Tim Parks – Stille

Es gibt 13 Antworten in diesem Thema, welches 5.264 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von HoldenCaulfield.

  • Tim Parks – Stille


    Inhalt: Der Journalist Harold Cleaver ist ebenso umstritten wie erfolgreich. Er genießt das Licht der Öffentlichkeit. Und das richtet sich jetzt ganz grell auf ihn: er führt ein Interview mit dem amerikanischen Präsidenten, in dem er diesen als unfähig entlarvt, und das ihn schlagartig weltweit bekannt macht. Unmittelbar danach erscheint das erste Buch seines Sohns, eine als Roman etikettierte wütende Abrechnung mit seinem berühmten Vater. Cleaver wird alles zuviel und er zieht die Reißleine. Eine überstürzte Flucht führt ihn in ein einsames Dorf in Südtirol, wo er eine verlassene Hütte ohne jeden Komfort wie fließendes Wasser und Strom mietet.


    Er ist fest entschlossen, alle Kontakte zur Außenwelt zu kappen. Handy und Laptop verbietet er sich. Doch die Stimmen in seinem Inneren lassen ihn nicht zur Ruhe kommen.


    Meine Meinung: Geschichten, in denen sich jemand komplett von der Außenwelt zurückzieht und auf sich selbst zurück geworfen wird, finde ich immer sehr spannend. Wie kommt man ohne die Segnungen der Technik, allein in der Natur zurecht? Und in welche Richtung gehen die Gedanken, wenn kein Input von außen kommt?


    Die erste Frage nimmt in „Stille“ keinen allzu großen Raum ein. Cleaver lernt, Holz zu hacken, Feuer zu machen und eine primitive Dusche zu bauen, aber im Vordergrund stehen seine Gedanken, in denen es meist darum geht, ob sein Sohn mit seinem bösen Buch Recht hatte. In der Rückschau vergleicht Cleaver sein Leben mit der Romangeschichte. Dabei werden seine Gedanken nicht linear geordnet dargestellt, Parks springt vielmehr scheinbar willkürlich in der zeitlichen und auch logischen Abfolge – eben so, wie die Gedanken von Cleaver verlaufen. Teilweise verbeißt sich Cleaver wie ein Hund in einzelne Fragen und kehrt immer wieder zu ihnen zurück.


    Diese scheinbare ungeordnete Aufzeichnung von Cleavers Gedanken lässt das Buch sehr authentisch erscheinen (wer kennt das nicht, dass einem ein Problem so beschäftigt, dass die Gedanken immer wieder dorthin zurück kehren und es bis zum Überdruss von allen möglichen Seiten beleuchten?). Ich finde diese Erzählweise faszinierend. Stück für Stück lernt man Cleaver kennen und muss seine Meinung über ihn mehrmals revidieren (ein Mann, dessen Familie auf der Beerdigung seiner Tochter seine Geliebte treffen müssen, muss doch kalt und herzlos sein - später stellt sich die Situation dann ganz anders dar). In diesem Buch passiert eigentlich nicht viel - es gibt noch eine kleine Nebenhandlung über die Bauernfamilie auf dem nächsten Hof , die jedoch im Hintergrund steht -, es war mir aber an keiner Stelle langweilig, Cleavers Gedanken zu folgen.


    Ein besonderer Pluspunkt des Buchs für mich persönlich war der Handlungsort, da ich letztes Jahr in Südtirol im Urlaub war. Die Mentalität der Südtiroler, die landschaftlichen Besonderheiten und die Traditionen werden am Rande gestreift, was dem Buch einen besonderen Reiz gibt.


    Mein Fazit: Für mich ein Highlight des Lesejahres und bestimmt nicht mein letztes Buch von Parks!

  • Danke für die schöne Rezension, Manjula. Vielleicht sollte ich meine Nichtkaufentscheidung doch noch einmal überdenken. Ich hatte das Buch auf englisch (OT "Cleaver") schon mehrmals in der Hand, habe es aber doch immer wieder weggelegt.


    Hier noch drei Links zu Amazon:

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links

    (HC)

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links

    (TB erscheint im Oktober 08)


    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links

    (englisch)

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Es freut mich, wenn ich Euch ein bißchen Lust auf dieses Buch machen konnte. Ich fand die Gedankenwelt von Cleaver wirklich sehr interessant und gut geschildert. Wenn Ihr noch unschlüssig seid: bei google findet man unter Tim Parks + Stille eine Reihe von Rezensionen. Nicht alle positiv, aber doch interessant zu lesen. Und natürlich würden mich auch Eure Meinungen sehr interessieren.


    Liebe Grüße
    Manjula

  • Kurz vor einem wichtigen Interview mit einem amerikanischen Präsidentschaftskandidaten veröffentlicht der Sohn des BBC-Starmoderators Harold Cleaver ein Buch, das mit dem Vater deutlich abrechnet: "Im Schatten des Allmächtigen" zeichnet einen Vater, der sich in allen Lebensbereichen zur Ikone stilisieren kann, der alles kennt, alles weiß, sich aber viel zu wenig um seine Familie kümmert. Statt sich auf das Interview vorzubereiten, liest Cleaver mit einer Mischung aus Neugier und Zorn das Buch. Stets beobachtet von seiner Lebensgefährtin Amanda. Cleaver bringt das Interview hinter sich, setzt sich in einen Flieger nach Mailand und zieht sich von dort in ein abgelegenes Dorf in Südtirol zurück. Dort will er nach dem literarischen Angriff wieder zur Ruhe kommen.


    Cleaver reagiert geradezu überstürzt, als ihm das Buch seines Sohnes Alex in die Hände fällt; so sehr nimmt ihn die Demontage mit, dass er kaum etwas Sinnvolles für sein Reiseziel im Gepäck hat: Die Alpen im Winter. Dennoch übernimmt er ohne viel Federlesens die einsame Berghütte eines jüngst verstorbenen Mannes, dessen Familie in der Nachbarschaft wohnt und die sich um die nötigsten Bedürfnisse des Mieters kümmern wird.
    Wie füllt man seine Zeit, wenn man bisher von Termin zu Termin rannte, Erfolg, Gäste und Prominenz das Leben erfüllten? Cleaver löst sich langsam von der Sucht, ständig den Fernseher laufen zu lassen oder das Handy zu kontrollieren. Statt dessen geraten seine Gedanken immer wieder an Alex' Buch und an die darin verpackten Vorwürfe. Über dieses Buch lernt der Leser auch Cleaver näher kennen. Cleaver konfrontiert Alex' Schilderungen mit seiner Sicht der Dinge, von für die Kinder verletzenden Details wie den zahlreichen Geliebten bis hin zur profanen Alltagsfrage, wer den Hund Gassi führt.


    Mich haben an diesem Buch zwei Dinge fasziniert. Zum einen ist das die gerade angesprochene indirekte Art, mit der wir Cleaver näher kennen lernen. Das Buch "Im Schatten des Allmächtigen" und Cleavers Gedanken dazu fokussieren auf interessante Eigenschaften, die Cleaver zwar teilweise "richtig" stellen kann, die aber auch einen Mann zeigen, der sich über Jahre immer wichtiger genommen hat und zum Beispiel glaubt, dass seine Art, Nachrichten vorzulesen, zu einem Kultstil geworden sei.
    Zum anderen ist es die direkte Erzählung, was Cleaver in seiner selbstgewählten Einsamkeit erlebt. Cleaver kann sich mit den Einheimischen mit Ach und Krach verständigen, ist eigentlich schlecht ausgerüstet und muss sich viele Kniffe aneignen. Vom Holz hacken bis zum Feuer machen und Waschwasser organisieren: Die Erfolge seines bisherigen Lebens zählen in der Hütte gar nichts.


