Karen Cheng: Anatomie der Buchstaben. 232 Seiten. 68 EUR.
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Als passionierte Leser sind wir alle tagtäglich mit Schrift konfrontiert. Nur selten macht man sich Gedanken, warum sich so manche Schrift besser lesen lässt als eine andere. Zudem sitzt man dem Vorurteil auf, dass der Entwurf eines Buchstabens eine recht triviale Angelegenheit ist (vor allem wenn es sich um serifenlose Buchstaben handelt). Weit gefehlt.
Das in den USA 2006 erschienene Buch ist als Grundlagenwerk für Schriftdesigner erschienen. Auf jeweils einer Doppelseite werden die Charakteristika einer bestimmten Buchstabengruppe deutlich gemacht. Der Text umfasst zwar nur wenige Absätze, konzentriert sich auf Wesentliches und lässt hervorragende Abbildungen sprechen, die die Merkmale der Buchstaben deutlich machen. Wie viele Geheimnisse in den uns täglich begegnenden Buchstaben liegen, ist unglaublich. So besteht das X nicht einfach aus zwei Diagonalen, sondern die eine Diagonale wird am Schnittpunkt versetzt weiter geführt, da es andernfalls zu einer optischen Täuschung käme. Bei starker Vergrößerung sieht man diesen Effekt sofort. Man erfährt, dass der mittlere Arm des E nicht in der mathematischen Mitte sitzt, sondern in der Regel 3% höher. Beim F jedoch sitzt dieser Arm wieder etwas tiefer, um den größeren unteren Weißraum auszugleichen. Die Ziele einer Schrift werden immer wieder verdeutlicht, es geht um die Erzeugung gleichmäßiger Grauwerte auf dem Papier, was der Lesbarkeit zu Gute kommt. Dann erfährt man, dass die Strichstärke bei Kleinbuchstaben geringer ist als bei den Großbuchstaben. Ein unendlicher Fundus tut sich auf.
Neben den serifenbetonten Schriften werden in einem Kapitel die serifenlosen Schriften dargestellt. Anschließend werden noch die Ziffern behandelt und es wird erläutert, warum eine moderne Schrift mindestens vier unterschiedliche Ziffernsätze im Schriftsatz enthält. Die Sonderzeichen wie Satzzeichen und Accents werden ebenso behandelt wie das deutsche ß. Wer wollte nicht immer schon einmal wissen, ob der i-Punkt genauso groß ist wie der Satzabschluss-Punkt? Und dann gibt es noch die sogenannten Trema-Punkte in einigen Fremdsprachen (z.B. zwei nebeneinander stehende Punkte über dem A).
Dieses Buch wurde 2006 als eines der schönsten deutschen Bücher ausgewählt. Vollkommen zurecht. Der Einband besteht aus einem sehr festen Leineneinband, der das Schutzumschlagbild wiederholt. Die Seiten selber sind ruhig und klar gestaltet, es ist eine Augenweide, in diesem Buch zu blättern.
Ich bin kein Schriftgestalter, dieses Buch enthält also für mich herrlich "nutzloses" Wissen. Da sich das Buch aber nie in allzu vielen Details verliert, ist es gerade für einen Schriftliebhaber (ich bin es, seitdem ich mich länger damit auseinander gesetzt habe, ob ich eine wissenschaftliche Arbeit in Word oder LaTeX erstellen sollte) ein wunderschönes Kompendium.
Bei dieser Gelegenheit habe ich in ein weiteres Buch, welches sein Dasein in meinem Bücherschrank fristet, mal wieder reingeschaut.
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Axel Bertram: Das wohltemperierte Alphabet
Auf jeder Doppelseite wird links ein historischer Schriftgestalter im Wort vorgestellt. Rechts sind einzelne Teile seiner Schrift abgebildet. Von diesem Buch bin ich jedoch enttäuscht. Die Abbildungen halte ich für nicht aussagekräftig genug. Es wird nicht richtig deutlich, worin die Leistung des Gestalters zu finden ist. Auch im Text wird kaum darauf eingegangen.
Schöne Grüße,
Thomas