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Inhalt: Susan Barton hat vergeblich ihre verschwundene Tochter in Bahia in Brasilien gesucht. Auf der Rückreise meutert die Mannschaft, erschlägt den Kapitän und setzt Susan, die Geliebte des Kapitäns, mit dessen Leiche in einem kleinen Boot in der Nähe einer Insel aus. Susan schafft es letztlich bis auf die Insel, auf der sie Cruso und Freitag trifft. Letzterer ist verstümmelt: Er hat keine Zunge und kann daher nicht sprechen, allerdings bleibt das ganze Buch über offen, wer, wann und warum ihm das angetan hat. Etwa ein Jahr nach Susans Ankunft auf der Insel werden die drei von einem Kauffahrer „gerettet“, Cruso stirbt jedoch an Bord. Zurück in England müssen Susan und der stumme Freitag sich irgendwie durchschlagen. Susan hofft auf einen Erfolg durch die Veröffentlichung ihrer Geschichte und sucht zum Aufschreiben den Schriftsteller Foe auf. Als dieser vor seinen Gläubigern flüchtet, erzählt Susan zunächst in Briefen an Foe weiter, die sich aber schon bald nicht mehr in erster Linie um das Leben auf der Insel, sondern um jenes in England drehen. Susan hat Freitag mit einem Papier versehen, das ihn zum freigelassenen Sklaven erklärt, aber ihre Versuche, in Bristol ein Schiff zu finden, das ihn nach Afrika bringt (wo Susan seine Heimat sieht), scheitern. Beide kehren nach London zurück, wo sie Foe wiederfinden und wo Susans Geschichte erneut eine andere Form bekommt.
Meine Meinung: Vordergründig könnte man hier eine mögliche Geschichte der Entstehung von Robinson lesen, aber als solcher wäre der Roman einigermaßen blaß und farblos. Man kann ihn aber auch mit der Frage im Hinterkopf lesen, welche Bedeutung die Deutungshoheit über die eigene Geschichte hat, was in der Gegenüberstellung von Susan Barton und Freitag gut gelöst ist. Susan erzählt ihre Geschichte Mr. Foe, der ihren Aufenthalt auf der Insel für sich genommen nicht spektakulär genug zu erzählen findet. Entweder muß Freitag zum Menschenfresser werden oder die Inselgeschichte wird lediglich zu einer Episode in der größeren Geschichte von Susans Suche nach ihrer Tochter in Bahia, ergänzt um eine Mr. Foes Phantasie entspringende „Gegensuche“ von Susan durch ihre Tochter in England. Susan kann zwar kontrollieren, was sie Foe erzählt, aber nicht mehr, was er daraus macht und so gerät sie in einen Strudel, in dem sie selbst zu zweifeln beginnt, was wahr und substantiell an ihrer Geschichte ist und was nicht. Der stumme Freitag wählt notgedrungen einen anderen Weg. Seiner Sprache beraubt kann er seine Geschichte gar nicht erzählen. Nur er weiß um sie, während die Menschen um ihn herum bestenfalls Vermutungen anstellen können, deren Wahrheitsgehalt unüberprüfbar bleibt. Auf ihn wird somit zwar von außen eine Geschichte projiziert, aber diese ist nicht die seine, er behält die Deutungshoheit, die Susan für ihre Geschichte verliert. Dieser Gegensatz zwischen Susan und Freitag läßt sich auch auf das Verhältnis von Kolonisierer und Kolonisierte insgesamt übertragen, woraus es einen zusätzlichen Reiz gewinnt, wenn man mit den Analogien spielt. Coetzee hat dies sehr kunstvoll konstruiert, vielleicht etwas zu kunstvoll, so daß es von dieser übertragenen Ebene ablenkt und trotz des relativ geringen Umfangs das Gefühl von Längen vermittelt.
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Schönen Gruß,
Aldawen