Anne Chaplet "Schrei nach Stille"

Es gibt 21 Antworten in diesem Thema, welches 8.635 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

  • Gnade und Ungnade des Vergessens


    1. Vorbemerkung


    Mit großer Begeisterung habe ich die Nacht hindurch diesen Roman gelesen.


    2.Vorbemerkung


    Drei autobiographische Ersteindrücke haben mich magisch angezogen: Auch ich bin Mitte der 70er Jahre von einer Großstadt (München) in eine Kleinstadt Oberhessens umgezogen. Außerdem gehöre ich in die 68er Generation und bekenne mich auch gerne zu einem Teil deren Ideale, die mir alles andere als peinlich sind.
    Und schlussendlich identifiziere ich mich mit dem Titel des Buches: Schrei nach Stille. Ich suche Stille in einer Zeit, in der überall dem Krach sogar per Gericht rechtgegeben wird. Überall wird die Freiheit derer geschützt, die in ihrer Freizeit Krach machen und feiern wollen, nirgendwo die Freiheit eines Menschen, der Ruhe sucht.Betroffene schreien nach Ruhe obwohl natürlich darin bereits ein Widerspruch liegt. Viele geben auch das Schreien auf und suchen Stille, z.B. in Norwegens und Kanadas Weiten, was die Auswandererzahlen belegen. Um den Übergang zum Roman zu finden: auch in einem oberhessischen Dorf findet man keine Ruhe, wie man an Sophie Winter sieht.


    Inhalt:


    Sophie Winter, in Frankfurt wohnhaft, schreibt einen Romanbestseller "summer of love". Der Roman handelt von dem Leben dreier Blumenkinder der 68er Jahre, die von Frankfurt in ein oberhessisches Dorf ziehen um in Ruhe ihre Freiheit zu genießen. Die Dorfbewohner aber, fühlen sich in ihrer Heimatidylle gestört durch diese Außenseiter, und machen ihnen das Leben äußerst schwer.Sascha, eines der Hippiemädchen verschwindet spurlos. Und Angel, hinter der sich Sophie Winter versteckt, deckt in diesem Buch knallhart das Verbrechen auf, dem Sascha zum Opfer gefallen ist. Sophie Winters Buch wird verfilmt und sie wagt es sich iin jenem oberhessischen Dorf ein Haus zu kaufen. und sich praktisch mitten in die Höhle des Löwen zu begeben. Der Zufall will es, dass in jenem Dorf Paul Bremer wohnt. Paul Bremer, den man bereits aus früheren Romanen von Anne Chaplet kennt. Ein ehemaliger Werbefachmann, auch ein ZUgezogener aus Rüsselsheim, aber doch ziemlich gut in die Dorfgemeinschaft integriert.
    Der Roman wird zu einem Teil aus Pauls Sicht erzählt, zum anderen aus Sophies und desweiteren aus der Sicht
    : Giorgio DeLange. Dieser ist Öffentlichkeitsverantwortlicher bei der Frankfurter Polizei und damit beauftragt die Filmarbeiten "summer of love" zu begleiten. Mit Hilfe seiner Freundin, der Staatsanwältin Anne, bekommt er Zugang zu der Akte Sascha und ist beteiligt an der Aufklärung dieses Verbrechens. Zusätzlich spielt noch die Suche nach dem vermissten Kind Luca eine Rolle. Außerdem: um meinen Obertitel aufzunehmen: Sophie leidet an schleichender Demenz, einem Zustand, den sie bewusst wahrnimmt. Mehr möchte ich nicht verraten.


    Kritik:


    Chaplet hat eine wunderbare Sprache. Bilderreich, anschaulich, pointiert und auch witzig. Sie trifft voll ins Schwarze, wenn sie die Dorf"idylle" eines oberhessischen Bauerndorfs schildert. Diese misstrauischen, starrköpfigen Einheimischen, die sich nicht scheuen auch Gewalt anzuwenden, wenn man denkt, dass die Idylle gestört wird. um zu zitieren, hauptsache, "die Gass ist gefegt". Ich fühle mich auch den übriggebliebnen 68ern nahe, verkörpert in wunderbarer Beschreibung von dem nickelbrille, spiegellesenden Moritz. Klar: es ist nicht ein oberhessischer Charakterzug, dass Fremde ausgeschlossen werden, inzwischen lebe ich in einem oberbayrischen Dorf, wo es nicht anders ist. Oft zog mich Chaplet mit ihren rasanten Wortcollagen in ihren Bann und den inneren Dialogen von Sophie. Man erlebt hautnah das Vergessen mit. Für mich ist das "Vergessen" eine ganz wichtige Spur in diesem Buch.. Gnade und Ungnade, die darin liegt. Auch Ruhe, die im Vergessen liegt, wenn die Demenz sich wie ein Nebel über das legt, was Sophie quält. Ich bin begeistert von dem Roman, auch von Paul Bremer, der eigentlich eine so mittelmäßige Figur ist. Ich empfehle Anne Chaplet sehr.


    4ratten

    Einmal editiert, zuletzt von Judith ()

  • Ungewöhnlicher Krimi


    „Schrei nach Stille“ ist ein untypischer Krimi – es gibt keine Leiche um die herum ermittelt wird. Stattdessen findet man sich wieder mit einer älteren Frau in einem alten, leicht baufälligen Haus, einem verschwundenen Kind und einer Geschichte aus dem Jahr 1968:


    Sophie Winter hat einen Roman geschrieben, der von drei jungen Menschen der Hippie-Bewegung handelt. Sie leben in einem kleinen Dorf ihren Begriff der freien Liebe, werden von der Dorfbevölkerung angefeindet, bis schließlich eines der Mädchen bei einer Hassattacke stirbt.
    Das Haus, in dem Sophie Winter lebt, war der Schauplatz einer beinahe identischen Geschichte. Hat Sophie etwa autobiographisch geschrieben? Was ist damals wirklich passiert? Und wie passt der verschwundene Junge ins Bild?
    Nur ganz langsam führen die einzelnen Erzählfäden zusammen und führen zu einem überraschenden Höhepunkt.


    Dieses Buch hat mich richtig in seinen Bann gezogen, ich wollte es gar nicht mehr aus der Hand legen. Man wartet gespannt darauf, was damals im Jahr 1968 wirklich passiert ist und ob Sophie Winter und Angel ein und dieselbe Person sind.
    Ein kleiner Punkt ist mir aufgefallen: Anne Chaplet schreibt von einem schwarzweißroten Kater. Den würde ich gerne sehen… da diese Katzen immer weiblich sind. Es können zwar auch dreifarbige Kater geboren werden, aber diese sterben kurz nach der Geburt, weil sie ein Gen zuviel haben, hat mir mein Tierarzt mal erklärt.
    Das ist aber nur winziger schwarzer Punkt an einem ansonsten makellosen Buch. Ich kann es nur weiterempfehlen. 4ratten

  • @Manuela @alle, die das Buch gelesen haben



    du sprichst das mit Sophies Katze an. Mir ist aufgefallen, dass überall Katzen auftauchen in dem Roman. Ich wusste das nicht zu deuten, deshalb habe ich das in meiner Rezension nicht erwähnt. Hast du, beziehungsweise habt ihr, da eine Interpretation?


    Judith :winken:

  • Angefügt an die Personen, denen man in der Leseprobe bereits begegnete (und deren Anzahl war für einen Anfang nicht zu knapp), kamen direkt noch einige hinzu.


    Doch schon bald wiederholten sich einige Personen und das Bild um diese verdichtete sich mehr und mehr. Das Buch hat einen sehr leichten Lesestil, sodass ich mehr als einmal verblüfft war, wie viele Seiten ich schon wieder gelesen hatte, nachdem ich die Uhrzeit und die Seitenzahl betrachtete.


    Schließlich führte die Handlung zu einer Verfilmung eines Buches. Allerdings verschwand zeitgleich in einem kleinen Ort, in dem Sophie Winter, die Autoren des Buches, wohnte, ein Junge. Das gesamte Dorf machte sich große Sorgen um ihn.


    Aber auch ein 40 Jahre altes Ereignis tritt immer mehr in den Vordergrund und ähnelt erstaunlicher Weise sehr der Handlung der Verfilmung.


    Zum Schluss wird die Handlung wieder so verwirrend und vielfältig, wie sie begonnen hatte. Aber inziwschen war ich so gefesselt und habe einige Male mitgerätselt, dass ich nun ein wahren Endspurt hinlegte, um das Buch zu Ende zu lesen. Was passierte wirdklich im Jahre 1968? Warum verschwand der Junge?


