Doris Lessing: Afrikanische Tragödie

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  • Doris Lessing: Afrikanische Tragödie


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    „Afrikanische Tragödie“ spielt in dem Land, in dem Doris Lessing aufgewachsen ist: Rhodesien, dem heutigen Simbabwe. Der Roman erschien 1950 und spielt in den 30er und 40er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts.


    Der Roman beginnt mit einem Paukenschlag, chronologisch gesehen mit dem Romanende. Mary Turner, die Ehefrau von Richard Turner, einem Farmer auf dem Lande, ist von einem Bediensteten, einem Schwarzen namens Moses, erschlagen worden. Im Distrikt wird nicht viel über den Mord geredet, ja, er wird bewusst verschwiegen. Mary und Richard Turner sind „arme Weiße“. So etwas hört man auf dem Lande sehr ungern, denn als arm gelten nur Schwarze. Afrikaner sind arm , aber niemals Engländer. Trotzdem, die Turners sind arm. Sie leben in einem einfachen Haus, welches sich auch ein Eingeborener leisten könnte. Irgendwie haben sie es nicht geschafft wenigstens zu einem bescheidenen Wohlstand zu kommen. Wenn Richard etwas in die Hand nimmt, um etwas Geld zu machen, geht es daneben, außerdem sind sie verschuldet. Sie leben bewusst sehr zurückgezogen und gelten als hochnäsig. Ja, natürlich schämen sie sich wegen ihrer Armut.


    Das Ehepaar passt überhaupt nicht zusammen. Als Mary ihren Richard, der im Roman meist Dick gennant wird, heiratet, weiß sie nicht, was sie tut. Dem Leser wird der Glauben geschenkt, sie bleibe eine vertrocknete Jungfer, heiratet schließlich nur, weil man eben irgendwann mal heiratet. Lieben tut sich das Paar nicht. Sie leben nur aus Gewohnheit zusammen. Ich habe gar nicht gewusst, dass Doris Lessing sich schon in diesem Roman mit dem Thema der Geschlechter auseinandersetzt. Der Ehestand wird hier grundlegend in Frage gestellt. Trotzdem verbringen sie ihre abseitige Existenz auf der Farm.


    Mary ist sehr frustriert, und mit den schwarzen Bediensteten, den Eingeborenen, kommt sie überhaupt nicht zurecht, weil sie ihre Mentalität und Gewohnheiten nicht kennt. Es setzt sich ein massiver Rassismus in ihr fest. Sie nimmt die Eingeborenen nicht als Menschen war, sondern eher als Maschinen, die irgendwie funktionieren müssen. Unbeugsam hart mit der Peitsche in der Hand geht sie mit den Bediensteten um. Jede Menschlichkeit ist hier auf verlorenen Posten. Mary scheint in diesen Stunden der Macht, ihre eigene Armut zu vergessen und sich groß und mächtig zu fühlen. Ich schätze, Mary ist sich dieses Dilemma gar nicht so bewusst. Dieser Eindruck vermittelt mir der Romantext. Sich rutscht in etwas hinein, wo sie nicht mehr wieder herauskommt.


    Doris Lessing kritisiert den Rassismus, der gerade auf den Farmen in Rhodesien besonders arg hervortrat. Der Eingeborene war nicht mehr wert als ein Hund. Ihn als Mensch anzusehen galt als gänzlich unmöglich. Infolge eines nicht wieder gutzumachenden Fehlverhaltens verliert Mary Turner die autoritäre Macht gegenüber einen Schwarzen. Und gerade an diesem Punkt setzt Doris Lessings besonderes Können ein. Wie Marys Macht wankt, wie sie sich (sinnlos) bemüht, ihre Macht wiederzuerlangen, ihre Ängste und Einsamkeiten, das alles ist sehr überzeugend und wunderbar nachempfunden und macht den Roman lesenswert. Schade ist nur so manches Klischee, wenn erzählt wird, wie die Weißen und wie die Schwarzen sind. Natürlich gab es solche trivialen und dummen Voreingenommenheiten, aber man muss das ja nicht in einem Roman trivial gestalten. Trotzdem meine Empfehlung, weil der Roman großstreckig sogar mehr als passabel ist, die Botschaft beim Leser ankommt und bis zum Ende spannend bleibt.


