Sjöwall/Wahlöö - Der Mann auf dem Balkon

  • Sjöwall/Wahlöö ~ Der Mann auf dem Balkon


    Kommissar Becks dritter Fall


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    Seiten:
    223
    Format: Taschenbuch
    Sprache: deutsch
    Erscheinungsjahr: 1967
    Verlag: Rowohlt
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    Zum Inhalt
    Ein Handtaschenräuber treibt in den Stockholmer Parks sein Unwesen. Doch der Fall tritt bald in den Hintergrund, nachdem ein 9-jähriges Mädchen sexuell missbraucht und erwürgt im Park aufgefunden wird. Die Einwohner der Stadt sind entsetzt. Wenig später wird ein weiteres Mädchen tot aufgefunden, augenscheinlich vom gleichen Täter missbraucht und umgebracht. Die Polizei von Stockholm scheint machtlos, so dass sich in der Bevölkerung schon illegale Bürgermilizen gebildet haben, um den Täter dingfest zu machen.


    Zwischenzeitlich wird der Parkräuber gefasst. Er hielt sich zur Zeit des ersten Mordes im gleichen Park aus und scheint der einzige zu sein, der den Mörder gesehen hat.


    Doch wie häufig klärt Kommissar Zufall die Kindermorde auf: Zu Beginn des Romans meldet eine beflissene Mitbürgerin, dass ein Mann aus dem Nebenhaus Tag und Nacht auf dem Balkon steht und Kinder beobachtet. Für die Kriminalpolizei ein scheinbar uninteressantes Detail…



    Zu den Autoren
    Maj Sjöwall wurde am 25. September 1935 in Stockholm geboren. Sie studierte Graphik und Journalismus und arbeitete für mehrere Zeitschriften. 1961 lernten sich Per Wahlöö und Maj Sjöwall kennen und heirateten ein Jahr danach. Zwölf Jahre schrieben Maj Sjöwall und Per Wahlöö an den Krimis um Martin Beck – „es lag ein abgeschlossenes, abgerundetes Werk vor. Die Luft war raus.“ Maj Sjöwall übersetzt heute Kriminalliteratur, z.B. von Anne Holt oder von Robert B. Parker. Per Wahlöö starb am 23. Juni 1975 in Lund.



    Meine Meinung

    Der vorliegende Krimi ist mein (bisher) zweiter der beiden Schweden. Die merkwürdige Spannung in diesem Buch basiert sicher auf der Tatsache, dass dem Leser bereits von Anfang an klar ist, dass der anfängliche Anruf der älteren Dame, die den Mann auf dem Balkon beobachtete, der Schlüssel zur Ergreifung des Täters ist. Doch die Kommissare tun den Anruf ab als einen von vielen und ermitteln in völlig verkehrte Richtungen. Kommissar Beck entgleitet mehrfach der Gedanke an den wichtigen Anruf, so dass man als Leser dasitzt und denkt „Nun denk doch mal nach!“ Zumal die Frau eine detaillierte Personenbeschreibung des Täters gegeben hat, die sich auch mit der eines anderen Zeugen deckt.


    In diesem zweiten Band geht es mehr um das Ermittlerteam. Kommissar Martin Beck bekommt kaum die Möglichkeit, seinen Charakter zu entfalten und sich als Hauptfigur von den anderen Kollegen abzuheben. Der erste Kriminalassistent Gunvald Larsson tritt hier das erste Mal auf und eckt durch seine direkte und ruppige Art gleich an.


    Der Fall ist für meinen Geschmack und anlässlich des Themas, Kindesmissbrauch und –mord, ein wenig zu nüchtern und distanziert beschrieben. Besonders von den Kriminalbeamten erfährt man kein Wort, wie sie die schrecklichen Morde aufnehmen. Schließlich haben einige selbst Kinder, ein anderer wird bald Vater.


    Der Schreibstil an sich ist angenehm direkt und unverblümt, wie ich auch schon in „Und die Großen lässt man laufen“ erwähnt habe. Interessant finde ich immer wieder die Dialoge an sich, ob nun Verhöre oder Gespräche unter Kollegen.


    Allerdings fand ich schade, dass der Täter (als netter Onkel mit sympathischer Ausstrahlung) keinerlei Aufschluss gibt über seine Motivation, Kinder zu missbrauchen und umzubringen. Zwar erwähnt ein Kriminalbeamter ein Gutachten, indem belegt wird, dass der Trieb jahrelang in einem Menschen reifen kann, ohne dass er etwas davon ahnt, und später ohne erkennbaren Impuls ausbrechen kann. Mag sein, aber das fand ich für die Auflösung doch etwas dürftig.


    Deutlich zu spüren in diesem Band ist auch die Kritik an der Gesellschaft: Der Mörder ist der nette Mann von nebenan, dem niemand etwas Böses zutrauen würde. Selbst der Parkräuber schämt sich nicht für seine eigenen Taten, sondern ist noch stolz darauf, dass er der Polizei Hinweise zum Mörder geben kann. Die zunehmende Verrohung der Gesellschaft, die hier dargestellt wird, kommt einem zeitgemäßer denn je vor.


    Im Großen und Ganzen ein authentischer, spannender Krimi aus den 60ern mit einem leider nach wie vor aktuellen Thema.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus: