H. A. DeRosso - ".44"

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  • H. A. DeRosso „.44“


    „If they move, kill’em“
    (Pike Bishop am Ende des Vorspanns von „The Wild Bunch“ von Sam Peckinpah


    Eine Lanze für den Western
    Eine etwa längere Auslassung über den Western als literarische Gattung, als Film und als auf dem Buchmarkt in der BRD fehlender am Beispiel von H. A. DeRossos Roman „.44“ von 1953 (das Buch aus dem Ramsch bei Lehmanns in Hannover, es gibt noch keine deutsche Übersetzung. Es lässt sich aber leicht im Original lesen.)


    Zunächst, gleichsam zur Einführung, einen längeren Text aus alten Notizen, den ich in einem früheren Sommer in den Ferien an der Irischen See bei Bettystown, südlich von Drogheda, geschrieben habe unter Beihilfe eines Buches über Handfeuerwaffen von einem ehemaligen englischen Major. (Jeder, der mal was in Richtung Krimi oder Western schreiben wollte, wird meine irischen Recherchen zu schätzen wissen)


    Die wichtigste Entwicklung in der Geschichte der Handfeuerwaffe war 1835 die Patentierung eines Revolvers von Samuel Colt of Hartford, Connecticut. Rechtzeitig zum Beginn der Massenproduktion entwickelte Colt eine tödlich demokratische Waffe. Nennen wir ihn zunächst den Colt Navy Revolver. Der Krieg in Mexico von 1846 ließ Colts schon arg ramponierte Geschäftstätigkeit wieder eifrig nach oben schnellen. Der Colt mit dem Single Action Lock war natürlich noch recht langsam.
    In der großen Ausstellung 1851 in London zog Samuel Colt zum ersten Mal größere Aufmerksamkeit auf sich. Dann kamen neue Kriege, die für die Produktion von Waffen immer anregend wirken: Der Krim-Krieg von 1854-56 und der indische Aufstand von 1857-58. Es kam Adams Dragoon Revolver. Damit konntest du zwar schneller schießen, aber die Zielgenauigkeit gegenüber einem Colt war schlechter. Außerdem schoss er nur 5mal. Das war die britische Antwort auf den Colt. Mit ihm versuchten die Briten den Markt für sich zurück zu erobern.
    Der amerikanische Bürgerkrieg brachte die Praxisprobe für den Colt. Colts Revolver war relativ billig, die Teile waren nachzukaufen, er wurde gewissermaßen die Thin Lizzy und der VW unter den Handfeuerwaffen. Dann kam der Double-Action-Schloß Revolver von William Tranter. Damit konnte man zunächst mit dem Mittelfinger den Hahn spannen und dann mit dem Zeigefinger den Hahn loslassen und den Schuss auslösen.
    (Exkurs im Exkurs über das, was meine Kinder in Irland glotzten, guckst du: Und zwischendrin der neueste Hit aus dem Tellie: Bananas in Pyjamas, was sofort weiterentwickelt wird zu Sukkinis in Bikinis, Apfelsinen in Vitrinen, Himbeeren mit Gewehren, Pampelmusen, die schmusen --Matschbirnis in den Hirnis. Der Song kommt mit in das Buch, in das Waffenbuch, in Papas Buch - na in das Buch. Der Iren Schwarm entfuhr in Richtung Drogheda - nach Pizza in Backofen, Kaffee und Tee und Kuchen und Eis und Strand und und Bananas in Pyjamas. Andauernd singen sie mir dieses bescheuerte Lied vor. Kontrollieren, dass es auch ja mit dem Text stimmt. Ich muss es ihnen auf dem alten Acer-Laptop zeigen. Sie zwingen mich zu Verbesserungen, Veränderungen. Hier geht es um die Wahrheit und um nichts anderes. Und dass das ja drin bleibt. Versprochen.)
    1858 präsentierte Adams einen neuen Revolver mit einem Schloss, das Leutnant Frederick Beaumont von den Royal Engineers entworfen hatte. Mit dem Teil, Beaumont-Adams genannt, kannst du den Hahn auch mit dem Daumen oder dem Handballen zurückziehen. (Ja, das kennt man aus einigen Western) Damit verbindest du die Vorteile des Tranter Revolvers mit denen des Colts.
    Die Amerikaner aber standen weiterhin auf Single-Action-Revolver. Das Kaliber spielte auch eine Rolle. In den Western handelt es sich ja meistens um 45in(11,43mm) oder 44in(11mm). Aber das Nachladen dauerte länger als in den Filmen. Und dann, na es wurde auch langsam Zeit, wurden die Patronen erfunden (Cartridges). Damit kommt der Name Smith&Wesson ins Spiel.
    1857 kam ein Teil, das mit Kupferpatronen geladen werden konnte auf den Markt. (Kaliber aber nur 32in(8.13mm)
    Mit dem Webley Mark 1 Revolver konnten alle verschossenen Patronen auf einen Schlag ausgestoßen werden. Das sind die Teile, die sich aufklappen lassen. Aber Smith and Wesson ließen sich auf einen Riesendeal mit den Russen ein, weswegen andere den wilden Westen übernahmen. Hergestellt wurde "the most famous weapon, firing centre-fire cartridges of 45in(11mm)“. Dabei handelte es sich um das Armeemodell von 1873, bekannt als Peacemaker oder Frontier-Model. Er wird heute noch hergestellt!
    Und dann gab es den berühmten Royal Irish Constabulary Revolver von 1867 in verschiedenen Ausführungen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts.
    Webleys belieferte die britische Armee bis nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Browning P 35 eingeführt wurde.
    Die modernen Colts haben seitlich herausschwingbare Magazine. Ein schönes Modell, herrlich ausbalanciert, war das Modell Nr. 3 von Smith&Wesson, die damit in den europäischen Markt einstiegen.
    Die Amerikaner bevorzugten einen soliden Rahmen (solid-frame-revolver) gegenüber einem hingend-frame-revolver zum Wegklappen. Schöne Teile hingegen nach wie vor: Der Enfield Revolver Mark II von 1881, Saland and Somerville Revolver und der Thomas Revolver. Damit könnte das Gebiet des Revolvers abgeschlossen werden und der Übergang eingeleitet werden zu den selbstladenden Pistolen. Bei diesen galt es vor allem, die Energie, die beim Rückstoß erfahrbar wurde, zu nutzen, um die Pistole wieder schussfertig zu machen. 1884 tauchten die ersten Selbstlader auf dem Markt auf. Aus der Borchardt wurde die Luger. Bergmanns Knarren und Mausers. Die Deutschen stiegen ins Waffengeschäft ein. 1898 trug Winston Churchill im Sudan eine Mauser vom Modell 1896, das Teil mit dem anschraubbaren Schaft aus "Leichen pflastern seinen Weg" von Corbucci. Mit der Roth-Steyr aus Österreich tauchten die ersten "automatischen" Pistolen auf.
    So haben wir denn heute die unfriedliche Koexistenz von Revolvern und automatischen Pistolen, wobei die Amerikaner mehr den Revolvern, die Europäer mehr den automatischen Pistolen zuneigen.
    Mit Doctor Richard John Gatlings Produkt wollen wir uns hier nicht mehr ausführlicher beschäftigen. Das blieb Corbucci überlassen, der es aus dem Sarg von Django wiedererweckte und dann Peckinpah, der den Wild Bunch, jedem von ihnen, ein furioses Ende mit der Gatlin-Gan ermöglichte, deep south in bloody mexico. Dazu passt als Musik Silvestre Revueltas „La Noche de los Mayas“ oder die Filmmusik von John Fielding mit der schönen Fassung von La Golondrina.
    Eine Menge Erfindergeist ist in die Planung und den Bau dieser Tötungsmaschinen investiert worden - und hat sich wohl auch gut ausbezahlt. Waffen sind geil, und was geil ist, wird auch geil verkauft. So einfach ist das. Da lassen sich der amerikanische Mann und Charlton Heston nicht lumpen.
    Warum diese ausführlichere Recherche über Waffen? Weil sie eine der Voraussetzungen für einen (hardboiled) Krimi oder Western ist. Im Krimi von Männern - und von Western für Frauen habe ich noch nichts gehört - geht es immer auch um Waffen, weite offene Landschaften, Zonen der Gesetzlosigkeit und Freiheit und Pferde und Indianer und Gesetzlose und Revolvermänner….. (Allerdings hat mein alter Kumpel aus der hiesigen Übersetzerliga von Schundromanen, W.C., einen guten sogenannten erotischen Western für eine Bastei-Heftromanserie geschrieben, der unter uns nur als „Fickwestern“ noch Erwähnung findet. Letztlich gehören Frauen in den Western ins Bordell, ins Farmhaus oder als toughe Ladies (Johnny Guitar) auf die Veranda oder die Mainstreet (Schneller als der Tod) zum Showdown). Und deswegen sollte ein zukünftiger Krimi- oder Western Autor sich in dieser Materie (der der Waffen) etwas auskennen.
    Ein Auftragskiller wäre ein Knotenpunkt sozialer Sehnsüchte und Ängste. Ein breakthrough? Ein Killer braucht ein Schema, an das er sich hält. In der Methode kann er durchaus unkonventionell und spontan vorgehen wie Henry. Sein Schema besteht darin, dass er souverän killt. Das fasziniert an ihm, deswegen fühlen feige Typen, die sich nicht getrauen, sich über ihre Situation klar zu werden, sich von Killern angezogen. Das sind noch toughe Typen. Ein Mann muss auch mal......... (A man has to do what a man has to do)
    Letztlich fängt es an wie die "Ein Mann sieht rot"- Masche. Oder dieser amerikanische Film mit Michael Douglas, der seltsam zensurgedämpft daherkam (Falling Down). Dem Bürger reißt's vom spitzen Kopf den Hut, In allen Lüften hallt es wie Geschrei. Aber das muss dann nicht versöhnend abgehappyendet werden, das muss bis in den widerlichen Exzess durchgeführt werden wie bei Henry. Es gibt kein Entkommen. Die moralischen Werte sind fiktive Konstrukte, die nur solange überleben können, wie sie konsensfähig sind. Wenn jeder sich an Django orientiert, wirklich souverän und frei und autonom sein will, dann braucht er Waffen und Möglichkeiten, ohne schwere Kettung ans System zu Geld zu kommen. Das System ist vom Übel. Dahinter gehen wir nicht zurück. Das falsche Leben bleibt ein falsches.
    Soweit der irische Handfeuerwaffenexkurs, bevor wir uns „.44“ langsam, gaaaaanz langsam und auf Umwegen zuwenden


    Benutzte Literatur zum Thema für Interessierte:
    Programm Roloff und Seeßlen, Western Kino, Geschichte und Mythologie des Western-Films, Grundlagen des populären Films 1, rororo Sachbuch 1979
    John H. Lenihan, Showdown, Confronting Modern America In The Western Film, University Of Illinois Press, Urbana and Chicago 1985
    Frank Arnold, Ulrich von Berg, Sam Peckinpah, Ein Outlaw in Hollywood, Ullstein Sachbuch, Reihe populäre Kultur 1987


    Der Western gehört zur Sozialisation meiner Generation und kann und sollte von daher hinreichend legitimiert sein, um als Gegenstand einer Untersuchung sich genauer betrachtet zu werden. Dies besonders heute (2007), da es keine Western in Form von Büchern mehr auf dem deutschen Buchmarkt gibt, und auch Hollywood nur noch gelegentlich sich aufmacht an die Grenzen der Zivilisation.
    Die Tatort-Mentalität muss den Leuten hier doch langsam zum Halse raushängen. Wen öden denn nicht mählich diese krisengeschüttelten, beziehungsverletzten übersensiblen Kommissarinnen in den problemüberfrachteten Krimis an, in denen alle wichtigen sozialen Themen pflichtschuldigst abgearbeitet werden, wobei alle möglichen Helden für eine wunscherfüllende Phantasie auf der Strecke bleiben. Verschont uns mit dem pilcherisierten Realismus der Lady-Krimis, die ans Deckchensticken erinnern. Oder den Krimis um die Leichenwühler, dieser ganze morbide Pathologen-Kram, der jedem, der länger im Krankenhaus lag, zuwider ist. Oder diese CSI-Fuzzelbrüder mit ihren Lupen und DNA- Tests. Ach wo bleiben die unendlichen Weiten des Weltraum, der Wilde Westen und das Land der Zombies?


