Hölderlin - Hyperion

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    Da meine Suche nichts ergeben hat, dass hier schon etwas zu diesem, meinem absoluten Lieblingsbuch verzeichnet ist, gebe ich hier einfach ein paar Zitate wieder, die mich schon fast ein Leben lang begleiten.


    Was wäre das Leben ohne Hoffnung? Ein Funke, der aus der Kohle springt und verlischt...


    Nimm mich, wie ich mich gebe, und denke, daß es besser ist zu sterben, weil man lebte, als zu leben, weil man nie gelebt.


    Es gibt ein Vergessen alles Daseins, ein Verstummen unseres Wesens, wo uns ist, als hätten wir alles gefunden.


    EDIT: Amazonlink eingefügt. LG, Saltanah

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()

  • Mein Lieblingskapitel ist aber im Zweiten Buch des Hyperion das mit dem Beginn "So kam ich unter die Deutschen."


    ...ich kann kein Volk mir denken, daß zerrißner wäre, wie die Deutschen. Handwerker siehst du, aber keine Menschen, Denker, aber keine Menschen, Priester, aber keine Menschen, Herrn und Knechte, Jungen und gesetzte Leute, aber keine Menschen...
    ...ich sprach für alle, die in diesem Lande sind und leiden, wie ich dort gelitten.

  • Das Zitat von arbor war mir bei der gerade abgeschlossenen Lektüre auch aufgefallen. Noch garstiger ist allerdings der Satz unmittelbar davor:


    Zitat

    Barbaren von alters her, durch Fleiß und Wissenschaft und selbst durch Religion barbarischer geworden, tief unfähig jedes göttlichen Gefühls, verdorben bis ins Mark zum Glück der heiligen Grazien, in jedem Grad der Übertreibung und der Ärmlichkeit beleidigend für jede gutgeartete Seele, dumpf und harmonielos wie die Scherben eines weggeworfenen Gefäßes...


    Nun gut, also wenigstens eine kurze Inhaltsangabe und ein paar Gedanken hinterher.


    Der Titelheld Hyperion, ein junger Grieche des 18. Jahrhunderts, wächst in schwärmerischer Verehrung der Natur und der antiken Helden- und Götterwelt auf, entflammt in ebenso schwärmerischer Liebe zunächst zu einem Freunde, später, nach einem vorübergehenden Zerwürfnis, zu der jungen Diotima. Bevor er sie zur Frau nehmen kann, lässt er sich in patriotischer Begeisterung in den Aufstand gegen die türkische Herrschaft über Griechenland des Jahres 1770 hineinziehen. Nach anfänglichem Kriegsglück wendet er sich schwer verletzt, desillusioniert und von der Heimat entfernt, ab, nachdem Greueltaten und militärische Niederlage der eigenen Leute in ein Desaster einmünden. Sein Freund Alabanda verlässt ihn, um sich der Bestrafung eines Geheimbundes zu unterwerfen dem er untreu wurde, Diotima stirbt an gebrochenem Lebensmut. Hyperion selbst sucht das Exil, das er in dem Deutschland der Barbaren findet. Trost und Lebensmut findet er hier, wie schon früher in der griechischen Heimat, in der hymnisch verherrlichten Natur.


    Die Geschichte selbst ist als Briefroman verfasst, sie besteht praktisch ausschließlich aus Briefen des Hyperion an einen selbst nicht in Erscheinung tretenden Empfänger namens Bellarmin.


    Soweit zum Inhalt und zur äußeren Form. Nun zu meinen Anmerkungen:


    1.
    Aus der Form des Briefromans bin ich nicht recht klug geworden. Es gibt keinen schriftlichen Gedankenaustausch, Hyperion führt einen schriftlichen Monolog. Selbst die zwei Briefe von Diotima an Hyperion, die hier enthalten sind, sind nur als Gegenstand eines Berichts von Hyperion an Bellarmin zitiert. Ein dritter längerer Brief von Diotima wird ohne eigenes Kapitel in einem Brief Hyperions nacherzählt. Das wirft die Frage auf, wozu hier überhaupt die Form des Briefromans gewählt wurde. Zudem erscheint die Aufteilung der Erzählung auf die Briefe willkürlich, die Abschnitte bilden keine plausible briefliche Textform.


    2.
    Der Verlauf der Handlung ist im Grunde von zweitrangiger Bedeutung. Linear chronologisch ist die Erzählung ohnehin nicht, es gibt im ersten Drittel einen Hinweis, dass das Nachfolgende ein längerer Einschub sei. Diotimas Tod wird gut 100 Seiten vor seinem Eintritt angekündigt. Auch das passt nicht recht in das Konzept eines Briefromans. Tatsächlich geht es hier um ein Manifest der Begeisterungsfähigkeit, der Emphase und des Empfindens, das durch alle Höhen und Tiefen der menschlichen Existenz hindurch verfolgt wird.


    3.
    Hyperion ist ein in Prosaform abgefasstes Gedicht. Insbesondere die Naturschilderungen sind in lyrischer Überhöhung abgefasst, ein mächtiges Bild reiht sich an das andere. Sieht man davon ab, dass das Lesen nicht wenig Mühe macht, gehört das zu dem berauschendsten, was ich in dieser Art gelesen habe – es findet eine Entsprechung nur noch in den Romanen von Jean Paul.


    4.
    Hyperion, der Held, bezieht seine Inspiration hauptsächlich aus der Anschauung der großen griechischen, insbesondere der Athener Antike, deren Geist er nach einer gedachten erfolgreichen Befreiung vom türkischen Joch wieder einziehen lassen wollte. Hölderlin befand sich da in bester Gesellschaft seiner Zeit, die gesamte Weimarer Klassik beruht auf der Wiederbelebung des antiken Geistes. Was mir nur auffiel: Hyperion verkörpert unter allen mir bekannten Protagonisten die naivste Rezeption der griechischen Antike. Jean Paul, einer der beiden anderen „Exoten“ der klassischen Epoche (der dritte wäre dann H.v.Kleist), hatte es dem Dreigestirn Goethe, Schiller und Wieland allerdings schon treffend ins Stammbuch geschrieben: zweitausend Jahre Kulturgeschichte, die inzwischen vergangen waren, kann man nicht mehr rückgängig oder vergessen machen. Diese klare Sicht wird man im Hyperion vergeblich suchen. Auf diese seltsame Art ist Hyperion ein Hybrid aus Klassik und Romantik.


    Im übrigen: nein, keine Bewertung.

    Einmal editiert, zuletzt von Gronauer ()

  • Den Hyperion habe ich vor zwei Monaten mit Freude gelesen. Mich hat von Anfang an die Sprache Hölderlins begeistert; ich würde in der Tat behaupten, dass die Lektüre einem rauschhaftes Erlebnis gleichkam. Ein Buch, dass ich mit Sicherheit in einigen Jahren noch einmal zur Hand nehmen werde (eine Relektüre ist der größte Ritterschlag, den ein Buch in meinem Regal erhalten kann). Ich bin sehr froh, dass meine Erstbegegnung mit dem Hyperion nicht im Rahmen einer Schullektüre stattgefunden hat. Eine sogenannte Analyse mit den kümmerlichen Mitteln der Literaturwissenschaft kann diesem Werk ohnehin nicht gerecht werden.