Lesley Glaister - Gib mir was, sonst kriegste was / Trick or Treat

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  • Lesley Glaister - Gib mir was, sonst kriegste was

    (leider keine Abbildung bei Amazon vorhanden)


    Erzählt werden ein paar wenige Herbsttage einiger Personen irgendwo in England. Drei nebeneinander stehende Häuser, im mittleren einge junge Familie mit ihren typischen Problemen, rechts und links alte Leute mit entsprechenden altersbedingten Beschwerden.


    Da sind die hochschwangere Petra mit ihrem Lebensgefährten Tom, die Beziehung kriselt. Wolfe, das jüngste ihrer 3 Kinder, fühlt sich in dem Haus, in das sie erst vor kurzem gezogen sind, nicht wohl und wünscht sich zurück "nach Hause". Dann sind dort die Nachbarn Arthur und Olive. Sie ist dreimal so schwer wie er und leidet an Demenz. Die Nachbarn auf der anderen Seite sind die Witwe Nell, hager und putzsüchtig, und ihr merkwürdiger Sohn Rodney.


    Man liest Banales, Witziges, aber viel mehr Trauriges und Erschreckendes. Leider ist das Buch in Gegenwartsform geschrieben, was ich nicht mag. Aber die sich immer mehr verdichtende Atmosphäre, die einem die Nackenhaare sträubt, und die so realistischen und glaubwürdigen Schilderungen - einfach klasse!
    (Eigentlich eine richtige Halloween-Lektüre.)


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

  • Bild


    Drei benachbarte Haushalte irgendwo in England stehen im Mittelpunkt dieses Romans von Lesley Glaister.


    Da sind Archie und Olivia, einst politisch engagiert und von der Idee der freien Liebe überzeugt, kämpfen sie jetzt gegen Olivias Demenz und ihre körperlichen Unzulänglichkeiten.
    Daneben ist Petra mit ihren drei Kindern eingezogen, das Vierte ist unterwegs, der Vater dazu ist sich allerdings auch wieder nicht sicher, ob Familie und Verantwortung tatsächlich das richtige für ihn sind. Wolfe, Petras jüngster Sohn, fühlt sich in seiner neuen Umgebung nicht wohl und wünscht sich in die Kommune zurück, in der er vorher mit seiner Mutter und den Geschwistern gelebt hat.
    Und dann ist da noch die putzsüchtige und verkniffene Nell, die schon seit Kindertagen einen Groll gegen die einst wunderschöne und lebenslustige Olivia hegt, und ihr seltsamer Sohn Rodney, der nach Jahren in einer Anstalt nun wieder bei seiner Mutter lebt.


    Was als harmlose Nachbarschaftsgeschichte beginnt, entwickelt bald eine unheimliche Atmosphäre und führt unweigerlich auf ein schlimmes Ende zu.
    Abwechselnd kommt jede der Hauptfiguren zu Wort und so entsteht ein interessanter Einblick in die unterschiedlichen Lebensentwürfe und Gedankengänge.
    Einzig mit der Gegenwartsform, in der das Buch geschrieben ist, konnte ich mich nur schwer anfreunden. Insgesamt aber war ich von dem Buch sehr begeistert und konnte es kaum noch aus der Hand legen.


    4ratten und :marypipeshalbeprivatmaus:

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    Einmal editiert, zuletzt von knödelchen ()

  • Das hört sich ja gut an! knödelchen, du kennst doch auch Glaisters Buch "Du sollst deinen Vater ehren". Kann man das vom Aufbau und der fast unglaublichen Geschichte her vergleichen?

  • Hallo Doris :winken:,


    in "Gib mir was sonst kriegste was" geht es eher um relativ normale Leute und Familien, also Nachbarn, die man selbst auch haben könnte. "Du sollst deinen Vater ehren" war da sicher etwas krasser und nicht so alltäglich, aber auch dieser Roman von Lesley Glaister hat mir auch gut gefallen, das Unheimliche schleicht sich hier vielleicht noch unterschwelliger ein, aber auch die Schilderungen des ganz normalen Alltags und die Rückblenden in Kriegs- und Nachkriegsjahre waren gut zu lesen.


    Liebe Grüße
    knödelchen

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  • in "Gib mir was sonst kriegste was" geht es eher um relativ normale Leute und Familien, also Nachbarn, die man selbst auch haben könnte.


    Gerade das finde ich spannend, wenn dann ausgerechnet dort etwas passiert, wo man nicht damit rechnet. Vor vielen Jahren las ich mal eine Geschichte über Menschen, die auch meine Nachbarn hätten sein können, und die sich dann als Untote oder ähnliches entpuppten. Das trieb mir sogar am helllichten Tag eine ordentliche Gänsehaut auf den Rücken.


    Ich habe das Buch auf meine Merkliste gesetzt. Als Gebrauchtexemplar lässt es sich noch auftreiben.


  • Ich habe das Buch auf meine Merkliste gesetzt. Als Gebrauchtexemplar lässt es sich noch auftreiben.


    Ich kann es dir beim nächsten Treffen auch mitbringen und ausleihen. :smile:

    :lesen: Anthony Powell - The Kindly Ones <br /><br />Mein SUB<br />Meine [URL=https://literaturschock.de/literaturforum/forum/index.php?thread/32348.msg763362.html#msg763362]Listen

  • Ich bin mit hohen Erwartungen an das Buch herangegangen, die leider nicht ganz zufriedengestellt wurden. An den Gruselfaktor von "Du sollst deinen Vater ehren" kommt es nicht heran, aber spannend ist es trotzdem.


    Die einfache Gesellschaft scheint es Lesley Glaister angetan zu haben, denn auch hier stehen wieder ganz normale Bürger im Mittelpunkt: Eine ledige Mutter mit fast vier Kindern und drei alte Nachbarn, die im Lauf der Jahre Eigenheiten entwickelt und gepflegt haben. Doch ganz normal sind sie nur auf den ersten Blick. Kennt man sie etwas besser, entdeckt man schon bald, dass da kleine Feindschaften gehegt werden, deren Ursprünge lange Jahre zurückliegen. Aber auch im aktuellen Geschehen bahnt sich etwas an, von dem man nicht sicher ist, ob es zum Ausbruch kommt. Manchmal streut Glaister wie nebenbei kleine Bemerkungen ein, die einen Verdacht schüren, der ungute Auswirkungen haben könnte. Auf diese Weise bleibt die Spannung immer erhalten.


    Da abwechselnd aus dem Blickwinkel der verschiedenen Beteiligten erzählt wird, lernt man sie gut kennen und kann in ihre Gedankenwelt eintauchen. Auf diese Weise ist man auch immer wieder einmal den anderen Personen gedanklich voraus und kann sich selbst ausmalen, welche Richtung die Handlung einschlagen wird.


    Die Art, wie alten Nachbarn beschrieben werden, war - abgesehen von den Momenten, die hauptsächlich in Büchern oder Filmen vorkommen - sehr realistisch. Ich hoffe inbrünstig, dass ich mich nicht auch so entwickle :zwinker:.


    4ratten

  • Der Name kam mir sehr bekannt vor und siehe da: sie ist mit Andrew Greig verheiratet, einem meiner Lieblingsschriftsteller. Offenisichtlich kann sie genauso gut schreiben wie er :zwinker:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Schreibende Ehepaare gibt es ja mehrere. Ich wusste noch nicht einmal, ob Lesley weiblich oder männlich ist. Nachgeforscht habe ich nicht und anhand des Stils kann ich selten ausmachen, ob eine Frau oder ein Mann schreibt.

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    Irgendwo im englischen Norden, eine Straße, die wohl schon bessere Zeiten gesehen hat, vermutlich in den 1980ern, Halloween.


    Da sind Olive und Arthur, in ihrer Jugend vor dem 2. Weltkrieg politisch engagiert (links), nun ist sie so stark übergewichtig, dass sie ziemlich eingeschränkt ist und zudem wird sie langsam dement. Arthur versucht ihr Leben zusammenzuhalten.

    Da ist Nell, sie hält sich für etwas Besseres, ihr verstorbener Phil war Banker, der Sohn hat sein Leben nie in den Griff gekriegt und würde nun, mit knapp 50 gerne aus dem Wohnheim ausziehen, in dem er nach seinem Gefängnisaufenthalt unterkam, und wieder bei Muttern einziehen.

    Zwischen den beiden ist jemand neu eingezogen, eine schwangere alleinerziehende Mutter mit 3 Kindern, die wohl vorher in einer Kommune gelebt haben, die neue Beziehung, wegen der sie hierhin gezogen sind, läuft leider nicht so gut wie erhofft


    Das Buch ist leider so gar nicht schön: Olive tut mir leid, Arthur auch, Nell ist nicht normal, kein Wunder, dass ihr Sohn missraten ist und über dem Ganzen hängt eine dunkle Wolke…


    Glaister kann Charakterisierungen, auch von weniger netten Personen, aber vor allem kann sie Stimmung erzeugen. Fast das ganze Buch hindurch hält sich so ein ungutes Gefühl beim Lesen, man weiß genau, dass da irgendwas ganz böse enden wird. Das tatsächliche Ende hat mich ein wenig überrascht, es war nicht wie erwartet, passte aber hervorragend zur Geschichte.


    Das war mein zweites, aber bestimmt nicht mein letztes Buch von dieser Autorin.


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

  • illy

    Hat den Titel des Themas von „Lesley Glaister - Gib mir was, sonst kriegste was“ zu „Lesley Glaister - Gib mir was, sonst kriegste was / Trick or Treat“ geändert.
  • Olive und Nell sind zwei komplett gegensätzliche Frauen mit einer gemeinsamen Vergangenheit, in der es immer wieder zu Spannungen kam. Dass zwischen ihren beiden Häusern ein unbewohntes steht, ist sicherlich besser. So ist es zumindest für Nell nicht täglich die direkte Konfrontation. Olive dagegen zieht sich immer mehr in ihre eigene Welt zurück, was für ihren Ehemann Arthur immer schwerer mit anzusehen ist. Aber ich habe sowieso den Eindruck bekommen, als ob sie sich nie so in Konkurrenz zu Nell gesehen hat. Wenn überhaupt, haben sie Nells fast schon krankhafter Ehrgeiz eher amüsiert.


    Wolfe steht mit seiner Familie im wahrsten Sinn des Wortes dazwischen. Sie ziehen in das leerstehende Haus zwischen Nell und Olive ein und mit seiner offenen Art schafft es Wolfe, dass sich ihm die Türen öffnen. Er freundet sich mit Arthur an und arbeitet gemeinsam mit ihm in dessen Schrebergarten. Auch Olive beginnt, den Jungen in ihr Herz zu schließen, denn er verurteilt sie nicht.


    Nell dagegen beobachtet die Vorgänge argwöhnisch. Die neue Familie stört sie, weil sie nicht in ihr perfektes Bild passt und sich nicht an die Regeln halten, die ihr so wichtig sind. Anfangs war mir nicht klar, wie sehr die kleinen und großen Zwänge Nells Tagesablauf bestimmen, aber die Autorin enthüllt die Tragweite von Nells Verhalten immer mehr und ich habe ein immer besseres Bild von den Vorgängen in ihrem Haus bekommen, sowohl in der Vergangenheit,als auch in der Gegenwart.


    Als die Bewohner der drei Häuser durch Wolfes Einladung aufeinandertreffen, eskaliert die Situation und alles, was jahrelang im Verborgenen gebrodelt hat, tritt an die Oberfläche.


    Lesley Glaister hat es geschafft, auf nur wenigen Seiten eine dicht gepackte Geschichte zu schreiben. Sie beschreibt ihre Charaktere bis ins kleinste Detail und erzeugt eine fast schon unheimliche Spannung, die mit jeder Seite steigt. Das Ende war für mich schon fast eine Erleichterung, weil sich während der Erzählung viele Möglichkeiten aufgetan haben, wie die Geschichte ausgehen könnte und ich gehofft habe, dass sie zumindest für Wolfe gut ausgeht, weil ich ihn in mein Herz geschlossen hatte.

    4ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.