Orhan Pamuk - Rot ist mein Name

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  • Hallo!


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    Neun Tage in Istanbul 1591, die große Stadt ist eingeschneit. Ein Ermordeter erzählt, wie er in einen Brunnen gestürzt wurde: "... niemand weiß, was mir geschah, nur mein ruchloser Mörder. Der aber, widerlicher Schuft, hat auf meinen Atem gehorcht und mir den Puls gefühlt, um sicherzugehen, daß ich wirklich tot war, dann hat er mir einen Tritt in die Weiche versetzt, mich zum Brunnen geschleppt, hochgezerrt und hineinfallen lassen." Der Tote aus dem Brunnen kennt nicht nur den Mörder, sondern, so glaubt er, auch dessen Motiv. Es gebe eine Verschwörung gegen das ganze Osmanische Reich, seine Religion, seine Kultur. Mitten in diesen politischen Verwicklungen stecken die Maler der Buchminiaturen, zu denen auch der Tote gehört. Im Auftrag des Sultans sollen sie zehn Buchblätter bemalen, die für den Dogen in Venedig gedacht sind und ihm die Macht und Pracht der osmanischen Herrschaft zeigen sollen. Doch im Islam sind Bilder nicht erlaubt, und die Einführung der Zentralperspektive gilt gar als Gotteslästerung. Andere Geschichten mischen sich in den Verschwörungskrimi ein: Ein Liebender schildert sein zwölf Jahre dauerndes Warten auf die schöne Seküre; deren Vater berichtet von einer gefährlichen und geheimen Mission ins Abendland; und die Maler sprechen - einer heißt Olive, einer Storch, einer Schmetterling. Sogar Tiere und Farben auf den zehn Bildern fangen an zu reden, der Hund, das Pferd, das Rot. Und natürlich auch jener, der von sich sagt: "Sie werden mich Mörder nennen". Die vielen verschiedenen Stimmen vernetzen und verweben sich gleichermaßen zum orientalischen Märchen, zur Detektiv- und Liebesgeschichte und als Ganzes zum modernen Roman.


    [hr]


    Teilnehmer


    stefanie_j_h
    Saltanah
    nikki
    Sunny
    Kathrin89
    finsbury (unsicher)
    spatz
    Yennefer


    [hr]


    Eine kurze Bitte: Damit das ein bisschen angenehmer zu lesen ist, postet erst, wenn ihr angefangen habt. Die Beiträge "Buch liegt bereit, ich fange heute Abend an" ziehen das ganze immer so sehr in die Länge.


    Interessant für Leserunden-Neulinge ist sicherlich die Leserunden-FAQ. Dort findet ihr auch Informationen z.B. zu Spoilern etc.


    Viel Spaß, fairy

    [size=9px]&quot;I can believe anything, provided that it is quite incredible.&quot;<br />~&quot;The picture of Dorian Gray&quot;by Oscar Wilde~<br /><br />:leserin: <br />Henry Fielding - Tom Jones<br /><br />Tad Williams - The Dragonbone Chair<br /><br />Mark Twai

  • Hallo allerseits,


    auf geht's mit Pamuks Schinken "Rot ist mein Name". Ganz schön schwer, meine schwedische, gebundene Ausgabe. Zu schwer, um sie auf dem Rücken liegend im Bett zu lesen, musste ich heute nacht feststellen. Mein Magen protestierte gegen das Gewicht schon nach wenigen Sätzen :smile: .


    Wenn das Buch aber auch schwer zu halten sein mag, erschien mir das der Inhalt des ersten Kapitels doch leichter als erwartet. Erzählt wird aus einer ungewöhnlichen Perspektive - ein Toter beklagt sich darüber, dass er hinterrücks ermordet wurde! Das macht gespannt darauf, wie sich die Geschichte weiter entwickeln wird.


    Ein Problem sehe ich allerdings deutlich vor mir: wie sollen wir uns gegenseitig klar machen, wie weit wir gerade sind, auf welche Kapitel wir uns beziehen. Zumindest in meiner schwedischen Übersetzung sind die Kapitel nicht nummeriert und ein kurzes Blättern zeigte mir, dass die Kapitelüberschriften auch nicht weiter helfen, da sie sich immer wieder wiederholen.
    "Ich bin ..." scheinen sie alle zu lauten und so anzugeben, wer da gerade erzählt und da manche Protagonisten immer wieder erzählen...
    Wahrscheinlich ist es am hilfreichsten, immer die aktuelle und die Gesamtseitenzahl anzugeben, die bei mir 480 beträgt und in den deutschen Ausgaben, sagt Amazon ca. 100 Seiten mehr. Also so etwa: auf S. 9/480 beklagt sich der Miniaturenmaler Elegant Efendi über seine Ermordung.


    EDIT: Habe im Vorschlagsthread gerade dies gelesen:


    Meine Ausgabe ist in 59 Kapitel unterteilt und dazu hat jedes Kapitel seine eigene Überschrift.


    Schön, das erleichtert die Sache ja enorm! Ich gehe dann gleich mal meine Kapitel durchnummerieren. (Hoffentlich komme ich auch auf 59.)


    Viel Spaß uns allen,
    Saltanah

    Wir sind irre, also lesen wir!

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()

  • Hallo an alle zusammen :winken:


    Saltanah:
    Ich hoffe, dass es dir ein bißchen hilft mit der Numerierung. Ich hatte vorher noch gar nicht bemerkt, dass sich die Überschriften teilweise wiederholen.


    Meine Ausgabe ist handlicher, ich habe die Taschenbuchausgabe, die sich notfalls auch auf dem Rücken liegend im Bett lesen lassen würde, wobei das eine Position ist, die ich nie einnehme :breitgrins:


    Ich finde die Perspektive des ersten Kapitels auch ungewöhnlich, anfangs dachte ich, der Erzähler könne noch gar nicht tot sein, er sei wahrscheinlich nur schwer verletzt...
    Der Schreibstil gefällt mir, es lässt sich flüssig lesen, nur bei den arabischen Begriffen muss ich innehalten, das wird für mich wahrscheinlich eine Leserunde bei der ich oft googeln muss.
    Ich habe schon mal damit angefangen:


    Glossar


    Ansonsten bin ich jetzt schon gespannt auf das Motiv des Mordes, da der Tote ja eine Verschwörung gegen den Islam andeutet.

    Einmal editiert, zuletzt von Struppi ()

  • Hallo ihr Lieben,


    ich lese die Ausgabe der Süddeutschen Zeitung und habe mir für jedes Kapitel die handelnde bzw. denkende Person notiert. Das dürfte die Kommunikation ebenfalls erleichtern.


    Gelesen habe ich bis Kapitel 5 und bin bisher recht angetan. Wie schon in der Kurzbeschreibung erwähnt schildert sich die Geschichte Kapitel für Kapitel aus Sicht einer anderen Person. Sehr interessant. Und jede Geschichte ist durch ein kleines kurzes rotes Fädchen mit der vorherigen verbunden und setzt die Gesamtgeschichte doch fort, Motive werden wieder aufgenommen. Es kommt mir vor wie ein zartes Gewebe oder eine Komposition und ich bewundere Herrn Pamuk für diese Idee und die damit verbundenen Mühen.


    1. Toter: Ich finde es einen recht interessanten Gedanken, einen Toten sich um seine Nachkommen grämen zu lassen. Und ganz nebenbei beginne ich hier schon Stück für Stück etwas über den islamischen Glauben zu lernen.


    2. Erzähler (Kara?): Pamuk führt zurück in die Vergangenheit und macht den Leser mit Istanbul vertraut. Die Passage über die Geliebte fand ich anrührend und ich hoffe, mehr darüber zu erfahren.


    3. Hund: Geschichte des Predigers. Wie kommt es, dass die Menschen sich so gerne beschimpfen lassen, wenn man, wie Pamuk scheibt, damit mehr Geld verdienen kann?


    4. Mörder: Das war das für mich bisher beste Kapitel, allein die Idee, Täter und Mörder sprechen zu lassen finde ich klasse. Man kann die Entwicklung des Mörders nachvollziehen, von der Tat zum Begreifen zum Rechtfertigen und doch schuldig fühlen. Den letzten Satz empfand ich ein wenig ironisch.


    5. Oheim: Kara taucht als Besucher auf und ich schließe deshalb darauf, dass er der Erzähler des 2. Kapitels war.


    Pamuk springt zwischen manchen Kapiteln in der Zeit. Meiner Meinung nach macht er dies sehr geschickt, ich habe mich bisher jedenfalls noch nicht verzettelt.


    Bisher gefällt es mir ausnehmend gut, das Buch, und ich werde es nicht durchhechten um mehr davon zu haben.


    Struppi
    Danke für das Glossar. Ich überlese solche Dinge immer recht schnell und wäre ohne deinen Hinweis nicht auf die Idee gekommen, mal nachzuschauen.

  • Hallo zusammen!


    Ich lese die Fischer-Taschenbuchausgabe, die auch in 59 Kapitel unterteilt ist und habe die ersten Vier nun gelesen (Ich bin tot; Mein name ist Kara; Ich, der Hund; Sie werden mich Mörder nennen). Inzwischen kann ich auch meinen Freund verstehen, der das Buch vor ca. 3 Wochen gelesen hat und für mich während dieser Zeit nicht wirklich ansprechbar war. Ich bin wirklich sehr angetan! Das erste Kapitel gefiel mir besonders gut, wo uns - Saltanah, in der deutschen Ausgabe heißt der Herr komischerweise Fein Effendi - von seiner Ermordung berichtet wird. Das macht es wirklich von Anfang an spannend. Ein ganz geschickter Schachzug Pamuk's ist es auch, eine große Verschwörung hinter dem Mord anzudeuten.
    Gefallen hat mir auch die Geschichte des Hundes, wo der im Kap.2 erwähnte Hodscha Nusret ziemlich verhöhnt wird.


    @Spatz, wo hast Du herausgelesen, dass sich die Leute beschimpfen lassen, um mehr Geld damit zu verdienen? Vielleicht habe ich es überlesen, aber ich habe das so verstanden, dass der Hodscha all die Katastrophen und Kriege darauf zurückführt, dass sich die Menschen vom "wahren" Islam abgewendet haben und er sie in seinen Predigten deshalb rügt und das Fürchten lehrt, um sie zum wahren Glauben zurück zu bringen. Sie stimmen ihm zu und lassen das mit sich geschehen, weil er ein so gewaltiger Redner ist und den Menschen in solchen Situationen oft das eigenständige Denken versagt. Ausserdem bekommen sie dadurch vielleicht auch das Gefühl, einen Beitrag aus der vermeintlichen Misere leisten zu können. Vielleicht???


    Struppi, danke für den Link! Ich habe das Gefühl, wir werden auch einiges lernen in diesem Buch :smile:


    Auf alle Fälle freue ich mich schon sehr auf unseren Meinungsaustausch!


    Liebe Grüße
    nikki

    Ich lese gerade:<br />Lion Feuchtwanger - Der jüdische Krieg

    Einmal editiert, zuletzt von nikki ()

  • Hallo,


    ich stecke gerade mitten im 4. Kapitel und bin ganz begeistert von dem Geschick, mit dem Pamuk die Kapitel verbindet. Kara geht ins Kaffeehaus, um dem Geschichtenerzähler zu lauschen und sieht dessen Hundezeichnung. Daraufhin erzählt der Hund sein Kapitel und anschließend setzt sich der Mörder in ebendieses Kaffeehaus, wo er ebenfalls der Hundeerzählung lauscht. Schön gemacht.
    Auch die Idee selbst, von Kapitel zu Kapitel den Erzähler zu wechseln, gefällt mir gut. Die Geschichte bekommt dadurch viel leben und kann aus den verschiedensten Perspektiven beleuchtet werden.



    in der deutschen Ausgabe heißt der Herr komischerweise Fein Effendi


    Schön, dass du das erwähnst, Nikki. Ich hatte mich schon gefragt, ob "Elegant" tatsächlich ein Name oder eher eine Bezeichnung/Beschreibung sei. Nehmen wir "Elegant" und "Fein" zusammen, kann man wohl davon ausgehen, dass der Ermordete viel Wert auf seine äußere Erscheinung legt(e). Besonders interessant wäre es natürlich zu erfahren, wie er auf türkisch heißt.
    Ich finde es immer sehr spannend, verschiedene Übersetzungen zu vergleichen. Auch wenn eigentlich rein bedeutungsmäßig das gleiche vermittelt wird, erzeugt eine unterschiedliche Wortwahl doch einen unterschiedlichen Eindruck. So heißt das 1. Kapitel "Ich bin tot" auf schwedisch "Jag är ett lik", "Ich bin eine Leiche"; im Prinzip zwar dasselbe, aber die Wirkung ist doch eine leicht andere.


    Die Logik des Hodscha Nusret, alles Unheil auf fehlende Treue zum ursprünglichen Chris... äh Islam zurückzuführen, kommt mir sehr bekannt vor. Alles Übel dieser Welt liegt an einer Abkehr von dem einzig richtigen Glauben und natürlich damit einhergehend auch an der Vergnügungssucht der Menschen. Musik, Tanz, Kaffee, Alkohol, Koranverse singen: :Kreuz: (Schade, dass wir keinen Smiley mit Halbmond haben :zwinker: ). Klingt alles wirklich sehr bekannt von diversen extremchristlichen Gruppierungen.
    Dass allerdings auch gegen Kaffee gewettert wird, hat mich doch etwas überrascht. Zu oft habe ich in der Grundschule den Kaffeekanon mit dem kaffeesüchtigen "Muselmann" gesungen.


    Jetzt will ich aber wissen, wie es mit dem Mörder weiter geht.
    Tschüß,
    Saltanah

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • nikki
    Ich habe diesen Gedanken aus folgendem Satz der Süddeutschen Ausgabe, Seite 23, Kapitel 3 (Hund):
    " ... und angesichts der bewundernden Menge kam er so recht von Sinnen und fand auf einmal nicht nur daran Geschmack, die Gemeinde zum Weinen zu bringen, sondern sie auch das Fürchten zu lehren. Das brachte außerdem mehr Gewinn ..."
    Ich fühlte mich hier an Wanderprediger erinnert, die ganz gut davon leben können.


    Ich habe mich missverständlich ausgedrückt. Was ich meinte war: die Leute scheinen dem Prediger mehr Geld zu geben, wenn er sie ordentlich in Furcht versetzt und ihnen ihre (vermeintlichen) Fehler aufgezählt hat. Und das wundert mich. Es muss eine eigene Psychologie dahinter stecken. Vielleicht das Gefühl, sich mit Geld von den Sünden frei kaufen zu können?


    Saltanah
    Ja, diese Strömungen scheinen immer irgendwo in einer Religion zu existieren, ich würde es nicht mal auf Christentum und Islam beschränken. Ortodoxe, Puritaner ... Eigentlich beschränkt es sich nicht mal auf Religionen, wenn ich mir anschaue, mit welch einfachen Schuldzuweisungen manche Leute meinen, das Schlechte aus der Welt verbannen zu können. Homosexuelle Lebensweisen, Internet ... Da ist Kaffee noch harmlos. Den Kanon kenne ich übrigens leider nicht. Aber gibt es nicht eine Kantate von Bach? Naja, Bachkantaten mag ich nicht. Aber ich bin ja auch Teetrinkerin. Ist das auch schädlich? Ich hoffe nicht. :breitgrins:

  • Hallo zusammen!


    @spatz, da haben wir eh den gleichen Satz gemeint und jetzt verstehe ich auch, was Du gemeint hast. Ich finde es gar nicht so verwunderlich, dass die Leute möglicherweise die Vorstellung hatten, sich mit dem Geld von den Sünden freikaufen zu können. Auch der Fein Efendi sinniert noch - als Toter! - über die Bedeutung und Wichtigkeit des Geldes.


    Inzwischen bin ich im Kapitel 11 (Mein Name ist Kara) und langsam fügen sich die Puzzleteilchen zusammen. Jetzt wissen wir auch, dass "Fein" bei Fein Efendi nicht sein richtiger Name war, sondern ihm vom Kara's Oheim gegeben wurde, weil es so feine Goldverzierungen macht.
    Und ich hoffe, ich habe bis jetzt alles richtig verstanden:


    Was mich noch verwirrt, sind die vielen Namen. Ich muss ständig aufpassen, dass ich Şeküre und Şirin und Siyavuş usw. nicht verwechsele. Toll ist, dass Pamuk den Erzählerwechsel immer durch neue Kapitel kennzeichnet. Ansonsten hätte ich mich schon längst irgendwo verloren, denn so etwas zu schaffen ist auch für einen Autor sehr schwer. Mir fällt nur spontan Mario Vargas Llosa, der das wirklich gut kann.


    Liebe Grüße
    von einer bekennenden Kaffeetrinkerin :smile:

    Ich lese gerade:<br />Lion Feuchtwanger - Der jüdische Krieg

  • Hallo!



    Den Kanon kenne ich übrigens leider nicht. Aber gibt es nicht eine Kantate von Bach?


    Ja, die Kaffeekantate ist von Bach. Wunderschön!
    Aber kennst du tatsächlich nicht "C-A-F-F-E-E, trink' nicht so viel Kaffee"? (Text)



    Was mich noch verwirrt, sind die vielen Namen.


    Das wird noch schlimmer dadurch, dass die Namen in meiner Übersetzung teilweise anders geschrieben werden. Der Hodscha ist ein Hodja, Şeküre heißt z. B. Shekure und Şirin Shirin. Sollte ich also einen Namen nennen, den ihr nicht erkennt, beginnt am besten damit ein eventuell vorkommendes Sh durch Ş zu ersetzen.


    Die Bemerkungen zur bildenden Kunst im 5. Kap. (Onkel) sind interessant. War man im islamischen Raum tatsächlich der Meinung, ein Bild könne nie für sich alleine stehen, sondern könne immer nur im Kontext mit einer Geschichte gesehen werden? Und wie war das mit der Entwicklung der Porträtkunst? Wann entstand sie?
    Ich bin im Moment allerdings zu faul dazu, in der Richtung Nachforschungen anzustellen und habe mich entschlossen, Pamuk das, was er zu dem Thema schreibt, unbesehen zu glauben.


    Habt ihr das 6. Kap. (Orhan) auch so verstanden, dass Onkel Enishte (Enişte?) Kara nach Istanbul bestellt hat, um ihn das Verschwinden Feins aufklären zu lassen? Das würde aber bedeuten, dass seit dem ersten Kapitel, in dem sich der Ermordete darüber beklagt, seit vier Tagen vermisst zu sein, schon vor längerer Zeit spielt. Ich hatte einen Zeitsprung zu den weiteren Kapiteln jedenfalls nicht bemerkt.


    Schockiert hat mich im 9. Kap. (Şeküre) ihre Aussage, eine "24-jährige Frau habe ihre besten Jahre schon hinter sich". :entsetzt: Nun ja, "andere Zeiten, andere Auffassungen", aber trotzdem... Dass eine junge Frau (jung zumindest in meinen Augen) der Meinung ist, ihr Leben mehr oder weniger hinter sich zu haben und keine Zukunftshoffnungen und -pläne hat... Kann aber gut sein, dass sie feststellen wird, sich geirrt zu haben.


    Auf geht's zum nächsten Kapitel, in dem ein Baum zum Erzähler wird! Mir als Pflanzenfan gefällt es sehr gut, dass Pamuk auch einen Vertreter des Pflanzenreiches zu Wort kommen lässt.


    Aber etwas anderes: habt ihr euch auch gefragt, wem die Leute/Hunde/Bäume eigentlich ihre Geschichten erzählen? Kara spricht in einem Kapitel zu den "lieben Lesern", er scheint seine Geschichte also aufzuschreiben. Bei den anderen allerdings hatte ich eher den Eindruck, dass sie ihre Geschichten mündlich erzählen. Es kommt mir auch nicht so vor, dass sie sie sozusagen nur sich selbst erzählen, also darüber nachdenken, was eigentlich geschehen war und es für sich selbst in eine zusammenhängende Geschichte fassen.
    Ist es vielleicht möglich, dass Kara, der Detektiv, in seinem Bericht an die "lieben Leser" alle seine Ermittlungsgungsergebnisse (falls er also wie ein klassischer Detektiv vorgeht und alle irgendwie Beteiligten befragt) so widergibt, wie sie ihm erzählt wurden? Mal schauen, ob das Buch später darüber noch Auskunft gibt.


    Mit der Teetasse in der Hand,
    Saltanah

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo!



    Das wird noch schlimmer dadurch, dass die Namen in meiner Übersetzung teilweise anders geschrieben werden. Der Hodscha ist ein Hodja, Şeküre heißt z. B. Shekure und Şirin Shirin. Sollte ich also einen Namen nennen, den ihr nicht erkennt, beginnt am besten damit ein eventuell vorkommendes Sh durch Ş zu ersetzen.


    Gut zu wissen, danke!



    Habt ihr das 6. Kap. (Orhan) auch so verstanden, dass Onkel Enishte (Enişte?) Kara nach Istanbul bestellt hat, um ihn das Verschwinden Feins aufklären zu lassen? Das würde aber bedeuten, dass seit dem ersten Kapitel, in dem sich der Ermordete darüber beklagt, seit vier Tagen vermisst zu sein, schon vor längerer Zeit spielt. Ich hatte einen Zeitsprung zu den weiteren Kapiteln jedenfalls nicht bemerkt.


    Man erfährt aus dem Gespräch zwischen Kara und dem Meister Osman im Kap.11, dass Fein Efendi seit 6 Tagen verschwunden ist. Also muss Kara wie im Flug nach Istanbul geeilt haben, nach dem er den Brief seines Onkels bekommen hat. Wer mag da vielleicht noch ein Mitgrund gewesen sein? :zwinker:



    Schockiert hat mich im 9. Kap. (Şeküre) ihre Aussage, eine "24-jährige Frau habe ihre besten Jahre schon hinter sich". :entsetzt: Nun ja, "andere Zeiten, andere Auffassungen", aber trotzdem... Dass eine junge Frau (jung zumindest in meinen Augen) der Meinung ist, ihr Leben mehr oder weniger hinter sich zu haben und keine Zukunftshoffnungen und -pläne hat... Kann aber gut sein, dass sie feststellen wird, sich geirrt zu haben.


    Hoffen wir. Ich war auch überrascht über die Aussage, Kara sei quasi noch ein Kind gewesen, als er sich in Şeküre verliebt hat. Dabei war er damals 24, also in dem Alter, wo sie sich schon als eine "ältere" Frau sieht. Aber sie sagt ja auch, sie war damals mit 12 schon reifer als er.


    Ich kenne mich nicht wirklich aus, was Porträtskunst angeht. Laut Wikipedia entstanden die ersten Porträts in Europa im 14. Jahrhundert (das Buch spielt im 16. Jh.) und die Kunst wurde ab dem 17. Jh. immer bedeutsamer. Wieder laut Wikipedia definiert sich islamische Malerei "[...] entweder durch den Funktionszusammenhang in religiösen Kontexten oder über die religiösen Inhalte". Vielleicht hilft uns das ein bisschen weiter (ich bin immer ziemlich unfähig, irgendwelche Infos aus dem Internet heraus zu holen).


    Aber lesen kann ich und das mache ich jetzt weiter :breitgrins:


    Liebe Grüße
    nikki

    Ich lese gerade:<br />Lion Feuchtwanger - Der jüdische Krieg


  • Schockiert hat mich im 9. Kap. (Şeküre) ihre Aussage, eine "24-jährige Frau habe ihre besten Jahre schon hinter sich". :entsetzt: Nun ja, "andere Zeiten, andere Auffassungen", aber trotzdem... Dass eine junge Frau (jung zumindest in meinen Augen) der Meinung ist, ihr Leben mehr oder weniger hinter sich zu haben und keine Zukunftshoffnungen und -pläne hat... Kann aber gut sein, dass sie feststellen wird, sich geirrt zu haben.


    Bei der Aussage wurde mir auch mulmig, wobei ich auch hier einige Frauen kenne, die das so sehen.
    Mich hat mehr Kapitel 9 schockiert, in dem Seküre erzählt, dass sie in dem Haus ihres Schiegervaters bleiben musste, da er sie sonst mit Gewalt hätte zurückholen können, solange der Ehemann noch lebt. Als sie Eigentum der Familie wäre...



    Hoffen wir. Ich war auch überrascht über die Aussage, Kara sei quasi noch ein Kind gewesen, als er sich in Şeküre verliebt hat. Dabei war er damals 24, also in dem Alter, wo sie sich schon als eine "ältere" Frau sieht. Aber sie sagt ja auch, sie war damals mit 12 schon reifer als er.


    Ich habe das so verstanden, dass Seküre vor 12 Jahren quasi noch ein Kind war, nicht Kara.

  • Hallo zusammen,


    gerne geselle ich mich nun auch zu euch.
    Ich lese wie nikki die Fischer-Taschenbuchausgabe und bin nun im 13. Kapitel.
    Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, mich in Erzählhaltung und Thema des Romans hineinzufinden, aber inzwischen bin ich sehr angetan.
    Ein wenig erinnert das Buch an "Der Name der Rose" - der Zusammenhang zwischen Mord und einer religiös/philosophischen Grundhaltung scheint bei beiden das Thema zu sein.
    Darüber mache ich mir im Moment am meisten Gedanken, denn Pamuk wollte doch bestimmt nicht nur einen spannenden historischen Krimi vor exotischer Kulisse schreiben!
    Mein jetziger Deutungsansatz, der aber nur vorläufig ist, geht dahin, in dem Roman eine Schilderung des künstlerischen Widerstreits zwischen religiös/traditioneller Treue und dem Streben nach individuellem Ausdruck und Erkenntnisgewinn zu sehen. Darin kann man dann weitergehend einen Konflikt sehen, in dem die gesamte orientalisch-islamische Gesellschaft nicht nur in der Türkei heute steckt.


    In der Auseinandersetzung Karas - den wir wohl als zentrale Figur annehmen dürfen - mit seinem Oheim, mit dem alten Meister Osman, aber auch bei dem Mordmotiv geht es wohl um diese Frage.


    Wie ihr - nikki und Saltanah - habe ich noch Schwierigkeiten, die zeitlichen Zusammenhänge richtig koordiniert zu bekommen.
    Allerdings habe ich es so verstanden (Kap. 2), dass Kara nach Istanbul kam, weil sein Onkel ihn um Mitarbeit an dem geheimnisvollen Buch bat, nicht um den Mord aufzuklären. Diesen Auftrag erhält er nach meinem Verständnis erst in Kapitel 5 folgende, als er seinen Oheim aufsucht.
    Faszinierend ist für mich diese ganz andere Welt, der Rückhalt in der Symbolik alter Geschichten, der immer wieder auch auf die Geschehnisse des Romans hindeutet. Dass dieser formelhaften Welt eine individuelle Kunst, die das Antlitz und die Bedeutung des Einzelnen, ob Modell oder Künstler, in den Mittelpunkt stellt,ein Graus ist, kann man - ganz unabhängig von dem religiösen Verbot - zwar nicht unbedingt billigen, aber nachvollziehen.


    HG
    finsbury

  • Hallo liebe Leserunde! :winken:


    Ich hatte noch nicht so viel Zeit zum Lesen und bin jetzt im 4. Kapitel, lese also gerade vom Mörder. Bisher bin ich sehr angetan von dem Buch und kann mich eigentlich in allem der allgemeinen Meinung anschließen.


    Ich finde die verschiedenen Perspektiven sehr interessant, man liest ja nicht jeden Tag etwas aus der Sicht eines Toten oder eines Hundes. Und die Kapitelnamen versprechen da ja noch einige außergewöhnliche Erzähler.


    Natürlich bin ich auch gespannt, was das für eine Verschwörung ist, die im ersten Kapitel gleich angedeutet wird. Der Mörder scheint ja nicht einfach aus Spaß am Töten getötet haben.


    Vorallem bin ich aber auch neugierig auf Kara. Ich hoffe auch, dass wir noch mehr über die Liebesgeschichte erfahren, die kurz angedeutet wird.


    Aber jetzt gehe ich erst mal schnell weiterlesen, ich bin ja doch ein Stückchen hinterher.


    Liebe Grüße!

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de

  • Hallo!


    Ich muss einige Fehler ausbessern. Den ganzen Tag Prüfungen korrigieren und dann am Abend lesen ist nicht wirklich fruchtbar gewesen. :redface:
    Ich habe jetzt dafür einige Kapitel wieder gelesen.



    Ich habe das so verstanden, dass Seküre vor 12 Jahren quasi noch ein Kind war, nicht Kara.


    Hier habe ich mich ungenau ausgedrückt. Kara erinnert sich (im Kap. 7) an seine Kindertage, die er gemeinsam mit Şeküre im Haus seines Onkels verbracht hat bis er rausgeschmissen wurde. Da meint er auch, er habe in seiner kindlichen Einfalt keine Zweifel gehabt, seine Liebe würde erwidert. Und daher kam mein Gedanke.


    finsbury, Du hast Recht, was Kara’s Bestellung nach Istanbul betrifft. Kara wurde gerufen, um seinem Oheim bei der Fertigstellung des Buches zu helfen und kam nach Istanbul vier Monate nachdem dieser ihm den Brief schickte. Der Mord an Fein Efendi geschah erst einige Tage vor ihrem Treffen. Ob er auch vor seiner Ankunft geschah, weiß ich nicht.


    Ich habe gerade die Kapitel gelesen, wo Kara die drei Meister besucht, die ihm die Fabeln erzählen. Hier wird uns Hintergrundwissen über die Kunst des Buchmalens offenbart und es wird auch klar, warum sich fremde Einflüsse nur schwer integrieren lassen können. Der Oheim vertritt zuerst die gängige Meinung, ein Bild ohne Geschichte sei undenkbar. Das heißt ein Maler kann kein Bild malen, ohne die dazugehörige Geschichte gelesen und verstanden zu haben. Nachdem er aber in Venedig war und die Arbeiten - v.a. die Porträts - dortiger Maler besichtigt hat, wird ihm klar, dass auch ein Bild eine selbständige Geschichte sein kann, also "[...]nicht nur der Niederschlag einer Geschichte, sondern etwas Eigenes" (S.42). Er beschließt daraufhin, den Padischah so zu malen. Dies würde aber einen neuen Stil bedeuten, der die Individualität des Malers und des Gemalten in den Vordergrund stellt. Wenn man die Meinung der vorherrschenden Schule bedenkt, nämlich dass die Bilder, wie sie die alten Meister malten, Ableitungen aus dem Gedächtnis Allahs sind und man durch diese Sein Reich mit Seinen Augen sehen kann wird klar, dass das Vorhaben Oheims fast revolutionäre bzw. ketzerische Züge hat.
    Ja, es bahnt sich Konflikt zwischen der Tradition und der Moderne an. Ich schließe mich, finsbury, Deinem Deutungsansatz an.


    Saltanah, ich habe mir eigentlich noch keine Gedanken darüber gemacht, ob Kara die Geschichte aufschreibt. Mir ist nur aufgefallen, dass sich manche Personen zum Teil direkt an den Leser wenden. Ob er das niederschreibt oder nicht kann ich nicht wirklich sagen.


    Liebe Grüße
    nikki

    Ich lese gerade:<br />Lion Feuchtwanger - Der jüdische Krieg

    Einmal editiert, zuletzt von nikki ()

  • Ich bin im Kapitel 11 angekommen und dachte mir, es wäre langsam Zeit etwas zu schreiben. Ich muss zugeben, ich traue mich noch nicht so richtig teilzunehmen, aber bald wird die Leserunde zu Ende und ich werde es nur bereuen nicht teilgenommen zu haben.


    Das Buch gefällt mir außerordentlich. Es hat mich wirklich gefesselt und das Thema finde ich auch sehr interessant. Ich habe mich bisher wenig mit dem Islam auseinandergesetzt, höchsten ein bisschen mit der mittelalterlichen arabischen Literatur während meiner Schulzeit. Also habe ich noch ziemlich viele Lücken zu schließen. Ich habe fest vor mir ein paar von den wichtigsten Fakten und Namen aufzuschreiben und nach und nach zu googeln.


    Was mich am meisten überrascht hat, war wie unsympathisch ich auf Anhieb Şeküre gefunden hab'. Sie scheint mir ziemlich berechnend, wo ich sie eigentlich doch ziemlich bewundern sollte. Es war sicherlich nicht leicht den eigenen Schicksal in die Hände zu nehmen zu damaliger Zeit. Sie hat ja niemanden absichtlich geschadet, hat immer nur versucht sein eigenes Leben zu leben. Aber trotzdem es gibt irgendetwas, was ich an ihr nicht so ganz mag...


    Am schönsten fand ich die Geschichte des Baumes. Den Willen der Inbegriff eines Baumes und nicht ein Abbild der Realität zu sein. Ich bin wirklich gespannt wie es mit dem Baum und dem Buch aus dem er stammen sollte weitergeht. Auch das Buch, das Oheim für den Padischach erstellen möchte (der Inbegriff der Moderne) macht mich neugierig. Irgendwie fast sogar mehr als die Schicksale der Menschen.


    Überraschenderweise finde ich es nicht schwer der Geschichte zu folgen, trotz der Vielzahl der Erzähler. Ich mag es auch, dass sie sich so direkt an den Leser wenden, obwohl es mich normalerweise eher irritiert. Irgendwie, ich weiß noch nicht wirklich wie, hat es Pamuk geschafft, dass die Dissoziation nicht zu groß ist und ich kann trotzdem mich mittendrin, nicht außerhalb fühlen.

  • Hallo ihr Lieben!



    Hier habe ich mich ungenau ausgedrückt. Kara erinnert sich (im Kap. 7) an seine Kindertage, die er gemeinsam mit Şeküre im Haus seines Onkels verbracht hat bis er rausgeschmissen wurde. Da meint er auch, er habe in seiner kindlichen Einfalt keine Zweifel gehabt, seine Liebe würde erwidert. Und daher kam mein Gedanke.


    Nein, nein, es wird schon ziemlich deutlich gesagt, dass Kara mit damals 24 Jahren noch ein Kind gewesen sei, und zwar im 9. Kap. Şeküre selbst sagt da ziemlich am Anfang "obwohl er 24 Jahre alt war und ich nur 12, war ich reifer als er", und etwas später erzählt sie, ihre Mutter hätte öfters zum Vater gesagt, "brich dem Jungen nicht das Herz" und kommentiert das mit "der Junge, von dem meine Mutter sprach, war 24.".


    finsbury:
    Ach ja, anfangs wollte der Onkel nur Karas Mitarbeit am Buch. Danke für die Erinnerung!
    Ich bin auch davon überzeugt, dass es Pamuk um mehr als einen Krimi geht. Allerdings bin ich froh dafür, dass er diesen leichter zugänglichen "Aufhänger" für seine Geschichte gewählt hat. Gerade wenn es kunstphilosophisch wird, übersteigt das Buch mangels Wissen leicht meinen Horizont und da ist es schön, auf eine handfeste, "normale" Frage zurückgreifen zu können. Es interesiert mich durchaus, wer der Mörder ist, ob er überhaupt gefunden wird, ob sie es schaffen, das Buch zu vollenden. Mit diesen greifbaren Problemen im Hinterkopf fällt es mir viel leichter, mich auf verschiedene Überlegungen zur Bedingung von Kunst und Künstlern einzulassen. Ich finde die Mischung, die uns Pamuk hier präsentiert, bisher für sehr gelungen.



    Saltanah, ich habe mir eigentlich noch keine Gedanken darüber gemacht, ob Kara die Geschichte aufschreibt. Mir ist nur aufgefallen, dass sich manche Personen zum Teil direkt an den Leser wenden. Ob er das niederschreibt oder nicht kann ich nicht wirklich sagen.


    Ich musste meine Idee, alles wäre Kara erzählt worden, sehr schnell wieder revidieren. Die Art, wie die 3 weiteren Miniaturmaler über Kara reden, macht deutlich, dass nicht er ihre Aussagen nur weiterbefördert.
    Bleibt (mir) also weiter die Frage, wem erzählt wird. Dadurch, dass ja eine direkte Anrede an Zuhörer oder Leser immer wieder vorkommt, muss es solche ja (in der Logik des Buches) geben. Es erzählt ja eben kein allwissender Autor, der sich leicht direkt an seine Leser wenden kann, sondern jedeR erzählt seine/ihre persönliche Geschichte, der also jemand lauschen muss. Ich kann verstehen, wenn euch das egal ist, aber mir spukt diese Frage ständig (und mit jeder direkten Ansprache verstärkt) im Kopf rum.



    Am schönsten fand ich die Geschichte des Baumes. Den Willen der Inbegriff eines Baumes und nicht ein Abbild der Realität zu sein. Ich bin wirklich gespannt wie es mit dem Baum und dem Buch aus dem er stammen sollte weitergeht. Auch das Buch, das Oheim für den Padischach erstellen möchte (der Inbegriff der Moderne) macht mich neugierig. Irgendwie fast sogar mehr als die Schicksale der Menschen.


    Ja, der Baum! Ich hatte anhand der Kapitelüberschrift ja einen "richtigen" Baum als Sprecher erwartet und wurde entsprechend überrascht. Es handelt sich um einen "traditionellen" Baum, der die Idee eines Baumes verkörpert, nicht ein bestimmtes Individuum und ist als solcher kein "frankischer" (=moderner) Baum. Wohl auch deshalb wird nicht erwähnt, um welche Baumart es sich handelt, etwas, das mich Ex-Gärtnerin besonders interessiert hätte :smile: . Interessant übrigens, dass auch der Baum kleine Seitenhiebe gegen die Kaffeegegner/Extremgläubigen Moslems anbringt. Erzähllogisch passt das natürlich, da auch er (nehme ich an) wie der Hund durch den Mund des Kaffeehausgeschichtenerzählers spricht. Schön.


    Ich finde es sehr schade, dass ich nicht mehr über die Hintergründe des Buches weiß, aber trotzdem gefällt es mir sehr gut, besser als erwartet. Aber immerhin habe ich eines der immer wieder als Illustriervorlagen erwähnten Bücher gelesen. Zwar nicht die ständig genannte Geschichte von Hüsrev und Sirin, sondern die auch vorkommende von Leila und Madschnun desselben Autors. Leider in einer nicht illustrierten Ausgabe.

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    Liebe Grüße,
    Saltanah

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • nikki
    Mir geht es eher um den Aspekt, dass die Leute sich ein schlechtes Gewissen einreden oder sich beschimpfen, sich zum weinen bringen lassen. Ich glaube, da spielen Charisma und Überzeugungskunst oder Agitation eine Rolle.


    Deinem Verstädnis des bisherigen Geschehens schließe ich mich an. Zusätzlich meine ich noch verstanden zu haben, dass die drei Maler in ihren Gleichnissen für die alte Art des Malens plädieren, zumindest Kara gegenüber, in Wirklichkeit aber durchaus die neuen Methoden anwenden. Sie sind nicht ehrlich. Haben sie vielleicht gemeinsam gemordet? Zumindest was den Vorsatz angeht?


    Nebenbei schockieren die Geschichten dann doch ein wenig, vor allem die weitergereichten Haremsdamen, das auslöschen vergangener Herrscher und ganz böse: das Zerreissen von Büchern. Das tut der Bibliothekarinnenseele weh. Nur das gelegentliche Auftauchen dieses Wortes entschädigt ein wenig :breitgrins:


    Saltanah
    Nein, kein CAFFEE, tut mir leid. Und keine Kantaten. Ich halte es mehr mit Beethoven. Der ist weniger kantig ;)


    Ich finde es schon einigermaßen faszinierend, was es über die Bildmalerei so zu lernen gibt und werde mich in einer ruhigen Minute vielleicht doch mal hinsetzen und mir ein paar dieser Bilder raussuchen. Ich finde es femd, Männer und Frauen stereotyp zu malen. Aber der Glaube ... hat man nicht im frühesten Mittelalter in christlichen Gefilden dem Jesuskindlein auf dem Schoß der Mutter immer eine Erwachsenenfigur nebst Gesichtszügen gegeben?


    Die Aussage der Seküre in Kapitel 9 trifft mich wieder gar nicht, gehe ich doch davon aus, dass die Frauen zu der Zeit schon in sehr jungen Jahren vermählt, also erwachsen waren und die durchschnittliche Lebenserwartung so ca. 35-40 Jahre betragen hat. Und 24 Jahre in immer den selben Umständen mit immer den selben Aufgaben, Menschen, Tätigkeiten ... da kann man schon mal negativ denken.


    Also das Ausgeliefertsein der Seküre an die Familie des Mannes in Kapitel 9 hat mich schon ein wenig schockiert, vor allem ihr Schwager hat meinen Abscheu erregt, in Kapitel 15 dann aber auch schon wieder mein Mitleid. Man hat es ihm wohl nicht beigebracht, mit welchen Mitteln man um die Liebe einer Frau kämpfen kann. Stattdessen versucht er es mit Unterdrückung und Drohungen.


    Andererseit stimme ich Yennefer zu, auch ich finde viele unsympathische Züge an der Frau. Zum einen, wie sie mit ihrem Vater gegen Kara vorgeht, dass sogar die Mutter Mitleid hat und zum Anderen ihre Unwahrheiten, diese Art, in ihrem Briefen etwas von Nie-wieder-sehen zu faseln und sich dann - rein zufällig - am Fenster zu zeigen, was den armen Kerl ja fast um den Verstand bringen muss. Schäbig. Betrügt sie sich selbst bewusst oder unbewusst? Spielt sie mit ihm?


    Zum Baum: Ich habe den Eindruck, alle sprechen zu einem imaginären Leser oder Zuhörer.


    Meine Anmerkungen zu einigen anderen Kapiteln:


    10. Ich stelle mir vor, wie abgegriffen die einzelnen Blätter gewesen sein müssen, wenn sie per Boten von Künstler zu Künstler getragen werden und jeder seine Details einfügt. Das macht sie irgendwie wertvoll, wenn sie diese Prozedur überstanden haben. Sie haben mehr von der Welt gesehen als mancher Mensch und haben jeweils eine ganz eigene Geschichte.


    11. Onanie mitten in den poetischsten Beschreibungen. Das ist unglaublich. :redface:

  • Hallo zusammen,


    nun bin ich im 24. Kapitel angelangt.


    Zur Erzählpesrpektive:

    Zitat von "Saltanah"

    Es erzählt ja eben kein allwissender Autor, der sich leicht direkt an seine Leser wenden kann, sondern jedeR erzählt seine/ihre persönliche Geschichte, der also jemand lauschen muss. Ich kann verstehen, wenn euch das egal ist, aber mir spukt diese Frage ständig (und mit jeder direkten Ansprache verstärkt) im Kopf rum.


    Ich denke, dass wir die Erzählhaltung von dem vermuteten Interesse des Lesers ableiten müssen. Pamuk spielt mit dem Leser und "nimmt an", dass dieser jemand ist, der die unerhörte Begebenheit von dem Mord an Fein Effendi und dem geheimnisvollen Buch, das dahinter steckt, vernommen hat und nun im Kaffeehaus ist und sich die Sache erklären lassen will. Vielstimmig ergreifen nun alle, am Rande oder zentral beteiligt das Wort, ergänzen und korrigieren sich.
    Das für uns Faszinierende und Fremde ist vielleicht wirklich diese mündliche Erzähltradition, die Pamuk hier zugrunde legt und die diese ungeheure Farbigkeit und Multiperspektivität verursacht. Wenn wirklich, wie der Roman anzudeuten scheint, das Abendland der Welt die Individualität des Künstlers und Auftraggebers geschenkt hat, so hat der Orient sie um das Gegenteil bereichert: Die Welt des Erzählens, die sich in jedem anders bricht und doch nur in ihrer Gesamtheit die Wirklichkeit widerspiegelt.
    Je weiter ich lese, desto mehr gefällt mir dieses Werk.
    Die ungeheure Bedeutung des Kaffeehauses und die Lebendigkeit der alten Geschichten und Mythen kann man auch um Beispiel bei Nagib Machfus noch gut spüren. Faszinierend, wie die Münze, der Hund, der Baum und nun im 24. Kapitel der Tod selber das Wort ergreifen, aber nie nur als sie selber, sondern als Dargestelltes, Vermitteltes. Auch das bereichert die Multiperspektivität, alles bricht sich mehr und mehr, wie in einem Spiegelsaal.
    Insofern glaube ich, Saltanah, dass es nicht nebensächlich, sondern zentral ist, wenn du dich mit der Erzählhaltung befasst.


    HG
    finsbury

    Einmal editiert, zuletzt von finsbury ()

  • Hallo allerseits,



    Ich denke, dass wir die Erzählhaltung von dem vermuteten Interesse des Lesers ableiten müssen. Pamuk spielt mit dem Leser und "nimmt an", dass dieser jemand ist, der die unerhörte Begebenheit von dem Mord an Fein Effendi und dem geheimnisvollen Buch, das dahinter steckt, vernommen hat und nun im Kaffeehaus ist und sich die Sache erklären lassen will. Vielstimmig ergreifen nun alle, am Rande oder zentral beteiligt das Wort, ergänzen und korrigieren sich.


    Danke, Finsbury! Dies ist eine schöne Vorstellung, mit der ich gut "leben" und das Buch jetzt, ohne ständig diese Frage im Hinterkopf zu haben, weiterlesen kann.


    18. Kap. (Mörder):
    Neues vom Mörder. Jetzt wissen wir sicher, dass


    19. Kap. (Goldmünze):
    Geld schafft Harmonie? Huch, das ist ja eine ganz neue Vorstellung für mich. Aber klar, wenn der beste Künstler tatsächlich auch der (erfolg-)reichste ist, lässt sich eine Rangordnung ja leicht anhand des Portemonnaies feststellen.


    20. Kap.:
    Sagt mal, heißt das bei euch auch "Ich bin Schwarz"? Eigentlich ist es doch Kara, der dort erzählt, oder habe ich etwas total missverstanden?
    Schön ist, dass hier etwas eingehender erklärt wird, weshalb die neue "frankische" Malkunst so schockierend auf die türkischen Moslems wirkt. Ein Bild ohne dazugehörende Geschichte verselbständigt sich sozusagen, man hat keine Geschichte, an die man glauben könnte und dadurch beginnt man, an das Bild selbst zu glauben, wodurch man plötzlich ein Götzenbild vor sich hat. Eine für mich ziemlich verquere Denkweise, aber es wird deutlich, dass es sich um mehr als eine neue künstlerische Technik handelt. Da steckt eine ganz andere Weltanschauung hinter.
    Der Sultan gerät in Versuchung: einerseits möchte er gerne ein solches Porträt von sich haben, aber andererseits "traut" er sich nicht richtig. Die Lösung ist ebenso einfach wie genial: im Gegensatz zur herkömmlichen Vorgehensweise werden erst Bilder gemalt und dann dazu eine passende Geschichte geschrieben. Gerade diese Augabe hat der Onkel, wie man im 21. Kap. erfährt,


    23. Kap. (Mörder):
    Was mag auf dem letzten Bild sein? Welches Motiv ist so profanierend, dass es im Endeffekt die Ursache des Mordes wird?


    Liebe Grüße,
    Saltanah

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo zusammen,


    nun bin ich ziemlich genau in der Mitte des Buches und es ist viel geschehen:



    Zitat von "saltanah"

    Sagt mal, heißt das bei euch auch "Ich bin Schwarz"? Eigentlich ist es doch Kara, der dort erzählt


    Ich besitze zwar kein arabisches Wörterbuch, vermute aber mal, dass "Kara" auf türkisch oder vielleicht auch arabisch "schwarz" bedeutet, was uns wieder ein symbolisches Rätsel aufgeben würde, heißt der Roman doch "Rot ist mein Name":



    Im Gegensatz zu @yennefer :winken: und @spatz :winken: finde ich Seküre nicht unsympathisch, sie ist eben, mal abgesehen von ihrer Schönheit, eine ganz normale, intelligente Frau, die ihr Überleben und das Gedeihen ihrer Kinder in einer patriarchalischen Gesellschaft absichern will. Dass da die romantische Liebe zunächst einmal zweitrangig ist und nur für "ein paar Flugzeuge im Bauch" sorgt, ist doch ganz selbstverständlich.
    Und dass sie Intrigen spinnt, in ihrem Verhalten gegenüber Kara wankelmütig erscheint, ist auch nur Teil eines Spiels, das doch wohl häufig in sich anbahnenden Verhältnissen gespielt wírd.
    Euch noch ein schöner Sonntag: Heute ist ja das rechte Wetter zum Lesen! :regen:


    HG
    finsbury

    Einmal editiert, zuletzt von finsbury ()