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J.M. Coetzee: Im Herzen des Landes
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„Im Herzen des Landes“ - das ist „in der Mitte von Nirgendwo“, ein Ort, wo Magda, die Tochter eines Farmers, zur Bedeutungslosigkeit verkümmert. Niemand entstammt der Steinwüste, kein Mensch, nur Insekten leben dort. Selbst Magda vergleicht sich mit einem Käfer mit Atrappenflügeln. Die Einsamkeit der unfruchtbaren Steinwüste spiegelt sich in Magdas Seele, die sich selbst als „vertrocknete alte Jungfer“ bezeichnet, die glaubt, schon in ihrer Jugend, Spuren ihrers Alterswahnsinns entdeckt zu haben.
„Dies ist ein Land, das für Insekten gemacht wurde, die Sand fressen und ihre Eier in Insektenkadaver legen und keine Stimme zum Schreien haben, wenn sie Sterben".
Da es sich um Südafrika handelt, ergibt die die Frage, warum überhaupt Menschen dieses Land besiedelt haben, warum überhaupt Weiße sich als Kolonialherren festgesetzt haben, die glauben, hier in diesem „Nirgendwo“ das sagen zu haben, sich Schwarze als Leibeigene halten, obwohl das Land nur für Insekten heimisch ist. Das stimmt nachdenklich.
Der herrische Vater, Angst und Schrecken verbreitend, missachtet seine Tochter. Für ihn ist sie nur das Aschenbrödel am Herd.
„Mein Vater erzeugt Abwesenheit.Wo er auch hingeht, er hinterläßt Abwesenheit. Vor allem Abwesenheit seiner selbst – eine so kalte, so düstere, so verschlossene Abwesenheit, daß sie eigentlich eine Abwesenheit ist, ein sich bewegender Schatten, der sich wie Mehltau aufs Herz legt.“
Magda, ungeachtet,von sexuellem Fantasien besetzt, rächt sich blutig, als ihr Vater die junge Frau eines Vorarbeiters ins Bett holt.
„ ...vielleicht ist die Wut auf meinen Vater einfach Wut über die Verletzungen der alten Sprache, der korrekten Sprache, zu denen es kommt, wenn er Küsse und Pronomen der Intimität mit einem Mädchen tauscht, das gestern die Fußböden schrubbte und heute die Fenster putzen sollte.“
Eine unmögliche Tat, die sämtliche Rassenschranken verletzt. Auch in Doris Lessings Roman „Afrikanische Tragödie“ geht es um Verletzung von Rassenschranken und Rache. Bei Lessing ist aber alles in realistischer Weise erzählt. Im Roman von J.M. Coetzee können wir uns nicht sicher sein, ob Magdas Blutrache wirklich geschehen ist, oder ob sie nicht unter Gewaltfantasien steht. Auf jedenfall bleibt dem Leser nichts erspart. Starke Nerven sollte er schon haben, wenn die Axt blutig auf das Opfer saust. Denn Coetzee ist nicht zimperlich, und schreibt detailliert. Das großartige ist, bei Coetzee lässt sich das lesen, nicht so wie ein billiger Horrortrip. Die Distanz bleibt doch gewahrt, ein Blutrauschroman ist es nicht, auch wenn Coetzee den Leser schockieren kann wie in diesem Vergleich:
„Auf dem Fußboden sind Spritzer von getrocknetem Blut, und der Vorhang ist verklebt von Blut. Ich bin nicht zimperlich bei Blut, ich habe gelegentlich Blutwurst gemacht,...“
Die Frage, wer im Roman die Bestie ist, wird gestellt. Ist es Magda mit ihren Gewaltfantasien, der schrecken- und angstverbreitende Vater, oder Hendrik, „der beleidigte Ehemann, der vom Stiefel seines Herrn niedergetretene Leibeigene, der sich erhebt, um nach Rache zu schreien?“ Das Böse lauert überall.
Begeistert schon von „Warten auf die Barbaren“, bin ich auch von diesem Roman sehr angetan. „Im Herzen des Landes“ ist nichts anderes als ein innerer Monolog einer alternden Jungfer, eine Art Seelenbekenntnis. Schonungslos, verstörend, hinreißend.
Liebe Grüße
mombour