[Nautik] Jens Bjørneboe – Haie

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    Inhalt: Im Oktober des Jahres 1899 legt die Dreimastbark Neptun mit ihrer Fracht und knapp 30köpfigen Besatzung ab, um über Kap Hoorn und Rio de Janeiro nach Marseille zu segeln. Es wird ihre letzte Reise und berichtet wird vom zweiten Steuermann Peder Jensen, der in Manila erst angeheuert hat. Die Mannschaft ist ein wild zusammengewürftelter Haufen von Nationalitäten, Hautfarben und Typen, die sich bei Jensen, der in Personalunion als Schiffsarzt fungieren muß, gleich mit einer üblen Schlägerei einführen. Er bekommt im Laufe der Reise noch mehrfach Gelegenheit, seine bescheidenen Kenntnisse einzusetzen. Der Kapitän ist ein undurchsichtiger Typ, der erste Steuermann ein religiöser Eiferer und der dritte Steuermann trinkt gerne einen zuviel und hat eine sadistische Ader, die er aber natürlich nur garantiert Schwächeren gegenüber auslebt. Er riskiert das erste Mal Befehlsverweigerung durch die Mannschaft, als er den Decksjungen Pat zur Großroyalrah schickt, der völlig paralysiert nicht mehr herunterkommt, und den einige Mannschaftsmitglieder deshalb holen wollen, was der dritte Steuermann nicht erlaubt. Jensen mischt sich zugunsten des Jungen ein, was ihm aber keine Sympathien vor dem Mast einbringt, dafür adoptiert ihn der Junge quasi als Vater. Davon und weiteren Schlägereien abgesehen, verläuft die Fahrt zunächst ruhig, der Wind steht gut, aber gerade auch wegen dieser Langeweile braut sich im Vorschiff die Gewalttätigkeit und Brutalität mit neuem Ziel zusammen: Meuterei. Da der erste Offizier inzwischen in einem alttestamentarischen Predigerwahn über Bord gegangen ist, müssen die drei verbliebenen Offiziere die Attacken abwehren, was ihnen allerdings mit einigen Verletzungen auf allen Seiten auch gelingt. Ein aufkommender Taifun zwingt die widerstrebende Besatzung noch einmal unter die Befehlsgewalt, weil anders Rettung völlig unmöglich wird.



    Meine Meinung: Im Grunde laufen hier mehrere Dinge parallel. Da ist zum einen die oben geschilderte Hauptgeschichte der letzten Reise der Neptun, mit allem, was ein Seefahrtsroman braucht: eine zusammengewürfelte Mannschaft, Offiziere mit einer merkwürdigen Berufsauffassung, Langeweile, eine Meuterei, ein ausgewachsener Taifun. Alles, was direkt damit zusammenhängt, ist einfach spannend und obwohl ich mittlerweile einiges an solcher Literatur gelesen habe, fesselt mich dergleichen immer noch.


    Dann gibt es aber „die anderen Kapitel“, in denen Bjørneboe wahlweise Kritik an sozialen Zuständen (vor allem in London um 1900) oder pseudophilosophische Betrachtungen einstreut. Nicht nur, daß diese schlecht in den Kontext eingebettet sind und als Fremdkörper wirken (das hätte man durchaus eleganter lösen können), vor allem letztere sind auch noch inhaltlich merkwürdig bis zweifelhaft und wahrscheinlich nur aus Bjørneboes Biographie zu erklären. Als letztes Kapitel oder Anhang kommen dann noch einige biologische Ausführungen zu den Haien, ein Abschnitt mit ähnlich verunglückter Rolle wie die erwähnten Einschübe – abgesehen davon, daß Haie (im echten wie übertragenen Sinn) auch in der Geschichte eine Funktion haben. Vor diesem Hintergrund ist auch erklärlich, daß die Personen eher als Archetypen gezeichnet sind und bis auf den Decksjungen Pat keine sichtbare Entwicklung durchmachen. All dies hat mein Vergnügen an dieser abenteuerlichen Geschichte aber nur bedingt geschmälert, daher trotzdem


    4ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()