Pierre Frei - Onkel Toms Hütte, Berlin

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 5.017 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von qantaqa.

  • Hallo,


    ich möchte euch hier folgendes Buch vorstellen:


    [size=15pt]Onkel Toms Hütte, Berlin von Pierre Frey[/size]

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    Aus der Amazon.de-Redaktion
    Wer im Sommer 1945 jung war, der musste scharf kombinieren können. Genauso wie der Junge in Pierre Freis Roman, der am U-Bahnhof "Onkel Toms Hütte" im amerikanischen Sektor von Berlin die US-Soldaten nicht aus den Augen lässt. Die Rechnung ist ganz einfach: Wenn der Amerikaner nur bis zur Station "Oskar-Helene-Heim" fährt, dann wird er seine Lucky Strike, nur halb geraucht, direkt in die Arme des Sammlers schnipsen. Fährt er aber weiter, dann war die ganze Warterei umsonst. Ein Dutzend dieser Kippen bringt auf dem Schwarzmarkt immerhin knapp 40 Mark.


    Der kleine Junge ist einer der faszinierenden Charaktere in Pierre Freis Onkel Toms Hütte, Berlin, jener Station im Grunewald, die nach dem dortigen Ausflugslokal benannt worden war. Der Wirt wiederum hatte seiner Gaststätte den Namen von Harriet Beecher-Stowes Rührstück Onkel Toms Hütte gegeben. Statt Rührseeligkeit setzt Frei, der in dem Titel gebenden Berliner Viertel aufwuchs, lieber auf packende Millieuschilderung und eine Krimihandlung rund um zwei ermordete Frauen, die bis zum Ende überzeugt.


    Noch nie in seiner beruflichen Karriere sei ihm ein unaufgefordert eingesandtes Manuskript auf den Schreibtisch geflattert, dass ihn von Anfang bis Ende derart gefesselt habe wie Onkel Toms Hütte, Berlin, ließ Verleger Karl H. Blessing im Umfeld von Freis Publikation verlauten, und was zunächst wie ein billiger Reklame-Ausspruch wirken mag, kann man nach Lektüre des Buches gut verstehen. Denn Frei ist tatsächlich gelungen, Jahrzehnte nach dem Krieg einen so eindrucksvollen Nachkriegsroman geschrieben zu haben, dass man mit Fug und Recht behaupten kann, dieses Buch habe uns wirklich noch gefehlt. --Stefan Kellerer


    Kurzbeschreibung
    Im Berlin der frühen Nachkriegszeit treibt ein Serienmörder sein Unwesen. Ihm fallen vier Frauen aus unterschiedlichen Milieus zum Opfer: eine UfA-Schauspielerin, eine Psychiatrie- Krankenschwester, eine Prostituierte und eine Adelige im Auswärtigen Amt. Sie sind alle jung, blond und werden brutal zugerichtet und erwürgt.


    "Ein pralles Geschichtsbuch von hohem Unterhaltungswert."
    Abendzeitung


    "Die atmosphärischen Details und das historische Lokalkolorit sind stimmig."
    Der Spiegel


    "Brillanter Mix aus Krimi und Zeitporträt."
    TV Movie


    Meine Rezension:


    Ein sehr farbenprächtiges Buch, welches gleich von der ersten Seite an den Leser nicht mehr loslässt.
    Die Handlung verläuft dabei auf mehreren Zeitebenen, was dem Autor sehr gut gelingt.
    Die Hintergrundgeschichte, die sich bis zum Ende durchzieht, handelt von der Aufklärung der Frauenmorde nach Ende des Krieges im noch nicht wieder aufgebauten Berlin. Dabei wird die Situation der Einwohner der Stadt sehr deutlich, wie sie unter den Nachkriegsverhältnissen zu leiden haben, wie die Beziehungen der Besatzungsmächte zueinander aussehen, und vor allem wie die Verbrechensbekämpfung und -aufklärung nach dem Krieg durch die deutsche Polizei abläuft, mit allen Hürden (kein Benzin, Verhältniss zu den Besatzungsmächten und den Vertretern vor Ort). Es wird das Leben der einfachen Menschen beschrieben (Lebensmittelmarken, Wiederaufbau, Schulproblematik etc.) und ihre teilweise recht schwierigen Verhältnisse untereinander.


    Unterbrochen wird die Handlung durch sehr spannende Rückblicke, immer auf die Geschicke der jungen Frauen vor und während des Krieges, welche dann nach dem Krieg dem Mörder zum Opfer fallen. Dem Autor gelingen diese Einzelrückblicke sehr gut.
    Der Leser erfährt von der Lebensweise der jungen Frauen vor und während des Krieges, dabei fliessen immer wieder historische Ereignisse mit ein (Olympische Spiele, Hitlerattentat, Poleneinmarsch, Kapitulation etc.) Dadurch erfährt der Leser in welchem zeitlichen Rahmen die Handlung gerade spielt, und durch die chronologischen "Sprünge" bleibt es immer spannend.
    Im Verlauf des Buches werden dem aufmerksamen Leser sogar Verknüpfungen zwischen den einzelnen Rückblenden auffallen, die teilweise am Ende noch einmal wichtig werden.


    Das Buch hat mir ausgesprochen gut gefallen. Mit der Sprache, teilweise im Berliner Slang, malt der Autor ein eindrucksvolles Bild des Berlin vor 60 Jahren. Viele Orte gibt es heute zwar nicht mehr so wie dort beschrieben, aber gerade diese Tatsache macht die Szenen so interessant.


    Wie gesagt ist das Buch spannend von der ersten Seite an, dies zieht sich bis zum Ende auch durch. Sogar die Einzelrückblicke der "Opfer" sind unheimlich faszinierend, spannend und tragisch.


    Ich kann das Buch jedem empfehlen, der spannende Unterhaltung im Berlin des vergangenen Jahrhunderts sucht.
    Nach längerem Überlegen fällt mir kein Manko ein, daher volle Punktzahl.


    5ratten


    Bin mal gespannt, ob einige von Euch das Buch schon kennen, und wie Eure Meinungen darüber ausfallen.


    LG
    Kathrin

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    Einmal editiert, zuletzt von Thrakonia ()

  • Hallo zusammen,


    hier meine Gedanken zu diesem Roman:


    Es beginnt mit der Rahmenhandlung. Der 15jährige Ben entdeckt im Sommer 1945 eine schrecklich zugerichtete Frauenleiche im Berliner Vorort Onkel Toms Hütte, benannt nach einer Gaststätte, die wiederum nach der berühmten Romanfigur benannt wurde. Nach und nach werden weitere ermordete Frauen gefunden. Bens Vater ist der ermittelnde Inspektor, obwohl kriegsversehrt und eigentlich kein Polizist sondern vor dem Krieg Mitarbeiter einer Wach- und Schließgesellschaft. Bei den Ermittlungen kommt es zu Schwierigkeiten mit der amerikanischen Militärverwaltung und die Versorgungsprobleme der unmittelbaren Nachkriegszeit sind auch nicht gerade förderlich. Unterbrochen wird diese Handlung jeweils von einem Rückblick auf das Leben der jeweiligen Toten. Diese vier Frauen haben jeweils völlig unterschiedliche Leben geführt, stammen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten, wenn sie auch alle irgendwie eine Verbindung zu Onkel Toms Hütte haben und manche sich flüchtig kannten oder durch Dritte eine Verbindung bestand.
    Meiner Meinung nach, wollte der Autor zu viel in dieses eine Buch reinpacken. Naturgemäß ist für jede der Lebensgeschichten nur wenig Platz. Dadurch war der Autor gezwungen, alles sehr komprimiert zu schildern. Dazu kommt, dass jede der Frauen ein eher ungewöhnliches Leben geführt hat und/oder mindestens eine außergewöhnliche Entscheidung getroffen hat. Dadurch kommt vieles für mein Empfinden nicht glaubwürdig und nachvollziehbar rüber. Gerade weil der Autor gezwungen ist alles plakativ darzustellen, bleiben die Figuren blass. Darüber hinaus wird mit vielen Klischees gearbeitet, z. B. sind alle Nazis fiese Emporkömmlinge und schlimmeres, alle Frauen politisch unbedarft, der Adel ist konservativ etc. Dadurch bleibt auch der Schrecken und die Ungeheuerlichkeit dieser Zeit - anders als in anderen Romanen - nicht wirklich fühlbar. Durch die Rückblicke bleibt auch die Spannung der Rahmenhandlung auf der Strecke. Es fehlt, was sonst einen Krimi ausmacht: das stückweise Aufdecken des Rätsels, das Zusammensetzen des Puzzles.
    Trotz all der Kritik hat das Buch doch einiges zu bieten: die Grundidee ist originell, ebenso einige Szenen der eingestreuten Handlungen, der Zeitrahmen ungewöhnlich, der Stil angenehm. Aus diesen Zutaten hätte man mehr machen können, insgesamt aber trotzdem noch
    3ratten


    Viele Grüße
    christie

  • Ich habe dieses Buch am Wochenende fertig gelesen und mir hat es sehr gut gefallen. Ich mag solche Schicksalsschilderungen einfach sehr gerne und durch die Krimi-Rahmenhandlung wurden die verschiedenen Lebensläufe dann sehr gut zusammengefasst.
    Wer einen Krimi erwartet, der ist sicher mit diesem Buch nicht gut bedient. Wer auf spannende Unterhaltung in einer interessanten und gut erzählten Zeit steht , hingegen doch.


    Ich tu mir immer sehr schwer mit Empfehlungen und Tipps, aber meiner Meinung nach verdient Onkel Toms Hütte, Berlin sicher 5ratten


    Liebe Grüße, Frau 32

  • Und schon wieder ein Buch, das auf meine schier unglaublich lange Wunschliste wandert.
    Danke für eure schönen Rezensionen.
    Was mir nicht ganz klar ist, Frau 32, ist, warum man keinen Krimi erwarten darf? In der Amazon-Beschreibung steht schließlich, dass es tatsächlich mehrere Leichen gibt. :confused:


    Danke für die Hilfe :winken:


    Muertia

    :lesen: Rebecca Gablé - Der dunkle Thron<br />SuB: 6 (+16 bereits bestellte Bücher, um den SuB mal ein wenig aufzuwerten)

  • Hallo Muertia!


