[Sudan] Tajjib Salich – Eine Handvoll Datteln

Es gibt 15 Antworten in diesem Thema, welches 3.699 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von nikki.

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    Klappentext: Thematisch kreisen die Texte, die vor den Romanen entstanden sind, bereits um Tajjib Salichs grosses Thema, den Zusammenprall von Orient und Okzident, von Tradition und Moderne. Und sie tragen unverkennbar seine Handschrift. Fast alle Erzählungen siedelt der kosmopolitische Autor, der sein Schreiben als Suche nach der verlorenen Kindheit bezeichnet, in einem sudanesischen Dorf am Nil an. In einer poetischen und bildhaften Sprache schildert er die islamische Kultur und das Leben der in Traditionen und Mythen verwurzelten Dorfbewohner, die zunehmend mit Fortschritt und Entwicklung konfrontiert werden.


    „Massûds Ausdruck «Herz der Palme» ging mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich stellte mir die Palme als ein lebendes Wesen vor, das fühlte und ein klopfendes Herz besass. Ich erinnerte mich, was Massûd einmal zu mir gesagt hatte, als er mich an den Wedeln einer kleinen Palme herumzupfen sah: «Palmen sind wie Menschen, mein Junge, sie empfinden Freude und Schmerz.» Da hatte ich tiefe, unerklärliche Scham verspürt.“


    Über den Autor: Tajjib Salich, geboren 1929 im Norden des Sudan. Nach dem Studium in Khartum ging er 1953 nach London, wo er für das internationale Programm der BBC arbeitete. Ab 1974 war er als Abteilungschef am Informationsministerium im Golfscheichtum Katar tätig, danach als Berater für die Unesco. Sein erster Roman, Zeit der Nordwanderung, machte Tajjib Salich weltberühmt. Die Werke des seit vielen Jahren in London lebenden Schriftstellers wurden in mehrere Sprachen übersetzt.


    [hr]


    Saltanah, nikki und ich werden dieses Buch, das acht kurze Erzählungen und ein Nachwort von Hartmut Fähndrich (Arabist und selbst Übersetzer arabischer Prosa, wenn auch nicht dieses Buches) enthält, gemeinsam lesen und uns hier über das Gelesene austauschen. Mitleser willkommen!


    Schönen Gruß,
    Aldawen

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()

  • Na, dann werde ich mal den Anfang machen. Als erstes: mir fehlt ein Glossar! Wenn es für das Verständnis auch nicht wirklich wichtig ist, möchte ich doch genauer wissen, was für ein Kleidungsstück z. B. eine Abâja ist. Und das gerne ohne aufstehen und an den Computer gehen zu müssen. Ich bin eben faul. (Und ich liebe Glossare, die ich immer als allererstes lese.)


    Eine Palme am Bach
    Das übliche Problem mit "exotischer" Literatur habe ich auch hier: mir fehlt es an Hintergrundwissen. Sudanesische Leser könnten vermutlich fiel mehr aus der Geschichte herausholen, als es mir möglich ist. Aber das kommt ja nicht überraschend.
    Hier meine Gedanken beim Lesen:
    Als erstes habe ich mich gewundert, wieso die Kleidung des Händlers das "leibhaftige Bild von Hochmut und Arroganz" vermittelt. Als Zeichen seines Reichtums, hatte ich es ja gut verstehen können, aber wieso Hochmut? Oder geht dieser automatisch mit Reichtum zusammen? "Ich bin reich, also bin ich was besseres als du"?
    Wieso wurde Machdschûb in seiner Jugend eigentlich so verachtet? Nur deswegen, weil er nicht erfolgreich (und wohl auch nicht sonderlich intelligent) war, oder steckt da noch anderes hinter? Und wie kommt es, dass er dann doch heiraten durfte, obwohl er damals eine Familie nicht selbst versorgen konnte? Musste die Tochter seines Onkels vielleicht dringend unter die Haube gebracht werden?
    Schön, dass er später doch erfolgreich wird, dabei aber nicht knickerig ist. Endlich kann auch er anderen etwas geben und gibt freigiebig, zu freigiebig. Da muss er wohl vieles aus früheren Jahren kompensieren.
    Bei der Erwähnung der krepierten Schafe fühlte ich mich nach Island versetzt. Zwar starben die nicht an der Dürre, aber sterben taten sie auch dort fleißig. Am Existenzminimum herumkrebsen kann man in allen Gegenden der Welt und überall kann ein schlechtes Jahr eine Katastrophe für die Ärmsten bedeuten. Auch die unzureichende Kleidung und die Unmöglichkeit, neue anzuschaffen, erinnerte mich an meine isländische Lektüre.
    "Gott gewährt" - nun ja, ich habe immer Probleme damit, Vertrauen auf eine höhere Macht, sei sie nun christlich, moslemisch oder sonst eine, zu mögen. Aber was bleibt Leuten wie Machdschûb übrig? Jemand anders gewährt ihm jedenfalls nichts, und dass ihn hier sein Gottvertrauen dabei hilft, das verführerische Angebot des Händlers abzulehnen, ist positiv. Denn mit der Palme hätte er, habe ich den Eindruck, auch sich selbst verkauft. Sie war der Beginn seiner Unabhängigkeit und seines Erfolges und bedeutet ihm mehr als ihr bloßer Wert.
    Schließlich lässt der Sohn aus Ägypten doch was von sich hören und schickt Geld und Kleidung. Zum Überleben braucht Machdschûbs Familie Hilfe von außerhalb. Gilt das auch für den Sudan im Großen?

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo!


    Also ich muss Dir Saltanah gleich zustimmen, mir fehlt auch ein Glossar. In der Hinsicht bin ich auch faul.


    Ich habe auch die erste Erzählung Eine Palme am Bach gelesen. Zentral in dieser Erzählung scheint - wie der Titel es schon sagt - Scheich Machdschûb‘s Palme zu sein. Am Tag vor dem Opferfest überlegt er sich die Palme zu verkaufen, um seine Schulden tilgen zu können und ein Opferlamm kaufen zu können. Er erinnert sich an seine Jugend und wie mit der Palme alles begann.


    In seiner Jugend wurde er für einen Nichtsnutz und Dummkopf gehalten, arbeitete mit seinem Vater zusammen und hatte selber nichts. Aber als er den Setzling, den sein Vater wegschmeißen wollte, einpflanzte, änderte sich sein Leben. Sechs Monate danach heiratete er, wobei er es selber als ein Wunder ansah, da er nichts besaß. Im drauffolgenden Jahr bekam er eine Tochter und dann noch einen Sohn und eine weitere Tochter. Inzwischen sind die zwei der Kinder erwachsen. Die älteste Tochter lebt bei ihrem Mann und der Sohn ist in Ägypten und hat sich seit fünf Jahren nicht mehr gemeldet. Vor allem um ihn trauert Scheich Machdschûb. Nun, er wurde zu einem wohlhabenden Mann, aber nach einer katastrophalen Dürre verlor er fast alles. Jetzt hat er nur noch eine Kuh, zwei Ziegen und diese Dattelpalme. Und die Schulden. Durch die Hoffnung getrieben, sein Sohn möge sich von dem Ruf des Vaters rühren, seine Gebete sollen das Herz des Sohnes erweichen, verkauft er die Palme nicht. Das entpuppt sich als die richtige Entscheidung, denn kaum hat er sich so entschieden, erteilt ihn die Nachricht von einem Brief bzw. Paket seines Sohnes, in dem er ihm Geld und Kleider schickt.


    Ich weiß nicht, wie das damals mit den Geldüberweisungen aus dem Ausland war. Die Geschichten sind alle in den 1950-ern und 1960-ern geschrieben worden sein. Heute ist es mit ziemlich großer Sicherheit so, dass viele Menschen (und dadurch auch Länder) von den Geldüberweisungen ihrer im Ausland lebenden Verwandten, Freunden etc. abhängig sind.
    Ich habe bei der Heiratsgeschichte ein bisschen über das hohe Heiratsalter Machdschûb‘s gestutzt, vielleicht mussten sie beide unter die Haube gebracht werden? Aber wie es scheint, was es zumindest von seiner Seite aus eine Liebesheirat.


    Ich stehe auch immer diesem Vertrauen auf höhere Macht, wie Du Saltanah es nennst, skeptisch gegenüber. Irgendwie hatte die Geschichte für mich schlussendlich eher etwas märchenhaftes an sich. Eine "rettende" Palme. Das macht die Erzählung auch nett, aber nicht viel mehr.


    Ich glaube, ich muss endlich etwas von Laxness lesen. :smile:


    Liebe Grüße
    nikki

    Ich lese gerade:<br />Lion Feuchtwanger - Der jüdische Krieg

  • So, hier bin ich auch. Die erste Erzählung Eine Palme am Bach habe ich zwar gestern noch gelesen, aber irgendwie bin ich dann nicht zum Posten gekommen. Das hat aber für mich den Vorteil, daß ich keine Zusammenfassung mehr zu liefern brauche :breitgrins:


    Ja, ein Glossar hätte ich auch nett gefunden, da muß ich Euch recht geben.



    Als erstes habe ich mich gewundert, wieso die Kleidung des Händlers das "leibhaftige Bild von Hochmut und Arroganz" vermittelt. Als Zeichen seines Reichtums, hatte ich es ja gut verstehen können, aber wieso Hochmut? Oder geht dieser automatisch mit Reichtum zusammen? "Ich bin reich, also bin ich was besseres als du"?


    Nun, Hussain steigt nicht mal ab während des Verhandelns, wahrscheinlich auch, weil seine schicken roten Schuhe gar nicht zum Herumlaufen gedacht sind. Mit seiner ganzen Ausstattung, die man ja in dieser Pose auch besonders gut sieht, macht er schon deutlich, daß er sich über Machdschûb erhebt.



    Und wie kommt es, dass er dann doch heiraten durfte, obwohl er damals eine Familie nicht selbst versorgen konnte? Musste die Tochter seines Onkels vielleicht dringend unter die Haube gebracht werden?


    Möglich, aber nicht zwingend. Vielleicht gab es nur einfach keinen weiteren Verwandten, der sich gerade aufgedrängt hätte. Und es ist ja auch nicht die Rede davon, daß sie eine „gute Partie“ in materieller Hinsicht gewesen ist. Arme Mädchen haben nicht so viel Auswahl.



    Ich weiß nicht, wie das damals mit den Geldüberweisungen aus dem Ausland war. Die Geschichten sind alle in den 1950-ern und 1960-ern geschrieben worden sein. Heute ist es mit ziemlich großer Sicherheit so, dass viele Menschen (und dadurch auch Länder) von den Geldüberweisungen ihrer im Ausland lebenden Verwandten, Freunden etc. abhängig sind.


    Es gibt, gerade im moslemischen Raum, bis heute Transfermöglichkeiten, wie sie hier angedeutet werden. Da wird vieles auf Vertrauensbasis und ohne das, was eine hiesige Bank Sicherheiten nennen würde, abgewickelt. Banken, staatsnahe Institutionen, denen man gerade deswegen besser gar nicht erst vertraut, spielen da nur eine untergeordnete Rolle.



    Denn mit der Palme hätte er, habe ich den Eindruck, auch sich selbst verkauft. Sie war der Beginn seiner Unabhängigkeit und seines Erfolges und bedeutet ihm mehr als ihr bloßer Wert.


    Nicht unbedingt sich selbst, hatte ich den Eindruck, aber seinen persönlichen Erfolg im Leben. Hätte er die Palme verkauft, wäre der Bote mit der Nachricht und dem Geld des Sohnes nicht gekommen. Erst dadurch, daß Machdschûb an dieser Palme und damit den Wurzeln (seines erfolgreichen Lebensabschnitts) festhält, kann ihm wieder Glück beschieden werden. Hätte er sie aufgegeben, so gäbe es keine Basis für seine Existenz mehr.



    Gilt das auch für den Sudan im Großen?


    Damit würden wir, glaube ich, etwas zuviel in diese Geschichte hineininterpretieren.


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Eine Handvoll Datteln


    Eine wunderschöne Geschichte, wie ich finde! Der Ich-Erzähler liebt seinen Großvater innig, das wird aus der Beschreibung der ersten zwei, zweieinhalb Seiten sehr deutlich. Aber dann mischen sich die ersten Zweifel in diese kindliche Liebe. Das Verhalten des Großvaters Massûd gegenüber scheint dem Jungen nicht richtig, auch wenn er nicht genau sagen kann, warum. Aber er spürt, daß sein Großvater eine Notlage ausnutzt. Massûd bittet zur Dattelernte, aber der Junge bemerkt, daß dieser seltsam unbeteiligt daran scheint. Als der Junge die Aufteilung der Datteln verfolgt, von denen Massûd nichts bleibt, und sein Großvater von noch weiteren offenen Schulden spricht, stürzt er davon und erbricht die gekosteten Datteln aus der Ernte. Das erscheint mir angesichts seiner zuvor bereits gewachsenen Zweifel und des frisch gewachsenen Hasses auf seinen Großvater, den er selbst anspricht, nur konsequent. Sein Großvater mag sich an Massûd bereichern, der Junge will es nicht. Das unrechte Gut soll ihn nicht nähren.


    Schön auch Massûds Vergleich von Menschen und Palmen. Ich habe aber im Gesamtkontext der Geschichte doch eher den Eindruck, daß er von sich selbst sprach und den Schmerzen, die es ihm bereitet, von seinen Dattelpalmen so wenig zu haben.


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Eine Handvoll Datteln
    Ich stimme Aldawen zu, eine sehr schöne Geschichte. Etwas überspitzt ausgedrückt könnte man es als den Verlust des Paradieses bezeichnen. Der Junge verliert sein unschuldiges Vertrauen in seinen Großvater, beginnt, seine bisher als selbstverständlich angesehene Kindheitswelt zu hinterfragen. Und kommt zu Antworten, die ihm nicht gefallen. Der Großvater ist nicht mehr der perfekte Mensch, der nichts falsch machen kann, und ich denke, dass der Hass des Jungen auf seinen Großvater aus der Enttäuschung, die der ihm bereitet hat, herrührt. Die Welt ist nicht so, wie er es sich bisher gedacht hat. Eine bittere Erkenntnis.
    Überrascht hat mich die Verachtung dem nicht Erfolgreichen gegenüber, der der Großvater so deutlich Ausdruck verleiht. Oder hilft diese Verachtung ihm, gefühllos gegenüber dem Leid Massûds zu bleiben, und kühl Pläne zu dessen vollständiger Vernichtung schmieden zu können? Jedenfalls wurde ja schon in der vorigen Geschichte deutlich, wie sehr sich der Wert von Menschen über deren materiellen Besitz definiert. Hier wird dies noch klarer ausgedrückt. Werte wie Lachen können, eine gute Singstimme haben, zählen für den Großvater nicht. Klingt eigentlich sehr vertraut, "westlich".

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Ein Brief an Eileen
    Hat mich nach der brillianten "Handvoll Datteln" nicht wirklich begeistern können. Der Briefschreiber, kehrt nach mehreren Jahren Aufenthalt im Ausland erstmals in sein Heimatdorf zurück und schreibt Briefe an seine schottische Frau.
    Er stellt fest, dass er seinen festen Platz im Dorf- und Familiengefüge verloren hat. Zwar tun alle so, als ob sich nichts - vor allem er nicht - geändert hätte, aber die Wahrheit ist eine andere. Er ist in seiner Heimat ein Fremder geworden und klagt darüber.
    Ich kann seine Trauer über diese Erkenntnis nachvollziehen, halte es aber für falsch, alles auf die Emigration zu schieben. Eigentlich reicht es auch, aus seinem Heimatdorf in eine Stadt des eigenen Landes zu ziehen, sich über das Maß hinaus auszubilden, das Eltern oder auch Altersgenossen bekommen haben, oder einen "undörflichen" Beruf zu ergreifen. Jede Abweichung von der hergebrachten, allen in die Wiege gelegten Lebensweise bringt eine Distanz zu den "Daheimgebliebenen" mit. Dass diese Distanz weh tun kann, ist klar. Sie ist der Preis, den die Neugierigen, Veränderungswilligen zu zahlen haben. Am deutlichsten wird diese Distanz sicher den Emigranten, aber nicht nur diese dürften sie verspüren.


    Wadd Hâmids Dumpalme
    Bei dieser Geschichte wusste ich lange nicht, wohin sie zielte. Anfangs erwartete ich eine Lobpreisung des traditionellen Lebens, wenn dieses auch durch die natürlichen Gegebenheiten (Mücken, Bremsen :entsetzt: ) nicht gerade angenehm ist. Annehmlichkeiten und Errungenschaften der Zivilisation fehlen im Dorf und ihre Einführung wird durch die Dorfbewohner aktiv bekämpft. Der Erzähler scheint dies auch gutzuheißen, bis er seinen Zuhörer und mich plötzlich damit überrascht, dass er auf die Jugend hofft, die vielleicht eines Tages "die Palme in ihren Träumen" nicht mehr sehen wird. Die Palme steht für die Tradition, für die Unveränderbarkeit des Lebens, und erst, wenn sie das innere Leben der Dorfbewohner nicht mehr bestimmt, werden Veränderungen möglich. Allerdings, und das überraschte mich ebenfalls, ist nicht von einem Entweder-Oder die Rede; die Wahl steht nicht zwischen Palme oder Wasserpumpe, so wie es zu Beginn der Geschichte klang, sondern laut Erzähler ist beides möglich. Tradition und Erneuerung können nebeneinander bestehen. Eine hoffnungsvolle Zukunftsaussicht.


    Mir wird immer deutlicher, wie wichtig Palmen, seien es nun Dattel-, Dum- oder was weiß ich für Palmen für das Leben der Sudanesen bedeuten. Keine Geschichte ohne Palmen, die für das physische Überleben wie auch für das innere Leben der Dorfbewohner unabdingbar sind. Mich würde interessieren, wie viel eine Palme wert ist, wie viele Palmen eine Familie zum Überleben braucht, wie lange es dauert, bis ein Palmenschößling Ertrag bringt, welche Lebensdauer sie haben usw. Die ökonomischen Bedingungen des Dorflebens am Nil sind mir leider viel zu unklar, als dass ich wirklich verstehen könnte, was der Besitz oder Verlust einer Palme (oder meinetwegen auch eines Schafes) für eine Familie bedeutet. Wieviel Besitz brauchen Sudanesen zum (Über-)leben? Schade, dass Salich darüber nicht mehr schreibt, aber er hat dieses Wissen wohl als bekannt vorausgesetzt, was man ihm auch nicht verdenken kann. Aber trotzdem wüsste ich gerne mehr.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Tut mir leid, dass ich so davonstürme, aber mir wurde plötzlich klar, dass ich ja schon übermorgen in Urlaub fahre, und bis dahin möchte ich das Buch gerne durch haben.


    Wenn sie kommt
    Junge Männer mit nur einem im Kopf (na was wohl?) haben mir noch nie zugesagt :rollen: . Dass es sich hier um sudanesische Typen handelt, macht auch keinen Unterschied. Mit typisch männlichem Selbstbewusstsein stürzen sie sich ohne jede Vorbereitung in ein ökonomisches Projekt. Sie machen nicht den Eindruck, dass sie irgendetwas tun, um ihr Reisebüro zu einem Erfolg zu machen, aber dazu haben sie ja auch weder Zeit noch Hirnkapazität. Ihre Gedanken und Anstrengungen gelten Frauen. Sanâ bemerkt treffend: "Eine Farce. Diese Firma ist eine Farce", aber auch das oder der Absturz des Firmenschildes, der so passend das Ende der Firma zeigt, kann Bahâ nicht weiter aus der Fassung bringen. Viel wichtiger ist für ihn die Frage, ob die Schwedin zu der Verabredung kommen wird. Man(n) muss eben Prioritäten setzen :rollen: . Nix für mich.


    So, meine Herren
    Eine weitere "männliche" Geschichte, so wie überhaupt alle fast ausschließlich von Männern handeln. Das mag bei einem männlichen Autor zwar verständlich sein, aber in diesem Ausmaße kenne ich das eigentlich nur in Abenteuergeschichten. Schade, dass Salich die andere Hälfte der Menschheit so stark ignoriert.
    Auch der Protagonist dieser Geschichte ruft bei mir eine allergische Reaktion hervor. Er sieht sich selbst als Opfer seiner Hautfarbe, in jedem Kontakt zu Frauen ein Machtspiel, kann eine Zurückweisung nicht ertragen und will sich an anderen dafür rächen, hält sich für den Größten und ist dann beleidigt, wenn man ihn nur als einen unter vielen sieht ("Ich hatte geglaubt, ich sei der einzige Ehrengast, aber [...] alle waren sie Ehrengäste", stilisiert sich zum großen Wahrheitssager, trinkt mehr als er verträgt und pöbelt auf der Party rum, - allerdings war ich mir nicht ganz sicher, ob er alles wirklich gesagt, der doch nur gedacht hat. Was übrigens ist so schlimm an einem Land, in dem niemand einen Vollbart oder Schnauzer trägt? Mal ganz abgesehen vom Wahrheitsgehalt - und ist in Wirklichkeit doch nur ein armes Würstchen, das mit seinem Leben in der Fremde nicht klarkommt.
    Wie ich den letzten Absatz deuten soll, ist mir nicht ganz klar. Hat er sich mittlerweile mit seinem Leben im Ausland arrangiert? Welche Illusionen ersetzen seine Töchter ihm?


    Zwar gefällt mir die Person des Erzählers nicht, aber die Geschichte an sich hat schon einiges an Gehalt, zumindest so wie ich sie lese. Nämlich als Darstellung eines entwurzelten Mannes, der, ohne wirklichen Halt in seiner Umwelt, sein Ego übertrieben aufbläst, um seine Schwächen nicht wahrhaben zu müssen. Ein Schicksal, dass Einwanderer - aber nicht nur diese - leicht treffen kann.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo!



    Tut mir leid, dass ich so davonstürme, aber mir wurde plötzlich klar, dass ich ja schon übermorgen in Urlaub fahre, und bis dahin möchte ich das Buch gerne durch haben.
    [


    Schön, da teilen wir das gleiche Schicksal. :smile: Ich muss mich entschuldigen, dass ich noch nicht so viel geschrieben habe, aber am Wochenende bin ich länger in der Steiermark festgesessen als geplant. Ein Sturm ist über uns gefegt und einige Zugverbinungen waren unterbrochen. Zum Teil waren wir strom- und natürlich auch internetlos. War echt unheimlich, aber ich habe fleissig gelesen.


    Eine Handvoll Datteln
    Ihr habt beide Recht. Die Geschichte ist - trotzd des mir unsympathischen Großvaters - beeindruckend gewesen.



    Als der Junge die Aufteilung der Datteln verfolgt, von denen Massûd nichts bleibt, und sein Großvater von noch weiteren offenen Schulden spricht, stürzt er davon und erbricht die gekosteten Datteln aus der Ernte. Das erscheint mir angesichts seiner zuvor bereits gewachsenen Zweifel und des frisch gewachsenen Hasses auf seinen Großvater, den er selbst anspricht, nur konsequent. Sein Großvater mag sich an Massûd bereichern, der Junge will es nicht. Das unrechte Gut soll ihn nicht nähren.


    Genau! Das hast Du sehr schön geschrieben. Vor allem wenn man bedenkt, dass der Junge irgendwann einmal das Feld seines Großvaters vielleicht auch erben wird.



    [Überrascht hat mich die Verachtung dem nicht Erfolgreichen gegenüber, der der Großvater so deutlich Ausdruck verleiht. Oder hilft diese Verachtung ihm, gefühllos gegenüber dem Leid Massûds zu bleiben, und kühl Pläne zu dessen vollständiger Vernichtung schmieden zu können? Jedenfalls wurde ja schon in der vorigen Geschichte deutlich, wie sehr sich der Wert von Menschen über deren materiellen Besitz definiert. Hier wird dies noch klarer ausgedrückt. Werte wie Lachen können, eine gute Singstimme haben, zählen für den Großvater nicht.



    Das habe ich mir auch gedacht. In der ersten Geschichte geht es auch darum, materiell erfolgreich zu sein, um anerkannt zu sein und heiraten zu können. Natürlich braucht man finanzielle Möglichkeiten, um eine Familie ernähren zu können, das steht außer Diskussion. Aber diese Verbissenheit des Großvaters konnte ich nicht nachvollziehen. Es war so nach dem Motto: ich will ihm unbedingt eins auswischen, weil er das Leben abseits der Arbeit geniessen kann. Daher war er mir am Schluss extrem unsympathisch. Salich ist es wirklich wunderbar gelungen, auf ein paar Seiten diesen Wandel zu beschreiben; von grenzenloser Bewunderung und Liebe gegenüber dem Großvater zu den ersten Zweifeln und ja, sogar Hass.


    Ein Brief an Eileen
    Zuhause ein Fremder unter Fremden sein, das ewige Thema. Ich stimme Dir zu Saltanah, Emigration muss nicht unbedingt der alleinige Grund dafür sein. Man kann sich aufgrund vieler verschiedener Sachen von der Familie und der Verwandtschaft distanzieren. Aber dieses Gefühl, weder hier noch dort zu sein, haben wirklich sehr viele Migranten. Ich kenne das aus meinem eigenen Umfeld. Und wenn es, wie in diesem Fall, um eine transkontinentale Migrationsgeschichte aus den 60-er Jahren geht, kann ich mir schon gut vorstellen, dass da die Vorbehalte groß waren. Sudan war soeben unabhängig geworden, hatte sich von der Kolonialherrschaft befreit. Vielleicht spielt das in diesem Fall auch eine Rolle, nach dem Motto: Warum verlässt man das Land in dem Augenblick, wo man gebraucht wird? Warum lässt man es im Stich?


    Liebe Grüße,
    nikki

    Ich lese gerade:<br />Lion Feuchtwanger - Der jüdische Krieg

  • Noch ein Nachtrag zu So, meine Herren

    Was übrigens ist so schlimm an einem Land, in dem niemand einen Vollbart oder Schnauzer trägt?


    Schlimm daran ist natürlich genau dasselbe, wie daran, dass man "sein Geld für Ärzte ausgibt": es ist nicht das eigene Land. Man befindet sich in der Fremde, an einem Ort, wo man nichts als gegeben voraussetzen kann, wo man nie automatisch reagieren kann, immer über seine Handlungen reflektieren muss, da die als Kind gelernten Handlungsweisen nicht unbedingt die adäquaten sind. Ist schon eine anstrengende Situation, das merke ich in abgeschwächter Form auch immer wieder.


    Vorbehalte
    Variationen zum Thema kulturübergreifende Beziehung. Leicht ist es sicher nicht, eine Beziehung zu einem Menschen aus einem anderen Kulturkreis aufrechtzuerhalten. allerdings erscheinen mir die Beispiele etwas platt. Mir fällt einfach nichts weiter dazu ein.
    Ist (oder war) Salich eigentlich selbst mit einer Engländerin verheiratet? Wikipedia gab mir dazu keine Auskunft, aber bei der ständigen Beschäftigung mit diesem Thema scheint es mir nahezuliegen, dass er eine Beziehung zu einer Nicht-Landsfrau hat(te).


    Der Zypriot
    hat mich beim ersten Lesen recht ratlos zurückgelassen. Erst ganz am Ende kam ich auf die Idee, der Zypriot könne die Personifizierung des Todes sein, wobei ich allerdings nicht verstehe, wieso dafür gerade ein Mann aus Zypern gewählt wird. Ebenso unklar ist mir, wieso der Erzähler dem Tod (falls er wirklich der Tod ist) in der Form von Glück und Erfolg begegnen wird, bis er ihn schließlich zum letzten Mal in der eigentlichen Gestalt treffen wird. Soll das vielleicht eine Art von "Memento mori" sein? Eine Erinnerung daran, dass wir alle, egal wie gut es uns gerade geht, ein gemeinsames Ziel haben. Ob wir wollen oder nicht, gehen wir dem Tod entgegen.
    Eine interessante Geschichte, bei der mich interessiert, was ihr dazu sagt.

    Wir sind irre, also lesen wir!

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()

  • Ein Brief an Eileen
    Ihr habt recht, dieses Fremdheitsgefühl ist in diesem speziellen Fall wohl erheblich (wenn auch nicht nur) auf die Emigration zurückzuführen, könnte aber auch anders bedingt sein. Der Wechsel in einen so völlig anders gearteten Kulturkreis dürfte das Gefühl aber verstärken. Viel irritierender fand ich die Äußerungen Eileens, die der Briefschreiber zitiert, denn diese haben – obwohl immer im Scherz geäußert – einen Ton, den man nach heutigen Maßstäben von „political correctness“ nicht gutheißen würde. Ich habe mich auch gefragt, auf welcher Basis diese Beziehung eigentlich beruht: vor allem auf dem Reiz des Andersartigen? Es scheint mir so, und das finde ich spärlich.



    Wadd Hâmids Dumpalme



    Bei dieser Geschichte wusste ich lange nicht, wohin sie zielte. Anfangs erwartete ich eine Lobpreisung des traditionellen Lebens, wenn dieses auch durch die natürlichen Gegebenheiten (Mücken, Bremsen :entsetzt: ) nicht gerade angenehm ist. Annehmlichkeiten und Errungenschaften der Zivilisation fehlen im Dorf und ihre Einführung wird durch die Dorfbewohner aktiv bekämpft.


    So ging es mir zunächst auch. All diese kleinen Episoden rund um diese spezielle Palme und ihre Verteidigung durch die Dorfbewohner hatte etwas sehr traditionell-konservatives im wirklich bewahrenden Sinn. Ob man dies gutheißt oder nicht, ist dabei eine ganz andere Frage.



    Der Erzähler scheint dies auch gutzuheißen, bis er seinen Zuhörer und mich plötzlich damit überrascht, dass er auf die Jugend hofft, die vielleicht eines Tages "die Palme in ihren Träumen" nicht mehr sehen wird. Die Palme steht für die Tradition, für die Unveränderbarkeit des Lebens, und erst, wenn sie das innere Leben der Dorfbewohner nicht mehr bestimmt, werden Veränderungen möglich.


    Ich habe aus den Worten des Erzählers in diesem Zusammenhang keine Hoffnung, sondern eher Trauer gelesen. Schließlich betont er ja, er habe seinen Sohn nicht in die Stadt zur Schule geschickt, sondern dieser sei dorthin „ausgerissen“. Der Erzähler hätte es also gerne verhindert, weil er weiß, es wird etwas verloren gehen, wenn die jungen Leute spätestens der übernächsten Generation auf Grund einer anderen Sozialisation der Palme Wadd Hâmids nicht mehr den gleichen Stellenwert einräumen. Veränderungen werden damit nicht nur möglich, sondern sogar unausweichlich, und das schätzt eben nicht jeder.



    Allerdings, und das überraschte mich ebenfalls, ist nicht von einem Entweder-Oder die Rede; die Wahl steht nicht zwischen Palme oder Wasserpumpe, so wie es zu Beginn der Geschichte klang, sondern laut Erzähler ist beides möglich. Tradition und Erneuerung können nebeneinander bestehen. Eine hoffnungsvolle Zukunftsaussicht.


    Das ist allerdings die Interpretation des Zuhörers in dieser Geschichte, der Erzähler selbst sagt dies nicht. Dieser Zuhörer dürfte auch jünger sein, als der Erzähler, da dieser jenen immer mit „mein Sohn“ anspricht. Möglicherweise äußert sich hier schon eine andere Sichtweise auf Traditionen und moderne Entwicklung.



    Mir wird immer deutlicher, wie wichtig Palmen, seien es nun Dattel-, Dum- oder was weiß ich für Palmen für das Leben der Sudanesen bedeuten. Keine Geschichte ohne Palmen, die für das physische Überleben wie auch für das innere Leben der Dorfbewohner unabdingbar sind. Mich würde interessieren, wie viel eine Palme wert ist, wie viele Palmen eine Familie zum Überleben braucht, wie lange es dauert, bis ein Palmenschößling Ertrag bringt, welche Lebensdauer sie haben usw.


    Alle Deine Fragen kann ich Dir nicht beantworten, aber ein paar Zahlen für Dattelpalmen nennen. Diese können bis zu 200 Jahren alt werden, Früchte tragen die weiblichen Palmen ca. ab dem achten Jahr, die besten Erträge werden im Alter zwischen 30 und 100 Jahren erzielt. Dann lassen sich jährlich von einer solchen Palme bis zu zwei Zentner Datteln ernten. Datteln gehören zu den wichtigsten Nahrungsmitteln im arabischen Raum, weil sie einen hohen Zucker- und Eiweißgehalt haben.


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Hallo Aldawen, hallo Saltanah!


    Ich habe leider nicht weiter lesen können und bin jetzt eine Woche internetlos, d.h. ich melde mich nach dem 10.02. wieder.


    Bis dann!


    Liebe Grüße
    nikki

    Ich lese gerade:<br />Lion Feuchtwanger - Der jüdische Krieg

  • Na, dann will ich doch wenigstens sehen, daß Saltanah hier was zu lesen hat, wenn sie wieder da ist.


    Wenn sie kommt
    Die Story ist irgendwie völlig an mir vorbeigelaufen. Drei junge Leute, zwei Männer und eine Frau, betreiben gemeinsam so eine Art Reisebüro oder was das auch immer sein soll. Nach einem Monat hatten sie immer noch keinen Kunden, und jeder macht sich so seine eigenen Gedanken. Die kreisen bei den Männern aber vor allem darum, Frauen rumzukriegen, und bei der Frau ...? Keine Ahnung, das wird nicht recht gesagt. Nein, da geht es mir wie Saltanah, das war nichts für mich.


    So, meine Herren
    Der Erzähler, auf Grund seines Äußeren eindeutig als Ausländer erkennbar, ist auf eine Party (wahrscheinlich in England) eingeladen. So recht wohl fühlt er sich nicht, was ich durchaus nachvollziehen kann. Alle übrigen Gäste fragen ihn immer das Gleiche: Wie gefällt es Ihnen hier? Sind sie das erste Mal hier? Ist unser Land nicht das Schönste? Keiner interessiert sich für ihn und seine Heimat. Die Gastgeber haben nicht einmal daran gedacht, daß jemand vielleicht keinen Alkohol trinken möchte. Das ist schon keine gute Ausgangsposition. Dazu kommen noch nicht verarbeitete Erinnerungen an eine Beziehung (wohl mit einer anderen Europäerin).



    stilisiert sich zum großen Wahrheitssager, trinkt mehr als er verträgt und pöbelt auf der Party rum, - allerdings war ich mir nicht ganz sicher, ob er alles wirklich gesagt, der doch nur gedacht hat.


    Das ist mir auch nicht ganz klar geworden, ich hatte den Eindruck: teils – teils, wobei ich nicht erkennen konnte, welche Äußerung in welche Kategorie fällt. Als genervten Ausbruch in einer derart ignoranten Gesellschaft kann ich es aber sogar verstehen, wenn auch nicht gutheißen.



    Wie ich den letzten Absatz deuten soll, ist mir nicht ganz klar. Hat er sich mittlerweile mit seinem Leben im Ausland arrangiert? Welche Illusionen ersetzen seine Töchter ihm?


    Da steht bei mir auch ein großes Fragezeichen. Ein gewisses Arrangement hat sicher stattgefunden, das würde ich schon daraus lesen. Aber die Illusionen? :confused:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Vorbehalte
    Fünf Skizzen von kulturübergreifenden Beziehungen, die sehr unterschiedlich „funktionieren“. Aber gerade weil alles nur skizziert wird, ist nicht viel mehr daraus zu entnehmen, als daß es eben sehr unterschiedliche Wege für solche Beziehungen geben kann.



    Ist (oder war) Salich eigentlich selbst mit einer Engländerin verheiratet? Wikipedia gab mir dazu keine Auskunft, aber bei der ständigen Beschäftigung mit diesem Thema scheint es mir nahezuliegen, dass er eine Beziehung zu einer Nicht-Landsfrau hat(te).


    Ich denke schon, daß es stark von Salichs eigenem (Er-)leben geprägt ist. Er ist (oder war, keine Ahnung, ob das noch aktuell ist) übrigens mit einer Britin verheiratet und aus dieser Ehe stammen drei Kinder.



    Der Zypriot
    Eine merkwürdige Geschichte. Auch bei mir hat es eine ganze Weile gedauert, bis ich den Zyprioten als personifizierten Tod einsortiert habe. Warum ausgerechnet ein Zypriot? Diese Geschichte ist ja laut Impressum und Nachwort jüngeren Datums als die anderen, nämlich erst von 1976. Der Militärputsch mit dem Ziel des Anschlusses an Griechenland und die folgende türkische Besetzung des Nordteils waren 1974. Ich weiß nicht, welche Wellen dieser Konflikt in der arabischen bzw. muslimischen Welt geschlagen hat, könnte mir aber vorstellen, daß hier vielleicht ein Zusammenhang besteht.



    Ebenso unklar ist mir, wieso der Erzähler dem Tod (falls er wirklich der Tod ist) in der Form von Glück und Erfolg begegnen wird, bis er ihn schließlich zum letzten Mal in der eigentlichen Gestalt treffen wird. Soll das vielleicht eine Art von "Memento mori" sein? Eine Erinnerung daran, dass wir alle, egal wie gut es uns gerade geht, ein gemeinsames Ziel haben. Ob wir wollen oder nicht, gehen wir dem Tod entgegen.


    Das habe ich auch überlegt und halte das überhaupt nicht für abwegig. Außerdem: Sind die Situationen, die der Zypriot ihm da schildert, wirklich solche des Glücks oder Erfolgs? Vordergründig schon, aber stürbe nicht auch immer ein Teil des Menschen, wenn sie so einträten? Durch den Verlust von Selbstbestimmung, sozialen Umfelds oder was auch immer? Wie leicht können sich solche Situationen ins Gegenteil verwandeln. Da muß ich noch ein Weile drüber nachdenken ...


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Zusammenfassend über die acht Geschichten muß ich feststellen, daß ich bei einer Bewertung die ganze Spannbreite von einer bis fünf Ratten ausnutzen könnte, wie sich aus den Einzelkommentaren (hoffentlich) auch ergibt. Die Faszination, die Salichs Zeit der Nordwanderung auf mich ausgeübt hat, habe ich hier nur in drei Geschichten (Eine Palme am Bach, Eine Handvoll Datteln, Wadd Hâmids Dumpalme) wiedergefunden. Da diese kurzen Erzählungen vor dem Roman entstanden sind, verbuche ich das im wesentlichen unter Weiterentwicklung des Autors. Als Durchschnittswert für die Sammlung gibt es von mir


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Hallo!


    Ich bin jetzt auch mit dem Büchlein durch und ich muss sagen, es hat mir auch nicht so gut gefallen wie die "Zeit der Nordwanderung." Mir haben genauso wie Dir Aldawen die drei ersten Geschichten am besten gefallen.


    Wadd Hâmids Dumpalme
    Hier sah ich die Palme als ein Symbol des Widerstandes einerseits gegen den unausweichlichen Fortschritt und andererseits auch gegen die sich unheimlich schnell wechselnden Regierungen und die politische Instabilität im Sudan. Es hieß auch irgendwo im Text "Wadd Hâmids Dumpalme ist ein Symbol für das Erwachen des Volkes."



    Ich habe aus den Worten des Erzählers in diesem Zusammenhang keine Hoffnung, sondern eher Trauer gelesen. Schließlich betont er ja, er habe seinen Sohn nicht in die Stadt zur Schule geschickt, sondern dieser sei dorthin „ausgerissen“. Der Erzähler hätte es also gerne verhindert, weil er weiß, es wird etwas verloren gehen, wenn die jungen Leute spätestens der übernächsten Generation auf Grund einer anderen Sozialisation der Palme Wadd Hâmids nicht mehr den gleichen Stellenwert einräumen. Veränderungen werden damit nicht nur möglich, sondern sogar unausweichlich, und das schätzt eben nicht jeder.


    Diesen Eindruck hatte ich auch.


    Mit den anderen Erzählungen konnte ich nicht wirklich viel anfangen.


    Wenn sie kommt; da gehe ich voll mit Euch mit. Keine Ahnung was das sein sollte.


    So, meine Herren
    Ich hatte bei der Party auch Probleme damit, ob es sich um einen inneren Monolog handelt oder nicht. Erst zum Schluss, als die anderen Gäste darauf reagiert haben, bin ich drauf gekommen, dass er laut "gedacht" hat. Ich fand die Situationsbeschreibung zum Teil auch überspitzt. Ist man wirklich so entsetzt, wenn jemand keinen Alkohol trinken möchte? Muss man Whiskey trinken, wenn man in England wohnt? Sollte wohl ein Teil des Assimmilierungsprozesses sein oder was? Die Ignoranz und verstrecktes Mißtrauen kommen aber in dieser Geschichte trotzdem voll zur Geltung. Das mit den Illusionen habe ich auch nicht so richtig verstanden. Vielleicht wollte er in sein Heimatland zurückkehren und seine Töchter sind ihm ein Ersatz dafür. Ich weiß nicht so recht.


    Der Zypriot
    Ich glaube, diese Geschichte muss ich noch einmal lesen, um sie richtig zu verstehen.


    Wie gesagt, nicht so toll wie "Zeit der Nordwanderung". Ich habe sehr vieles nicht verstanden, daher muss ich mir noch ein paar Gedanken dazu machen.


    Liebe Grüße
    nikki

    Ich lese gerade:<br />Lion Feuchtwanger - Der jüdische Krieg