Harris, Charlaine: Grabesstimmen

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    Charlaine Harris: Grabesstimmen, aus dem amerikanischen Englisch von Christine Burckhardt, München 2008, dtv Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN: 978-3-423-21051-5, flexibler Einband, 288 Seiten, Format: 12 x 19 x 1,6 cm, Euro 8,95 [D] 9,20 [A], sFr 15,90.


    “Manchmal träume ich, dass ich ein Adler bin. Ich kreise über ihnen, entdecke ihre sterblichen Überreste und erfahre auf diese Weise, wie man sich ihrer entledigt hat. (….) Ich finde die letzte Ruhestätte des Jungen, der mit den falschenFreunden in Glas zu viel trank – ein flach ausgehobenes Grab im Kiefernwäldchen. Oft schwebt ihre Seele noch über den sterblichen Überresten, die sie einst beherbergten.”


    Harper Connelly, Mitte 20, war ein Teenager, als sie vom Blitz getroffen wurde. Wie durch ein Wunder hat sie überlebt – und diverse Folgeschäden zurückbehalten. Sie leidet unter Kopfschmerzen, Angstzuständen und einer Schwäche in den Beinen. Und: Sie kann seit jenem Tag Tote finden und deren letzte Momente nacherleben.


    Harper, in desolaten Familienverhältnissen aufgewachsen und den täglichen Überlebenskampf von klein auf gewöhnt, leistet sich keine Sentimentalitäten. Die unheimliche Gabe betrachtet sie als eine Art Ausgleich für die körperlichen Gebrechen – und als praktische Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Zusammen mit ihrem Stiefbruder Tolliver Lang, der als Beschützer und Manager fungiert, reist sie durch die Lande um für private Auftraggeber Vermisstenfälle zu klären.


    Ein solcher Auftrag führt die Geschwister in das Touristenstädtchen Sarne, irgendwo in den Ozarks. Sybil Teague, eine vermögende, einflussreiche Witwe, kann nicht glauben, dass ihr Sohn Dell seine Freundin Monteen Hopkins getötet und danach Selbstmord begangen haben soll. Zumal Monteens Leiche nie gefunden wurde. Harper Connelly soll nun Licht ins Dunkel bringen.


    Die feindselige Stimmung, die den Geschwistern bei ihrer Ankunft in Sarne entgegenschlägt, ist nichts Neues für sie. Ihre Arbeit ist den Menschen unheimlich. Und manch einer fürchtet wohl, dass gut gehütete Geheimnisse an den Tag kommen könnten, wenn jemand in der Stadt ist, der nur über den Friedhof zu gehen braucht um zu wissen, woran die Menschen dort verstorben sind. In jeder Stadt gibt es auch Zweifler, die sie für Scharlatane halten, die aus dem Leid anderer Menschen Kapital schlagen. Und es gibt Auftraggeber, die sich lieber ihre Illusionen bewahrt hätten, als sich dem zu stellen, was Harper herausgefunden hat.


    Harper und Tolliver kennen das alles von früheren Einsätzen. Doch hier in Sarne sieht es so aus, als könnten sie gleich an der Stadtgrenze wieder kehrt machen, so wenig willkommen sind sie.


    Mit einem „Werbegeschenk an die Stadt“ – einem lange vermissten toten Jäger im Wald und dem Leichnam eines verwirrten alten Herrn – kann Harper die einflussreiche Clique der Stadt von ihren Fähigkeiten überzeugen. Sie mag unheimlich sein, aber ein Scharlatan ist sie nicht. Sie „darf“ Monteens Leiche suchen und wird tatsächlich in einem Waldstück fündig. Der Leichenfund und ein Besuch am Grab des mordverdächtigen Freundes enthüllen: Der junge Mann hatte nichts mit dem Tod seiner Freundin zu tun. Beide wurden von einer dritten Person getötet.


    Damit wäre der Fall für die Geschwister eigentlich erledigt und sie könnten weiterziehen. Doch sie machen den Fehler, Helen Hopkins, die Mutter der ermordeten Monteen, von ihren Erkenntnissen persönlich zu unterrichten. Als Helen kurz danach erschlagen aufgefunden wird, geraten auch die Geschwister ins Visier der Ermittler. Eine schlechte Presse können sie sich nicht leisten, ihr Ruf ist ihr Kapital. Sich einfach klammheimlich davonzumachen, ist also keine Option. Also bleiben sie notgedrungen in der Stadt, in der feindselige, ja gewalttätige Übergriffe gegen sie an der Tagesordnung sind und hoffen auf baldige Klärung des Falls.


    Zum Glück sind ihnen nicht alle Einwohner feindlich gesonnen. Tolliver bandelt mit diversen Damen in Sarne an, Harper verliebt sich in den Schwager der ermordeten Monteen, den verwitweten Polizisten Hollis Boxleitner, und denkt ernsthaft darüber nach, sesshaft zu werden. Als sie herausfindet, dass auch Hollis’ Ehefrau, Sally Hopkins, ermordet wurde, wird ihr klar, dass das kein Zufall sein kann. Wer hat Interesse daran, eine komplette Familie auszulöschen? Was wussten die drei Hopkins-Frauen? Wem waren sie und Dell im Weg? Welches Geheimnis ist so wichtig, dass vier Menschen dafür sterben mussten?


    Harper und ihr Freund Hollis forschen nach. Das hätten sie lieber nicht tun sollen …


    Fans von Charlaine Harris’ Buchreihe um die Gedanken lesende Kellnerin Sookie Stackhouse werden in dieser Reihe vermutlich den schrägen Humor vermissen … und die Vampire. Die Harper-Connelly-Reihe ist melancholischer angelegt als Harris’ erfolgreiche Vampirserie. Es sind Kriminalromane mit einem einzigen übernatürlichen Element: der Fähigkeit der Heldin, Tote zu finden und zu wissen, wie sie gestorben sind.


    Der Kriminalfall im vorliegenden Band ist sicher nicht allzu anspruchsvoll konstruiert. Routinierte Krimileser ahnen bald, welcher Art das Motiv ist, das hinter den Mordfällen steckt. Und doch bleibt es spannend bis zum packenden Finale, bei dem sich zeigt, wer hier so viel zu verbergen und verlieren hat. Dieser Startband zu einer neuen Serie macht Appetit auf mehr.


    Auch der persönliche Hintergrund von Harper Connelly lässt auf eine Fortsetzung hoffen. Da sind zum einen die jüngeren Halbschwestern, die eine fürsorgliche Tante den beiden älteren Geschwistern gründlich entfremdet hat. Und da ist Cameron, Harpers älteste Schwester, die vor Jahren unter mysteriösen Umständen verschwand, und deren Schicksal noch immer ungeklärt ist. Wird auch sie eines Tages aus dem Grab zu ihrer Schwester sprechen …?


    In den USA umfasst die Harper-Connelly-Reihe bereits drei Bände, ein vierter ist angeblich in Arbeit. Wir dürfen also gespannt sein.

  • Ich habe gerade erst den zweiten Teil der Reihe beendet und er hat mir noch besser gefallen als dieser erste. Die Figuren entwickeln sich weiter mit der Zeit und bekommen mehr Tiefe.

    Ich kaufe keine Bücher. Ich adoptiere sie. :hexe:

  • Ich habe das englische Hörbuch gehört. Charlaine Harris kenne ich bereits von den Sookie Stackhouse Büchern, dennoch ist der Stil dieser Reihe ein ganz anderer. Viel von dem typischen Sookie-Humor fehlt hier und die Atmosphäre ist dafür um einiges dichter und düsterer.


    Alles in allem hat mir der erste Teil ganz ok gefallen, ein paar Dinge fielen mir ein wenig negativ auf. Zum einen finde ich das Ende nicht so ganz glaubhaft, aber falls es Harris erster Versuch eines Krimis ist, kann ich das verschmerzen. Vielleicht steigert die Autorin sich im Laufe der Bücher noch.
    Zum anderen ist mir die Bessessenheit von Harper an ihren Bruder Tolliver unangenehm aufgefallen. Ich verstehe nicht wirklich, wieso Harper teilweise wie ein - sorry - ein wenig unterbelichtetes Ding dargestellt wird, das keine Schritt ohne ihren Bruder machen kann?
    Dass die beiden die gemeinsame Vergangenheit eng zusammengeschweißt hat, kann ich ja nachvollziehen und finde das auch irgendwie ein nettes Element. Auch kann ich nachvollziehen, dass Harper dieses ganze Geschäft nicht so gern alleine betreibt. Aber das ganze ist für mich viel zu übertrieben dargestellt und Harper wirkt auf mich im letzten Drittel des Buches - entgegen ihrer ständigen Behauptungen, ohne Tolliver ginge gar nichts - als wäre sie durchaus eine junge Frau, die mit sehr vielen widrigen Umständen sehr wohl alleine ganz gut zurecht kommt. Der große Zusammenbruch ist dann ja immerhin auch nicht gekommen, als sie genau das machen muss. In einer Situation zu Beginn des Buches wird Haper allerdings schon panisch, weil ihr Bruder in einem anderen Raum ist, während beide verhört werden. Da wusste ich nicht, was ich davon halten soll.


    An der Charakterentwicklung sollte Frau Harris noch arbeiten, ich habe das Gefühl nicht alle Facetten Harpers kennengelernt zu haben und Tolliver wirkt auf mich ein wenig flach.
    Dennoch hat mir die Atmosphäre ganz gut gefallen und es war eine kurzweilige Unterhaltung für mich.


    3ratten

    “Grown-ups don't look like grown-ups on the inside either. Outside, they're big and thoughtless and they always know what they're doing. Inside, they look just like they always have. Like they did when they were your age. Truth is, there aren't any grown-ups. Not one, in the whole wide world.” N.G.