    Ja klar es gibt Leichen und demzufolge auch einen Killer. Aber die bzw. der steht nicht im Vordergrund des Romans. Wer sich also eine kriminalistische Ermittlung als "Mainstory" erwartet, wird enttäuscht sein, sie ist mehr Rahmenhandlung.
    Ich hoffe, ich habe nicht zu viel verraten.... :zwinker:


    Viel Spaß beim Lesen wünscht, Frau 32

  • Hallo,


    man schenkte mir in der vergangenen Woche diesen Roman von Pierre Frei und ich las diesen dann auch nur, weil ich die Rezension aus diesem Forum kannt. Und ich wurde nicht enttäuscht, viel mehr muss ich sagen, dieses Buch ist nicht nur ein Kriminalroman im herkömmlichen Sinn, es ist auch eine wunderbar geschriebene Zeit und Milieustudie aus den Wirren des Nachkriegsberlin, natürlich auch voller Spannung und Merkwürdigkeiten, voller Abgründe und tiefer Menschlichkeit.


    Danke für diesen Tip, es lohnt sich wirklich, dieses Buch zu lesen.


    Liebe Grüße


    Vult


    (Da ich in einem anderen Threas diesen Beitrag falsch einstellte, sei das nun hiermit nachgeholt und nun steht dieser da wo er hin gehört.)


    :smile:

  • Ein sehr interessantes Buch über Berlin in den 1930ern und 1940ern, aber dabei leider kein guter Krimi. Der dient nur als lose dazwischen gestopftes Füllmaterial, um die Frauen miteinander zu verbinden, deren Leben in dieser Zeit vom Autor erzählt wird. Der Nicht-Krimi-Teil (der deutlich überwiegt) hat mir insgesamt gut gefallen, obwohl (oder gerade?) das nicht unbedingt eine Zeit ist, über die ich viel lese. Gut gelungen fand ich die Auswahl, da die Frauen einen sehr unterschiedlichen Lebenshintergrund hatten und man so einen recht weiten Überblick über die damaligen Verhältnisse in ganz verschiedenen Milieus bekam.
    So ganz ohne Kritik kann ich die Frauenschicksale an dieser Stelle aber auch nicht davonkommen lassen: Mir persönlich wird im ganzen Buch zuviel in der Gegend herumgeschlafen. So was stört mich nicht grundsätzlich, aber die Anhäufung hier hat mich irgendwann nur noch genervt. Man fragt sich, wann die Leute zu anderen Dingen kamen. Ich hab mich mehr als einmal beim Überfliegen und Überblättern ertappt, wenn denn schon wieder mal jemand feucht wurde oder wieder mal warme Lippen irgendwas umschlossen. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass ich jetzt mehr über die Phantasien des Autors weiß als ich je wissen wollte.
    Mir hätte das Buch vermutlich besser gefallen, wenn ich keinen Krimi erwartet hätte, wobei ich andererseits aber vermutlich ein Buch unter dem Aufkleber „Frauenschicksale“ nie gekauft hätte.
    Fazit: 3ratten


    Lieben Gruß,
    Marmotte

  • Ich beschäftige mich viel mit der Zeit des Nationalsozialismus und der Nachkriegszeit, deshalb hat es mir gut gefallen, dass Sachverhalte, die ich sonst als dürre Fakten in Sachbüchern lese, hier in Romanform anschaulich, nachvollziehbar und spannend aufbereitet wurden. So wird Geschichte lebendig und erlebbar. Die Geschichten der Frauen haben mich gefesselt. Was ich von der Krimirahmenhandlung nicht sagen kann, denn da hat der Autor es sich recht einfach gemacht. Schlimm finde ich das nicht, denn die Krimihandlung dient m.E. sowieso nur als Vehikel, um die Frauenschicksale und das Lebensgefühl der jeweiligen Zeit zu transportieren. Und hier ist der Roman absolut stimmig. Gut haben mir auch die Verknüpfungen gefallen. Einige Personen tauchen immer wieder in den einzelnen Geschichten auf und so ergibt sich mit der Zeit aus den vielen Einzelteilen und den verschiedenen Blickwinkeln ein faszinierendes Ganzes.


    Vielleicht war der Autor der Meinung, seinen Roman mit Sexszenen würzen zu müssen, um ihn interessanter zu machen; dabei wäre das gar nicht nötig gewesen, das Buch überzeugt auch ohne. Gestört hat mich weniger, dass viel herumgeschlafen wurde, sondern die ewig gleichen Beschreibungen, die mich, wie Marmotte, genervt haben. Sexuelle Gewalt und Krieg wird dagegen nur sehr am Rande thematisiert, das hätte wahrscheinlich aber auch den Rahmen gesprengt.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus: