Wie phantastisch sollte Phantastik sein?

Es gibt 13 Antworten in diesem Thema, welches 2.616 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Olaf.

  • Hallo Leute!


    Es gab ja mal die Frage wie genau ein historisch Roman sein sollte. Jetzt habe ich die mehr oder weniger entgegengesetzte Frage (basierend auf der Diskussion im Glasbücher-Thread).
    Wie phantastisch sollte Phantastik sein? Wenn es Überschneidungen mit der Realität gibt (reale Orte, reale Personen), inwiefern akzeptiert Ihr eine Verfremdung oder Verfälschung dieser Fakten?

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Hi!


    Interessante Frage:


    • Jeder Roman - egal, ob Phantastik draussen drauf steht oder nicht - spielt in einer erfundenen Welt. Auch wenn gewisse Orte oder Strassen oder ... oder ... oder genau gleich heissen bzw. aussehen wie in der realen Welt. Insofern ist für mich die Verfremdung oder Verfälschung Teil des Konzepts "Fiktion" bzw. "Roman" - auch dann übrigens, wenn "historischer" Roman drauf steht.
    • Etwas vom meiner Meinung nach Besten auf dem Gebiet der Phantastik, Lovecrafts Cthulhu-Mythos, ist fest im zeitgenössischen Neuengland verankert.
    • Ich lese (fast) keine Romane, in denen tatsächlich existierende oder existiert habende Personen vorkommen.



    Grüsse


    sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • ich will mal so sagen, ich kann eigentlich jede Verfälschung innerhalb eines Pantastik-Romans akzeptieren. Voraussetzung dabei ist nur, daß sie innerhalb des vom Autor geschaffenen Umfelds stimmig ist und glaubhaft ist. Gutes Beispiel dafür, das mir spontan einfällt, wären etwa Alan Moore Extraordinary Gentlemen in einem parallelen britischen Empire.


  • Wie phantastisch sollte Phantastik sein? Wenn es Überschneidungen mit der Realität gibt (reale Orte, reale Personen), inwiefern akzeptiert Ihr eine Verfremdung oder Verfälschung dieser Fakten?


    Was verstehst Du unter Verfremdung oder Verfälschung ??


    Ist eine Verfälschung, wenn sich eine historisch belegte Person (Ort/Handlung) ganz anders dargestellt wird, als belegt??


    Ist eine Verfremdung, wenn es sich um Darstellungen von Lücken in einer historisch belegten Person /Ort/Handlung) handelt??


    Ist Phantastik nicht der Einbruch von etwas mit den aktuellen realen Wissen nicht erklärbarem in eine fiktive, aber real mögliche Welt ??


    Irtgendwie habe ich Schwierigkeiten, denn den Begriff Phantastik sehe ich als Oberbegriff für u.a. Fantasy, SF, Horror u.ä. und nicht als ein eigenes Genre.


    Grundsätzlich habe ich kein Probleme, wenn die von einem Autor geschaffe Welt in sich schlüssig ist. Da können gerne Buddha, Cäsar und Karl der Große gemeinsam mit Mutter Theresa und uns Angela eine K.I. im Internet jagen.

  • Phantastik ist für mich persönlich alles, was hauptsächlich in der realen Welt spielt und nur einige Fantasy-Elemente enthält. Demzufolge sollten reale Dinge (Menschen, Orte) entweder weitestgehend korrekt sein oder aber so verfälscht, dass es offensichtlich ist (wenn z.B. Lord Byron in der Geschichte ein Vampir oder Magier ist)


    Eine Gegend real (oder fast real) zu benennen und entgegen der Realität zu beschreiben (wie im Glasbücherbeispiel), vor allem ohne dass es dafür einen aus der Geschichte ersichtlichen logischen Grund gibt, finde ich auch ziemlich unpassend und läuft für mich auf der gleichen unsympathischen Schiene, wie in einen Fantasyroman zu reale Dinge einzubauen (ich denke da an das "Christentum" in Tad Williams Osten Ard-Saga)

  • Hallo zusammen!


    Ich lese immer wieder in solchen Diskussions-Threads Ausdrücke wie "in sich schlüssig" oder "logisch" und frage mich:


    Sind die Grossen, die Klassiker auch, egal welchen Genres, immer "in sich schlüssig"?


    "Logisch" und "in sich schlüssig" ist m.M.n. Willard Van Orman Quine - aber sehr spannend sind seine Bücher nicht ... :breitgrins:


    Ist das Leben, sind meine Mitmenschen immer "in sich schlüssig" oder "logisch"?


    sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Was verstehst Du unter Verfremdung oder Verfälschung ??


    Jede Abweichung von den wahren Werten/Ereignissen oder so. Wen z.B. jemand den Mont Blanc 8000m hoch machen oder den 30jährigen Krieg in der Antike ansiedeln würde.


    Zitat


    Ist eine Verfälschung, wenn sich eine historisch belegte Person (Ort/Handlung) ganz anders dargestellt wird, als belegt??


    Ja.


    Zitat


    Ist eine Verfremdung, wenn es sich um Darstellungen von Lücken in einer historisch belegten Person /Ort/Handlung) handelt??


    Lücken füllen ist ein probates Mittel.


    Zitat


    Irtgendwie habe ich Schwierigkeiten, denn den Begriff Phantastik sehe ich als Oberbegriff für u.a. Fantasy, SF, Horror u.ä. und nicht als ein eigenes Genre.


    Als Oberbegriff habe ich ihn auch gemeint.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001


  • Ich setze meine Antwort aus dem anderen Thread noch mal hier rein.
    Leider muss ich jetzt kurz weg.


    Schön, mal wieder ein spannender Thread im Forum. :elch:


    Wobei der Frauen/Männer-Thread auch gut ist, ich mich aber momentan nicht dazu aufraffen kann, mich einzubringen.

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


  • Jede Abweichung von den wahren Werten/Ereignissen oder so.


    Das ist mir, wie gesagt, bei einem Buch, das als Roman oder sonstwie als Fiktion deklariert ist, ziemlich egal. Schlimm finde ich es, wenn etwas als Tatsachenbericht ausgegeben wird, ohne es zu sein. Da war doch kürzlich diese Amerikanerin, die angeblich mit australischen Aborigines auf Traumreise gegangen sein will - wovon die Aborigines allerdings nichts wissen. Oder der grosse Skandal zu meiner Zeit: Carlos Castañeda, der behauptete bei einem Indianermagier zur Schule gegangen zu sein. Und seine LSD-Halluzinationen als wissenschaftliche Recherche verkaufte ...

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Ist das Leben, sind meine Mitmenschen immer "in sich schlüssig" oder "logisch"?


    Natürlich nicht. Ich verstehe "in sich schlüssig" oder "logisch" auch nicht als Synonym für "für mich nachvollziehbar". Es bedeutet lediglich, dass die Regeln, die ein Autor für eine Welt aufstellt, auch konsequent eingehalten werden müssen - was leider nicht immer der Fall ist.


    Als konkretes Beispiel für "unlogisch" fällt mir auf die Schnelle nur eine Passage aus "Dämon" von Matthew Delaney ein: Ein Soldat stellt in einem tropischen, feucht-heissen Dschungel seine Schuhe vors Zelt und ärgert sich nach einer durchschwitzten Nacht darüber, dass das Leder der Schuhe über Nacht hart und steif wurde, so dass er Mühe hat, überhaupt in die Schuhe zu kommen.
    Würde die Szene in der Arktis spielen - gut. Aber im Dschungel ist sie eben unlogisch. Und solche Fehler gibts eben nicht nur im Kleinen wie jetzt in dieser einzelnen Szene, sondern auch in grösseren, für die Story wesentlichen Zusammenhängen. Und da können sie einem durchaus das Lesevergnügen trüben.


    Gruss


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Ich bevorzuge es, wenn in Fantasy- Geschichten bekannte Länder / Orte genommen und verfälscht werden, anstatt "from sketch" neu erschaffen werden.
    Ich finde, es gibt ein hamonischeres und glaubhafteres Ganzes, wenn man auf etwas bekanntem aufbaut, und weitere Elemente hinzufügt.
    Das ist wohl auch ein Grund, warum ich Science Fiction meist nicht ausstehen kann: Häufig wird versucht völlig fremde Welten darzustellen, aber das Ergebnis ist eigentlich immer unglaubwürdig, und hat gleichzeitig viele Aspekte der realen Welt (da man sich einfach keine völlig andere Welt erdenken kann), die nicht wirklich passen, und unangenehm auffallen.

    Hier steht ein cleveres und inspirierendes Zitat!


  • Wie phantastisch sollte Phantastik sein? Wenn es Überschneidungen mit der Realität gibt (reale Orte, reale Personen), inwiefern akzeptiert Ihr eine Verfremdung oder Verfälschung dieser Fakten?


    Mir ist das völlig egal - solange der Autor eine tolle Story draus macht und mir erfundene Dinge nicht unbedingt als (historische) Tatsachen verkaufen will, akzeptiere ich alles. Der Phantasie sind halt keine Grenzen gesetzt. Überschneidungen mit der Realität können sogar sehr reizvoll sein.

  • Mir ist das völlig egal - solange der Autor eine tolle Story draus macht und mir erfundene Dinge nicht unbedingt als (historische) Tatsachen verkaufen will, akzeptiere ich alles. Der Phantasie sind halt keine Grenzen gesetzt. Überschneidungen mit der Realität können sogar sehr reizvoll sein.


    Ja, das finde ich auch. Besonders reizvoll, das ist dann eher SF als Fantasy, sind Geschichten, in denen Autoren ein Geschehen in der Geschichte anders ausgehen lassen und dann schauen, wie sich die Geschichte danach weiter entwickelt hätte. Beispiele wären etwa "Vaterland" oder "Kaiser Karls Zeitmaschine". In der Fantasy würde mir da Randall Garretts Lord Darcy einfallen, falls den jemand hier kennt.
    Wie gesagt, gut geschrieben und glaubwürdig umgesetzt muss halt sein.