Kai Meyer - Das Gelübde

Es gibt 59 Antworten in diesem Thema, welches 16.878 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Doris.

  • Hallo zusammen!


    Hier wird ab 01.12.2007 der Roman "Das Gelübde" von Kai Meyer gelesen und besprochen.


    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    [hr]


    Inhalt:


    Herbst 1818. Zwei Menschen begegnen sich unter seltsamen Umständen: Anna, eine zierliche Augustinerin, die ihr Krankenlager seit Jahren nicht mehr verlassen hat, und Clemens Brentano, Dichter und Lebemann, der weder an Gott noch an Annas Marienvisionen glaubt. Als Clemens eine geheimnisvolle Frau in Schwarz erscheint, macht Anna ihm ein erschütterndes Geständnis. Es entspinnt sich eine verbotene Leidenschaft, in der Träume an die Stelle von Berührungen treten.


    [hr]


    Teilnehmer:


    yanni
    Arjuna
    Miramis


    Weitere Teilnehmer sind gerne willkommen!


    [hr]


    Eine kurze Bitte: Damit das ein bisschen angenehmer zu lesen ist, postet erst, wenn ihr angefangen habt. Die Beiträge "Buch liegt bereit, ich fange heute Abend an" ziehen das ganze immer so sehr in die Länge.


    Interessant für Leserunden-Neulinge ist sicherlich die Leserunden-FAQ. Dort findet ihr auch Informationen z.B. zu Spoilern etc.


    Viel Spaß! :breitgrins:

  • Vielen Dank, Seychella! :bussi:


    Hallo liebe Mitleserinnen,


    schön dass wir nach dem "Rattenzauber" auch diesen Roman von Kai Meyer gemeinsam in Angriff nehmen; Hintergrund ist in meinem Fall auch ein gehörige Portion Neugier auf diese Geschichte, die inzwischen verfilmt worden ist und großartige Kritiken von allen Seiten bekommt. Leider kommt der Film erst im Herbst 2008 ins Fernsehen, aber bis dahin läuft er noch auf zahlreichen Filmfestivals, so dass wir vielleicht doch vorzeitig noch die Chance bekommen, "Das Gelübde" zu sehen.


    Ich bin auf Seite 29 und stehe dem Roman bis hierher noch mit sehr gemischten Gefühlen gegenüber. Der Prolog ist gleich eindeutig und nimmt das Ende vorweg; dass am Ende der Geschichte der Tod steht, ist nun keine Überraschung mehr. Also geht es Kai Meyer wohl eher um das, was vorher passiert, und zwar zwischen den beiden Hauptfiguren Clemens von Brentano und Anna, der stigmatisierten Nonne.


    Die Sache mit dem Laub fand ich sehr interessant; wo kommt es nur in dieser Masse her, wenn doch so wenig Bäume vorhanden sind? Das ist ein Rätsel und ich bin gespannt, ob wir darauf eine Antwort bekommen werden. Mich würde es wundern, wenn wir nicht irgendwann darauf zurück kämen. Dülmen, diese Stadt sagt mir eigentlich nur im Zusammenhang mit dem Meerfelder Bruch und den Dülmener Wildpferden etwas, dort war ich noch nie.


    Die erste Begegnung zwischen Anna und Clemens ist eine seltsame Angelegenheit; er, der Atheist, kommt zu einer Nonne, die aus verschiedenen Wunden blutet, wie sie auch Jesus Christus bei seiner Kreuzigung erfahren hat. Wir haben es also mit einem echten "Wunder" zu tun, das dazu noch von der Kirche untersucht und bestätigt wurde. Wie wohl Clemens damit umgehen wird? Immerhin glaubt er nicht an Gott, und nun erlebt er so etwas. Die Verletzungen an sich finde ich grausam und ekelerregend, aber Anna scheint ihr Schicksal freudig anzunehmen und sich damit wohlzufühlen. So richtig nachvollziehen kann ich das nicht; andererseits bleibt ihr wahrscheinlich auch nichts anderes übrig, da die Medizin zum damaligen Zeitpunkt ihr offenbar nicht helfen konnte.


    So, soweit zum Einstieg - ich werde dann mal weiterlesen und sehen, wie sich die Dinge zwischen Anna und Clemens entwickeln.


    Viele liebe Grüße :winken:
    Miramis

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • Hallo an alle Mitlesende!


    Wie Miramis habe ich es "schon" bis Seite 29 geschafft.


    Wie schon erwähnt, wird im Prolog das Ende bereits vorweg genommen. Wichtig scheint daher die Beziehung von Brentano und Anna in den letzten 5 Jahren zu sein - und darum wird sich wohl auch der Roman drehen. Brentano hat, wie heraus zu lesen ist, eine enge Verbundenheit mit Anna aufgebaut. Eine Verehrung, die in gewisser Weise schon als Liebe zu bezeichnen ist.
    Interessant finde ich, dass der Prolog nicht in der Ich-Form geschrieben ist.


    Den genauen Sinn des ersten Kapitels verstehe ich noch nicht. Sollen die Blätter, denen man nicht Herr wird, ja die indirekt sogar einen Todesfall verursacht haben, etwas symbolisieren?


    Im 2. Kapitel fängt die Geschichte erst so richtig an. Der etwas überhebliche Brentano wird von Dr. Wesener in Empfang genommen. Der Besuch scheint von Brentanos Bruder Christian arrangiert worden zu sein. Warum? Ein Versuch ihn in den Schoß der Kirche zurückzuführen? :zwinker:
    Bemerkenswert auch die "Vision" Brentanos. Handelte es sich bei der Bekleidung etwa um eine Nonnentracht? Frl. Emmerick, wie Dr. Wesener sie nennt, wird auch als Schwester Anna bezeichnet, ist oder war eine Nonne. War es vielleicht ihre Erscheinung?!
    Das irritierte mich beim Lesen doch ziemlich - Anna wird als Nonne dargestellt, oder bilde ich mir das nur ein? Trotzdem wohnt sie nicht im Kloster und wird von ihrer Schwester versorgt.


    Warum ist Dr. Wesener so besorgt, ob Brentano ein weltliches Amt inne hat. Die Stigmata Annas scheinen doch bereits öfter überprüft worden zu sein. Oder hat er nur Angst seiner Patientin könnten neue Schmerzen zugefügt werden. Es kam mir fast so vor, als ob er sie wie sein Eigentum betrachte. Wie ein Sammler, der seine Schätze nur für sich behalten will.
    Pilger - wie sie das nur meint?


    Es wird sicher interessant werden die Beziehung der beiden zu verfolgen. Brentano, überzeugter Atheist, und eine Nonne, die die ganze Palette an Stigmata vorweisen kann und seit Jahren keine Nahrung zu sich genommen haben will.



    ..., aber Anna scheint ihr Schicksal freudig anzunehmen und sich damit wohlzufühlen. So richtig nachvollziehen kann ich das nicht;...


    Anna berichtete, ihr sei in ihrer Kindheit, ihr Schutzengel erschienen, was darauf hindeutet, dass sie sehr gläubig war und im Auftreten der Stigmata eine Ehre sieht. Eine religiöse Fanatikerin im positiven Sinne.


    OT: Ob es wohl eine Studie darüber gibt, wie das Auftreten von Stigmata prozentual zwischen den Geschlechtern aufgeteilt ist?



    :winken: yanni


  • Es wird sicher interessant werden die Beziehung der beiden zu verfolgen. Brentano, überzeugter Atheist, und eine Nonne, die die ganze Palette an Stigmata vorweisen kann und seit Jahren keine Nahrung zu sich genommen haben will.


    Das hat mich ziemlich geschockt, dass die Frau nichts isst außer einer Hostie am Tag, und ansonsten nur Brunnenwasser zu sich nimmt. :entsetzt: Für die Wunden mag es noch eine Erklärung geben, aber ohne Nahrung zu leben? Das geht nicht in meinen Schädel. :zwinker:



    OT: Ob es wohl eine Studie darüber gibt, wie das Auftreten von Stigmata prozentual zwischen den Geschlechtern aufgeteilt ist?


    Ich muss zugeben, dass ich mich mit dem Thema noch nie auseinander gesetzt habe. Ich finde es auch ziemlich unheimlich...


    Inzwischen bin ich auf Seite 65 angelangt.


    Das Laub, die vielen Blätter, das kommt immer wieder zur Sprache. Das kann kein Zufall sein; irgendetwas hat es auf sich mit diesem Zeug. Darauf bin ich im Moment am meisten neugierig, was das Laub mit unserer Geschichte zu tun hat.


    Wir erfahren mehr über Clemens Brentano und ich stelle fest, dass mich der Roman total neugierig auf seine Werke macht. Ich habe noch nie etwas von ihm gelesen, aber das könnte sich ganz schnell ändern. Glücklich ist er nicht, der Clemens Brentano. Bemerkenswert fand ich seine Äußerungen zur "Mathematik des Schicksals": "Denn was kann die Addition von zweifachem Unglück schon ergeben, außer einen gebrochenen Menschen?"


    Dass er keinesfalls so selbstsicher und charmant durchs Leben geht, wie es den Anschein hat, kommt auch in seiner Begegnung mit Pater Limberg heraus; dieser bringt ihn ja recht schnell aus der Fassung und liefert ihm den Anlass, sich zu betrinken. Ich bin gespannt, ob dieser Brief, den er im Suff schreibt und abschickt, irgendwelche Folgen haben wird.


    Die nächste Begegnung mit Anna ist wieder sehr mystisch und geheimnisvoll; Anna bekommt ein neues Gesicht, als sie mit den Vögeln spielt. Da kommt sie sehr kindlich herüber. Auf ihren Schutzengel angesprochen, verändert sich ihr Wesen, sie lässt einige religiöse Schlagworte vom Stapel und erleidet anschliessend einen Anfall. Was ist nur los mit ihr? Das Geständnis anschliessend hat mich sehr verblüfft, nämlich dass sie in ihren Visionen auch eine erotische Vorstellung von Maria hat. Das hat mich einerseits erleichtert; sie ist also doch nicht so "heilig", wie es ihre Umgebung nach außen trägt. Andererseits wird sie noch weniger greifbarer für mich, so in der Richtung, na was nun. Sie hält sich für unrein und sieht ihre Stigmata als Strafe Gottes an. Und Clemens Brentano erhält eine neue Rolle als Vertrauter und "Beichtvater".


    Also, so richtig warm werde ich mit dem Roman bis jetzt noch nicht. Nicht Fisch, nicht Fleisch. Und das ganze sehr "kammerspielartig", denn die meisten Szenen spielen sich nun mal zwischen Clemens und Anna in deren Kammer ab. Bin mal gespannt, wie es euch so geht. :winken:

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • Bis Seite 65


    Das Laub, die vielen Blätter, das kommt immer wieder zur Sprache. Das kann kein Zufall sein; irgendetwas hat es auf sich mit diesem Zeug. Darauf bin ich im Moment am meisten neugierig, was das Laub mit unserer Geschichte zu tun hat.


    Ja, das Laub findet immer wieder auf unterschiedliche Weise Erwähnung. Manchmal beim Lesen habe ich den Eindruck, bildlich gesprochen, die Erklärung dafür grinst mich durchs Fenster an und sobald ich hochsehe, ist sie weg. :spinnen:



    Wir erfahren mehr über Clemens Brentano und ich stelle fest, dass mich der Roman total neugierig auf seine Werke macht.