    In den Buchläden gibt es für die sonderbarsten Gattungen von Büchern Regale: für Krimis, für historische Romane, für Frauenliteratur, für Esoterisches, für Lustiges, für Fantasy und Science-Fiction, für Erotisches – aber nicht für Western. Die Taschenbuchverlage haben inzwischen alle ihre Westernreihen eingestellt. Vorbei die Zeiten, als es noch Romane von Louis L’Amour, Wayne D. Overholster und anderen bei Heyne gab. Nur im Heftromansektor bei Bastei wird noch mit Colts geschossen. Warum die Idiosynkratie des deutschen Buchmarkts gegenüber dem Western? In den USA, da genügt ein Blick ins Internet (http://www.fantasticfiction.co.uk/) gibt es nach wie vor jede Menge Taschenbuchreihen für Western und Autoren, die Western schreiben.
    Anders sieht es hier beim Vertrieb von DVDs aus. Allein die Vermarktung von John Wayne Filmen (The John Wayne Collection) in diesem Jahr, von ausgezeichneten Editionen wie etwa der von „Man nannte ihn Hondo“ (Special Collector’s Edition) zeigen, dass an Western ein nicht nachlassendes Interesse besteht.
    Nur neu gedrehte Western sind Mangelware. Es freut den alten Westernfan nicht unbedingt, dass es jetzt schon einen Western über schwule Cowboys gibt. Bald wohl noch welche mit Migrationshintergrund oder mit Helden mit maximaler Hautpigmentierung, um dem Stil der Ausländerbehörden zu genügen oder mit Lesben und Veganerinnen. Männerphantasien mit homoerotischem Hintergrund gibt’s schon bei Herman Melville (Moby Dick, Billy Budd – wo bleibt der wundervolle Film von Peter Ustinov mit Robert Ryan und Terence Stamp auf DVD?), das sind aber keine Geschichten von Schwulen, auch wenn Ismael gleich am Anfang mit Quiquec ins Bett hupft. Wer mit Berufsschwulen zu tun hatte, der weiß, dass sie sich manchmal kaum noch von militanten Emanzen oder Lesben in ihrem missionarischen Eifer unterscheiden. Das muss nicht sein. Das nervt.
    Der Westen ist, so scheint es, tot. Und so beendeten schon Roloff und Seeßlen ihr Buch über den Western mit den düsteren Worten: „…... und Don Siegel unterzog in „The Shootist“ (1976) den Mythos einer distanzierenden Würdigung, die noch einmal dem Western zurückgab, was ihm in den letzten Jahren abhanden gekommen war: Ruhe. Und vielleicht exakt diese Botschaft ist es, die endgültig dem Genre ein friedvolles Ende beschert, nämlich die, daß der Western tot, die Grenze verschlossen, die Gesellschaft korrupt ist und daß man sich darüber nicht besonders aufregen muß.“ (s.o. Seite 202)
    Da die Beurteilung von historischen und kulturellen Verschiebungen nur durch die subjektive Achse/Perspektive hindurch sinnvoll ist, versetzte ich mich zurück in die 50er Jahre. Nach einer aufregenden Zeit in Buenos Aires, in Encarnacion und Asuncion (Paraguay) am Rio Parana unter dem Kreuz des Südens, verschlug es mich 1955 zurück in ein verregnetes novemberliches Deutschland in eine schäbige Kleingartenkolonie (Abendfrieden) am Mittellandkanal in Hannover sowie in eine triste Schulrealität, der ich mich nur noch durch exzessive Lektüre zu entziehen vermochte. Wobei ich jede Art von Literatur las: Silber Western von G. F. Unger und G. F. Waco oder G. F. Buckett, Hauptsache G.F.) Science-Fiction Heftromanserien (außer Perry Rhodan, wo damals noch K.H.Scheer aktiv war) Marcel Proust, Dostojewski, Rimbaud und Lautréamont und auch Akim, Fulgur, Tarzan- und Micky Maus-Hefte. Die Welt war bunt und ließ sich vielfältig wiedergeben.
    Jeden Sonntag, das war der Highlight der Woche, ging ich dann mit meinem Bruder und einigen Knilchen aus der Kolonie am Kanal entlang in Richtung Friedenau bis nach Vinnhorst in ein altes verrottetes rotes Gemäuer mit dem vielversprechenden Namen „Walhalla“, wo wir zum Preise von 55 Pfennigen mit Western konfrontiert wurden, in denen sich das Elend eines Lebens am Mittellandkanal in einem engen Gartenhäuschen (mit 5 Personen in einer Laube leben zu müssen, mindert die Romantik einer Laube erheblich) öffnete in die unendlichen Weiten der Prairie, durch die einsame Kerle mit schweren Eisen an den Hüften ritten und heldenhafte Abenteuer erlebten, mit denen sich eigenes Schulversagen wunderbar kompensieren ließ. Der Western ist eine Männerdomäne und kaum jemand in meiner Generation wird sich als Jugendlicher den faszinierenden Männerphantasien der Hollywood-Western mit markanten Gestalten wie Kirk Douglas, Burt Lancaster, Gary Cooper, Audie Murphy etwas weniger, Randolf Scott, Robert Ryan und John Wayne entzogen haben können. In einer Welt, die dich von Morgens bis Abends wie ein „geficktes Eichhörnchen“ behandelt, werden Träume vom einsamen Revolvermann, der nur auf sich und seine 45er oder 44er, seine Winchester und sein Pferd gestellt in eine Stadt einreitet, mit stahlgrauen Augen, so dass nach G. F. Unger fast jede Frau „barfuß für ihn betteln gehen würde“ (was ein übler Spruch) und letztlich allein gegen alle die Stadt aufräumt und weiterreitet unvermeidbar.(Später würden wir singen: Dem Morgenrot entgegen, ihr Kampfgenossen all!)
    Diese Einer-gegen-Alle-Story gab es bereits Ende der 30er im Hardboiled Krimi (Rote Ernte, Red Harvest ) von Dashiell Hammett und als Film später mit Bruce Willis als „Last Man Standing“.
    In den 50er Jahren kam es in den USA zu einem Aufschwung des Western, der bis heute nicht wieder erreicht wurde. Der Western verlor seine Naivität (die der Fuzzy Filme etwa).
    Im Unterschied zur BRD, die in dumpfer Restauration unter einem greisen Adenauer dahinwurstelte, überall stank es noch nach alten Nazis, die frech das Sagen hatten, kam es in den USA zu einer reiferen Form des Western: „With the success of High Noon and especially the decline of McCartyism by 1954 as a major influence on Hollywood’s depiction of America, Western became increasingly critical oft he settled frontier community.“ Im Western verwandelte sich die spießige Kleingartenkoloniewelt mit ihren Laubenfesten in eine Welt, in der einsame Rebellen es den Spießern zeigten. Wenn Gary Cooper am Schluss mit dem Stiefelabsatz verächtlich den Sheriffstern zermalmt, dann haben wir das damals sofort verstanden: Aufs Gesetz ist auch geschissen, wenn es nur noch den Besitzenden dient. Höhepunkt dieser Entwicklung ist ein Western, der nach wie vor zu meinen Favoriten zählt: „No Name on the Bullet“ von Jack Arnold (1958) mit Audie Murphy. Murphy kommt als angeheuerter Killer in eine Spießerstadt und sofort greift dort die Angst um sich, weil jeder sich bedroht wähnt von dem Killer, der zynisch und fast sogar amüsiert beobachtet, was in den braven Bürgern alles hoch kommt. „His presence triggers desperate responses that take the form of a drunken challenge or ugly mob violence.” (s.o. Lenihan, S. 135)
    Eine ähnliche Geschichte erzählt auch H. A. DeRossos Roman von 1953 „.44“.
    Dan Harland, ein Berufskiller (a hired gun) mit einem .44 Frontier Colt an der rechten Hüfte jagt einen gewissen Lancaster, stellt ihn und im Showdown stellt sich heraus, dass Lancaster schneller zieht, aber nicht abdrückt, so dass er von Harland erschossen wird, den durch diesen Vorfall das Gewissen etwas zu zwicken beginnt. Er reitet zurück in die Stadt und nimmt sich denjenigen vor, der ihm den Auftrag gegeben hat. Dieser Elliott ist ein windiger Geselle. Da Harland weiß, dass Lancaster aus Edenville kam, fragt er Elliott, wer ihm den Auftag gegeben habe, bekommt aber nichts aus ihm heraus. Im Gegenteil, Elliott warnt ihn „Stay away from Edenville“.
    Als Harland geht, will Elliott ihn von hinten erschießen, was aber misslingt, da Harland damit gerechnet hatte und Elliott umlegt.
    H.A.DeRossa hält sich nicht mit Nebensächlichkeiten auf. Er baut eine Spannung auf, die bis zur letzten Seite anhält. Die Dialoge sind kurz und knapp, die Kommentare präzise und lakonisch, beschrieben wird nur das, was für die Handlungsführung unbedingt nötig ist.
    Harland reitet nach Edenville wo er, bei wem er sich auch immer nach Lancaster erkundigt, auf Ablehnung und Hass stößt. Er bemerkt bald, dass er alle gegen sich hat: den Besitzer des Saloons mit seinem öligen Revolvermann, die Stadtbewohner, die jungen reichen Erben einer Ranch und die Witwe von Lancaster, die auf einer verfallenen Ranch lebt und zu der er sich erotisch hingezogen fühlt. Alle wollen von ihm wissen, ob Lancaster tot ist, aber Harland versteht es, einer klaren Antwort systematisch auszuweichen. Er bringt in Erfahrung, dass Lancaster mit anderen zusammen einen Bahnüberfall durchgezogen hat, wird von einem Detektiv grausam gefoltert, der wissen will, wo die Beute versteckt wurde und gerät von einer üblen Situation in die nächste. Elemente einer Krimihandlung deuten sich an, man will als Leser wissen, was hinter dem ablehnenden Verhalten gegenüber Harland steht und geht und reitet mit ihm auf die Suche nach einer Wahrheit, die immer neue Fassetten annimmt, durch die Landschaft. Es tauchen neue Verdächtige auf und Harland legt einiges an Leuten um, bis das Buch ein heftiges Ende nimmt.
    Sonderbar ist an dem Buch, dass Harlands Verhältnis zu Frauen immer in Gewaltszenen zu enden scheint. Das erinnert ein wenig an die Rolle von Frauen bei Raymond Chandler und, wenn auch nicht ganz so heftig, bei Mickey Spillane. Obwohl Harland sich bemüht, sich korrekt zu verhalten, behandeln ihn alle als den gewissenlosen Revolvermann der er auch ist, der aber auch seinen Stolz hat (er hat nie jemanden in den Rücken geschossen) und er will rausbekommen, warum sich Lancaster von ihm erschießen ließ.
    Der Roman wird angenehm kurz und präzise erzählt. Und genau dieser Kürze, diese lakonische Art macht den Reiz dieses Buches aus. Wir befinden uns fast schon in der Welt des Italo-Western und Harland wirkt wie eine der Figuren, die später Clint Eastwood verkörpern wird.
    In Deutsch, außer einigen schon längst vergriffenen Heften und Büchern in wohl eher schlichter Übersetzung, gibt es nichts von H.A.DeRosso, aber auch seine englischen TBs sind nur schwer zu erhalten. „.44“ gibt es billig bei amazon, aber das war‘s dann auch schon.
    In einer Kurzbeschreibung wird im Netz auf einen vorbildlichen Storyband hingewiesen: gibt:
    Of all the amazing writers published in the popular fiction magazines of the 1940s and '50s, one of the greatest was H.A. DeRosso. Within twenty years he published nearly two hundred Western short stories, all noted for their brilliant style, their realism and their compelling vision of the dark side of the Old West. Now, finally, for the first time in paperback, we have a collection of the best work of this true master of the Western story. “Under the Sun” This collection, edited by Bill Pronzini, presents a cross-section of DeRosso's Western fiction, spanning his entire career. Here are eleven of his best stories and his riveting short novel, "The Bounty Hunter", all powerful and spellbinding, and all filled with the excitement, the passion, and the poetry of Western writing at its peak.


