Mark Twain - Ein Yankee aus Connecticut an König Artus' Hof

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  • Mark Twain – Ein Yankee aus Connecticut an König Artus' Hof (erschienen 1889, dt. 1923)


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    Inhalt:
    Der Yankee Hank erhält während einer Schlägerei einen Hieb gegen den Kopf und wird bewusstlos. Als er wieder erwacht, befindet er sich im England des 6. Jahrhunderts. Doch er ergibt sich nicht in sein Schicksal, sondern versucht, das Beste aus der Situation zu machen. Mit Tricks und dem Wissen von 13 Jahrhunderten mehr als seine Widersacher schafft er es, den alten Zauberer Merlin auszustechen, am Hofe König Artus' zum Premierminister zu werden und unglaubliche Abenteuer zu bestehen.


    Meine Meinung:
    Der Protagonist Hank ist ein Charakter, mit dem ich in Wirklichkeit wenig anfangen kann: sehr von sich selbst überzeugt, selbstgefällig und frei von Emotionen. Sein trockener Humor und Sarkasmus bereichern die Geschichte jedoch ungemein.

    Die Reise in die Vergangenheit ist für Twain eher ein Mittel zum Zweck, um seinem Spott über das vielfach romantisierte Rittertum und seiner Kritik am damals vorherrschenden Feudalsystem Ausdruck zu geben. Die Sklaverei, die zu Lebzeiten des Autors in den USA noch immer präsent war, wird ebenfalls thematisiert und ist wahrscheinlich auch als Seitenhieb für seine amerikanischen Mitmenschen zu verstehen. Auch die Obrigkeit und die Kirche werden kritisch hinterfragt und das gesamte Rittertum sowie der legendäre Zauberer Merlin gründlich demontiert.


    Bisweilen gab es Ungereimtheiten, die sich wohl damit entschuldigen lassen, dass wesentliche Vorgänge in den fehlenden Jahren stattgefunden haben müssen, die der Autor durch zwei Zeitsprünge von vier bzw. drei Jahren einfügte. Was ich besonders vermisste, war die Art und Weise, wie Hank die Errungenschaften der Zukunft (Telefon, Strom, Zeitungswesen uvm.) im England des 6. Jahrhunderts einführte. Zeitsprünge eignen sich natürlich sehr gut dazu, wichtige Ereignisse komprimiert oder gar nicht zu beschreiben. Im Mittelteil gab es streckenweise Längen, und das letzte Drittel war zwar einigermaßen spannend zu lesen, aber der Sarkasmus und die Kritik der Missstände ließen spürbar nach, was das Buch etwas in Richtung eines simplen Abenteuerromans abdriften lässt.


    Für mich war dieses Buch ein Experiment. Vom Genre her würde ich es zwischen Abenteuer und Fantasy einordnen, was beides nicht meine bevorzugten Stilrichtungen sind. Der Witz und die gesellschafts- und sozialkritische Komponente gefielen mir dagegen recht gut, meine Wertung daher


    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Edit: Hier geht's zur Leserunde.

    Einmal editiert, zuletzt von Doris ()

  • Hallo zusammen!


    Es ist mir schon in der Leserunde aufgefallen, wie anders diese Geschichte interpretiert werden kann. Ich habe darin vor allem eine Kritik am Yankee gefunden, der sinn- und gefühllos "seine" modernen Errungenschaften dem 6. Jahrhundert oktroyiert.



    ("Seine" in Anführungszeichen, weil er sie ja nicht wirklich selber erfunden hat - selbst dafür wäre er zu doof gewesen ... )


    Schwärzeste Kritik am imperialistisch-kolonialistischen Denken und Umgang des durchschnittlichen (US-amerikanischen) Menschen mit andern Kulturen also ...