    Dieser Roman Godwi muss zu jener Zeit ziemlich gewagt gewesen sein, wenn man die Reaktionen der Herren Wesener und Limberg für die allgemeine Meinung halten kann.
    [size=6pt](Wahrscheinlich ein Nackenbeißer für züchtige Großmüttter!)[/size] :breitgrins:



    Dass er keinesfalls so selbstsicher und charmant durchs Leben geht, wie es den Anschein hat, kommt auch in seiner Begegnung mit Pater Limberg heraus; dieser bringt ihn ja recht schnell aus der Fassung und liefert ihm den Anlass, sich zu betrinken. Ich bin gespannt, ob dieser Brief, den er im Suff schreibt und abschickt, irgendwelche Folgen haben wird.


    Brentanos Verhalten hat mich erstaunt. Ich hätte nicht gedacht, dass er so leicht aus der Fassung zu bringen sei. Ich hätte eher die ein oder andere zynische Bemerkung von ihm erwartet. War Brentano so leicht zu durchschauen? Denn nicht nur Limberg auch Schwester Anna weiß ihn sehr gut einzuordnen.



    Die nächste Begegnung mit Anna ist wieder sehr mystisch und geheimnisvoll; Anna bekommt ein neues Gesicht, als sie mit den Vögeln spielt. Da kommt sie sehr kindlich herüber.


    Diese Szene erinnerte mich stark an einen Film über Franz von Assisi, als dieser sich völlig weltentrückt mit Vögel (Tauben?) beschäftigte.


    Zitat

    Auf ihren Schutzengel angesprochen, verändert sich ihr Wesen, sie lässt einige religiöse Schlagworte vom Stapel und erleidet anschliessend einen Anfall.


    Man konnte fast den Eindruck gewinnen, als ob Anna sich in Trance befand. Dieser Anfall kam auch sehr plötzlich. Die Symptome deuten eventuell auf einen Kalzium-Mangel hin. Dabei können tetanische Krämpfe mit dieser Pfötchen-Haltung der Hände auftreten. Dass der aber durch zwei heftige Ohrfeigen zu kurieren ist, wage ich zu bezweifeln. :zwinker:


    Was meinte Anna nur mit dieser Bemerkung:
    "Wesener bringt jeden Tag welches (Verbandszeug) mit. Er fürchtet, Gertrud könnte sonst damit Schindluder treiben."


    Anna hat sie sehr in der Gewalt, aber ab und an blitzt auch bei ihr der normale Mensch durch. Dass sie ihre Visionen den anderen nicht ganz so ausführlich darlegte, kann man gut verstehen. Mich würde nun doch interessieren, was Maria ihr in den Visionen so mitteilt, denn nur um die Erscheinung kann's ja nicht gehen, sonst müßte Anna vor Scham im Boden versinken. Denn ihre Maria entspricht allem Anschein nach nicht gerade der Norm.
    Ich dachte immer die Menschen würden glauben die Visionen kämen von Gott, wie kann Anna da glauben, Gott wolle sie für diese Visionen strafen? :confused:


    Worüber ich mir nicht klar werden kann, ist, warum Brentano überhaupt nach Dülmen zu Anna gefahren ist. Wirklich nur weil sein Bruder Christian ihm so lange damit in den Ohren lag? Da muss doch mehr dahinter stecken.


    Weiß vielleicht jemand, was ich mir unter einer Korbkrippe vorzustellen habe? :schulterzuck:


  • Weiß vielleicht jemand, was ich mir unter einer Korbkrippe vorzustellen habe? :schulterzuck:


    yanni: auf Kai Meyers Homepage sind ganz viele Fotos vom Drehort der Verfilmung, unter anderem ein Bild von Annas Krankenlager. Du findest die Bilder im Journal, und zwar im Archiv der Monate März und folgende. Es lohnt sich, dort vorbeizuschauen... :winken:

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • Hallo ihr Zwei!


    Ich bin leider erst heute dazu gekommen mit dem Buch anzufangen.


    Bis Seite 70:


    Das der Prolog nicht in Ich-Form geschrieben ist, war mir gar nicht aufgefallen.


    Das Laub finde ich ebenfalls sehr merkwürdig. Allerdings geht es mir mit dem ganzen Buch bisher so, dass ich mir denke: "Komm, wer soll das denn glauben." 2 Meter hohe Wände aus Laub? Was immer es damit auf sich hat, es gefällt mir gar nicht.


    Schon wieder eine merkwürdige Frau in Schwarz, das hatten wir ja im Rattenzauber schon. Könnten diese "Visionen" die Anna hat, nicht auch von einer echten Person stammen? Also dass sich wer ins Zimmer schleicht?


    Zitat yanni

    Zitat


    Was meinte Anna nur mit dieser Bemerkung:
    "Wesener bringt jeden Tag welches (Verbandszeug) mit. Er fürchtet, Gertrud könnte sonst damit Schindluder treiben."


    Ich glaube damit meinte Anna nur, dass Gertrud es z.B. für etwas anderes verwenden, verkaufen ect. könnte.


    Was haltet ihr von Gertrud?
    Sie hat es sicher nicht leicht mit ihrer Schwester, die eine große Sensation ist.



    Zitat yanni

    Zitat

    Ich dachte immer die Menschen würden glauben die Visionen kämen von Gott, wie kann Anna da glauben, Gott wolle sie für diese Visionen strafen? Confused


    Sie könnten ja auch vom Teufel kommen? Außerdem wird Gott ihr nicht sexy Maria-Visionen "senden" :breitgrins:



    Was glaubt ihr hat es mit dem Titel auf sich?
    Gelübde Was wird hier geschwört? Das die Wunden echt sind? Oder legt Brentano ein Gelübde ab?


    Das mit der Puppe im Laub war richtig gruselig, ich dachte Brentano hätte eine Leiche gefunden, allerdings nimmt er die Puppe mit, ob da noch was kommt? Für mich hatte es sich der Beschreibung nach wie ein Vodoo-Puppe oder sowas in der Richtung angehört und nicht wie die Puppe eines Kindes? Nicht dass er am Ende noch wegen Hexerei drankommt.