    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Liebe Grüße
    mombour

    Einmal editiert, zuletzt von mombour ()

  • Mehrere Konfliktlinien durchziehen diesen Roman: die zwischen Mary und Dick in ihrer von Beginn an gescheiterten Ehe, die zwischen den weißen Farmern und ihren schwarzen Arbeitern und – am schwächsten – die zwischen reiche(re)n und armen Farmern. Jedes für sich böte Sprengstoff genug, aber in ihrer wechselseitigen Verstärkung muß es einfach zu einer Tragödie kommen.


    mombour hat völlig recht, wenn er sagt, daß das Paar Mary und Dick überhaupt nicht zusammenpaßt. Das hat nur zum Teil damit zu tun, daß Dick völlig in seiner Farmarbeit aufgeht, während Mary sich von ihrem Bürojob in der Stadt nur schwer trennt. Sie kennen sich bei ihrer Heirat kaum und unternehmen diesen Schritt aus sehr verschiedenen Motiven. Dick erhofft sich von einer Heirat und Familie eine Stabilität und eine Hilfe gegen seine Einsamkeit draußen im Distrikt. Mary heiratet, weil sie mitbekommen hat, daß ihre Freunde hinter ihrem Rücken über sie reden und sie für „anders“ halten. „Anders“ will sie aber nicht sein, und wenn alle heiraten, dann ist es vielleicht eine gute Idee, auch zu heiraten, dann ist sie doch wie alle anderen, oder? Daß auf einer solchen Grundlage keine Ehe gedeihen kann, ist offensichtlich. Ob die Alternative, die Lessing mehrfach betont, nämlich daß Mary einfach weiterhin allein und berufstätig in der Stadt hätte leben können, (für Mary auf Dauer) so attraktiv gewesen wäre, wie es hier anklingt, ist dabei aber meines Erachtens nicht gesichert. Jedenfalls scheitert Marys einziger Versuch, in dieses Leben zurückzukehren, und bricht sie völlig.


    Die zweite Konfrontation verläuft zwischen den Weißen und den Afrikanern. Dick weiß, daß er auf seine Arbeiter angewiesen ist, und daher kommt er ihnen ein bißchen entgegen: hier mal eine Pause für die Landarbeiter, dort mal ein paar Extra-Lebensmittel für den Koch. Man liebt sich nicht, aber man arrangiert sich. Mary weiß das nicht, und als sie es weiß, will sie es nicht wahrhaben. Aus der Stadt ist sie den Umgang mit Afrikanern nicht gewöhnt, höchstes mal ein Laufbursche in der Firma oder ein Bedienster von Freunden. Sie erwartet Perfektion von ihren ständig wechselnden Hausboys, die diese nicht leisten können, was aber von Marys Seite für mein Gefühl zunächst aus Unsicherheit geboren ist, wie sie sich gegenüber ihren Bedienten verhalten soll. Auf der Farm selbt hat sie schließlich keine Aufgaben, im Haus wird ihr das meiste abgenommen, so daß, als die erste Phase der Aktivität mit Verschönerungen am Heim abgeschlossen ist, für Mary nichts zu tun bleibt. Das kann für jemanden, der zuvor so viele Jahre durchgehend gearbeitet hat, zu einem echten Problem werden, manche Rentner können davon ja auch ein Lied singen. Das Problem ist, daß diese Unsicherheit Marys mit einer gesellschaftlichen nicht nur akzeptierten, sondern sogar erwarteten Machtausübung zusammentrifft. Marys Überreaktion im Umgang mit den schwarzen Arbeitern entspringt dabei aber weniger dem Bedürfnis, sich im Distrikt beliebt zu machen, sondern Dick mal wieder zu zeigen, was für eine Flasche er eigentlich ist. Daß Mary ausgerechnet in ein Abhängigkeitsverhältnis zu einem der Afrikaner gerät, den sie einmal mit einer Peitsche geschlagen hat, entbehrt dabei nicht der Ironie, denn damit wird ihre Angst verstärkt und ihre Zerrüttung beschleunigt.


    Bleibt noch die dritte Ebene der Nachbarn, des Verhältnisses von wohlhabenderen und armen Farmern. In einer anders strukturierten Gesellschaft, in einer anderen Umgebung, wäre es vielleicht nicht so weit mit den Turners gekommen. Aber sie fallen hier eben aus dem Rahmen. Schlimm genug, daß Dick als Farmer ein Versager ist und es einfach nicht schafft, aus seinen Schulden herauszukommen (was vielleicht sogar möglich wäre, wenn er nicht dauernd irgendwelche Projekte halbherzig anzufangen, um sie aufzugeben, wenn sie erst zu einem Bruchteil erledigt sind oder sich erste Hindernisse in den Weg stellen). Das allein macht die Turner in den Augen ihrer Nachbarn schon unmöglich. Aus Scham über ihre Armut kapseln sie sich ab, was ihnen dann auch noch als Hochnäsigkeit ausgelegt wird. Nachdem mehrfache Versuche einer Nachbarin, mit Mary so etwas wie Freundschaft zu schließen, von dieser brüsk zurückgewiesen wurden, verkehrt sich das anfängliche Wohlwollen zwangsläufig in Lästerei. Die Turners wissen davon zwar nichts, aber Unterstützung in Notlagen ist so natürlich auch nicht zu erwarten.


    Das alles ist geschickt ineinander gebaut, ich habe mich während des Lesens lange gefragt, was passieren wird, damit es zu dem am Beginn des Romans geschilderten Ende Marys kommt. Dabei ist die Erzählweise völlig undramatisch, fast nonchalant, was an manchen Stellen die Wirkung aber deutlich verstärkt. Ich weiß nicht, ob dieser Roman mehrfach ins Deutsche übersetzt wurde, bei der alten Ausgabe die mir vorlag, hatte ich jedenfalls manchmal den Eindruck, daß Übersetzungsschwächen vorliegen könnten. Vielleicht sollte ich ihn einfach noch mal im Original lesen ...


    4ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Inhalt
    Die weiße Farmersfrau Mary Turner wird von ihrem schwarzen Hausdiener Moses ermordet. Der Täter, der auch gar nicht zu flüchten versucht, wartet geduldig auf das Eintreffen der Polizei.
    Erst im Rückblick wird die ganze Tragik der Geschichte, die in den 1930iger und 1940iger Jahren in Rhodesien spielt, für den Leser erklärbar.
    Mary, in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen, bekommt als Sekretärin eine gute Anstellung, hat viele Freunde und führt ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben. Mit etwa 30 Jahren glaubt sie, verunsichert durch die Bemerkungen einiger ihrer Freundinnen, unbedingt heiraten zu müssen und nimmt den erstbesten Interessenten, den Farmer Dick Turner, zum Ehemann. Doch die Ernüchterung folgt schon beim Eintreffen der Frischvermählten auf der Farm. Dick lebt in äußerst tristen häuslichen Verhältnissen, sein Land wirft kaum das Nötigste zum Leben ab, obwohl er sich alles abverlangt und kaum eine Ruhepause gönnt. Daneben experimentiert er jedoch ständig mit verschiedenen unausgereiften Projekten und träumt vom großen Erfolg.
    Mary hingegen hat keine rechte Beschäftigung und kann vor allem mit ihren schwarzen Hausdienern nicht umgehen. Ihre eigene Unzufriedenheit lässt sie nörglerisch und ungerecht gegen die Eingeborenen werden, die ihr aus tiefstem Herzen zuwider sind. Mary leidet aber nicht nur unter der unerträglichen Hitze im schlecht gebauten Wohnhaus, sondern vor allem unter Dicks Unfähigkeit, die Farm gewinnbringend zu führen.
    Nach Jahren wagt sie einen Ausbruch, scheitert aber kläglich bei dem Versuch, in ihr altes Leben zurückzukehren. Während einer Erkrankung ihres Mannes wird Mary das ganze Ausmaß seiner Misswirtschaft bewusst, und der letzte Rest von Hoffnung schwindet unter der glühenden Sonne Südafrikas.


    Meine Meinung
    Mit ihrem 1950 erschienen Roman hat Doris Lessing meiner Meinung nach ein Meisterwerk ihres schriftstellerischen Könnens vorgelegt, das auch für den heutigen Leser nichts von seiner Faszination verloren hat. Mit unglaublichem psychologischem Einfühlungsvermögen beschreibt die Autorin den psychischen und physischen Verfall einer Frau, die ihr unabhängiges Leben aufgibt, um den gesellschaftlichen Konventionen Genüge zu leisten.
    Dass der Auserwählte nicht der starke Mann an ihrer Seite ist, den sie sich eigentlich gewünscht hat, bemerkt Mary erst, als es längst zu spät ist. Anfangs versucht sie zwar noch, wenigstens ihr häusliches Umfeld nach ihren Wünschen zu gestalten, doch je mehr Zeit verstreicht, umso mehr schwindet Marys Kraft, etwas an ihrer hoffnungslosen Lage zu ändern.
    Auch sprachlich passt sich Doris Lessing perfekt der tragischen Situation an, in der ihre Figuren agieren. Als Leser spürt man aus jedem Satz die jeweilige Stimmung und Seelenlage der Protagonisten; Marys Verdrossenheit, resultierend aus Langeweile und Einsamkeit, Dicks Hilflosigkeit als Farmer und Geschäftsmann oder den Unwillen und die gleichzeitige Unterwürfigkeit der Eingeborenen. Vor allem Marys Seelenzustand hat dermaßen auf mich abgefärbt, dass ich oft meinte, die Anspannung und Ausweglosigkeit selbst zu erleben und nicht mehr ertragen zu können. Aus diesem Grunde war die Lektüre oft recht anstrengend.
    Das Verhältnis Marys zu ihrem Hausdiener Moses hat mir am meisten Kopfzerbrechen bereitet und ist nicht ganz einfach zu durchschauen. Mary behandelt ihn genauso schlecht und herablassend wie alle anderen. Einerseits hat sie Angst vor ihm, andererseits fühlt sie sich aber unbewusst wohl auch von seiner starken männlichen Ausstrahlung angezogen.
    Moses Verhalten hingegen ist als sehr geduldig, fast liebevoll zu beschreiben. Erst als er fühlt, dass sie sich vor ihm fürchtet, wird er dreister, und beginnt sich womöglich in einer Art Beschützerrolle zu sehen.
    Ein Nachbar, der bei einem seiner seltenen Besuche die kritische Lage des Ehepaares erkennt, schlägt Dick und Mary vor, die Farm für eine Weile zu verlassen und neue Kräfte zu sammeln. Unterdessen soll ein Verwalter eingestellt werden. Ob Moses in diesem jungen Mann einen Konkurrenten sieht, ob er mit Marys Abreise nicht einverstanden ist, oder sich für einen lange zurückliegenden Peitschenhieb rächen will, war für mich nicht eindeutig erkennbar und auch nicht, welcher Auslöser Moses in der Nacht vor der Abreise seiner Dienstherren zum Mörder werden lässt.
    Jedenfalls wurde die Anspannung kurz vor der Tat, die Mary nicht nur vorauszuahnen, sondern fast schon herbeizusehnen scheint, so groß, dass es kaum noch auszuhalten war. Und das alles, obwohl der Leser weiß, was passieren wird.
    Ein großartiger Roman, der mir wohl noch lange in Erinnerung bleiben wird.

    Einmal editiert, zuletzt von Büchersylli ()

  • In diesem Buch werden viele Probleme aufgeworfen: wie soll das Leben einer jungen Frau vorbildlich verlaufen? Wie stehen schwarze und weiße Menschen zueinander? Welche Konflikte gibt es zwischen den Farmern in Südafrika?


    Mary versucht ihrer eigenen Kindheit zu entfliehen, nur um doch wieder in einer ähnlichen Konstellation zu landen. Die Ehe zu Dick Turner hält nichts von dem, was sie sich erhofft hat. Stattdessen landet sie auf einer Farm und sieht sich Aufgaben gegenüber, die sie schlechter als nötig bewältigt. Dick dagegen bekommt eine Ehefrau, die ihm nur Probleme schafft und sein ohnehin schon schwieriges Leben noch schwieriger gestaltet.


    Doris Lessing hat es geschafft, ein Buch zu schreiben, was mit viel Feingefühl für Details eine Welt beschreibt, die vielen fremd sein dürfte. Der Protagonistin Mary ist diese Welt ebenso fremd und so wird dem Leser der langsame Verfall einer einst starken und lebensfrohen Frau präsentiert. Beim Lesen hatte ich das Gefühl, dass Doris Lessing auch heutige Probleme mit anspricht: die Rollen und die Ansprüche an diese Rollen für Männer und Frauen, gesellschaftliche Unterschiede zwischen Menschen und soziale Ausgrenzung von Menschen, die einem nicht gleichwertig vorkommen. Problemlos lassen sich zahlreiche Beispiele finden, bei denen diese Punkte immer noch zutreffen.


    Nach kurzem Einlesen flogen die Seiten nur so dahin, denn der Schreibstil ist sowohl detailreich als auch präzise. Es hat einfach Spaß gemacht, das Buch zu lesen.


    4ratten

  • Doris Lessing - Afrikanische Tragödie

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    OA: 1950
    OT: The Grass is singing
    224 Seiten
    ISBN: 978-3596257478


    Inhalt:
    Die britische Kolonie Rhodesien (heutiges Simbabwe) in Südafrika, wo sie aufwuchs, ist Schauplatz des Buches. Erzählt wird die Geschichte der Farmersfrau Mary. Mary ist in ärmlichen Verhältnissen auf dem Land groß geworden. Kaum erwachsen, zieht sie in die Stadt. Um nicht als alte Jungfer zu enden, lässt sie sich auf eine Heirat mit dem Farmer Richard Turner ein und zieht zu ihm auf seine Farm. Bald merkt sie, dass ihr Mann und sie sich nichts zu sagen haben und dass sie mit der Farm kurz vor dem finanziellen Ruin stehen. Dann wird der enigmatische schwarze Farmarbeiter Moses als Diener ins Haus geholt…


    Eigene Meinung:
    Nachdem ich dieses Buch gelesen habe, fand ich es schade, dass ich erst jetzt, nach ihrem Tod, diese unglaublich talentierte Schriftstellerin durch ihr erstes Werk kennenlernte.
    Dieses Buch sprudelt nur so von Emotionen - offen wie auch verdeckt - , Themen, die leider auch heute noch nicht vom Tisch sind und einer ganz unterschwelligen, aber immer präsenten Erwartung einer, wie im Titel schon angegeben, Tragödie.
    Das Buch beginnt mit dem Ende und anschließend wird erzählt, wie es dazu kommen konnte. Doris Lessing hat hier ein wirklich perfekt passendes Stilmittel gewählt.
    Die Geschichte mit ihren Figuren ist Fiktion, aber es ist ganz klar, dass ihre Pendants in der realen Welt zu finden waren. ES ist keine Einzeltragödie, sondern ein Drama, welches sich durch ganz Afrika, wie auch den Rest der Welt zieht, in welchem Kolonialherrschaft regiert und Menschen in ihrem eigenen Land unterdrückt und verachtet werden.
    Die Autorin vermochte hier ein glaubwürdiges Buch zu schreiben, da sie weiß, wovon sie berichtet, denn sie selbst lebte viele Jahre in Rhodesien.
    Sie berichtet hier nicht nur von den katastrophalen Bedingungen für Land und Mensch, durch die Ausbeutung der Weißen. Sie erzählt von brodelnden Emotionen wie Wut, Verzweiflung, Hass, Furcht und Unsicherheit. Mit der Heraufbeschwörung von ganz subtilen Stimmungen gelingt es ihr, dem Leser diese innerliche Unruhe klar zu machen, an ihr teilzuhaben und dieses Gefühl der unmittelbar bevorstehenden Tragödie zu erleben.
    Doris Lessing zeigt an Hand von Mary, was es für einen Menschen bedeutet, der seine gesamte Authentizität verliert, weil er auf die Ratschläge und Meinungen der Allgemeinheit hört. Sie lässt den Leser nachvollziehen, was in den weißen Farmern vorgeht, welche Eskalation Tag für Tag vor dem Ausbruch steht, aber - und das ist ganz wichtig - sie heißt es weder gut noch rechtfertigt sie es. Sie versucht hier zu erklären, worin eigentlich das ganze Drama seine Ursache hat. Letztendlich ist die Geschichte der Farmersfrau Mary und dem Hausangestellten Moses nur die kleinere Version, in welcher das gesamte Land verstrickt ist. Die Ursachen liegen sehr tief und fast immer ist der Grund Unverständnis, fehlende Bereitschaft sich mit einer Kultur und einem Volk ernsthaft und ehrlich auseinander zu setzen und der, durch das Unbekannte, erzeugten Furcht. Sie beschreibt, an Hand von Moses, wunderbar den Stolz und die Ehre, die diesen Menschen dort gewaltsam genommen wurde. Sie berichtet von der menschenverachtenden Behandlung der einheimischen Bevölkerung und dazu muss noch nicht einmal Blut fließen. Was der Seele dieses Landes und seiner Menschen angetan wurde, ist schwerwiegender, schlimmer und weitreichender, als es körperliche Gewalt jemals sein könnte.


    Dieses Buch hat mich sehr bewegt durch seine Geschichte, die mich des öfteren mal den Atem anhalten ließ, die einfühlsamen Beschreibungen der Protagonisten jeglicher Hautfarbe und den so detaillierten Landschaftsbeschreibungen, dass man das Gefühl hatte dort in Rhodesien, mitten in der Geschichte zu sein und all die Gerüche, Geräusche und Farben selbst wahrzunehmen.


    Definitiv werde ich auch noch andere Werke von Doris Lessing lesen.


    5ratten

  • Inhalt:


    Mary Turner ist tot. Wie konnte es nur so weit kommen? Hinter dem Mord an Mary liegt eine Tragödie und ein Leben, das die junge Mary eigentlich nicht gewollt hatte. Doch wie konnte sie das wissen, als sie sich auf den Farmer Richard Turner eingelassen hat?


    Meine Meinung:


    Spätestens als ich von ihrem Tod erfuhr, wollte ich ein Buch von Doris Lessing lesen. Immerhin hat Lessing den Nobelpreis für Literatur gewonnen. Nach der Lektüre von "Afrikanische Tragödie" muss ich sagen, dass sie den Preis redlich verdient hat!


    Das Buch beginnt mit der Ermordung Marys und erzählt dann von ihrem Leben. Eigentlich hatte Mary ein wundervolles Leben, bis sie eines Tages hört, was zwei ihrer Freundinnen hinter ihrem Rücken über Mary sagen. Das ist der Anfang vom Ende...


    Lessing hat ein gutes Auge für Details, sie ist sprachlich geschickt und das Buch hat so viel Atmosphäre, dass ich mich wirklich in Afrika fühlte. Und das, obwohl ich noch nie dort war. Vor allem die psychologischen Aspekte treten in Lessings Geschichte hervor. Was geht in Mary vor? Was in ihrem Ehemann? Und so merkt man langsam, wie sich die Figuren verändern und das Drama seinen Lauf nimmt.


    Erst dachte ich, in "Afrikanische Tragödie" geht es um eine typische Ehekrise. Eine Krise ist es, eine Ehe auch, aber typisch? Nein, das ist das Buch bei Weitem nicht! Die Figuren sind so genau beschrieben, dass ich teilweise meine Gefühle mit den ihren verwechselte. Und teilweise war ich so ergriffen und bewegt, dass ich kaum noch atmen konnte.


    Doch die Geschichte um Mary Turner handelt nicht nur von einer gescheiterten Ehe, sondern auch von Rassenhass, Afrika und den weissen Farmern. Als Leser erhält man Einblick in das Denken der Weissen und ihr Verhalten den Schwarzen gegenüber. Ohne mit dem erhobenen Zeigefinger zu wackeln lässt Lessing uns erleben, dass etwas in dieser Beziehung nicht stimmt


    Fazit:


    Ein Buch, das mich tief bewegt und sehr überrascht hat. Eine Autorin, die ich leider viel zu spät für mich entdeckt habe. Lessings Buch hinterlässt einen tiefen Eindruck bei mir und ich ziehe meinen Hut vor dem sprachlichen Talent dieser Frau.


    4ratten & :marypipeshalbeprivatmaus:

    //Grösser ist doof//