Ian McEwan - Saturday

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  • Hallo,


    Vor längerer Zeit habe ich den Roman auch gerne gelesen, allerdings finde ich es sehr übertrieben, wie perferkt und vollkommen die Familie ist. Der Vater ein Neurochirurg, erfolgreich und so talentiert, dass er dem Verbrecher auf der Straße auf Anhieb Chorea Huntington diagnostiziert, und wenn ich mich recht erinnere, befindet er sich einmal auf einer Gesellschaft, auf der auch der Premierminister (immerhin) geladen ist. Seine Tochter ist Lyrikerin, sein Sohn Blues-Musiker. Alle Achtung, vielleicht aber alles doch etwas zu aufgedröhnt.


    Allerdings, auch ich habe den Roman sehr gerne gelesen. Ian McEwan versteht es, auch mich zu fesseln. Die Szenen mit den Verbrechern habe ich immerhin noch im Kopf und die medizinischen Details waren doch interessant.


    Nun, vielleicht wollte McEwan zeigen, dass Erfolg durch Schicksalsschläge ins Wanken geraten kann. Alles könnte an einem Tag vorbei sein, das Leben ist niemals sicher.


    Liebe Grüße
    mombour

    Einmal editiert, zuletzt von mombour ()


  • Vor längerer Zeit habe ich den Roman auch gerne gelesen, allerdings finde ich es sehr übertrieben, wie perferkt und vollkommen die Familie ist.


    Ich meine mich zu erinnern, dass McEwan selbst mal gesagt hat, dass die Darstellung großen Glücks in Beziehung, Familie und Beruf (auch im Gegensatz zu Leid, Krankheit und Tod) häufig als übertrieben oder gar kitschig empfunden wird und dass ihm das beim Schreiben auch einiges Kopfzerbrechen bereitet hat.


    Die glückliche, erfolgreiche, wohlhabende Familie hat in dem Ausmaß viele Leser gestört. Mir hat es allerdings gefallen, mal nicht von einer dysfunktionalen, schicksalsgebeutelten Familie zu lesen ;)

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Mir hat der Roman auch sehr gut gefallen und es hat mich dabei nicht gestört, dass die Familie Perowne ziemlich perfekt ist.


    Aber ganz perfekt, wie es hier oft bemängelt wurde, fand ich sie nicht. Man darf Henry's Schwiegervater nicht vergessen, der doch irgendwie nicht ganz in die Familie zu passen scheint. Er hat ständig neue Freundinnen, er streitet sich so sehr mit Daisy, dass sie längere Zeit nicht miteinander reden und er hat anscheinend ein Alkoholproblem.


    LG
    Dalloway

    "This was another of our fears: that Life wouldn't turn out to be like Literature" (Julian Barnes - The Sense of an Ending)

  • Jedes mal, wenn ich das Buch zur Hand genommen habe, hatte ich das Gefühl, Henry Perowne an diesem Samstag zu begleiten.
    An manchen Stellen ist es etwas langatmig, aber mir gefallen die Gedankengänge, die er hat; so geht es uns den Tag über wahrscheinlich auch, man erlebt Dinge, macht sich seine Gedanken darüber, die dann auch etwas ausschweifender werden und verschiedene Wendungen nehmen können.


    Durch seine Beschreibungen der Familienmitglieder konnte ich sie mir sehr gut vorstellen, man bekommt auch deutlich die Gefühle mit, die er für sie hegt.
    Besonders gefallen hat mir der Besuch bei seiner demenzkranken Mutter, es ist so ungeschönt und realistisch.


    Alles in allem:
    4ratten

  • Ian McEwan: Saturday


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    Klappentext:


    Henry Perowne, 48, ist ein zufriedener Mann: erfolgreich als Neurochirurg, glücklich verheiratet, zwei begabte Kinder. Das einzige, was ihn leicht beunruhigt, ist der Zustand der Welt. Es ist Samstag, und er freut sich auf sein Squashspiel. Doch an diesem speziellen Samstag, dem 15. Februar 2003, ist nicht nur die größte Friedensdemonstration aller Zeiten in London. Perowne hat unversehens eine Begegnung, die ihm jeden Frieden raubt ...


    Meine Meinung:


    Nachdem mir "Abbitte" recht gut gefiel, und ich auch viel Lob über "Saturday" gehört hatte, freute ich mich darauf, dieses Buch zu lesen. Leider wurde ich enttäuscht.


    Es gibt Gedankenperlen in diesem Buch. Leider muß man sie aus einer Menge Gedankenmüll, oder freundlicher gesagt: Gelaber, herausfischen.


    McEwan geht bis ins allerkleinste Detail. Das soll die Welt des Henry Perowne anschaulich machen, tut es auch, machte das Buch aber (für mich) an vielen Stellen langatmig. Auch die medizinischen Details waren mir manchmal zuviel, insbesondere an der Stelle,

    Sowas lese ich einfach nicht gerne, ist wohl Geschmackssache.


    Ich gehe auch nicht mit der Meinung konform, daß das ganze Buch an einem einzigen Tag spielt. Dieser Tag ist nur der Rahmen, es gibt jede Menge Rückblicke auf das Leben Henrys und seiner Familie.


    Henry Perowne ist für mich keine sympathische Figur. Er mag hochgebildet, geistreich, kultiviert, rücksichtsvoll erscheinen - ich sehe die Absicht des Autors, Henry so darzustellen. Aber unter seiner netten, glatten Oberfläche ist er aggressiv, gewaltbereit, ängstlich, unzulänglich - genauso wie normale/einfache Menschen. Mir erscheint er eitel, arrogant, zu sehr von sich selbst (und seiner supertollen Familie) eingenommen. Henrys Leben wird beherrscht von Angst vor verschiedenen Bedrohungen, mit denen er sich schier verrückt macht. Ich weiß nicht, ob McEwan beabsichtigt hat, das so darzustellen.


    Besonders in der Beschreibung des Squash-Spiels (mit dem McEwan meine Lesegeduld übrigens arg strapaziert hat) kommt Henrys Aggressivität sehr klar zum Ausdruck. Auch in seinem Verhalten nach dem Autocrash (welches meiner Meinung nach nicht mit seinem elitären Selbstverständnis konform geht) und in seiner Meinung zum Irakkrieg.


    Das Ereignis, was ihm laut Klappentext "jeden Frieden raubt" wurde meiner Meinung nach zu lange vorbereitet und nahm dann viel zuwenig Raum im Buch ein. Es wirkte nur wie eine Episode. Ein wirkliches Bedrohungsgefühl konnte man als Leser hier kaum entwickeln, zumal das Ganze viel zu schnell (und meiner Meinung nach völlig unglaubwürdig) beendet wurde und alles wieder ins Lot kam, wie es sich gehörte. Ich sehe die Absicht des Autors, hier darzustellen, wie schnell ein glückliches, zufriedenes Leben durch Zufall sich wandeln kann und daß man sein Schicksal nicht in der Hand hat - ich finde dies aber nicht gelungen umgesetzt.


    Und daß am Ende

    ist für mich weniger eine gute Tat, als vielmehr glasklar eine Wiederherstellung der Machtverhältnisse, wie sie in Henrys Welt sein sollten.


    Trotzdem war das Buch stellenweise unterhaltsam, es gab schöne Gedanken, interessante Sichtweisen. Gut hat auch mir der Besuch Henrys bei seiner Mutter gefallen.


    Insgesamt kann ich dem Buch deshalb noch zweieinhalb Leseratten geben.


    2ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Grüße, kaluma

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

    Einmal editiert, zuletzt von kaluma ()

  • Nach "Am Strand" mein zweiter Ian McEwan-Roman und ich wurde nicht enttäuscht.


    Zuerst dachte ich, was kann an einem Samstag schon passieren und dann kam eins zum anderen, mir war es fast zu "viel" für einen Tag wurde, so voller Details war dieser Roman. Sprachlich hervorragend geschrieben, habe ich das Buch an einem gemütlichen Wochenende gelesen und genossen.


    Die Familie empfand ich nicht als perfekt, für mich war da sehr viel Schein nach außen und so einige Konflikte. Aber genau das machte es für mich zu einem normalen, glücklichen Familienleben.


    Für diesen Roman vergebe ich 4 Ratten von 5. 4ratten

    Liebe Grüße von Babsi

  • Ich habe Saturday gerade zuende gelesen und bin in meiner Meinung doch etwas zwiegespalten. Einerseits habe ich mich mit dem Stil so gar nicht wohl gefühlt, das war mir alles einfach zuviel Gelaber. Die Geschichte wirkte auf mich teilweise recht konstruiert, besonders


    Und mit dem Protagonisten wusste ich auch so richtig nichts anzufangen. Ich will nicht sagen, er war mir unsympatisch aber sein Wesen ist so gegensätzlich zu meinem, dass es mir mitunter schwer fiel, mich auf seine Gedankengänge einzulassen.
    Andererseits hat die Geschichte genug Neugierde wecken können, sodass ich trotz allem immer weiter gelesen habe. Es gibt einige interessante Denkanstöße und Diskussionen innerhalb des Buches und zum Ende hin wird noch einiges an Spannung aufgebaut, sodass es Saturday zwar nicht gerade auf meine Jahreshitparade schafft aber auch nicht als verlorene Lesezeit abgetan wird.


    3ratten

    Ich hieß hier mal caithlin.<br /><br />&quot;If I had a dollar for every time i felt more emotion for a fictional character than people in real life, I could pay for the psychiatric help I obviously need.&quot;

  • Ich kann mich der Begeisterung auch nur mit Einschränkung anschließen. Zum Inhalt wurde das Wesentliche ja schon sehr gut zusammengefasst, daher verzichte ich darauf, das nochmals zu wiederholen.


    Was ich sehr gelungen an dem Buch fand ist, dass anhand eines relativ eingeschränkten roten Fadens (der Zeitverlauf des Samstags) eine Familiengeschichte erzählt wird. Obwohl nicht chronologisch, insgesamt nur fragmentarisch und auch nur aus der Perspektive von Henry entsteht doch ein rundes Bild über die Perownes, das Spannungen und Gefühle zwischen den Personen erklärt. Hier zeigt sich das große Können McEwans.


    Sprachlich wie immer im angenehmen ruhigen Ton, der dem Charakter der Hauptfigur angepasst ist, wie ich finde. Auch die Schwierigkeiten bei manchen Themen eine Position zu beziehen und diese zum Ausdruck zu bringen wird oft sehr klar deutlich. Auch wenn es nicht aus der Sicht eines Ich-Erzählers geschrieben ist, bleibt der Leser doch ganz nah bei Henry und folgt seinem Gefühls- und Gedankenleben.


    Schwachpunkte sind für mich die Vorhersehbarkeit, die nicht spannend angelegt wird, sondern phasenweise fast künstlich den Kulminationspunkt hinausschiebt. Das Ende ist mir auch ein wenig überzogen und ich denke es ist auch gegen die Grundprinzipien eines Arztes (das wird ja auch so konkret gesagt). Im Vergleich zu Atonement bleibt mir der Roman insgesamt zu unbedeutend für den Leser, er wirkt nicht nach.


    3ratten

  • Ein Tag im Leben von Neurochirurg Henry Perowne – so die Kurzfassung der Handlung. In der Langfassung ergibt das knapp 400 recht intensive Seiten, in denen man viel über Henrys Leben und eben jenen titelgebenden Samstag erfährt.


    Henry wacht nachts auf, glaubt, einen Flugzeugabsturz zu sehen, in der Stadt kommt es zu einem Autounfall, er streitet sich mit dem Autofahrer, er geht zum Squash mit seinem Freund und Kollegen und streitet sich mit diesem, er kauft ein, besucht seine Mutter im Pflegeheim, besucht eine Bandprobe seines Sohnes, kocht für die Familie, seine Tochter kommt nach sechs Monaten Abwesenheit wieder nach Hause und es kommt zu einer erneuten Begegnung mit dem Autofahrer von morgens – ein ereignisreicher Tag erreicht seinen Höhepunkt.


    Ian McEwan erzählt all dies aus der Sicht des Protagonisten. Dabei werden dem Leser nicht nur die Ereignisse dieses Tages nahe gebracht, sondern auch viel über Henrys Vergangenheit berichtet. Ein Großteil des Buches besteht aus Reflektionen Henrys, er lässt Vergangenes Revue passieren, kommentiert aktuelle Geschehnisse und setzt sich mit sich selbst und den Beziehungen zu Familie und Freunden auseinander.



    Am Anfang hatte ich Probleme, in das Buch zu finden, oft kamen mir Henrys Monologe zu lang und langatmig vor (und die detaillierten Beschreibungen der Hirnoperationen hätte ich auch nicht gebraucht...), aber irgendwann hat es mich dann doch gepackt und so habe ich die letzten 250 Seiten fast ohne Unterbrechung gelesen. Vor allem mit und nach der Ankunft der Tochter gewinnt die Geschichte an Fahrt. Ich mag Ian McEwans Sprache und bin trotz der Anfangsschwierigkeiten doch recht begeistert von Saturday.
    Zuvor hatte ich schon On Chesil Beach und Solar von ihm gelesen und ich werde bestimmt bald wieder zu einem Werk von McEwan greifen.

