Tschingis Aitmatow - Die Richtstatt

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    Ich habe die gebundene Ausgabe von 1988 des Verlags Volk und Welt in der dritten Auflage gelesen.


    Tschingis Aitmatow – Die Richtstatt


    Dieses Buch entlieh ich der Bibliothek meines Großvaters, mal wieder auf der Suche nach interessantem Lesestoff. Als ich das Buch öffnete offenbarte sich mir ein vergessener Schatz. Denn innen fand ich eine 20 Jahre alte mir bereits entfallene Widmung, die ich geschrieben habe zum Geburtstag meines Großvaters. Unter diesen Voraussetzungen begann ich das Buch zu lesen (eine Übersetzung aus dem Russischen von Charlotte Kossuth). Doch welch mühsamer Einstieg erwartete mich auf den ersten 50 Seiten, in welchen der Autor den Leser auf das Werk vorbereitete. Die Figuren erhielten ein Gesicht, und die Seiten gestalteten sich mit einer langsam Fahrt aufnehmenden Geschichte, die bald durch eine hohe Spannung und Dramatik zu einem plötzlichen Ende führte.


    Die Wölfin Akbara ist in froher Erwartung und genießt mit ihrem Wolf die ersten warmen Sonnenstrahlen an einem kalten Wintertag vor ihrer Höhle. Doch die Ruhe wird gestört durch den betäubenden Lärm eines Hubschraubers, der so plötzlich hinter dem Berg hervorkam. Ängstlich kauern sich die Wölfe aneinander und werden diesen unbekannten Eindringling nicht vergessen, auch wenn dieser längst verschwunden ist. Der Leser begleitet die Wölfe ein Stück ihres Lebens, beobachtet die Geburt und das Größerwerden der Wolfsjungen und macht eine interessante aber gleichzeitig auch erschreckende Begegnung mit einem nackten Menschen. Dieses Erlebnis bereits wieder vergessend, zieht die Wolfsfamilie auf ihren ersten gemeinsamen Jagdzug, der jedoch in einem verhängnisvollen Massaker endet. Hier wendet sich der Blick des Lesers zu einer anderen Figur, zu Awdi Kalistratow.


    Awdi Kalistratow ist ein junger Moskauer Mann, der früh seine Mutter verliert und dann allein mit seinem Vater, dem örtlichen Priester aufwächst. Nach der Abschluss der Schule tritt Awdi in das Priesterseminar ein, um die Fußstapfen seines Vaters zu füllen. Nach dessen Tod lebt Awdi allein in der kleinen Wohnung und muss diese aber bald aus finanziellen Gründen aufgeben. Zu seinem weiteren Leid trennt sich das Seminar von ihm, als er, trotz bester Noten und großer Erwartungen seiner Lehrer, mit seinen „ketzerischen“ Fragen und Disputen Missfallen erregt und nicht bereit ist seine Äußerungen zurückzunehmen. Awdi wird freier Journalist für ein Jugendblatt und begibt sich zu Recherchezwecken auf die gefahrvolle Reise in die Mujunkun – eine Steppe Kasachstans in der wilder Hanf wächst und beliebt bei jungen Haschjägern ist. Awdis Erlebnisse mit den Haschjägern, die er unter vorgetäuschten Beweggründen begleitet, werden ihm zum Verhängnis. Der Leser erfährt wer der nackte Mann war, dem die Wölfe begegneten. Und welches tragische Schicksal den Wölfen bei ihrem zweiten Wurf ereilt.


    Im letzten Drittel des Buches zeigt der Autor das schwere Leben der kasachischen Schäfer. Insbesondere deren Beziehungen zueinander und die Einstellung Einzelner zum sozialistischen System. Der Autor spricht sehr offen die Missstände an und nutzt dabei sehr geschickt die Figuren zweier verfeindeter Schäfer, der eine ehrgeizig, fleißig und strebsam und der andere faul, versoffen und intrigant.


    Interessant ist die Verstrickung der jeweiligen Handlungsstränge miteinander, und traurig das Schicksal jedes Einzelnen. Dem Autor gelingt dies durch überzeugende Portraits und mitreißende Ereignisse. Die Sprache ist leider durch die Übersetzung nicht ganz gelungen, teilweise etwas holprig und an manchen Stellen fast schon als zäh zu bezeichnen.


    Aus heutiger Sicht betrachtet ist das Buch ein sehr sozialkritisches Werk, zu einer Zeit erschienen, in der oder besser bevor der eigentliche Umbruch erfolgte. Die Lektüre war für mich sehr aufschlussreich, auch wenn das Lesen doch etwas anstrengend war.


    3ratten


    Emoticon aus Threadtitel entfernt. LG, Valentine

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