Sten Nadolny - Ein Gott der Frechheit

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    Kurzbeschreibung:
    In Sten Nadolnys Roman ist Hermes, Gott der Kreuzwege und der Nacht, der Diebe und Kaufleute, der Held. Nach über 2000jähriger Gefangenschaft wird er vom neurotischen Technologie-Gott Hephäst befreit. Der erste Mensch, der ihm nach seiner Befreiung auf Santorin begegnet, ist die junge Helga aus Stendal in Sachsen-Anhalt, für die sich Hermes gleich entflammt. Diese befindet sich auf einer Kreuzfahrt, und Hermes folgt ihr, selbst über den Atlantik. Auf den Reisen lernt er nicht nur die Angebetete besser kennen, sondern macht sich auch seinen Reim auf die Veränderungen, die die Welt in den letzten 2000 Jahren erfahren hat.


    Meine Meinung:
    Über 2000 Jahre ist Hermes an eine Felswand geschmiedet, als er, just in dem Moment in dem Helga, eine junge Frau aus Sachsen-Anhalt, auf einem Touristenschiff vorbei fährt und seine Befeiung beobachten kann, von seinen Fesseln befreit wird. Allerdings ist er zuerst einmal noch nicht mit all seinen göttlichen Gaben ausgestattet, denn es fehlt ihm sein Equipment: Das geflügelte Käppchen, die geflügelten Sandalen und der Stab. Fliegen kann er also erst einmal nicht. Schwierigkeiten mit der Sprache hat er auch, denn er beherrscht nur Altgriechisch. Aber diesem Problem kann er leicht Abhilfe schaffen, der der besitzt die Fähigkeit, den Menschen durchs Ohr in den Kopf zu schlüpfen und sich so ihr Wissen anzueignen und unsere ihm noch fremde Welt kennen zu lernen. Auch benutzt er diese Fähigkeit zum Reisen, zuerst einmal, um Helga aufzuspüren, die sein allergrößtes Interesse erweckt hat.


    Die Suche des Hermes nach Helga gestaltete sich für mich noch recht unterhaltsam, doch irgendwann zog es sich einfach zu sehr in die Länge.
    Der Roman hat seine schönen Seiten, er ist amüsant, ironisch, gesellschaftskritisch und stellenweise leicht erotisch.
    Wirklich sehr schön fand ich, als Nadolny seinen Hermes im Pfälzer Dialekt sprechen lässt (was er im Kopf eines Schmieds gelernt hat). Und auch Hermes Vermutung, dass der Name der vielen verehrten hölzernen Frauenfiguren in Italien Gianna Nannini sein muss.


    Aber all das vermochte mich nicht über den Anfang hinaus zu fesseln. Denn dies Buch ist auch verwirrend, die Strukturen zu unklar .Zu leicht kann man die Orientierung verlieren bei Hermes Begegnungen mit Hephäst, Ortsgeistern und Helga / der Göttin Helle.
    Und ich glaube nicht, dass eine wirklich umfassende Kenntnis der griechischen Mythologie diese Verwirrung zu verhindern weiß.


    Dieses Buch war leider überhaupt nicht mein Fall, deswegen gibt es von mir nur


    2ratten

    Liebe Grüße

    SheRaven

  • Inhalt: An einem Frühlingstag des Jahres 1990 wird eine menschliche Gestalt von den Ketten befreit, mit denen sie an eine Felswand geschmiedet war, und niemand aus der jungen Helga aus Stendal, gerade auf Ägais-Kreuzfahrt, bemerkt es. Der Befreite ist Hermes, der alsbald von Hekate aufgeklärt wird, daß er seine Ausrüstung als Götterbote noch eine Weile entbehren müsse und auch Athen nicht besuchen dürfe, ansonsten aber frei sei und sich zur Mitte der Welt begeben solle. Hermes versteht nicht recht, was das alles soll, trifft aber bald auf Helga, die ihn so fasziniert, daß er ihr folgt. Um nicht übermäßig aufzufallen reist er hier wie auch späterhin meist in anderen Menschen, denen er durchs rechte Ohr in den Kopf springt und sich dort an Beeinflussung der Gedanken und Fähigkeiten macht. Dabei lernt er im Verlaufe der Geschichte auch gleich noch verschiedene neue Sprachen und Handlungen, vom Graffiti-Sprühen bis zur Gehirn-OP.