    Cleaver erarbeitet sich den Abstand zu seinem bisherigen Leben förmlich und er rückt seine Perspektiven neu zurecht. War die Vermieterfamilie für den gewieften Medienmenschen zu Beginn ein nie versiegender Quell von Familiengeheimnissen, denen man hinterher spüren könnte, wird sie langsam aber sicher seine nachbarschaftliche Verbindung zur Außenwelt und zur Rückversicherung eines Einsiedlers. Auch Alex kann er zunehmend besser verstehen und der Sohn hält am Ende noch eine große Überraschung für den Vater bereit; Cleaver erkennt, dass ihn die eigene Medienpräsenz den Blick für die eigene Familie blockiert hat.


    4ratten

    ☞Schreibtisch-Aufräumerin ☞Chief Blog Officer bei Bleisatz ☞Regenbogen-Finderin ☞immer auf dem #Lesesofa

  • Zum Inhalt wurde schon alles gesagt, das Cover gabs auch schon in mehrfacher Ausführung zu bestaunen, folgerichtig komme ich mal gleich zu meinen Empfindungen meinen ersten Parks betreffend.


    Tja, jetzt sitze ich hier seit einigen Minuten und hab so wirklich gar keine Idee, wie/wo/womit ich bei der Rezension dieses Romans beginnen sollte/könnte/müsste - im Nachhinein mit interessantester Punkt an diesem Buch ist, dass ich, noch während ich beim Lesen war, immer wieder gedacht hab "Warum heißt dieses Buch im englischen OT einfach nur `Cleaver`??" Klar ist er der Hauptprotagonist und klar heißen die wirklich relevanten Nebenprotagonisten auch alle Cleaver bzw. hängen mit diesem Namen zusammen, nämlich Harold Cleavers Familie. Die Menschen in Südtirol beeinflussen Cleaver auch auf eine gewisse Weise, allerdings schließe ich mich irgendwie der paukenschlagartigen Offenlegung seines wahren Interesses an diesen Leuten an, die sein Sohn Alex gegen Ende des Buches vornimmt - zumal ich nicht glaube, dass sich Cleavers Wille, an diesem Ort zu bleiben, wenn überhaupt, nur zu einem sehr kleinen Maß aus diesen Leuten ergibt.


    Auf jeden Fall hielt ich diese recht simple Bezeichnung des Romans für irgendwie zu kurzsichtig, zu fokussiert und schlicht zu engstirnig - ging es meiner Ansicht nach doch um einen Mann, der aus seinem bisherigen Leben aussteigt, der die Einsamkeit und Stille sucht usw. usw., erwartet hab ich also sozusagen eine Fallstudie eines Aussteigers, von der Metropole zur Einöde, vom vorauseilenden Ruf zur neugierigen Beäugung, von den Betthäschen zur klapprigen Großmutter, die ihn mit Hausmittelchen verarztet, von der medienwirksamen Wortgewand(t? :gruebel: :entsetzt:)heit zur Zeichensprache - dankenswerterweise hat Tim Parks nicht solch eine aufpolierte Buchversion von Mein neues Leben XXL geschrieben, nein, das Buch trägt seinen (englischen) Titel völlig zu Recht und wahrscheinlich auch um einiges passender als den deutschen, denn in diesem Buch geht es zu 110% von vorn bis hinten einfach nur um diesen fetten, jahrzehntelang rücksichtslosen, merkwürdigen, familienuntauglichen, unwahrscheinlich sympathischen, zur Besinnung kommenden Typen im Alter von 55, der sich eine Million Gedanken über sein Leben ausgelöst durch ebensoviele erinnerte Passagen aus dem Buch seines Sohnes macht und das in einer Umgebung, in der er sich so schnell akklimatisiert, wie man es einem (klischeehaften) Medienmenschen wohl nicht zugetraut hätte, wenn die Kamera nicht zusieht und es obendrein kein Geld und keine Awards dafür gibt.


    Absolut hochinteressant und wirklich genial erschafft Tim Parks übrigens diese Gedankenwelt Cleavers durch, zumindest aus meiner Sicht, nicht gekannte rasante, urplötzliche grammatikalische Tempi- sowie Perspektivenwechsel, meist von der Erzählerperspektive und der Gegenwart ind die Ich-Perspektive und die Vergangenheit, oft aber spricht der Erzähler auch über Cleavers Vergangenheit und von jetzt auf gleich bringt Cleaver diese Episode unmittelbar da in Südtirol (also in der Gegenwart) auf den Punkt oder unterbricht den Erzähler gewissermaßen und lässt uns mit ihm wieder seinen eigenen Gedanken nachhängen.


    Ziemlich häufig finden solche Perspektiv- und Zeitwechsel sogar vom Haupt- zum Nebensatz statt, und dennoch wirken sie nie verwirrend oder nehmen einem den Überblick, man befindet sich durchgehend voll auf einer Wellenlänge mit diesem Kauz.


    Sympathisch kommt Cleaver mir wohl auch unter anderem deshalb vor, weil er im Laufe des Buches wie ich auch die Einsamkeit zu schätzen lernt. Natürlich hoffen wir beide irgendwie, dass diese Vorliebe nicht irgendwann nach hinten los geht, und man nicht nur alleine, sondern eben einsam ist, wobei er das eigentlich nur am Anfang durch gelegentliches Einschalten des Handys bzw. Checken der Sms zu kompensieren versucht, letztendlich scheint er sich seiner Sache reichlich sicher zu sein.


    Interessanterweise lief im Winamp gerade, als ich mit dieser Rezi begonnen hab, ein sehr schöner Song von Nine Inch Nails, nämlich Every Day Is Exactly The Same, ein Spruch, der natürlich zu Beginn dieses Romans auch auf Cleavers Fahne gestanden haben wird/könnte - daher beende ich dieses Geschreibsel einfach mal mit der ersten Strophe aus diesem Song, die wirklich bis auf die vorletzte Zeile, in der ich das do mal durch ein did ersetzt habe, auch von Cleaver geschrieben sein könnte:


    I believe I can see the future
    Cause I repeat the same routine
    I think I used to have a purpose
    But then again
    That might have been a dream
    I think I used to have a voice
    Now I never make a sound
    I just did what I've been told
    I really don't want them to come around


    Ach ja, meine Wertung: 4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Die halbe Ratte Abzug gibt es nach einigem Überlegen doch, und zwar für die "enthüllende" Geschichte seines Sohnes Alex, des "Schmierfinken". Sehr authenthisch fand ich zwar die Geschehnisse bzw. die gesamte Stimmung zwischen den beiden, aber das, was Alex erzählt ergibt weder für sich, geschweige denn für die gesamte Geschichte Sinn, hinterlässt daher einen etwas unbefriedigenden Nachgeschmack, der sich jedoch keineswegs auf das ganze Buch auswirkt, weswegen man womöglich sogar doch die vollen 5 Ratten geben könnte, aber da das Buch ansonsten so zu überzeugen vermag fällt dieses Handlungselement letztenendes eben doch um so mehr ins Gewicht! ;)



    LG

  • Hallo,


    die ersten Wertungen waren ja schon super und das Buch landete prompt auf meinem Wunschzettel - jetzt ist es ein riesiges Stück nach oben gerutscht - wird wohl in den nächsten Tagen bei mir landen.


    Danke Hildegunst - deine Rezi war der letzte Tropfen auf den heißen Stein :zwinker:


    Viele Grüße
    schokotimmi

  • Hallo,


    tut mir leid, wenn ich die Begeisterung nicht teilen kann, aber es ist ja nur meine bescheidene Meinung. Mir hat das Buch nicht so toll gefallen. Ich habe den Roman 2006 gelesen.


    Natürlich kann es kein Grund sein, einen Roman für schlecht zu befinden, nur weil der Protagonist mir unsympathisch ist, vielleicht wollte doch schließlich der Autor seinen Protagonisten sehr unsympathisch gestalten. Insofern wäre der Roman fast gelungen ( er ist eitel, selbstsüchtig, ein Schürzenjäger usw.) Nun, der Autor wollte seinen Protagonisten so haben.
    Tim Parks setzt aber noch oben was drauf, und das finde ich überzogen: In der Bergeinsamkeit ist Cleaver ziemlich hilflos, der medienerfahrene Herr: Er spricht kein Deutsch, hat noch nicht mal einen Sprachführer dabei, kommt mit Wanderkarten nicht zurecht. Er ist auch leichtsinnig, wenn er erst in Dunkelheit in seiner Hütte ankommt und Streichhölzer suchen muss. Ein wenig Dummheit, bzw. Unerfahrenheit muss ich ihm unterstellen


    Seltsam ist doch, dass der Roman von Cleavers Sohn sich auf der short-list des Bookerpreises befindet (die zweite Übertreibung im Roman), obwohl dieser Roman doch sehr plakativ und mit Klischees vollbesetzt ist. Hier ist der Medienmann Cleaver aber plötzlich wieder klug, denn er erkennt die Mängel dieses Romans selbst.


    Das Lokalkolorit in den Tiroler Bergen, die Landschaft usw. ist lieblos. Da hätte Parks doch mehr gestalten können. Immerhin ist es Tirol, ja, Tirol....


    Liebe Grüße
    mombour

    Einmal editiert, zuletzt von mombour ()

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Inhalt
    Harold Cleaver hat genug. Er setzt sich in den erstbesten Flieger und kommt nach einer kleinen Odyssee in Luttach, ein kleines Dörfchen mitten in Südtirol, an. Dort lässt er sich zunächst in einem heimeligen Gasthof nieder, merkt aber bald, dass ihn die menschlichen Geräusche stören. Er sucht sich ein Haus über der "Lärmgrenze", um dort einmal gründlich nachzudenken.
    Und zum Nachdenken gibt es viele Gründe: seine Lebensgefährtin Amanda, seine zahlreichen Geliebten, seine erfolgreiche TV-Karriere und nicht zuletzt das Buch seines Sohnes mit dem Titel "Im Schatten des Allmächtigen".


    Meine Meinung
    Naja, so wirklich umgehauen hat mich das Buch nicht. Das hat allerdings einen ganz einfachen Grund: Es ist nicht mein Genre bzw. mein bevorzugtes Thema. Ein reicher, fetter TV-Moderator fühlt sich gekränkt und haut eingeschnappt ab, ohne irgendeinern Anhaltspunkt auf seinen Verbleib zu hinterlassen. In einer einsam gelegenen Hütte ohne Komfort will er zu sich selbst finden. Cleavers "Probleme" interessieren mich eigentlich nicht die Bohne, insgesamt finde ich das meiste eher unbedeutend. Einzig den Kummer um den Tod seiner Tochter kann ich nachvollziehen, soetwas möchte niemand erleben. Sich dann aber wie ein beleidigtes Kind verstecken und gleichzeitig zu hoffen, dass irgendjemand ihn sucht, finde ich ziemlich dämlich.


    Ich nehme an, dass dieser Charakter vom Autor so geplant war: ein möglichst unsympathischer Kerl mit eingebildeten Pseudoproblemen. Das ist ja auch okay so, mich interessiert es bloß nicht.


    Außerdem passiert meistens nichts. Man taucht in Cleavers Gefühlswelt ein und springt mit ihm von Gedanke zu Gedanke. An sich ist das alles gut gemacht, denn obwohl Tim Parks oft innerhalb eines Satzes das Thema ändert, wirkt es doch nicht zu konfus bzw. verwirrt den Leser nicht zu sehr. Dennoch ist auch das ein Teil des Buches, der mir nicht so zusagt. Seine Gedanken kreisen fast ununterbrochen um seine Problemchen, die mich, wie wir ja jetzt wissen, nicht neugierig machen.


    Es gibt aber trotzdem einen Punkt, den ich gut fand: die äußere Handlung. Immer, wenn Cleaver irgendetwas tut, sich bewegt oder mit anderen Menschen kommuniziert, habe ich gerne weitergelesen. Besonders die Geschichte rund um seine Vermieter hat mich zum Lesen animiert, hier baut sich auch eine gewissen Spannung auf. Und auch den unmittelbaren Schluss fand ich gelungen, dem Leser bleibt es selbst überlassen, zu entscheiden, ob sich bei Cleaver etwas verändert hat oder nicht.


    Wie gesagt, alles ganz gut gemacht, aber einfach nicht mein Interessensbereich.
    2ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    "Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne." (Jean Paul)

    Einmal editiert, zuletzt von mondy ()

  • Interessant, deine Meinung bestätigt mich darin das Buch zu lesen. Ich mag Tim Parks ja sehr und bin gespannt wie ich Cleaver finden werde. Ich habe den Eindruck das meine Meinung gänzlich anders ausfallen könnte. :breitgrins:


  • Interessant, deine Meinung bestätigt mich darin das Buch zu lesen. Ich mag Tim Parks ja sehr und bin gespannt wie ich Cleaver finden werde. Ich habe den Eindruck das meine Meinung gänzlich anders ausfallen könnte. :breitgrins:


    Wie gesagt, die Geschmäcker sind einfach verschieden. Das Buch ist ja auch gut geschrieben, ich fands nur totlangweilig. :winken:

    "Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne." (Jean Paul)

  • Ich gehöre auch zu den Menschen, die mit Parks nichts anfangen können. Ein, zwei Bücher von ihm habe ich mal vor langer Zeit angefangen, weil er eigentlich immer tolle Themen und Ansätze hat ,aber mit seinem Stil werde ich einfach nicht warm.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Vielen Dank für die interessanten, teilweise kontroversen Rezensionen. Das Buch ist gleich auf meinem Wunschzettel gelandet. Von Tim Parks kenne ich bisher noch nichts und bin daher sehr gespannt.


    LG
    hilde

    Ich bin ein trockener Workaholic. (Vince Ebert)

  • Meine Meinung:


    Stille... irgendwie passt der deutsche Titel genauso gut wie der Originaltitel (cleaver). Denn er beschreibt das was Cleaver sucht. Er sucht Ruhe und findet diese auch oberflächlich betrachtet. Aber eigentlich ist diese Stille nicht wirklich vorhanden. Seine Gedanken begleiten ihn die Ganze Zeit. Er klammert sich an seine tote Tochter und an den Sohn der einen Roman geschrieben hat, der sehr eng an seinem Leben angelegt ist und hauptsächlich Cleaver beschreibt. Dabei vermischen sich für ihn die Gedanken über den Roman und was sein Sohn darin geschrieben hat mit den tatsächlichen Gegebenheiten und manches mal fragt man sich was ist nun Roman und was ist wirklich passiert? Was denkt der Sohn wirklich über seinen Vater? Und warum definiert Cleaver sein Verhältnis zu seinem Sohn nur noch über den Roman? Cleaver... der Originaltitel kann unter anderem als Verb mit dem Wort sich an etwas klammern übersetzt werden. Ja Cleaver kann irgendwie nicht loslassen... seine Reise gleicht einer Art überstürzten Flucht. Vielleicht möchte er ja auch in Wirklichkeit längst zurück, denn im Grunde denkt er ständig an die Welt die er zurückgelassen hat. Eigentlich kann er nicht ohne sie sein. Dadurch ergeben sich einige Gedankensprünge auch in der Zeit, manchmal muss man ein wenig aufpassen um da noch mit zu kommen.
    Tim Parks schafft es das man trotz der doch recht wenigen Handlung nicht das Gefühl hat sich zu langweilen. Er schreibt packend, aber nicht wie bei einem Krimi. Irgendwie hält er den Leser auf eine ganz merkwürdige Art und Weise bei der Stange. Man möchte unbedingt wissen ob es doch noch zu einem klärenden Gespräch kommen kann außerdem sind auch Dinge interessant über die der Roman keine Auskunft gibt. Der Roman regt an sich mit der Handlung zu beschäftigen, sich zu überlegen in welchen Situationen man selbst ähnlich verhalten hat wie die Figuren. Und auch das ist eine der Stärken des Romans: die Figuren sind echt, obwohl die Handlung vielleicht ein wenig dramatisch erscheint, die Handlungen als solche sind es nicht, sie sind wie ich finde sehr aus dem Leben gegriffen. Komischerweise erst mein zweiter Roman von Tim Parks. Ich behalte ihn ihm Auge ;)


    4ratten