    War es eigentlich damals schon so problemlos möglich sich scheiden zu lassen? Brentano erzählt das so, wie wir heute vielleicht davon reden.



    Bis jetzt bin ich mir noch gar nicht sicher was ich davon halten soll, aber Kai Meyer hat es schon wieder geschafft, dass ich unbedingt weiter lesen will, um gewisse Dinge zu erfahren.



    lg
    arjuna

    Das Leben besteht aus vielen kleinen Münzen, und wer sie aufzuheben versteht, hat ein Vermögen.<br />Jean Anouilh

  • Kapitel 8 -10


    Solangsam werden mir die Blätter etwas zu viel. Ich kann nicht glauben dass sie sich wirklich so hoch auftürmten und sogar eine Gasse verbergen konnten. Diese Vorstellung schiebe ich auf Brentanos aufgewühltes Innenleben, seine fehlenden Ortskenntnisse und zum Teil doch auch auf die sicher auch ihn nervenden Blätter, die allgegenwärtig sind.


    Die Puppe ist tatsächlich ein eigentümlicher Fund. Wobei ich nicht so sehr die Puppe an sich meine, als eben ihr Aussehen. Ihr langes menschliches Haar schleicht sich sogar in seine Träume. Warum er dieses nicht gerade ansehnlich zu nennende Teil überhaupt mit in sein Bett nahm, verstehe ich nicht ganz. Annas Beichte zusammen mit der Puppe bescheren ihm einen quälenden Traum.
    Das Weinen des kleinen Mädchens kann ich nicht einordnen. Soll es den Verlust der Puppe symbolisieren oder vielleicht Annas Trauer, weil nun auch Brentano mit diesen unkeuschen Visionen geplagt wird? :confused:


    Durch den alten Abbé erfahren wir nun etwas aus Annas Vergangenheit. War es damals wirklich so einfach als Nonne ausserhalb des Ordenshauses zu leben? Der Abbé hatte zwar einen Aufschub erwirkt, aber galt der denn unbegrenzt? Mir ist der alte Mann von allen Personen, die wir bisher kennenlernten am sympathischsten.


    Kapitel 11 - 14


    Das Bett steht wieder am alten Platz. Waren wirklich gesundheitliche Ursachen der Grund oder doch nur Eifersüchteleien? :zwinker:
    Annas Beschreibungen über ihren religiösen Eifer schon während der Kindheit, der doch nur durch ihre Eltern ausgelöst worden sein kann, sind erschreckend.
    Die Schilderung des Widersachers, den Gott ihr sandte, lassen mich eigentlich eher an ein ganz normalen Vergewaltiger denken, dem nichts besseres als die duldsame Anna über den Weg laufen konnte! Wenn sie diese Vergewaltigung als Strafe Gottes ansah, wenn wundert es da, dass sie ihre sexuellen Begierden auf eine Frau konzentrierte. Zarte lockende Frauenhände im Gegensatz zur überfallartigen Brutalität des Widersachers.


    Der Siebenköpfige, der auch Maria verfolgte, ist Annas größter Schrecken. Der Abbé ist so freundlich und klärt Brentano und uns über desen Herkunft auf. Aber Anna gibt meiner Meinung nach nur wieder, was sie schon so oft in der Klosterbibel gesehen und gelesen hat. Sie glaubt bestraft werden zu müssen und so kommt aller Schrecken, dessen sie sich bewußt ist (eben aus der Bibel) über sie.


    War Brentano schon vor seinem Eintreffen in Dülmen so interessiert an böpfuschenden Getränken? Wahrscheinlich schon, da er sich ja als gebrochenen Menschen sieht.


    Die Vision, die Anna von dem Ereignis in der Kapelle hat, ist
    a) nur ein Wunschtraum
    b) eine weitere Klosterbewohnerin, die Anna für Maria hielt
    c) ?


    Was mich wundert, ist die Offenheit mit der Anna Brentano alles erzählt. Vielleicht liegt es zum Teil daran, dass er Atheist ist.


    Die Ursache für die Steigerung in Brentanos zweiten Traum sehe ich in den vorhergehenden Äußerungen Annas.


    Was hat nur dieses weinende Kind zu bedeuten?


    Kapitel 15 - 16 (bis Seite 136)


    Marias Kenntnisnahme in den verschieden Evangelien wird vom Abbé erläutert. Ebenso wie es zu dieser teilweise ausgeprägten Marienverehrung kam. Es gibt sicher immer noch viele Katholiken/Christen, die sich nicht bewußt sind, wie viele der von ihnen zelebrierten Feste, Ritual und Symbole ihren Ursprung in anderen Religionen haben.


    Brentanos Vorstoß Anna mit der Tatsache zu konfrontieren, dass ihre Angst vor dem Siebenköpfigen seine Ursache in der Bibel hat, scheitert durch deren schlechten Zustand.
    Die beiden haben schon zu einem sehr lockeren und vertrauten Verhalten gefunden. Jeder sieht in den Formen der Blutflecke ein anderes Bild - jeder nach seiner Vor- und Einstellung. Rorschach-Test in der Entstehungsphase. :clown:


    Ganz sicher hat dieser unmögliche Limbach vor der Tür gelauscht. Gerade Getrud, von der ich es am Wenigsten erwartet hätte, macht dieser Aufführung ein Ende. Gertrud stellt sich schützend, ja liebevoll vor ihre Schwester. Ich muss wohl meine Meinung über diese Frau noch einmal überdenken. :anbet:


    Zitat

    Was haltet ihr von Gertrud?


    Bis zu dieser letzten Szene war ich der Meinung Gertrud würde sich nur um des Geldes Willen um ihre Schwester kümmern, der sie ansonsten nicht zugetan ist. Inzwischen denke ich Gertrud mag ihre Schwester, haßt aber den Rummel der um sie gemacht wird und verdächtigt vielleicht insgeheim ebenfalls einen der Herren mitschuldig am Zustand ihrer Schwester zu sein und sei es nur dadurch sie im Glauben an ihre Visionen zu bestärken.


    Zitat

    Was glaubt ihr hat es mit dem Titel auf sich?


    :redface: Ich gestehe es lieber gleich: Wegen dem Titel habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht.
    Vielleicht erfahren wir im Laufe der Geschichte noch, was es mit dem Titel auf sich hat.

  • Ich bin inzwischen etwas besser hineingekommen in die Geschichte, und im Moment überwiegt bei mir auch die Neugier, worauf Kai Meyer wohl hinaus will mit seinem Roman.


    Ich habe bis Seite 102 gelesen, also einschliesslich Kapitel 12. Diese Szene im Laub, die ist wirklich interessant und mir ist ein kleines Lichtlein aufgegegangen beim Stöbern in Kai Meyers Journal; dort sind ja Bilder vom Setting, unter anderem gibt es eines von


    Die Puppe, die er im Laub findet und mit ins Bett nimmt - ein Symbol für Anna? Das seine Steigerung in dem Traum erfährt, den er von der fremden Frau träumt, die ihn auf eine erotische Art und Weise gefangen nimmt? Das weinende kleine Mädchen könnte ebenfalls Anna sein, die trauert - über ihre verlorene Unschuld? Ganz schön rätselhaft, diese beiden Kapitel, und doch fängt das Buch spätestens an diesem Punkt an, mich zu fesseln. Träume, Halluzinationen, Deutungen - das sind Themen, die mich eher ansprechen als die Frage, ob die Stigmata echt sind oder nicht.


    Der Abbé Lambert gefällt mir auch recht gut, endlich ein vernünftiger Mensch unter den ganzen Anna-Fans. Interessant finde ich Annas Geschichte, die er erzählt; sie hat die Wunden also erst nach und nach bekommen, nicht alle auf einmal. Dass sie schon als Kind ihren eigenen Körper zur höheren Ehre Gottes malträtiert hat, finde ich furchtbar.



    Die Schilderung des Widersachers, den Gott ihr sandte, lassen mich eigentlich eher an ein ganz normalen Vergewaltiger denken, dem nichts besseres als die duldsame Anna über den Weg laufen konnte! Wenn sie diese Vergewaltigung als Strafe Gottes ansah, wenn wundert es da, dass sie ihre sexuellen Begierden auf eine Frau konzentrierte. Zarte lockende Frauenhände im Gegensatz zur überfallartigen Brutalität des Widersachers.

    Hm, gar nicht so übel, dieser Gedankengang. Vielleicht ist sie tatsächlich vergewaltigt worden und verarbeitet dieses Erlebnis in ihren Visionen.



    Der Siebenköpfige, der auch Maria verfolgte, ist Annas größter Schrecken. Der Abbé ist so freundlich und klärt Brentano und uns über desen Herkunft auf. Aber Anna gibt meiner Meinung nach nur wieder, was sie schon so oft in der Klosterbibel gesehen und gelesen hat. Sie glaubt bestraft werden zu müssen und so kommt aller Schrecken, dessen sie sich bewußt ist (eben aus der Bibel) über sie.

    :entsetzt:



    Bis zu dieser letzten Szene war ich der Meinung Gertrud würde sich nur um des Geldes Willen um ihre Schwester kümmern, der sie ansonsten nicht zugetan ist. Inzwischen denke ich Gertrud mag ihre Schwester, haßt aber den Rummel der um sie gemacht wird und verdächtigt vielleicht insgeheim ebenfalls einen der Herren mitschuldig am Zustand ihrer Schwester zu sein und sei es nur dadurch sie im Glauben an ihre Visionen zu bestärken.


    Bei ihr könnte ich mir vorstellen, dass sich unter der rauen Schale ein weicher Kern verbirgt. Leicht hat sie es bestimmt nicht.



    :redface: Ich gestehe es lieber gleich: Wegen dem Titel habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht.
    Vielleicht erfahren wir im Laufe der Geschichte noch, was es mit dem Titel auf sich hat.


    Ich auch nicht, aber ich tue es hiermit jetzt. :zwinker:
    Anna hat sicher ein Gelübde zu Beginn ihres Klosterdaseins ablegen müssen, das unter anderem die Keuschheit zum Inhalt hat - hat sie es in ihren Visionen gebrochen? Oder wird sie es noch brechen? Der Titel ist bestimmt nicht zufällig gewählt; das kann ich mir nicht vorstellen. Also: weiterlesen... :zwinker:

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • Ich bin gestern abend auch noch bis Seite 102 gekommen.


    Also schon so gut wie Halbzeit, im Prinzip habe ich aber nicht den reinsten Schimmer was noch kommt, das Ende wissen wir ja schon aus dem Prolog.


    Den Abbè finde ich auch sehr sympatisch, wobei mir jetzt auch Brentano nicht unsympatisch ist, allerdings würde mich interessieren, warum Anna ihn auserkoren hat bzw. ihm alles erzählt.


    Wie Anna sich selbst als Kind gequält hat, um Gott zu "dienen" finde ich furchtbar, und ich musste bei ihrer Geschichte auch an einen "normalen" Vergewaltiger denken, der am offenen Fenster vorbeikam.


    Haben eigentlich alle Kai-Meyer-Bücher religiöse "Bezüge"?


    lg
    Arjuna

    Das Leben besteht aus vielen kleinen Münzen, und wer sie aufzuheben versteht, hat ein Vermögen.<br />Jean Anouilh


  • Haben eigentlich alle Kai-Meyer-Bücher religiöse "Bezüge"?


