Magnus Mills - Indien kann warten

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 2.294 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von yanni.

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    Klappentext:
    Weit kommt er nicht, der gutmütige Held dieses wahnwitzig britischen Romans: Schon auf dem Campingplatz im Nordwesten Englands findet die große Motorradfahrt nach Indien ein vorläufiges Ende. Immer tiefer verstrickt er sich in die Angelegenheiten des Platzbesitzers, der örtlichen Dartmannschaft, des ganzen Dorfes - bis die Fallen des Alltags zuschnappen.


    Meine Meinung:
    Der Held dieses Romans plant eine Reise nach Indien, will vorher aber noch etwas in seinem Heimatland England Urlaub auf einem Campingplatz machen. Eines Tages sind dann plötzlich alle anderen Urlauber abgereist, was den Protagonisten auch dazu veranlasst, endlich aufbrechen zu wollen. Dann macht er den Fehler, dem Platzwart einen kleinen Gefallen zu tun, der eine ganzen Reihe weiterer Gefallen für sämtliche Einwohner des kleines Ortes nach sich zieht.


    Und damit wäre auch schon die komplette Handlung des Romans beschrieben. Man erlebt, wie sich der Held (der, wie mir gerade eben erst aufgefallen ist, keinen Namen hat) in dem kleinen Dorf einlebt und seine Reise immer wieder verschiebt, weil er alle Hände voll zu tun hat.
    Das Buch war nett zu lesen, was wohl an der simplen Sprache lag und an dem Anreiz, herausfinden zu wollen, warum die Bewohner des Dorfes den Urlauber unbedingt hierbehalten wollen. So habe ich mich also - gespannt auf das Ende - mit dem Protagonisten von Nebenjob zu Nebenjob und Pubabend zu Pubabend gehangelt, um am Ende doch ziemlich enttäuscht zu werden.


    Ich komme mir gerade so vor, als hätte ich den ersten Teil einer Reihe gelesen. Das Buch hat kein richtiges Ende, das lose Handlungsstränge verknüpft oder Rätsel löst. Viele Andeutungen oder Beziehungen, die im Buch aufgebaut wurden (wie z. B. die Beziehung des Helden zur 15-jährigen Tochter des Platzwarts, die gerne ihre Abende mit ihm verbringt und zu der sich der Held offenbar hingezogen fühlt) verlaufen einfach so im Sand. In der Mitte des Buches verschwindet eine Figur auch vom Erdboden. Dieses Ereignis wird im Laufe des Romans auch einfach totgeschwiegen und die Figur bleibt eben einfach weg. Außerdem wird auf den letzten Seiten noch eine neue Figur eingeführt, deren Auftauchen vielleicht Rätsel hätte lösen können. Doch auch diese wird dem Leser einfach vor die Nase gesetzt, ohne weiter darauf einzugehen.


    Das alles finde ich etwas schade, da die Charaktere meiner Meinung nach alle sehr glaubwürdig und sympatisch waren. Die Figuren wurden nicht direkt charakterisiert, so dass der Leser sie durch ihre Worte und Taten oder auch (wie es in kleinen Dörfern so oft vorkommt) durch das Geschwätz und die Gerüchte, die im Umlauf sind. Diese Art der Charakterisierung gefiel mir sehr gut, da sie einem Kennenlernen im wahren Leben doch sehr, sehr nahe kommt.


    Alles in allem denke ich, dass der Roman eher der Struktur einer Kurzgeschichte entspricht. Keine Einleitung (keine Informationen über die Vorgeschichte des Helden oder seine Beweggründe für die lange Reise), kein "richtiges" Ende (wie es für Romane doch üblich ist) und eine Moral: Wenn man sich etwas wirklich vornimmt und es auch wirklich will, dann sollte man es gleich erledigen und nicht immer wieder aufschieben, sonst könnte man eine einmalige Chance verpassen.


    Bewertung:
    2ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    LG
    Dalloway


    [size=7pt]Ich hoffe, meine Meinung ist einigermaßen klar geworden. Ich habe noch nicht viele Rezensionen geschrieben und muss noch viel üben...[/size]

    "This was another of our fears: that Life wouldn't turn out to be like Literature" (Julian Barnes - The Sense of an Ending)

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    Danke für die Rezension, Mrs. Dalloway! Ich finde, sie beschreibt das Buch sehr gut und ich stimme dir in allem zu außer der Bewertung.
    Mir haben nämlich gerade dieses "In-der-Luft-hängen-lassen", die fehlenden Antworten, die Nicht-Auflösung der Geschichte sehr zugesagt. Das Buch, das ich vor einigen Jahren im englischen Original unter dem Titel "All Quiet on the Orient Express" gelesen habe, ließ mich mit einer Verblüffung zurück, wie ich sie selten erlebt habe. Vorhersehbar ist seine Handlung wirklich nicht, und es hat mich außerdem gut unterhalten, so dass ich ihm so im Nachhinein
    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus: geben möchte.

    Wir sind irre, also lesen wir!

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    Wir befinden uns auf einem Campingplatz im Nordwesten Englands, der ist inzwischen schon recht entvölkert, da der erste Regen das Ende der Saison eingeläutet hat. Der einzig verbliebene Gast ist der bisher namenlose Ich-Erzähler. Viel weiß ich nach den ersten 50 Seiten noch nicht über ihn. Er hat in einer Fabrik gearbeitet, wo er Ölfässer mit neuer Farbe anspritzte. Mit dem Geld will er über Landwege nach Indien reisen. Eilig scheint er es jedoch nicht zu haben, da er trotzdem noch auf dem Campingplatz bleibt. Die Einheimischen stellen ihr Leben wieder auf die touristenfreie Zeit ein und so findet sich der Erzähler in einer Sonderstellung wieder.


    Tom Parker, der Besitzer des Platzes, erfährt von seiner letzten Tätigkeit und bittet ihn eines seiner Tore zu streichen. Als Entschädigung braucht er keine Miete zu zahlen. Dies bleibt den Dörflern nicht verborgen und man beginnt sich vermehrt für ihn zu interessieren. Ich hatte den Eindruck, dass er genau beobachtet wird. Was er wie macht und vor allem wie er dazu steht.
    Tom Parker scheint ein seltsamer Typ zu sein. Es wird der Verdacht erweckt, dass er darauf aus ist unseren Erzähler nach Strich und Faden auszunutzen. Entweder ist er sehr unentschlossen oder so gutmütig, dass er sich nicht aus diesen Fängen zu befreien weiß. Aber vielleicht greife ich auch zu weit vor. Denn bisher strich er nur das Tor, auch wenn das Angebot Parkers nun doch ein Ruderboot leihen zu können, selbstverständlich gegen Entgelt, sicher nicht ohne Hintergedanken ist. Wie sogar der junge Mann erkannte, ist der Steg in recht marodem Zustand und auch manches Boot könnte überholt werden. :zwinker:


    Ob seine abendlichen Besuche im Pub nur dazu dienen werden die Bewohner über seine Arbeiten auf dem Laufenden zu halten, oder ob der ein oder andere auch so ein paar Kleinigkeiten zu hätte, zeichnet sich noch nicht ab. Wündern würde es mich nicht. Über eines bin ich mir jedoch sicher: Der Kerl kommt da so schnell von alleine nicht wieder raus. Den Mumm hat er nicht! :breitgrins:

    Einmal editiert, zuletzt von yanni ()

  • Tja, was soll ich sagen, er ist immer noch da, oder besser ausgedrückt, er ist wieder da. :breitgrins:
    Ich amüsiere mich köstlich, wie Parker es immer wieder schafft den Erzähler dazu zu bringen Arbeiten für ihn zu erledigen. Er hat da eine ganz interessante Tour drauf. Jedenfalls hat, wie ich schon vermutet habe, der junge Mann einfach nicht genug Widerstandskraft um sich aus der ihn verschlingenden Situation zu befreien. Sein Aufgabengebiet hat sich nun bereits erheblich erweitert und man hat ihn im Pub schon gefragt, wie er mit seinen Chef klar komme. :teufel:


    Wie schon angedeutet, brach der Gute bereits einmal auf um Indien zu erreichen. Aber er ist halt etwas träge und hat nicht auf den stets gut informierten Mr. Parker gehört, so dass er mehr als froh war von diesem unterwegs aufgelesen zu werden.


    Das Buch besteht aus vielen Dialogen, die die Geschichte kurzweilig machen. Und natürlich die Spannung, was als nächstes passieren wird. Jedenfalls ist der Ärmste nach wie vor wie Wachs in den Händen von Tom Parker. Inzwischen wird schon in Zeiträumen größerer Ordnung verhandelt. Was mich etwas ermüdet, ist die relativ kleine Schrift. :lupe:


    So geschickt wie Parker vorgeht, macht er das sicher nicht zum ersten Mal. Und ich habe den Verdacht, alle wissen Bescheid.

  • Es liegen noch etwa 30 Seiten vor mir. Mal sehen, was ER in dieser Zeit noch so alles erleben wird. Oder sollte ich besser schreiben, was man ihn erleben lässt. Denn er wird nach wie vor nur gegängelt. Und wie ein braver Schoßhund macht er auch, was ihm geraten oder aufgetragen wird.
    Obwohl ... einmal hat er ja doch gemacht, was er wollte. :breitgrins: Eine kleine süße Rache sozusagen. :breitgrins: Dabei hatte ich allerdings eher das Gefühl, wann wollte ihm damit zu verstehen geben, dass er nun einer von ihnen sei.


    Schockiert war ich über das Verhalten, das auf Deakins "Verschwinden", an den Tag gelegt wurde. Gut, er war nicht unbedingt der beste Freund von allen, aber wenigstens ein wenig Bedauern hätte man doch zeigen können. Mir hat er manchmal fast ein wenig leid getan. An ihm erkannte ER ja auch genau seine Fehler und was er eigentlich tun müsste. Dass er sich in Deakin gespiegelt sah, erkannte ER leider nicht. Oder wollte es vielleicht nicht?!


    Leute, ich kann euch nur warnen: Hütet euch vor den Tom Parkers dieser Welt!

  • Die letzten Seiten brachten noch eine neue Figur ins Spiel und bei deren Beurteilung möchte ich mich voll den Einheimischen anschließen. Der Ich-Erzähler hat mein Mitgefühl. Wenn man aber aufgepasst hat, dann war das eilige Gerenne ans Telefon doch schon verdächtig bei Gail.


    Sehr zu denken gibt mir der letzte Abschnitt, noch deutlicher der letzte Satz.

  • So, nun kommt noch meine abschließende Meinung zum Buch.



    Eigentlich ist er auf dem Weg nach Indien, der namenlose Ich-Erzähler dieser Geschichte. Jedoch hat er es nicht sonderlich eilig und so ergibt es sich, dass er seinen Aufenthalt auf einem Campingplatz im Nordwesten Englands etwas ausdehnt.
    Der Besitzer des Platzes, Tom Parker, überredet ihn eine Kleinigkeit gegen Mieterlass zu erledigen. So streicht er denn ein Tor an und gelangt als übirg gebliebener Tourist in den Fokus der Dorfgemeinschaft. Und ehe er sich versieht, bringt Parker ihn dazu immer wieder irgend etwas für ihn zu erledigen. So dehnt sich sein Aufenthalt und sein Aufgabengebiet aus.


    Sicher, der Ich-Erzähler ist sehr nachgiebig und vermag sich gegen Parker nicht durchzusetzen, aber wie Tom Parker es immer wieder schafft nicht nur ihn sonder auch andere nach seiner Pfeife tanzen zu lassen, ist ein Leseerlebnis. Die teils kauzigen Dorfbewohner beobachten alles mit viel Anteilnahme.
    Man mag sich fragen, warum er nicht einfach sein Motorrad nimmt und verschwindet. Ja, warum wohl? Vielleicht weil er sich angenommen fühlt, Stolz auf seine Arbeit entwickelt, einen Platz gefunden hat, an dem er sich wohl fühlt? Was hat Tom Parker gesagt? Dort in der Fabrik würde sich keiner an ihn erinnern. Im Dorf kennt ihn jeder!


    Glücklicherweise ist der Humor in der Geschichte nicht platt, sondern eher schwarz. Wobei mir sofort der Name Deakin in den Sinn kommt und das Ende der Geschichte. Zwar ist es ein offenes Ende, aber es erinnerte mich sehr stark an die Geschichten von Roald Dahl. Manche Geschichten muss man gar nicht zu Ende erzählen.


    4ratten

  • Meine Meinung

    Manche Geschichten muss man gar nicht zu Ende erzählen.


    Da stimme ich dir zu. Indien kann warten ist eines der wenigen Bücher, bei denen mir das offene Ende nicht ausmacht. Im Gegenteil: unser Biker ist nur Teil einer Geschichte, die sich zu wiederholen scheint. Jetzt einen Schlussstrich ziehen zu wollen, wäre als ob man die Kirche vor dem Hochzeitskuss verlässt ;)


    Ich bin mir nicht sicher, wer hier wen ausgenutzt hat. Der Campingplatzbesitzer seinen Gast, in dem er ihm alle möglichen und unmöglichen Aufgaben gestellt hat? Oder hat der Erzähler die Gutmütigkeit der Dorfbewohner ausgenutzt und sich auf ihre Kosten eine schöne Zeit gemacht? Aber war die Zeit wirklich schön, oder ist er nur von einer schrägen Situation in die nächste gestolpert? Wie auch immer: Indien kann warten hat genau die Art von Humor bedient, die ich mag. Von mir aus hätte die Geschichte noch weitergehen dürfen.

    4ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.