    In Venedig verlieren sich Hermes und Helga, dafür lernt er Helle kennen, eine Tochter des Hephaistos. Offensichtlich hat Hephaistos Pläne mit Hermes, und nachdem dieser sich in Nymphenburg sein Equipment wieder besorgt hat, kommt es auch zur Begegnung der beiden so ungleichen Götter. Hermes muß zu seinem Erstaunen feststellen, daß die übrigen Götter sich zurückgezogen haben und Hephaistos als Herr der Welt alles kontrolliert. Auch er soll eine Rolle in Hephaistos' Plänen spielen: als Zeitgeist mit provokanten Äußerungen im Fernsehen. Das fesselt Hermes, den Unbeständigen, aber auch nur kurz. Offensichtlich hat Hephaistos weitergehende Pläne, für die es zwingend notwendig ist, daß Anteros, der Gott der Gegenliebe, bei Hades bleibt, und Hermes und Apollon keine gemeinsame Sache machen. Hermes und Helle, die sich längst von ihrem Vater distanziert, schmieden einen kühnen Plan, um die Welt vor Hephaistos zu retten ...



    Meine Meinung: Die Grundidee ist durchaus witzig, die Götter sind also nach wie vor unter uns. Beim nächsten Konzertbesuch werde ich mal darauf achten, ob der Dirigent nicht vielleicht in Wahrheit der getarnte Apollon ist. Aber die Unsterblichen haben es offensichtlich auch nicht leicht, wenn einer der Ihren so durchdreht wie Hephaistos. Vor allem Hermes und Apollon müssen dabei feststellen, daß „ihre Leute“, die frechen, leichtlebigen, durchtriebenen Lebenskünstler einerseits und die gelehrten und künstlerischen Träumer andererseits, in dieser Welt nicht mehr gefragt sind. Hermes leidet dabei besonders unter der Umdeutung des Wortes „hermetisch“, die Hephaistos aus Rache gegen den Bruder besonders gründlich betrieben hat.


    Seine Komik bezieht der Roman also einerseits daraus, daß er mit den bekannten Göttern, ihren Eigenschaften und Beziehungen zueinander spielt, andererseits und das noch in größerem Maße, aus der Konfrontation Hermes' mit der heutigen Welt nach seinen gut 2000 Jahren der Gefangenschaft. Wie er sich manches zurechtlegt oder auch nicht versteht, ist durchaus amüsant und für mehr als einen Schmunzler gut. Weniger sympathisch kommt Hephaistos daher, an ihm und seinem Wirken macht Nadolny vor allem die von SheRaven schon angesprochene Gesellschaftskritik fest. Das wirkte dann stellenweise schon etwas bemühter und kam nicht so leichten Fußes daher, aber bekanntermaßen hinkte Hephaistos ja auch und hatte keine Flügelschuhe wie Hermes.


    Verwirrend kann bei all dem sicher sein, daß manchmal nicht klar ist, ob jemand nun einfach ein Mensch oder ein Gott ist. Im Zweifelsfall tut man gut daran, von einem Gott auszugehen, das erklärt dann am ehesten die Merkwürdigkeiten, die sonst Kopfschütteln erzeugen müßten. Besonders bei Helga/Helle verschwimmen die Zuordnungen des öfteren, und ich hatte schon den Eindruck, daß Nadolny sich da ein, zweimal in seinen eigenen Konstrukten verlaufen hat und nur mit Mühe den Bogen zurück schlagen konnte. Ich nehme an, daß dies die Stellen waren, die bei SheRaven die Verwirrung und Unklarheit hinterlassen haben. Es gibt immer Andeutungen, aus denen sich die Götter ahnen lassen, aber leicht oder gar eindeutig ist es manchmal nicht. Trotz dieser Schwäche habe ich mich von dem Roman insgesamt durchaus gut unterhalten gefühlt, ein Unbedingt-Lesen-Buchtip ist es aber sicher nicht, höchstens für Leute, die die griechischen Götter, und hier vor allem Hermes und Hephaistos, mal von einer anderen Seite kennenlernen wollen.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen