Moyez Vassanji – Das Erbe der Muscheln

  • (leider kennt amazon die ISBN nicht)


    Inhalt: Salim Juma, der von einem Cousin einen Jutesack voller Erinnerungsstücke als Erbschaft von seiner Großtante überbracht bekommen hat, erinnert sich anhand des Sackinhalts an die Geschichte seiner Familie. Er beginnt mit seinem Urgroßvater Dhanji Govindji, Mitglied einer moslemischen Sekte mit stark hinduistischen Einschlägen, der im 19. Jahrhundert sein indisches Heimatdorf verläßt, um sich – wie viele seiner Landsleute – in Ostafrika eine neue Existenz aufzubauen. Er läßt sich zunächst etwas südlich von Dar-es-Salaam nieder, und bekommt einen Sohn von einer afrikanischen Sklavin: Huseni, den Großvater des Erzählers. Später heiratet er die Tochter einer indischstämmigen Witwe auf Sansibar. Huseni ist unbeherrscht, bringt sich des öfteren in Schwierigkeiten und verschwindet eines Tages spurlos, Frau und Kind zurücklassend. Die Frau geht zu ihrer Schwester und ihre Spur verliert sich für den nachforschenden Dhanji irgendwo in Kenia. Husenis Sohn Juma heiratet die Tochter eines kleinen Händlers in Nairobi. Nach seinem Tod wechselt die Familie (Jumas Frau Kulsum mit ihren Kindern, sowie die Geschwister von Kulsum mit ihren Angehörigen) je nach politischer Gemengelage den Standort, landet schließlich in Dar-es-Salaam, wo man sich erneut eine wirtschaftliche Existenz aufbaut. Dort trifft Jumas Sohn Salim (der Erzähler) durch Zufall die Frau des ältesten Halbbruders seines Großvaters, Ji Bai, und erfährt durch sie die Familiengeschichte. Während des Unabhängigkeitsprozesses und in der sozialistischen Phase erlebt die Familie manche Schrecken, erneuten wirtschaftlichen Abstieg und in Salims Ehe wiederholen sich die familiären Probleme seiner Vorfahren.



    Meine Meinung: Vassanji entstammt selbst der indischen Minderheit in Ostafrika, die dort eine lange Tradition der Ansiedlung hat und schon früh eine wichtige Rolle im Handelswesen spielte. In diesem Milieu ist auch sein Roman angesiedelt. Vor dem Hintergrund von fast 100 Jahren ostafrikanischer Geschichte breitet er jene der Familie Govindji aus. Auf Grund des relativ geringen Umfangs des Buches für einen so langen Zeitraum bleiben die meisten Figuren doch eher blaß, Ausnahme sind vor allem die beiden starken Frauen der Familie, Ji Bai und Kulsum, sowie naheliegenderweise der Erzähler selbst.


    So gelungen die Schilderung mancher Straßenszenen ist, aus denen der Lärm und die Gerüche zu entströmen scheinen, so langweilig wird es an anderen Stellen. Die Familie reagiert zwar durchaus auf politische Ereignisse um sie herum, sei es der Maji-Maji-Aufstand in Deutsch-Ostafrika, der Mau-Mau-Aufstand in Kenia, die Unabhängigkeit Tanganyikas mit folgender sozialistischer Ausrichtung und Enteignung, aber die Verbindung ist wenig geglückt. So gibt Vassanji in mehreren Abschnitten Zusammenfassungen der historischen Gegebenheiten, aber in einem eher geschichtsbuchartigen Ton. Dann folgen wieder kapitelweise Familieninterna. Das Ganze bekommt dadurch manches Mal einen Aufzählungscharakter, der mich beim Lesen gestört hat.


    Die historischen Hintergründe sind allerdings durchwegs korrekt auch in den Daten. Atmosphäre vermitteln die verwendeten Wörter aus dem Kiswahili und dem Gujarati, die überwiegend in einem Glossar am Ende erläutert werden. Alles in allem war es ein durchaus interessanter Einblick in eine Minoritätengesellschaft, die – zwar gebraucht, aber nicht geliebt – eine schwierige Rolle in Ostafrika innehatte und noch hat.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen