Maggie O'Farrell - Die Frau, die es nicht gab

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 3.586 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Curly.

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    Maggie O’Farrell – Die Frau, die es nicht gab


    Inhalt: (Klappentext)


    Iris Lockhart ist eine unabhängige junge Frau, die mir beiden Beinen im Leben steht. Nichts deutet darauf hin, dass ein dunkles Familiengeheimnis ihren Alltag erschüttern könnte. Bis Iris in einem Brief aufgefordert wird, ihre Großtante Esme Lennox aus einer psychiatrischen Anstalt abzuholen, da das Haus geschlossen wird. Iris hat jedoch keine Großtante – erst recht keine, die seit über 60 Jahren wie eine Gefangene lebt. Aber das vermeintliche Missverständnis entpuppt sich bald als erster Hinweis auf ein Familiendrama, das im Edinburgh der 30er Jahre begann.


    Die Autorin:


    1972 in Nordirland geboren, aufgewachsen in Wales und Schottland. Lebt heute in London. Die Frau, die es nicht gab ist ihr vierter Roman.


    Meine Meinung:


    Als ich anfing zu lesen dachte ich zuerst, ein Chick-Lit Buch erwischt zu haben und wollte es schon wieder weglegen. Aber es kam ganz anders, als zum ersten Mal von Esme die Rede war.


    Von Esme erfährt man in Rückblicken die Geschichte ihrer Kindheit und Jugend, ihres Lebens, bevor sie in die psychiatrische Anstalt eingewiesen wurde. Eine Frau, die weder als Kind noch als Heranwachsende, noch als Erwachsene, Liebe erfahren hat, die immer nur zurückgewiesen oder ausgenutzt wurde wegen ihres Benehmens, wegen ihres Drangs nach Freiheit, nach einem Leben jenseits der Konventionen, nach einem Leben, das nicht fremdbestimmt ist. Und die Konventionen, in denen sie aufwuchs, aufwachsen musste, zerstörten letztendlich ihr Leben.


    Esme hat für ihren Drang nach Freiheit, für ihr Anderssein entsetzlich gebüßt – sie wird von ihrer Familie in die psychiatrische Anstalt eingewiesen und dort mit Absicht vergessen, wird aus der Familiengeschichte getilgt, so dass schließlich niemand mehr weiß, dass es sie je gab, und noch gibt. Und außer einem Leben in Freiheit verliert sie noch viel mehr ...


    Ihr gegenüber steht Iris, eine moderne junge Frau, die ihr Leben so gestaltet, wie sie möchte. Auch ihre Geschichte wird erzählt, für meinen Geschmack allerdings etwas zu detailliert. Bei vielen Einzelheiten habe ich mich gefragt, was das wohl mit der Entwicklung des Romans zu tun hat. Und habe keine Antwort gefunden.


    Fasziniert hat mich die wechselnde Perspektive, aus der Esmes Leben erzählt wird – anfangs von ihr selbst, dann immer wieder und immer mehr von Kitty, ihrer älteren Schwester, die an Alzheimer erkrankt ist und in einem Heim lebt. Man bekommt Einblick in das Denken und das Verhalten der beiden Frauen und hat manchmal den Eindruck, als Leser direkt in ihren Köpfen zu sitzen, so nah befindet man sich.


    Allein die Vorstellung, dass jemand sein ganzes Leben in einer psychiatrischen Anstalt verbringen muss, nicht weil er krank ist, sondern weil er seiner Familie im Weg ist, weil er sich nicht anpassen will, weil die Familie bestimmte Verhaltensweisen nicht verstehen kann oder will, hat mir während des Lesens eine Gänsehaut verursacht. Aber ganz offensichtlich war das bis in die 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts in Groß-Britannien (und vielleicht auch anderswo) genau so möglich. Die Autorin bringt das auch in ihren Roman ein, als Iris in den alten Anstaltsakten nach Informationen über ihre Großtante sucht und dort seitenweise Einträge findet über Frauen, die von ihrer Familie / ihrem Ehemann / ihrem Vater eingewiesen wurden, weil sie ihre ehelichen Pflichten verweigern, mit einem Freund durchbrennen, ihren Haushalt vernachlässigen, stundenlange Spaziergänge unternehmen und ähnliches. Dies wird im Buch zwar nur auf etwa 4 Seiten erzählt, hat bei mir jedoch einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Verbunden mit der Hoffnung, dass derlei Praktiken absolut der Vergangenheit angehören.


    Fazit:


    Ein interessantes Buch, das anfangs sehr leicht daherkommt, dann aber in zunehmendem Maße beklemmend wird, was sich bis zur letzten Seite steigert. Sicher nicht mein letztes Buch dieser Autorin.


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    [size=6pt]edit: Ratten nachgereicht[/size]

    Einmal editiert, zuletzt von Auelie ()

  • Hallo!


    Über diese Rezi habe ich mich besonders gefreut :klatschen: Ich habe die englische Ausgabe "The vanishing act of Esme Lennox" im Urlaub gekauft, weil mich der Klappentext sehr angesprochen hat. Es war mein erster Spontankauf seit langer Zeit und jetzt freue ich mich umso mehr aufs Lesen.


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Hallo!


    Wie schon gesagt habe ich das Buch auf englisch gelesen:

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    Meine Meinung
    Esme Lennox ist nicht verschwunden sondern wurde radikal aus ihrer Familie verbannt und niemand redete mehr über sie. Von daher trifft der deutsche Titel trifft den Inhalt fast noch besser als der englische. Der Grund, warum Esme "verschwand" ist aus ihrer Sicht erschreckend. Die Erinnungen Esmes an die Vorfälle vor ihrer Einweisung legen die Erklärung nah, dass die Eltern nicht mehr mit der sehr lebhaften jungen Frau, die so gar nicht mit dem Frauenbild ihrer Zeit überein gestimmt hat, nicht mehr zurechtkamen und sie deshalb abschoben. Natürlich gibt es noch die Seite der Familie, doch da dieser Teil des Buchs aus Esmes Sicht geschrieben ist kann ich nicht beurteilen, wie schwer sich die Eltern ihre Entscheidung letztendlich gemacht haben.


    Was jedoch schnell klar wird: Esme Lennox ist eine sehr intelligente junge Frau, die auch hinter die Dinge sieht und mit ihrer Meinung nicht hinterm Berg hält. In der Anstalt muss sie lernen den Mund zu halten und sich zumindest äußerlich anzupassen. Aber hinter der Fassade der gefühgigen Patientin brodelt es. Auch ihre Nichte Iris kann nicht hinter die Fassade sehen. Für sie ist Esme nur die Frau, der man unrecht getan hat und das tiefe Mitleid mit ihr und die eigenen Probleme machen sie blind für die Katastrophe auf die die Situation zusteuert....


    Auch für mich wird es nicht das letzte Buch dieser Autorin gewesen sein, es bekommt von mir
    4ratten


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Das hört sich doch mal wirklich gut an! Das Buch muß ich mir gleich auf meiner Wunschliste notieren.


    Ich habe von Maggie O'Farrell vor ewig langer Zeit das Buch "Seit du fort bist" gelesen und fand es damals total klasse. Vielleicht sollte ich mal einen Reread wagen und euch das Buch dann vorstellen :zwinker:


    LG Curly

    :lesen: Die Blutlinie - Cody McFadyen

  • Hallo!


    Ich habe von Maggie O'Farrell vor ewig langer Zeit das Buch "Seit du fort bist" gelesen und fand es damals total klasse. Vielleicht sollte ich mal einen Reread wagen und euch das Buch dann vorstellen :zwinker:


    Oh ja, bitte :klatschen: Bei meinem stetig schrumpfenden SUB bin ich für jede Anregung dankbar- vor allem bei einer Autorin mit der ich schon gute Erfahrungen gemacht habe.


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Kirsten
    Oh je, da hab ich was gesagt :ohnmacht::breitgrins:
    Dieses Jahr wird es aber definitiv nichts mehr, ich hoffe das ist nicht schlimm! Ich tu was ich kann :zwinker:


    LG Curly

    :lesen: Die Blutlinie - Cody McFadyen

  • Die Frau, die es nicht gab


    Wenn ein Klappentext etwas von lange zurückliegenden Familiengeheimnissen und deren Aufdeckung durch eine spätere Generation verspricht, ist das Buch schon auf dem besten Weg, in mein Regal zu wandern. „Die Frau, die es nicht gab“ bietet genau die gewünschten Schlagwörter, auf die ich reagiere und wurde mir von meinem lieben Wichtel zum letzten Weihnachten geschenkt.


    Der Stil ist gewöhnungsbedürftig, zwischen den realen Geschehnissen taucht man immer wieder in die Vergangenheit von Esme und Kitty ab, in Szenen, die zusammenhanglos von einem verwirrten Geist abgespult werden und aus denen man sich langsam sein eigenes Bild macht, von dem, was damals wirklich geschah.


    Erschreckend ist natürlich bereits die Vorstellung, dass jemand sein ganzes Leben in einer Anstalt verbracht hat. Ich hätte nie vermutet, dass ein solches Wegsperren nicht nur im 19., sondern durchaus noch im 20. Jahrhundert möglich war. Dass Esme keine Gefahr für die Allgemeinheit war, vermutet man von Beginn an, aber wenn man dann im Laufe der Seiten erfahrt, was wirklich zu Ihrer Einweisung geführt hat, wird das Entsetzen darüber noch größer. Sie hätte Hilfe benötigt und nicht, dass man sie einfach wegsperrt und dann vergisst. Das Buch endet bedrückend, für manche Dinge gibt es keine Lösung und Esme bekommt ganz einfach nur mein volles Mitgefühl.


    4ratten

  • Meine Meinung:


    Das Wichtigste wurde schon gesagt, ich kann meinen Vorrednern eigentlich nur zustimmen. Auch mich hat schockiert, wie rigoros man zu der Zeit einfach weggesperrt werden konnte, nur weil man nicht in das "Schema F" gepaßt hat, was zu dieser Zeit wohl üblich war. Vor allem die Vorstellung, 60 Jahre grundlos eingesperrt zu sein, finde ich einfach nur entsetzlich.


    Die Erzählweise von Maggie O'Farrell ist etwas sprunghaft, man muß ziemlich aufpassen, aber genau das gefällt mir an ihrem Stil sehr gut. So gibt es kaum eine Chance, dass gewisse Längen auftreten.


    Den Schluß fand ich allerdings etwas verwirrend, ich weiß ehrlich gesagt nicht so wirklich, was da jetzt genau passiert ist :redface: ...Wenn mir das jemand erklären könnte, entweder hier verspoilert und per PM, wäre ich sehr dankbar :zwinker:


    4ratten


    LG Curly

    :lesen: Die Blutlinie - Cody McFadyen