    Die historischen Romane von ihm, die ich bis jetzt kenne, haben alle eine religiösen Bezug, nur nicht so extrem wie hier. "Das Gelübde" ist schon ziemlich geballt in dieser Hinsicht. Außerdem ist in den meisten Romanen die Grenze zwischen historischem und phantastischem Roman verwischt; das sehe ich bei "Das Gelübde" überhaupt nicht so. Ich würde eher "religiöse Mystik" drüberschreiben. Die Jugendfantasy-Reihen, die ich kenne, sind weitestgehend religionsfrei.


    Ich bin inzwischen auf Seite 158 angelangt.


    Es wird immer deutlicher, dass zwischen Clemens und Anna eine Seelenverwandschaft besteht, ausgelöst durch ihre parallelen Träume von Maria. Irgendwie finde ich es tragisch, dass Anna bis zu diesem Zeitpunkt niemanden hatte, dem sie sich öffnen konnte. Umso vertrauter ist sie nun mit Clemens, sie verschweigt ja wirklich nicht das kleinste Detail ihrer erotischen Visionen.
    Und er übernimmt prompt den Traum und träumt ebenfalls von Maria; immerhin dämmert es ihm später, dass es vielleicht Anna sein könnte, die er da begehrt. Und die Puppe ist auch irgendwie im Spiel....


    Dieser kleine Abriss über die Geschichte Mariens im Spiegel der kirchlichen Entstehung und Entwicklung hat mir recht gut gefallen; zwar keine absolut neuen Erkenntnisse, aber ich höre es immer wieder gerne. :zwinker:


    Die Gespräche zwischen den beiden gehen weiter, werden vertrauter, verlassen das sichere Terrain der Konversation und gehen in die Tiefe. Witzig fand ich Clemens' Aufenthalt in der Kleiderkiste, da hat sie ihn ja ganz schön ausgetrickst, als sie sich schlafend stellte. Kann das sein, dass die beiden verliebt ineinander sind? Mir kommt es immer mehr so vor.

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • Bis Seite 150


    Das "Kapitel" über die Marienverehrung fand ich sehr interessant, sehr viel hatte ich mich bisher aber nicht damit beschäftigt. Sollte ich aber mal nachholen.


    Die Szene mit der Kleiderkiste war ja irgendwie witzig, allerdings auch ziemlich sinnlos, zuerst hängt Limberg seinen Mantel vor, dann stellt er die Vase drauf und im Endeffekt wusste Anna eh die ganze Zeit dass er da war :breitgrins: .
    Was mich aber schon interessieren würde:
    Warum kommt Limberg mitten in der Nacht zu Anna?? Nur um zu beten? Da gehts mir wie Brentano der ist mir nicht so geheuer dieser Limberg.


    Und wann wirft er endlich diese Puppe weg? Sie scheint sich ja ständig mit seinen Träumen zu vermischen. Außerdem finde ich sie mehr als unheimlich.


    Das Anna so offen von ihren erotischen Visionen erzählt, erscheint mir etwas seltsam, jetzt so in Anbetracht der damaligen Zeit.


    @ Miramis
    ich glaube schon dass sich Clemens immer mehr in Anna verliebt. Anna finde ich eher schwierig einzuschätzen,

    Das Leben besteht aus vielen kleinen Münzen, und wer sie aufzuheben versteht, hat ein Vermögen.<br />Jean Anouilh

  • Bis Seite 182


    Es kam mir schon seltsam vor, dass Anna nichts von seinem Eindringen gemerkt hatte. Mit ihren ewigen Schmerzen kann sie nur einen leichten Schlaf haben und Brentano ist regelrecht ins Zimmer gestürzt.
    Die Kleiderkiste war dann der endgültige Reinfall. :breitgrins: Anna hait große Freude daran ihn zu necken.
    Die Erscheinung Marias vor dem Fenster hat mich, wie Brentano, irritiert.


    Was mich weiterhin beschäftigt, ist, wie hat Anna die Menschen davon überzeugen können, dass ihr die Jungfrau erschienen ist? Ich habe mit Marienerscheinungen keine Erfahrungen, aber braucht sie nicht wenigstens einen Heiligenschein? Ich meine, woran erkennt man sie? Sie redet ja nicht mit Anna! Und ein schwarzer Umhang ist für Maria doch nicht typisch. Was sagt Anna, wenn sie danach gefragt wird, was die Jungfrau macht?


    Aus einem Grund, den ich nicht verstehe, möchte Anna unbedingt die Glocken läuten. Erst hatte ich gar nicht richtig begriffen, was genau sie wollte.
    Für Anna eine unbeschreibliche Qual, die Treppe war sicher die größte Pein für sie. Und dass sie ausgerechnet Brentano wählt um sie zu stützen, muss für die anderen Herren ein Dorn im Auge sein; allerdings einer, auf den sie, sollte Anna scheitern oder zu Schaden kommen, alle Schuld abwälzen können. :zwinker:


    Maria erscheint den beiden auch im Glockenturm und während Anna die Glocken läutet, entblößt sie ihr Gesicht. Brentano sieht sich einer Maria mit Annas Antlitz gegenüber.
    Anna scheint die Erscheinung auch zu sehen, aber was genau sieht sie? Auch ihr eigenes Gesicht?
    Durch die Anstrengung, denke ich, beginnen die Wunder erneut zu bluten. Wenigstens ist Brentano noch so geistesgegenwärtig um Anna vor ihrem völligen Zusammenbruch aufzufangen. Das weinende Kind - ein Teil von Annas Persönlichkeit?


    Was sollte nur dieser Sturz aus dem Fenster? Klar, dass unten nichts ankam. Als Brentano mit der bewußtlosen Anna in den Armen am Fenster stand und nach unten blickte, muss es für die Heraufkommenden doch fast so aussehen, als ob er sie runter werfen wollte. Und dann fällt er in Ohnmacht. Es wäre interessant zu erfahren, was er so zum Frühstück hatte - vielleicht ein Fläschchen Rebensaft? (war nicht irgendwie schon von Laudanum die Rede?)