    Mal abgesehen von den ausgelutschten Euphemismen des Waschzettelgeschreibsels der Werbefuzzis, es ist unmöglich (mir zumindest) bisher mehr über die Person dieses Autors zu erfahren.
    Western, gute Western gibt es in amerikanischen Taschenbüchern jede Menge von Loren D. Estleman (ausgezeichnet seine Studie über den Kampf im OK-Coral, aus der man erfährt, was für ein fieser Typ dieser Wyatt Earp war - gab‘s bei Heyne) , Bill Pronzini, Elmore Leonhard (ausgezeichnete Western), Max Brand, Elmar Kenton, Wayne D. Overholser, Larry McMurtry, Cormac Mac Carthy und viele viele andere, die sich in der oben bereits erwähnten web-site finden lassen.
    Was wächst hier bei uns für eine Generation von Jünglingen heran, die nie mehr die Weiten der Prairie oder die der hupfenden Meere (etwa in der ausgezeichneten Aubrey-und-Maturin-Serie von Patrick O’Brian) in den Wunschphantasien eroberten. Auch das Weltall hat als „location“ (was eine üble Worthülse im Neudeutschen) nicht mehr den Reiz der frühen Hohen Zeiten der „Space Operas“. Es wird Zeit, in die sterilen, fern jeder historischen Bezüge dahin dümpelnden Fantasyfluchtwelten neue Elemente einzuführen.
    Das Beste, was in den letzten Jahren im Bereich erweiterter Crap-Art geschrieben wurde ist meines Erachtens Stephen Kings Mammutwerk vom Dunklen Turm. Dessen Hauptfigur ist, das kann King, dem King, nicht hoch genug angerechnet werden, ein Revolvermann, ein gunslinger.
    If they move, kill’em


    © geronemo 07

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()

  • Du meine Güte, du hast mir gerade klar gemacht, dass sich der Western auch bei mir völlig im blinden Fleck verbirgt. Und das, obwohl ich einige Autoren schätze (Joe R. Lansdale, Elmore Leonard, John Myers Myers), die da durchaus tätig sind, was ich aber nie richtig wahrgenommen habe. Den Teil ihrer Oeuvren habe ich immer erfolgreich ausgeblendet. Jetzt frage ich mich, ob die Qualitäten dieser Autoren nicht auch damit zu tun haben, dass sie Western schreiben. Lakonie etwa und eine gewisse Unerbittlichkeit.


    Vielen Dank, Geronemo, für diesen Augenöffner.


    Ob "Brokeback Mountain" ein Western ist, wäre dann noch eine andere Diskussion...

  • Hallo drummer Skarl,
    der Reiz am Western, als literarischem oder Hollywood-Genre, ist wohl seine mythische Qualität. Es hat da zwar einen historischen Hintergrund gegeben (the frontier, die Indianerkriege etc), aber der ist weit zurückgedrängt hinter den noch älteren Stories. Es gibt Hamlet als Italo-Western ebenso wie King Lear.
    Ich habe, im Krankenhaus, in das es mich unfreiwillig immer mehr zieht, den von Bill Pronzini herausgegebenen Story-Band "Under The Burning Sun" von H.A. DeRosso gelesen (gibts recht günstig bei amazon). Das sind trashige Geschichten der edlen Art, zugespitzt, aufs Wesentliche konzentriert - jede würde sich zum Verfilmun eignen.
    "Brokeback Mountain" kenne ich immer noch nicht, frage mich aber, ob das, mag sein auch erotisch aufgeladene Freundschftsverhältnis von lonesome riders (etwa in "Open Range") besser nicht explizit ausgeführt werden sollte. Das Feundschaftsmotiv, angefangen mit dem Gilgamesch-Epos, ist uralt - und die heutige Tendenz, alles gleich zu sexualisieren ist da eher plump zu veranschlagen. Aber ich werde mir das Brokeback-Teil antun, so es, wie zu erwarten, bald in der Glotze kommt. Inzwischen "arbeite" ich alte Italo-Western in der Koch-Media-Version auf und werde, so meine Zeit und Gesundheit noch hireicht, selber mich im Westerngenre versuchen mit einer Kurzgeschichte (wahrscheinlich dann auf kurzgeschichten.de, einem Forum, in dem ich einige SF-Stories untergebracht habe).
    Also entschuldige die langatmigen Ausführungen, aber wie sangen schon die alten Iren: The West's awake. Mich hat es in der Tat immer nach Westen und nie nach Osten gezogen. Man muss einmal durch die Mojave-Wüste gefahren sein, Rast in Barstow, dann weiter nach Phoenix Arizona. Was für eine Landschaft. Da geht das Herz einem auf.


    Beste Grüße


    Gero

  • Hallo Gero Nemo,


    (so langsam erkenne ich die Vielschichtigkeit deines Nicks) ".44" habe ich jetzt bestellt. "Under the Burning Sun" ist mir erstmal zu teuer, da setz ich meine USA-Connection drauf an. Ich bin gespannt, wie es mir gefallen wird und ich werde hier berichten. Besser als die Lassiter-Hefte, die mein Bruder früher verschlang und mit denen ich nichts anfangen konnte (ich neigte eher zu Sinclair - Gero, bist du noch da? :breitgrins:), wird es bestimmt sein.


    Bei "Brokeback Mountain" halte ich den Rahmen für zweitrangig. Auch die Homosexualität. Im Grunde ist es die Geschichte zweier Liebenden: Einer ist bereit, diese Liebe öffentlich zu bekunden und die Konsequenzen daraus zu ziehen, der andere nicht. Das funktioniert auch in anderen Gesellschaften mit einem eher strikten Moralcodex oder mit anderen Problemlieben (verfeindete Familien, verschiedene Hautfarben, großer Altersunterschied, dabei natürlich eher bei alten Frauen und jungen Männern, verschiedene Religionen).
    BM ist für mich kein Western. Aber du wirst dir dein eigenes Urteil bilden.
    Gespannt bin ich jetzt auf "No Country for Old Men". Das klingt eher nach Western!


    Als alte Moor- und Flussratte finde ich Wüsten ja eher, hm, trocken. Aber verlockend. Es soll übrigens auch im Osten welche geben...
    Nebenbei: Kennst du Harold Lamb und seine Geschichten von Khlit the Cossack? Auch schöner Pulp und derzeit in netten Briketts von Bison Books erhältlich. Östlicher Western?


    Kurzgeschichten.de behalte ich im Auge. Um deine Geschichten zu kommentieren, müsste ich mich anmelden. Leider schreib ich momentan nur ganz Kurzes und was Langes - das passt alles nicht. Wäre eine PM hier okay?


    Ich drück dir die Daumen, dass dir das Krankenhaus möglichst erspart bleibt.


    I will arise and go now, and go to -
    na, es wird wohl wieder nur der Rhein sein.


    Viele Grüße,
    Skarl (Regina)

  • Das Feundschaftsmotiv, angefangen mit dem Gilgamesch-Epos, ist uralt - und die heutige Tendenz, alles gleich zu sexualisieren ist da eher plump zu veranschlagen.


    Ach ja ... da sagst Du was ... :grmpf:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Hallo Skarl,
    was du über Brokeback Mountain schreibst verweist auch auf die Fähigkeit des Westerns (als Rahmen für eine Story) sich alle möglichen Themen anzuverwandeln. Es gibt ja Western, die sind eher verfilmte Theaterstücke (Auf der Kugel stand kein Name) oder gar Tragödien. Andere haben epische Qualitäten.
    Ich bin jetzt mitten in meiner Western-Story und wenn sie fertig ist, kann ich sie Dir ja rübermailen. Übrigens halte ich das kurzgeschichten-Forum für eines der besseren. Es wird etwas ausführlicher und qualifitzierter diskutiert (nicht immer das Herumgeflame gibt's auch dort) als in anderne Foren. Wenn Interesse besteht, kann ich dir die Western Story, bisherige Titel "Unter der sengenden Sonne" (Klingt mächtig nach "Unter the Burning Sun") zuschicken. Voraussichtlich habe ich sie am Anfang de nächsten Woche fertig.
    Der Film der Coen-Brüder,der Oscar-Abräumer, erstaunt wohl vor allem durch provokative Nichtbefriedigung vom Klischees. Der letzte hochgelobte Western "Letzter Zug nach Yuma" hat mir nicht besonders gefallen.
    Das Buch "Under the Burning Sun" habe ich recht günstig bekommen für ein Hardcover. Amazon treibt gelegentlich eine üble Preispolitik. Da finden sich Bücher, die vergriffen oder verramscht worden sind, zu Preisen, dass dem Altagsbenutzer die Augen ausfallen.


    Alles Gute soweit


    Gero, wieder auf dem Weg der Besserung :smile:


  • Hallo Skarl,
    was du über Brokeback Mountain schreibst verweist auch auf die Fähigkeit des Westerns (als Rahmen für eine Story) sich alle möglichen Themen anzuverwandeln. Es gibt ja Western, die sind eher verfilmte Theaterstücke (Auf der Kugel stand kein Name) oder gar Tragödien. Andere haben epische Qualitäten.


    Man kann Stoffe, wie du so schön schreibst, anzuverwandeln, einverleiben, durchmangeln und am Ende auscheiden und sie sind etwas Neues, etwas Genuines geworden.
    Man kann sie aber auch nur mit einer bestimmten Staffage versehen, die leider keien eigene Wirkung entfaltet. So sehe ich Brokeback Mountain. Zumindest den Film. Die Kurzgeschichte stammt aus dem Band "Close Range" von Annie Proulx. Alle Geschichten darin sind in Wyoming angesiedelt und es geht darum ebenso um das unerbittliche Land (ich als gemäßigte Mitteleuropäerin kann mir kaum diese Naturgewalt und dieses leere, im Grunde menschenfeindliche Land (im Sinne von Gegend, nicht von Staat) nur schwer vorstellen. wie um die Personen.
    So eine Gegend hat ja Auswirkungen auf die Bewohner. So wie dieses milde Klima, wo bei Stürmen mal ein paar Dachziegel herunterfallen oder einige Bäume umknicken, Auswirkungen auf mich hat.
    Die Menschen in diesen Geschichten sind rauher (und beileibe nicht herzlich, aber rauh), verbockter, aber eben auch dauerhafter.
    Der Western braucht auch ein bestimmtes Klima, bestimmte Landschaften (oder suggeriert mir das nur der Marlboro Man?). So viel Staub, so viel Weite, so eine meist einsame Lebensweise ist gänzlich anders als mein Städterdasein, wo es eher um Enge und Menschengedränge geht, wo der einsame Maverick eine Gefahr für das Gemeinwesen ist, weil man hier eben nicht allein für sich selbst entscheidet, sondern mit jeder Entscheidung andere beeinflusst und wenn es nur der Entschluss ist, heute Abend auf dem Balkon zu grillen.


    Ähm, irgendwie hab ich mich verlaufen. Und heute Abend kriege ich meine Gedanken nicht mehr beieinander. Also hör ich besser auf. :breitgrins:


    Skarl, die schon auf deine Geschichte gespannt ist, dich aber nicht hetzen will

  • Hallo Skarl,


    Zitat

    Die Menschen in diesen Geschichten sind rauher (und beileibe nicht herzlich, aber rauh), verbockter, aber eben auch dauerhafter.
    Der Western braucht auch ein bestimmtes Klima, bestimmte Landschaften (oder suggeriert mir das nur der Marlboro Man?). So viel Staub, so viel Weite, so eine meist einsame Lebensweise ist gänzlich anders als mein Städterdasein,


    Du schreibst "rauh" noch mit "h". Ich bring es auch nicht über mich, das "h" wegzulassen. Das rauh mit "h" klingt besser aus als das "rau". Diese Freiheit, wo es um den Klang eines Wortes geht, sollte die Rechtschreibung den einsamen Schreiberlingen lassen.


    Zu den Landschaften: Ich war als Kind in Südamerika und habe die Wildheit des Landes dort mit sehr wachen Sinnen aufgenommen. Ich erinnere mich noch an eine nächstliche Fahrt im Zug von Buenos Aires durch Urugauy nach Paraguay, durch die Pampa und später durch den Urwald....
    Dagegen ist das Leben in den Städten ein völlig anderes. Dennoch lebe ich in der Stadtmitte (ohne Auto und ohne Pferd) und als älterer Knilch ist das angenehmer, als allein durch die Pampa zu streifen. Die Natur kann recht abweisend sein.


    Was mich an Western immer beeindruckt, sind die Landschaften (etwa in "Open Range", ich glaube auch Wyomming) die natürlich vom Pferd aus ganz anders erelbt werden können. Allerdings haben die Hollywoodler früher, etwa John Ford in seinen Western, die Landschaften hemmungslos durcheinander gemixt (extrem in "Der schwarze Falke", der durch alle vier Jahreszeiten geht, wobei der John Wayne immer mehr verbittert und verwittert in seinem Hass). Das Monument Valley taucht ja überall in den Kavallerei-Filmen auf - dort hatte die Kavallerie aber nie viel zu tun. Die war eher im Bereich um Fort Laramie aktiv.


    Aber jetzt wirds spät. Mit der Western-Story komme ich momentan nicht weiter, zuviel Bürokratie-Kram will noch erledigt werden.
    Nächste Lektüre, schon besorgt, ein Klassiker vom bedeutensten französischen Historiker in neuer Übersetzung, wenn ich damit durch bin, kann ich vielleicht hier ein paar Zeilen reinstellen.
    Jules Michelet: Das Meer, Campus Verlag Frankfurt/New York 2006.
    Bevor ich mich dann Ostern auf ans Meer mache, Wüsten gibt's hier herum ja nicht so viele noch ein bisschen Theorie vorweg. Aber die Mojawe-Wüste mit den Joshua Trees, den Cholla Kakteen, den Kreosotbüschen, deren Wurzeln alles im Umkreis vergiften, den Klapperschlangen..... die wird dann in der Story wieder auftauchen.
    Bei San Joaquin stand ein Schild an der Straße: San Joaquin State Prison. Mind Hichhikers. Darüber kann ich mich heute noch schlapp lachen.




    Liebe Grüße vom Oldtimmer


    Gero

    Einmal editiert, zuletzt von geronemo ()

  • Bei San Joaquin stand ein Schild an der Straße: San Joaquin State Prison. Mind Hichhikers. Darüber kann ich mich heute noch schlapp lachen.


    Klasse! :breitgrins:


    Rauh, finde ich, ist unvollständig ohne diesen hinteren Hauch, der das Wort frostig überzieht. Ich halte es da eh mit H. C. Artmann, der auch mal Creuttz schrieb, wenn ihm grad barock zu Mute war.


    Habe jetzt ".44" begonnen, parallel zu Brochs "Der Tod des Vergil". Das gibt ganz eigenartige Gegensätze. Hier diese Sprachverknappung, dort das sprachverliebte Mäandern.

  • Hallo Skarl,
    das ist wirklich eine heftige Mischung. DeRosso ist reiner Trash. Knapp und überspitzt. Interessant vor allem die Rolle der Frau. Der Typ muss Probleme gehabt haben.
    Den Tod des Vergil habe ich vor Jahren angefangen, dann liegen lassen, Jahre später wieder angefangen und bin wieder drin abgesackt. Es ist ein nicht einfach zu lesendes Buch. Vielleicht nehme ich es mir noch ein drittes Mal vor. Ich habe andere Sachen von Broch gelesen. Die Schlafwandler, dann diese Trilogie, die einzelnen Titel habe ich nicht mehr im Kopf und einige Essays. Ein insgesamt eher schwieriger Autor, um den es still geworden ist. Seine rororo-Bildbiographie wird hier gerade verramscht (bei Lehmanns - hieß früher 'Weigand).
    Die Westerngeschichte ist fertig und zugleich nicht fertig. Wie es sich entwickelt wird es ein ganzer Zyklus von Geschichten. Ich bin immer noch mitten drin.
    Alles Gute und viel Spaß mit dem einsamen Revolvermann, der es nicht verknusen kann, dass sein Gegner beim Shootout, obwohl der schneller war, nicht geschossen hat. Das ist natürlich ein Spannung erzeugendes Moment sondergleichen und die Auflösung erinnert stark an die Krimis von Cornel Woodrich.


    Gero

  • Zwischen LitCologne und Älterwerden kam ich kaum dazu, zu lesen. Weshalb ich für dieses schmale Bändchen ungebührlich lange brauchte (Vergil hat sich auch erst bis ans Fenster geschleppt).


    Die Geschichte im Ganzen betrachtet, frage ich mich, ob das Buch nicht eine


    Harland ist die ganze Zeit zerrissen zwischen dem, was er ist, bzw. zu dem er gemacht wurde und dem, was er eigentlich lieber wäre. Der sitzt ja in der völlig falschen Haut, in einer Rolle, die er selber nicht gut heißt, deren Zwängen er aber folgt. Vielleicht irritiert ihn Lancaster auch deshalb so. Denn einen Moment bricht der aus: Er schießt nicht.
    Das sitzt Harland wie ein fieses, spitzes Steinchen im Stiefel und er wird selber zu einem spitzen Steinchen und irritiert halb Edenville. Du müssen ja auch an dem verzweifelt sein. Denn dort verhält sich Harland mal nicht seiner Rolle gemäß, sondern bohrt und bohrt als wäre er ein Worthington (der ihm übrigens auch zeigt, wie man dem Revolverheldentum entkommt, andererseits aber völlig skrupellos handelt, eine Art Kopfjäger des Kapitals).


    Harlands Beziehung zu Frauen (eigenartige Frauen übrigens, was vielleicht an der Perspektive liegt, aus der geschildert wird - Charakterstudien werden nicht geboten) nimmt den Geschlechterkampf wörtlich. Aber sind seine Beziehungen zu Männern besser? Allein zu Antrim baut er so etwas wie Freundschaft auf - aber als Frau bin ich nicht so berufen, Männerfreundschaften zu beurteilen. :zwinker: Mir kommt sie sehr dünn vor.


    DeRosso erzählt sehr sparsam und wenn er menschliche Handlung schildert, dann unweigerlich in Bildern von Posen: Der Cowboy der überm Sattelknauf hängt, der am Pfosten lehnende Killer, das herübergeschobene Glas, der Cowboy der sich eine Zigarette bastelt - das sind alles Bilder, die ich aus den entsprechenden Filmen kennen und natürlich aus der Marlboro-Werbung. Ist das in Western so? Sind diese Bewegungen so vorgeschrieben, so unvermeidlicher Teil dieses Genres?


    Mir fehlen jetzt die Bezugsgrößen. Ist das ein typischer Western? Steht er an der Kehrtwende vom strahlenden Helden zum gebrochenen, zum zynischen Helden (eine Kehrtwende, die auch anderswo vollzogen wurde)?

  • Hallo Skarl,
    ich bin momentan etwas im Stress, war eine Woche weg, paar Tage zuhause, Aktenkram erledigen, wieder eine Woche weg. Nur kurz: Diese 44.er Roman ist Literatur, insofern er Schundliteratur ist, allerdings eine, die doch einige der üblichen Klischees, wenn auch mit Hilfe von Klischees, unterläuft. Western sind meistens Männerphantasien (weniger im Theweleitschen als im direkten Sinne) von einem freieren Leben in Natur und im Kampf. Das hat ebenso eine Berechtigung wie Rosamonde Pilcher und Ähnliches. Ich kann nicht immer nur die heftigen Texte lesen, bei Filmen ist es ebenso, deswegen dann der Trash zu seinem REcht kommt. Wenn dort allerdings auch, wenn auch versteckt, existentielle Themen anklingen, wie etwa im Noir-Krimi bei Cornel Woodrich, Jim Thompson, Charles Willeford (um die drei besten zu nennen) dann find ich das äußerst interessant. Ähnlich ging es mir mit diesem Typen, der in eine unmögliche Situation kommt und sich darin immer mehr verfranst. Das ENde ist ja ungemein an den Haaren herbeigezogen, da werden auch einige frauenfeindliche Klischees unterschwellig bedient. Also das ist keine Literatur, um sie großartig zu analysieren, aber Trash, der (mir zumindest) kein schlechtes Gewissen bereitet, wie so viele nur auf den Markt geschriebene, handwerkliche perfekt gemachte Ware. Leute wie Philip K. Dick aber auch andere (ich zum Teil auch) haben die Existenz im Zwischenreich zwischen Mainstream und Trash voll ausgekostet. Mich hat es fast zerrieben.
    Nun ein Tip zu einem wirklich gut geschriebenen Buch, habe es grad verschlungen und bin recht baff, wie jemand derart fessend und stilistisch ausgebufft schreiben kann: Uwe Tellkamp, Der Eisvogel. Gibts als TB bei Rowohlt. Ein Buch, bei dem es einem ab und an übel aufstößt, dass mich aber auf keinen Fall so kalt lässt wie etwa das hochgelobte "Die Vermessung der WElt" von Kehlmann, in dem ich gerade gelangweilt lese. Eine schöne Fleißübung ...oder sollte ich da was übersehen. Nun ja, ich werde es in Kürze durchhaben. ABer verglichen mit dem Eisvogel ist es eher eine lahme Ente - trotz der vielen Preise.


    Jetzt muss ich aber Krankenhausrechnungen sichten, morgen zur Kasse und mich mit Büromilben rumärgern. Zu meinem Western, zu dem ich jetzt eine Art Expose habe, komme ich nicht. Das wird geschoben. Davon demnächst mehr.
    Vielen Dank für dein Interesse an DeRosso. Er muss ein armes SChwein gewesens sein. Aber seine Geschichte sind in einigem vom Ansatz her interessant, auch wenn er stilistisch nicht aus den Klischees ausbrach, konnte er nicht, weil er von dem Verkauf an PUlps leben musste. Er war lebenslang nur im Pulp-Bereich aktiv - und ohne BIll Pronzine, der ihn wieder ausgebuddelt hat, gäbe es nichts mehr von ihm. In den USA gibt es eine lebhafte Western-Szene, bei der auch etliche gute Krimi-Autoren (wie etwa Loren D. Estleman) mitmischen. Das ist hier nur schwer aufzuarbeiten.
    Hier eine Website, wo man mehr über diese Szene, die Autoren rauskriegen kann:
    http://www.fantasticfiction.co.uk/d/h-a-derosso/


    Vorerst mal alles Gute und hüte dich vor den langohrigen mit den Schneidezähnen, die alleweil wieder unterwegs sind. Mein alter Kumpel aus der hiesigen Schundromanszene, er hat für Bastei eine Serie entworfen, einige Bergdoktor-Hefte geschrieben, einen Fickwestern (unter Jack Slade, so etwas gibt es, allerdings nicht ganz so schlimm, jugendkompatibel) und grad ein Buch über Madonna, von der er kein Fan ist, übersetzt. Er hat nun, nachdem sein LEbenspartner, ein Karnickel, abkackte (so reden die Kerle hier, bevor sie anfangen zu heulen) sich sofort zwei neue geholt, von denen das Weibchen in seinem Bett vier weitere zur Welt brachte. Nun lebt er also in einer Wohnung, die sechs Karnickel übernommen haben, schläft auf dem Boden, während die Viecher sein Bett vollscheißen. Dagegen ist der neuseeländische Schaf-Horror (Black Sheep) ein Witz, ein müder. Aber er will die vier jungen jetzt, wenn auch darunter leidend, ins Tierheim geben. Horrorromane hat er übrigens auch schon geschrieben. So gehts uns hier in der Schundromanszene also mehr oder weniger schlecht.


    Alles Gute, mögen die dicken Ostereier dir zurollen.


    Gero kurz bevor er nach Poel, das liegt an der Küste in Meck-Pomm,abrauschte.