Bernardo Carvalho – Neun Nächte

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    Inhalt: Anfang August 1939 nimmt sich ein junger amerikanischer Ethnologe, der bei den Krahô-Indianern Feldstudien betrieben hatte, aus unbekannten Gründen im brasilianischen Urwald das Leben. Spekuliert wird viel: Liebeskummer? Geldsorgen? Syphilis? Sieben Abschiedsbriefe und einige Habseligkeiten haben seine indianischen Begleiter in der nächstgelegenen Stadt abgegeben, drei der Briefe an Familienmitglieder sind im Laufe der Jahre verschollen. Gut sechzig Jahre später stößt ein brasilianischer Journalist zufällig auf die Geschichte und ist so fasziniert, daß er versucht, Buell Quains Geschichte zu rekonstruieren. Er nimmt Kontakt mit Leuten auf, die Buell noch kannten, fährt mit einem Anthropologen zu den Krahô, wälzt Material in Archiven und recherchiert in den USA. Und während er sich in seine Spurensuche immer mehr hineinsteigert, kommen auch Erinnerungen an seine eigene Kindheit im Dschungel zurück.



    Meine Meinung: Buell Quain ist nicht fiktiv, genausowenig wie die Rahmendaten seines Lebens, die Carvalho in diesem Roman ausbreitet. Wieviel von der verspäteten Spurensuche fiktiv ist, wird nicht gesagt, wahrscheinlich wenig, möglicherweise nichts. Und inwieweit das, was der Erzähler über sein eigenes Leben verrät, autobiographisch von Carvalho ist, kann ich nicht sagen. Diese Mixtur aus mehr oder weniger fiktiven Leben mit 60 Jahren Abstand wird plastisch durch die Art der Erzählung. Kapitel des Ich-Erzählers wechseln mit Auszügen aus einem – diesmal tatsächlich fiktiven – Brief eines Manuel Perna, Quains Freund in Carolina, der auch die Briefe und Hinterlassenschaften von den Indianern übergeben bekam. In diesem Brief berichtet Perna einem amerikanischen Freund Quains, auf den er wartet und an den ein achter Brief adressiert war, den Perna absichtlich zurückgehalten hat, was Buell Quain ihm in neun Nächten über sein Leben erzählt hat.


    Die Rekonstruktion der Geschichte um Buell Quain ist dabei ein wirklich interessantes Puzzlespiel, auch wenn auf Grund des zeitlichen Abstandes und verlorener Unterlagen vieles ein Stochern im Nebel bleibt. So verwundert auch nicht, daß die entscheidende Frage nach dem Warum? des Selbstmordes bis zum Ende nicht gelöst wird. Das macht allerdings gar nichts, denn Carvalho bietet genügend Antworten an, aus denen man sich nach Gusto eine oder mehrere in Kombination aussuchen kann, weil sie im Kontext glaubwürdig scheinen. An sich hätte mir diese Geschichte auch gereicht, die – zwar gut gemeinte und auch kunstvoll arrangierte – Auseinandersetzung des Ich-Erzählers mit seiner eigenen Geschichte und seines Verhältnisses zum Vater im Lichte jener von Buell fand ich nicht unbedingt notwendig und eher aufgesetzt. Ebenso war mir etwa in der Mitte der Besuch bei den Krahô-Indianern in diesem Zusammenhang etwas zu detailliert, auf eine quasi-ethnologische Abhandlung war ich im Zusammenhang eines Romans einfach nicht vorbereitet, zumal die beschriebenen Handlungen und Riten auch nicht erhellend für die Hauptgeschichte waren. Dafür gibt es leichten Abzug, aber den Namen Carvalho werde ich mir trotzdem merken.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Es kommt selten genug vor, aber bei diesem Buch unterscheidet sich mein Eindruck deutlich von Aldawens. Ich habe noch nicht einmal geschafft es zu beenden, gelesen habe ich im Flieger ziemlich genau die Hälfte der 200 Seiten. Mehr geht nicht. Mich interessiert kein Stück, was es mit dem Selbstmord von Buell Quain auf sich hat, welche Konflikte der Erzähler mit seinem Vater austragen musste oder welche anthropologischen Strömungen in den 1930ern in Amerika vorherrschten. Zumindest nicht im Kontext dieses Buches, denn an sich klingt die Ausgangssituation für mich nicht uninteressant. Allerdings finde ich die Aufbereitung durch Carvalho zäh und langweilig und würde wahrscheinlich eher zu einem Fachbuch greifen, wenn ich mich dem Thema erneut nähern sollte. Der Anthropologe Claude Lévi-Strauss schrieb, wenn ich mich richtig erinnere, ansprechender. ;)


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges