Norbert Klugmann - Die Tochter des Salzhändlers

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    Am letzten Tag des Jahres 1599 liegt in Lübeck Martha Schelling, Ehefrau eines einflussreichen Salzhändlers, in den Wehen, unterstützt von der erfahrenen Hebamme Trine Deichmann. Doch trotz ihres Erfahrungsschatzes kann Trine das Unglück nicht verhindern: Martha überlebt die Geburt nicht, und das Kind ist zwar am Leben, aber missgebildet, das, was das einfache Volk ein Monster nennt.


    Die dreizehnjährige Lili Schelling ist untröstlich und wacht Tag und Nacht bei der Leiche ihrer Mutter - bis sie morgens in ihrem eigenen Bett erwacht und kurz darauf feststellen muss, dass die Tote spurlos verschwunden ist, ebenso der Vater.


    Lili ist nun alleine mit ihrem jüngeren Bruder Paul, weigert sich jedoch, zu ihrer Tante zu ziehen, die ein Auge auf Schellings Salzgeschäft geworfen hat.


    Trine Deichmann hat währenddessen noch ganz andere Sorgen: immer häufiger werden Stimmen laut, die sie und ihre Berufskolleginnen als Hexen geißeln, die die gebärenden Frauen mit uralten, überkommenen Mitteln traktieren, statt diese Aufgabe den Ärzten zu überlassen. Es bleibt nicht bei Geflüster, sondern kommt zu einer handfesten Hetzkampagne gegen die städtischen Hebammen, die angeblich ihr Berufsethos verletzt haben sollen ...


    Für einen historischen Roman ist das Buch mit gut 300 Seiten eher dünn, inhaltlich aber gut gefüllt.


    Der Stern der Hanse ist im Sinken, das Gemeinschaftsgefühl ebenso, jeder Kaufmann wird zum Einzelkämpfer. Die Jahrhundertwende beflügelt die Phantasie, Weltuntergangsszenarien tauchen auf. Währenddessen tun Trine Deichmann und ihre Kolleginnen ganz bodenständig und kompetent ihre Arbeit und werden dafür von Neidern verunglimpft. Lübeck ist in mehrfacher Hinsicht in Aufruhr.


    Vor dieser detailreich und lebensecht gezeichneten Kulisse spielt sich das Drama der Familie Schelling und die Existenzängste der Hebammen ab, und Lili und Paul kommen einem grausigen Geheimnis auf die Spur.


    Vielleicht gibt es ein paar merkwürdige Gestalten zu viel in diesem Buch, und am Schluss wird viel zu dick aufgetragen. Dafür sind die Hauptfiguren - Lili, Paul, der verknöcherte und doch gutherzige Buchhalter Jütte, Trine und ihr treuer, tatkräftiger Mann - sehr sympathisch, und die Atmosphäre der Lagerschuppen am Hafen und des Handelskontors voller Kontobücher, der Schenken und der Geburtszimmer lässt sich fast mit Händen greifen.


    Vom übertriebenen Ende abgesehen eine schöne historische Lektüre. Der Titel gefällt mir auch nicht, viel zu nichtssagend, und nicht nur Lili Schelling steht im Mittelpunkt des Geschehens ...


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen