Ismail Kadaré - Doruntinas Heimkehr

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    Arberien, Teil des heutigen Albanien, im tiefsten Mittelalter: In einer stürmischen Nacht kehrt Doruntina, die drei Jahre zuvor gegen althergebrachte Sitten und den Willen vieler Verwandte ins weit entfernte Böhmen verheiratet wurde, nach Hause zurück. Nach eigener Aussage ist sie von ihrem Bruder Konstantin zurück in die Heimat geholt worden.


    Der Haken an der Sache und der Grund, warum Hauptmann Stres mitten in der Nacht aus dem Bett geholt wird: Konstantin ist, ebenso wie alle seine Brüder, seit zwei Jahren tot, ums Leben gekommen beim Kampf gegen eine pestverseuchte Invasorenarmee.


    Mutter und Tochter fallen aufgrund dieser Nachrichten in einen Schock, den sie beide nicht überleben. Nach dem Tod der neun Söhne ist die alteingesessene Familie damit endgültig ausgelöscht. Die Legendenbildung in der Bevölkerung lässt allerdings nicht lange auf sich warten, Spekulationen darüber, wer Doruntinas Rückkehr tatsächlich veranlasst hat, treiben die wildesten Blüten. Ist der Bruder tatsächlich von den Toten auferstanden, war es ein Gespenst, oder war es vielleicht nur eine heimliche Liebschaft? Stres verschreibt sich diesem mysteriösen Fall mit Leib und Seele, setzt - mit Unterstützung von Kirche und Fürstentum - Himmel und Hölle in Bewegung, um ihn aufzuklären, und muss doch letztendlich erkennen dass es mehr als nur eine Wahrheit gibt.


    Der Kriminalfall, der im Klappentext versprochen wird, bildet nur eine Ebene dieses Romans. Immer wieder als Spielball und Pfand im Machtpoker zwischen übermächtigen weltlichen und geistlichen Herren missbraucht, hat der Begriff “Heimat” für die Arberier eine besondere Bedeutung. Schon damals war es nicht einfach, sich eine unverwechselbare Identität als Volksgruppe zu bewahren; die Pflege der Sprache und Erhaltung eigener Kultur ist die Motivation hinter “hinterwäldlerischen” Gewohnheiten wie der Abschottung nach außen, wie sie z.B. in der Abneigung gegen Heiraten, die aus dem eigenen Dorf hinausführen, zum Ausdruck kommt.


    Die Bewohner dieses Landstrichs sind arm und einfach, aber auch stolz auf ihre Kultur, die sie mit einem Hang zum Eigenbrötlerischen verteidigen. Die Ehre der Familie, des Stammes, der Dorfgemeinschaft steht über allem, Recht und Unrecht haben eine andere Bedeutung als in unserer modernen Zivilgesellschaft. Der Ehrenmord und die sich daraus ergebende Blutrache zwischen Familien und Clans ist selbstverständlich und alltäglich, und ein Ehrenwort ist ein Ehrenwort und muss unter allen Umständen gehalten werden - zur Not auch über den Tod hinaus.


    Ismail Kadaré ist nicht umsonst einer der bekanntesten albanischen Autoren der Moderne und seit langem Anwärter auf den Literatur-Nobelpreis. Er schafft es, die Geschichte seines Landes, das nach Jahrhunderten der wechselvollen und meistens tragischen Geschichte nun auch endlich auf dem besten Weg ist, eine ganz normale europäische Demokratie zu werden, in eine moderne, ansprechende, aber auch poetische Sprache zu übersetzen und den Stoff gleichzeitig spannend und verständlich zu verpacken. Für mich eine echte Entdeckung!


    Links:
    - Wikipedia-Eintrag zum Kanun, dem albanischen Gewohnheitsrecht
    - Artikel zu Kadaré und seinem Werk in der “Welt”
    - “Lenore” von Gottfried August Bürger (Gutenberg.de). Diese Ballade hat Kadaré zu seinem Roman inspiriert.

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  • Nachdem ich jetzt gerade zwei albanische Bücher gelesen habe, darunter auch eines von Kadare, habe ich Deine Rezi mit Interesse gelesen. Und da mir „mein“ Kadare auch schon ganz gut gefallen hatte, werde ich dieses auch mal auf meine Liste setzen.


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Hallo Aldawen,


    auch ich habe noch einen zweiten Kadaré auf dem SUB, und zwar "Der zerrissene April", und auch der liegt schon relativ weit oben :winken:

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