    Die Person, die ihn pflegt, ist bestimmt der Abbé.



    Das Anna so offen von ihren erotischen Visionen erzählt, erscheint mir etwas seltsam, jetzt so in Anbetracht der damaligen Zeit.


    Das fand ich auch eigenartig.



    Kann das sein, dass die beiden verliebt ineinander sind? Mir kommt es immer mehr so vor.


    Damit könntest du Recht haben. Der Gedanke kam mir zumindest bei Brentano schon in den Sinn.

  • Auch bis Seite 182


    Aha, jetzt erscheint "Maria" also nicht nur in Träumen. Immerhin können sie Anna und Brentano sehen.


    Ganz kapiert haben es weder Brentano noch ich: Immerhin meint Anna, dass Brentano doch schon längst ahne wer Maria sei.


    Dieser Gang zu Kirche, erinnerte mich sehr an den Gang von Jesus zum Kreuz. Warum aber Anna diese Glocken läuten möchte ist mir ein Rätsel. Und mMn ist es rein physiologisch nicht möglich wenn man in 5 Jahren ca. 1 mal aus dem Bett gekommen ist, dass man dann den Weg zur Kirche gehen kann, selbst wenn man gestützt wird.


    Von wem Brentano gepflegt wird? Ich dachte auch zuerst an den Abbè, aber wer weiß, ganz sicher bin ich mir nicht.




    Zitat yanni

    Zitat


    Was mich weiterhin beschäftigt, ist, wie hat Anna die Menschen davon überzeugen können, dass ihr die Jungfrau erschienen ist? Ich habe mit Marienerscheinungen keine Erfahrungen, aber braucht sie nicht wenigstens einen Heiligenschein? Ich meine, woran erkennt man sie? Sie redet ja nicht mit Anna! Und ein schwarzer Umhang ist für Maria doch nicht typisch. Was sagt Anna, wenn sie danach gefragt wird, was die Jungfrau macht?


    Gute Frage, aber es waren ja zuerst die Stigmata da, oder? Und die waren ja von der Kirche anerkannt, von daher finde ich eine Marienerscheinung nicht so unglaubwürdig. Hat Anna den Leuten überhaupt von ihren Erscheinungen erzählt?
    Was mich mindestens genauso interessiert ist, wie Anna auf die Idee kam dass es Maria war in ihren Erscheinungen, immerhin fände ich es weniger sündhaft erotische Fantasien mit irgendeiner Frau zu haben, als mit ausgerechnet Maria.


    Ich bin wahnsinnig gespannt auf die letzten 20 Seiten.


    lg
    Arjuna

    Das Leben besteht aus vielen kleinen Münzen, und wer sie aufzuheben versteht, hat ein Vermögen.<br />Jean Anouilh

  • Auch bis Seite 182 *g*



    Was mich weiterhin beschäftigt, ist, wie hat Anna die Menschen davon überzeugen können, dass ihr die Jungfrau erschienen ist? Ich habe mit Marienerscheinungen keine Erfahrungen, aber braucht sie nicht wenigstens einen Heiligenschein? Ich meine, woran erkennt man sie? Sie redet ja nicht mit Anna! Und ein schwarzer Umhang ist für Maria doch nicht typisch. Was sagt Anna, wenn sie danach gefragt wird, was die Jungfrau macht?


    Ich denke, Kai Meyer hat bewusst nicht die heilige Seite von Anna beleuchtet, sondern die menschliche; so ähnlich steht es auch in seinem Nachwort (ich lese Nachwörter immer vorher, ihr auch? :breitgrins:). Daher hat er die ganze kirchliche Betrachtungsweise ausgeklammert. Ich finde, es reicht schon die Beschreibung, was die mit Anna alles angestellt hatten, damit sie als echtes "Wunder" von der Kirche anerkannt werden soll. Was für ein Brimborium! :rollen:


    Als Anna auf die Idee kommt, in den Glockenturm zu gehen und die Glocken zu läuten, da ging es mir so wie den gewöhnlichen Dülmenern: hurra, endlich mal ein bisschen "Action"! :redface: Die Vorstellung, Anna einmal außerhalb ihrer Kammer zu erleben, hatte für mich etwas befreiendes, und die Sache hat wirklich Schwung in die Geschichte gebracht. Ihr damit verbundenes Leiden, gut, das hat sie sich selbst zuzuschreiben - schliesslich hat sie niemand gezwungen, ihr Krankenlager zu verlassen.


    Clemens bekommt eine ganz neue Rolle von ihr zugewiesen; er bekommt den Vorzug als Beschützer und Geleiter vor allen anderen; und die sind natürlich maßlos eifersüchtig. :breitgrins: Ich habe ihm diesen kleinen Sieg gegönnt.


    Da oben im Glockenturm, das ist ja wieder mal ein haarsträubendes Erlebnis. Offenbar haben die beiden dieselbe Vision. Nur das für Clemens das Gesicht von Maria plötzlich Annas Gesicht ist. Interessant wäre, wie yanni schon bemerkt hat, zu wissen, welches Gesicht Anna dann sieht. Ich denke, diese erotische Maria ist für beide ein gewisser Ersatz für die körperliche Beziehung, die sie nie haben werden. Sie ziehen sich beide in diese Welt aus Träumen und Visionen zurück und leben dort das, was ihnen im richtigen Leben versagt bleiben muss. Hm, klingt das plausibel? Ich weiss nicht so recht... Auch das weinende Kind kann ich hier überhaupt nicht einordnen.

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel


  • Aha, jetzt erscheint "Maria" also nicht nur in Träumen. Immerhin können sie Anna und Brentano sehen.


    Ich habe es so verstanden: es ist ein Traum, den beide gleichzeitig haben.



    Dieser Gang zu Kirche, erinnerte mich sehr an den Gang von Jesus zum Kreuz. Warum aber Anna diese Glocken läuten möchte ist mir ein Rätsel. Und mMn ist es rein physiologisch nicht möglich wenn man in 5 Jahren ca. 1 mal aus dem Bett gekommen ist, dass man dann den Weg zur Kirche gehen kann, selbst wenn man gestützt wird.


    Heißt es nicht: der Glaube versetzt Berge? :zwinker: Ich kann mir schon vorstellen, dass Anna zu diesem Kraftakt in der Lage ist, wenn sie es nur will. Das kann ich mir eher vorstellen wie die Tatsache, dass sie außer einer Hostie pro Tag nichts isst.



    Was mich mindestens genauso interessiert ist, wie Anna auf die Idee kam dass es Maria war in ihren Erscheinungen, immerhin fände ich es weniger sündhaft erotische Fantasien mit irgendeiner Frau zu haben, als mit ausgerechnet Maria.


    Ja, das finde ich auch, ist das Seltsamste an dem ganzen Buch. Aber vielleicht spürt sie in ihrem Inneren, dass auch Maria nicht die unbefleckte und keusche Frau war, wie es die Kirche gerne hätte. Da ist vielleicht sogar eine Parallele zwischen den beiden.



    Ich bin wahnsinnig gespannt auf die letzten 20 Seiten.


    Ja, ich auch. Hoffentlich bleiben nicht allzu viele Fragen offen... :zwinker:

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • Ich bin fertig.


    Hoffentlich ihr auch bald :breitgrins: , da gibts wieder jede Menge Diskussionsstoff.


    Allerdings kann ich schon mal sagen, dass mich der Roman ziemlich ratlos zurücklässt.

    Das Leben besteht aus vielen kleinen Münzen, und wer sie aufzuheben versteht, hat ein Vermögen.<br />Jean Anouilh

  • Ich bin auch durch.


    Der Schluss... was soll man dazu sagen?


    Zunächst mal war ich geschockt wegen der Auswirkungen des verflixten Briefes, den Clemens Brentano an die Obrigkeit geschickt hatte; rücken die doch glatt mit einem Riesenaufgebot an und klauen Anna! Aber im Nachhinein gesehen waren ihre Experimente mit ihr wohl doch nicht so schlimm. Und: wie hat sie das nur hinbekommen, dass auch den Regierungmitgliedern die Maria erschienen ist? Hier stehe ich vor einem Rätsel. Das weder gelöst werden kann noch muss; ich nehme das einfach mal als Gegebenheit hin.


    Die Überlegungen von Clemens zu ihrer zweigespaltenen Persönlichkeit haben mir sehr gut gefallen; die erste einleuchtende Erklärung überhaupt, die ich zum Thema Anna und ihre Visionen bekommen habe. Es ist also nicht Maria, die sie auf erotische Art und Weise sieht, sondern sie sieht sich selbst und das, was hätte sein können, wenn sie keine Heilige gewesen wäre. Hier kommt auch endlich das Gelübde ins Spiel, der Knackpunkt in ihrem Leben, der diese Tür verschlossen hat. Soweit komme ich halbwegs klar. Aber: warum ist Clemens der Drache? Ist er die Bedrohung für ihr Gelübde? Meint sie, es wegen ihm brechen zu müssen, damit die geträumte erotische Anna mit ihm eine Liebesbeziehung haben kann? Hier blicke ich nicht richtig durch, vielleicht könnt ihr mir auf die Sprünge helfen.


    Mit der Puppe bin ich ja auch halbwegs richtig gelegen; sie ist Annas Puppe, und für Clemens ein materieller Beweis für das Vorhandensein der anderen Anna. Nicht verstanden habe ich, warum Anna die Puppe nicht behalten wollte. Vielleicht hat sie nur für Clemens diesen Symbolwert, nicht für sie? Und: was heißt das, wenn er die Puppe zurück gibt? Gibt er Anna bzw. eine romantische Vorstellung von ihr damit auf? Uff, jetzt sind es plötzlich doch ganz viele Fragezeichen, die ich hier setze.


    Ich denke, ich werde mir das Ende nochmal durch den Kopf gehen lassen, vielleicht sogar einige Seiten nochmal lesen, und mich dann morgen nochmal melden. Dann vielleicht mit mehr Durchblick... :zwinker:

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • So im Großen und Ganzen stimme ich dir bei Deinen Fragen und auch Deinen Überlegungen zu.


    Durch das Gelübde rein und keusch zu sein, wurde diese andere Seite von Anna verstoßen, Clemens ist der Drache der sie bedroht, das Gelübde zu brechen.


    Aber wozu war das Glockenläuten gut?
    Woher kam die Puppe?
    Und das Laub? Hatte im Endeffekt auch keinen tieferen Sinn, oder?


    Clemens Brentano Das er und Anna historische Personen waren, war mir während des Lesens nicht so bewußt :redface:, muss ich ehrlich gestehen, allerdings erklärt das für mich die Kürze des Buches, Kai Meyer scheint einen kleinen Teilausschnitt zu beleuchten.


    lg
    Arjuna

    Das Leben besteht aus vielen kleinen Münzen, und wer sie aufzuheben versteht, hat ein Vermögen.<br />Jean Anouilh

  • Das Laub, richtig!


    Für was war denn nun all das Laub gut? Ein Sinnbild für den Tod? Für die Vergänglichkeit, in der wir alle herumwaten? Oder für die Sünden, die sich um uns herum auftürmen und in denen wir versinken wie Clemens in den Laubbergen? Irgendwie in die Richtung wird es wohl gehen.


    Andererseits war das Laub immer auch Mittel zum Zweck, um Marias Erscheinung zu verbergen.


    Viele liebe Grüße
    Miramis

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel