frau versucht heraus zu finden was mit Arnold passiert ist und gerät an einen Dr. Schnitzky, welcher ihr erzählt:

    :vogelzeigen:
    Hä, was soll das denn nun sein. Stellt euch mal vor, ihr seit Protagonisten in einem Buch und alles was ihr macht passiert nur, weil es irgendjemand so geplant hat und aufschreibt. :entsetzt:


    Das gleiche Prinzip hat Jostein Gaarder in Sofies Welt doch auch verwendet, nicht sehr originell ...


  • Das gleiche Prinzip hat Jostein Gaarder in Sofies Welt doch auch verwendet, nicht sehr originell ...


    Fragt sich allerdings wer hat es zu erst benutzt? Von wann ist Sofies Welt?
    Meine Geschichten sind von 1990.
    Hat dir das Prinzip denn gefallen?

    :biene:liest :lesen: und hört

    07/60

    2116 /25.525 Seiten



  • Fragt sich allerdings wer hat es zu erst benutzt? Von wann ist Sofies Welt?
    Meine Geschichten sind von 1990.
    Hat dir das Prinzip denn gefallen?


    Gerade mal nachgesehen, Sofies Welt ist 1991 erstmals erschienen, also dürfte da wohl kein Zusammenhang bestehen. Nein, mich hat dieses Konzept nicht überzeugt, das war der Punkt, an dem ich aus Gaarders Buch im Hinblick auf die Rahmenhandlung endgültig gedanklich ausgestiegen bin. Ich finde die Idee nicht grundsätzlich schlecht und für einen Philosophen sicher eine interessante Frage, aber als Basis für eine Erzählung taugte es meiner Meinung nach nicht (jedenfalls nicht so, wie's gemacht war).


    Schönen Gruß,
    Aldawen