Kaufen* bei
Amazon
Bücher.de
Buch24.de
* Werbe/Affiliate-Links
“Ein Abenteuer, so großartig wie das Leben selbst” - der Untertitel dieses Buches passt schon ganz gut zum Text. Während der Handelsvertreter Edward Bloom im Sterben liegt, lässt er gemeinsam mit seinem Sohn William in vielen abenteuerlichen und wunderbaren Episoden sein Leben Revue passieren. Seine Lebensgeschichten bilden einen Reigen höchst unwahrscheinlicher Erlebnisse, und ebenso wie William ist der Leser kaum in der Lage, Phantasie und Wahrheit auseinanderzuhalten.
Märchenhaft sind sie häufig, diese Geschichten, aber auch amüsant und spannend. Edward Bloom hat in seinem Leben Riesen gebändigt, eine Stadt gekauft, eine Japanerin mit zwei Köpfen erlebt und die schönste Frau der Welt erobert. Er wollte immer ein “Big Fish” sein, ein großer Mann, und das ist ihm gelungen - ob nun in Wirklichkeit oder nur in seiner Phantasie, das muss der Leser ebenso wie sein Sohn im Laufe dieser Erzählungen selbst herausfinden. Dass er lieber in der Vergangenheit schwelgt, statt sich der - zugegebenermaßen trostlosen - Gegenwart zu stellen und bei jeder Erwähnung ernster Dinge wie z.B. seines Sterbens einen Witz auf den Lippen hat, macht die Sache dabei nicht einfacher. Auf jeden Fall wandelt sich bei William erst langsam das Gefühl, seinen Vater überhaupt nicht oder höchstens die oberste Schicht zu kennen, zu einem tiefen Verständnis dieses Mannes.
Interessant ist der Aufbau des Buches: Die Rückblenden werden in relativ kurzen, prägnanten Anekdoten erzählt, in schlichter, beschreibender Sprache. Tiefergehend und auch stilistisch vielschichtiger sind nur die Passagen am Sterbebett Edwards; obwohl zwischen Vater und Sohn kein echtes Gespräch über die “großen Fragen” des Lebens zustande kommt, werden hier viele Dinge angesprochen, die essentiell sind: Das Verhältnis zum Tod, der Rückblick auf den Wert des eigenen Lebens, der Einfluss des einen auf den jeweils anderen. Dieser Kontrast ist reizvoll und wird am Ende in einer Schluss-Szene aufgelöst, die dieses abenteuerliche Leben zu einem mehr als harmonisch und im wahrsten Sinne des Wortes phantastischen Ende führt.
Dieses Buch war eine mehr als kurzweilige Lektüre und doch nicht ganz das Leseerlebnis, das ich mir nach der Tim Burton-Verfilmung mit Ewan McGregor in der Hauptrolle erhofft hatte. Diese Verfilmung hat den Roman wohl erst so richtig bekannt gemacht, und für mich ist dies einer der ganz wenigen Fälle, in denen mir der Film besser gefallen hat als die literarische Vorlage. Wo in Wallaces Roman viele Episoden relativ zusammenhanglos nebeneinander stehen und so einen groben Überblick über das Leben Edward Blooms verschaffen, schafft Burton es, mit Hilfe dieser Episoden einen inhaltlichen Bogen von der Jugend bis zum Tod zu spannen.
Dass er dabei einzelne Elemente in einen neuen Zusammenhang stellt und Verbindungen herstellt, die es im Buch nicht gibt, macht den Film deswegen nicht weniger wahr oder authentisch. Dass er Figuren, die im Buch meistens nicht mehr als eine Statistenrolle in Edwards Abenteuern spielen, immer wieder auftauchen lässt und ihnen echte Charaktere verpasst, ist einer filmischen Handlung nur angemessen und gibt dem Episodengewebe einen verbindenden Rahmen. Auch dass er einige Handlungsfäden etwas anders darstellt (wie z.B. den Kampf um seine zukünftige Braut oder - zum Niederknien schön - die Schluss-Szene) nimmt dem Film meines Erachtens nichts von seiner Qualität als Literaturverfilmung. Allerdings muss ich auch bekennen, dass ich als bekennender Burton-Fan seine leicht naiv angehauchte, aber dennoch immer hintergründige Ästhetik gerade für diesen Stoff besonders passend finde.
Was immer man auch zuerst gelesen oder gesehen hat - sowohl Buch als auch Film sind in diesem Fall einen näheren Blick wert!
EDIT: Betreff angepasst. LG Seychella