  • Meine Meinung:
    Mit diesem Roman von McEwan habe ich mich lange schwer getan. Erst so etwa im letzten Drittel gab es eine gelungene Wendung die auch das vorhergegangene in einem anderen Licht beleuchtet hat.Desweiteren hat es sicher auch geholfen das ich nun länger dran geblieben bin und so das große Ganze besser durchschauen konnte. Wie bei McEwan zu erwarten, ist der Roman keine Lektüre für mal so nebenbei.


    Zeitweise hat mich das ganz Konzept des Romans sehr an Mrs. Dalloway von Virginia Woolf erinnert. Zwar weniger düster und traurig, aber die starke Fokussierung auf Henry und seine Erlebnisse an diesem einen Tag, das war schon daran orientiert würde ich mal behaupten. Überhaupt fand ich gerade auch die Idee einen einzigen Tag zu beschreiben sehr schön. Er lässt sich dann auch viel Zeit für die einzelnen Begebenheiten und manchmal hat man fast das Gefühl eigentlich mehrere Tage erlebt zu haben um dann doch wieder darauf aufmerksam gemacht zu werden das dem gar nicht so ist. Schön fand ich dabei auch das Henry und seine Familie zwar einerseits durchaus außergewöhnlich sind - immerhin haben wir hier mehrere Künstler mit großem Talent - aber doch auch recht normal. Eine gute Mischung also.


    Trotzdem, ich hatte schon irgendwie meine Schwierigkeiten in die Handlung zu finden und manchmal kam es mir auch etwas zäh vor. Der Bruch kommt eigentlich erst wenn der Tag schon fast zu Ende ist. Ab da ist die Veränderung spürbar die auch in der restlichen Handlung ihren Nachklang hat. Das ist ein sehr schlauer Kniff des Autors um ohne es direkt anzusprechen eben diese Veränderung klar zu machen. Ab diesem Punkt war ich dann auch richtig in der Handlung verfangen und ich habe mich gefragt was mir vorher nicht so gefallen hatte. Ich kann es immer noch nicht so ganz mit Bestimmtheit sagen und weiß eben nur ab wann es sich anders verhält.


    Von mir gibt es insgesamt dann
    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Da es eben so lang gedauert hat bis McEwan mich doch noch packen konnte.

  • Saturday


    Hörbuchversion


    Henry ist Neurochirurg und Ende 40. Sein Leben verläuft in ruhigen Bahnen. Viel Arbeit unter der Woche, genau wie seine Frau Rosalyn, eine Anwältin. Die Kinder Daisy und Theo sind erwachsen, gehen eigene Wege.


    Omas Alzheimerprobleme werden kurz und treffend angerissen. Der selbstverliebte Opa ist auch gut getroffen.


    Dann kommt ein Samstag, der es in sich hat, der die Familie an den Rand eines Abgrundes bringt…



    Die Geschichte plätschert zumeist vor sich hin, war für mich aber ohne Längen, meist interessant und angenehm. Die geschilderten Schrecken kommen sehr glaubhaft rüber, man nimmt dem Erzähler alles ab.


    4ratten


    Bechdel-Test: ☹

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

  • Das weiß ich wohl, aber hier gehe ich nur auf die Aspekte der Geschichte ein, nicht auf Aspekte des Hörbuchs.

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

  • Schon so viele Rezensionen und Meinungen - ich war wohl etwas "spät dran" mit diesem Roman von Ian McEwan, der zur Zeit seines Erscheinungs einige damals ziemlich aktuelle Geschehnisse kommentierte..

    Hat mir gut gefallen, dieses.. Gedankenstück, das wie ein Theaterstück einen eng begrenzten Rahmen an Personen und Zeit hat: Ein Samstag im Leben des Henry Perowne, in den von außen 2 - eigentlich nur 1 - Außenstehender eindringt. Gewohnt "psychologisch dicht" geschrieben - es war nach "Abbitte" und "Kindeswohl" mein drittes Buch vom Autor und wird wohl nicht das letzte bleiben.