    Grüsse


    sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Mark Twain – Ein Yankee aus Connecticut an König Arthus’ Hof


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    OT: A connecticut yankee in King Arthur's court
    OA: 1889
    396 Seiten
    ISBN:3423018801


    Kurzbeschreibung:

    Hank, ein Amerikaner Ende des 19ten Jahrhunderts wird auf unerklärliche Weise in das England des 6ten Jahrhunderts verschlagen und ausgerechnet dort an den Hof von König Arthur. Wie man sich vorstellen kann ist es alles andere als einfach, urplötzlich und unerwartet mit den Lebensumständen von ca. 1300 Jahren vor der eigenen Geburt zurechtzukommen.



    Nach einer kurzen Einleitung von Seiten des Autors beginnt die Geschichte in Form eines Tagebuchs, geschrieben in der 1.Person aus Sicht von Hank. Zuerst werden die alltäglichen Begebenheiten des Lebens am Hofe von König Arthus’ beschrieben. In seiner ironisch, sarkastischen Art beschreibt Twain, das Rittertum nicht gerade von seiner rühmlichen Seite. Die Burschen werden als einfach gestrickt, prahlende Schlägertypen dargestellt, die in ihrem Leben nichts wirklich Sinnvolles tun. Merlin, bekannt als der große weise Zauberer, kommt nicht minder schlecht weg. Er ist ein völlig frustrierter Neidhammel, der alles tut um Hank wieder loszuwerden. Tot oder lebendig, denn von ihm, so befürchtet er zu Recht wird ihm das Wasser abgegraben, da Hank sein größter Konkurrent ist. Hank hat es natürlich auch einfacher, da er mit seinem Wissen Merlin 1300 Jahre voraus ist. Nachdem das Buch eine zeitlang in seinem ironisch, sarkastischen Ton vor sich hinplätschert und die tag täglichen Probleme des Rittertums aufzeigt, wie z.B. das anlegen einer Ritterrüstung und die Probleme der selben, wenn während des Reitens das Hirn unter dem heißen Blech zu kochen beginnt, man keine Chance hat an ein Taschentuch heranzukommen und es nur noch an allen unerreichbaren Ecken und Enden zu jucken beginnt, dann muss man schon des Öfteren schmunzeln. Dann aber, nach der Hälfte des Buches, schlägt urplötzlich dieser heitere unbeschwerte Ton um und auf einmal muss man schlucken. Es geschehen Dinge, die so bedrückend und ergreifend sind, dass es einem fast das Herz zerreißt. Das ist der Moment, wo Twain sehr ernsthaft, jegliche Form von Diktatur, Willkürherrschaft und Obrigkeitshörikeit aufs schärfste verurteilt. Da wird auf einmal sehr stark bewusst, dass es zu damaligen Zeiten nur einem Minimum der Bevölkerung vergönnt war, in angenehmen Umständen zu leben. War man in der falschen Schicht geboren, dann war es völlig unrelevant, wie intelligent und geschickt man war, man hatte keine Chance, weil der Stammbaum nicht kompatibel war. Egal wie dämlich der Adel war, sie saßen an der Macht und am längeren Hebel. Das so oft glorifizierte Rittertum wird sehr in Frage gestellt und Mark Twain macht sich sehr stark für eine demokratische Gesellschaft. Leider muss er am Ende kapitulieren, denn er erkennt nicht, dass den Menschen einfach 1300 Jahre Entwicklung und schmerzliche Erfahrungen fehlten um für diese Form der Regierung bereit zu sein, oder einfach, dass man keinem, seiner eigenen Kultur fremden Volk seine Politik und Rechtssystem aufzwingen kann.
    Ein Buch das unterhaltsam ist, einen herzhaft lachen lässt und gleichzeitig nachdenklich und traurig macht. Eine sehr gelungene Mischung und ein durchaus empfehlenswertes Buch.


    4ratten


    Tina

  • Zum Inhalt ist mal wieder alles gesagt, also beschränke ich mich auf meine persönliche Meinung. Die ist allerdings ziemlich zwiegespalten. Ich mag Mark Twain, ich mag Satire, ich mag Sarkasmus, ich mag Zeitreisen - trotzdem bin ich mit dem Buch nicht recht warm geworden.


    Mark Twain macht sich zum einen über die romantischen Ritterromane seiner Zeit - vor allem von Sir Walter Scott - lustig. Dabei trifft er durchaus häufig ins Schwarze, z.B. als der Hauptcharakter Hank seine Ritterlichkeit beweisen muss und in Rüstung durchs Land zieht, um edle Taten zu verbringen. Die Schilderung der "Annehmlichkeiten" beim Tragen einer Rüstung - schwer, man kann sich nicht kratzen, man kann sich nicht allein an-und ausziehen und muss deshalb in Rüstung äußerst unbequem schlafen - fand ich z.B. sehr amüsant und wahrscheinlich auch zutreffend. Allerdings habe ich mich gefragt, warum die Idee nicht zu Ende gesponnen wurde, da ich mich die ganze Zeit gefragt habe, wie sich der Held eigentlich erleichtert, wenn er die Rüstung nicht mal zum Schlafen runterkriegt. Ansonsten wird die Ritterzeit meistens dadurch parodiert, dass Errungenschaften der Neuzeit durch den Hauptcharakter eingeführt werden, was unterschiedlich gut gelingt und sich leider manchmal wiederholt. Den ersten Ritter mit Werbetafeln fand ich noch lustig, den zweiten und dritten nicht mehr. Dir Vorstellung von einem Haufen Rittern auf Fahrrädern fand ich amüsant, mein Kopfkino dazu war großartig, aber angesichts des Kapitels vorher, in dem trefflich beschrieben wird wie unangenehm so eine Rüstung ist und auch darauf hingewiesen wird, dass man nicht mal allein auf sein Pferd kommt, höchst unglaubwürdig. Wie um aller Welt soll man in Rüstung in die Pedale treten? Nö, da ist mir zuviel nicht stimmig.


    Ähnliche Probleme habe ich ganz allgemein mit der Einführung allerlei Annehmlichkeiten wie z.B. das Telefon und Eisenbahnverkehr innerhalb kürzester Zeit. Die Vorstellung ist zwar ganz lustig, es ist aber unglaubwürdig, denn es wird nie auch nur annährend erläutert, wie diese ganzen Erfindungen im finstersten Mittelalter durchgeführt werden. Ebenso wird eine Zeitung herausgebracht, aber niemand kann lesen. Hmmm.


    Abgesehen davon ist der Hauptcharakter extrem unsympathisch, da er sehr arrogant ist und seine Ansichten und Taten nie in Frage stellt und immer als denen der anderen überlegen ansieht. Am Ende gehen seine ganzen Modernisierungen zwar gründlich in die Hose, aber bis dahin klappt alles wie am Schnürchen. Seine Moral ist äußerst zweifelhaft. Das Amerika des 18. Jahrhunderts wird als Gipfel des aufgeklärten Denkens angepriesen, dabei verhält er sich oft selbst nicht besonders gut und geht mehrfach über (auch gleich mehrere) Leichen und ist damit nicht besser als diejenigen, die er ständig kritisiert.


    Insgesamt erscheint mir das Buch einfach unausgegoren, manche Abschnitte sind witzig, dafür haben andere dann wieder extreme Längen. Die Satire ist mir mit zuviel Hochnäsigkeit gepaart und kommt deshalb nicht wirklich bei mir an. Mark Twain kann das eindeutig besser! Soziale Misstände werden z.B. in Prinz und Bettelknabe deutlich geschickter und weniger von oben herab angesprochen, ebenso wird dort sehr lebhaft gezeigt, dass das romantische Mittelalter für den normalen Bürger äußerst unromantisch war. Man kann natürlich argumentieren, dass der Autor auch das Amerika und den Amerikaner mitsamt seiner Anschauungen (z.B. Thema Sklaverei) persifliert, trotzdem wirkt das Buch auf mich einfach nicht stimmig.


    Auch wenn sich das jetzt ziemlich negativ liest, muss ich auch ehrlich zugeben, dass Mark Twain trotzdem unterhält und wenn auch in diesem Fall nicht wirklich gut, so doch auch nicht wirklich schlecht schreibt. Von daher bleibe ich neutral: 3ratten

    :lesen: Naomi Novik - Uprooted