    Letztendlich gaben alle Unklarheiten einen Sinn. Und wie es in einem guten Kriminalroman nun einmal so ist, kommt am Ende dennoch alles anders als man denkt.


    Dieses Buch ist definitiv ein gutes, in das man sich schnell hineinliest und das einen bis zur letzten Seite fesselt.


    Ich gebe dem Buch
    4ratten

    ~~ Was wäre die Welt nur ohne Bücher? ~~


    :lesen: Berühre mich. Nicht. - Laura Kneidl

    :lesen: Hexenblut - Neil White

    :lesen: Sofies Welt - Jostein Gaarder

  • Schrei nach Stille von Anne Chaplet


    Über die Autorin
    Anne Chaplet wohnt mit drei Katzen in Oberhessen, Frankfurt am Main und Südfrankreich. In ihrem Pass steht der Name Cora Stephan, unter dem sie als promovierte Politikwissenschaftlerin und Historikerin zahlreiche Sachbücher verfasst hat. Für ihre Romane erhielt sie zweimal den Deutschen Krimipreis sowie den Krimipreis von Radio-Bremen.



    Meine Meinung!
    Mir hat der neue Roman von Anne Chaplet sehr gut gefallen. Ich habe sehr schnell in das Geschehen rein gefunden und hatte auch mit den vielen verschiedenen Personen keinerlei Probleme. Der Schreibstil lässt sich gut und flüssig lesen und auch die manchmal sehr kurzen Sätze habe ich nicht als störend empfunden. Ganz im Gegenteil, ich fand sie der Spannung eher zuträglich.
    Der Roman handelt von drei Hippies, die im Sommer 1968 in das kleine Dorf Klein-Roda zogen um ihr Paradies zu finden. Allerdings konnten die Dorfbewohner nichts mit der Lebensphilosophie der Drei anfangen. Und das bekamen sie auch zu spüren.
    40 Jahre später zieht die Beststellerautorin, Sophie Winter in genau dieses Haus in Klein-Roda. In ihrem Roman “Summer of Love” hat sie die damalige Geschichte der Hippies, aus ihrer Sicht geschildert.
    Anne Chaplet hat es geschickt gemeistert, alle Protagonisten während des Romans zusammenzuführen. Ich werde auf jeden Fall noch ihre anderen Romane lesen.
    Von mir gibt es für diesen Roman volle: 5ratten

  • Irgendwie komme ich nicht wirklich weiter. Eure Bewertungen sagen mir ja eigentlich, dass das Buch gut ist, aber ich komme einfach nicht rein. :grmpf: Hattet ihr auch Probleme am Anfang? - Obwohl, was heißt "Anfang"...ich bin auch Seite 108.
    Ich finde es ja nicht total schlecht, aber es passiert einfach nicht viel. Verstehe ich dieses Buch vielleicht einfach nicht? :confused:

    :leserin: Plichota/ Wolf: Oksa Pollock - Die Unverhoffte<br /><br />SLW - Annabas: 1/10<br />SLW - Seychella: 0/10


  • Irgendwie komme ich nicht wirklich weiter. Eure Bewertungen sagen mir ja eigentlich, dass das Buch gut ist, aber ich komme einfach nicht rein. :grmpf: Hattet ihr auch Probleme am Anfang? - Obwohl, was heißt "Anfang"...ich bin auch Seite 108.
    Ich finde es ja nicht total schlecht, aber es passiert einfach nicht viel. Verstehe ich dieses Buch vielleicht einfach nicht? :confused:


    Es wird noch eine ganze Menge passieren. Mir ging es am Anfang auch so, dass ich dachte, wo bleibt denn da die Action, aber dann überschlagen sich mehr oder weniger die Ereignisse und die Puzzlestücke, die am Anfang unwichtig erschienen, ergeben einen Sinn :zwinker:

    ~~ Was wäre die Welt nur ohne Bücher? ~~


    :lesen: Berühre mich. Nicht. - Laura Kneidl

    :lesen: Hexenblut - Neil White

    :lesen: Sofies Welt - Jostein Gaarder

  • @ Stephi: Ging mir am 'Anfang' genauso. Aber seit ca. Seite 130 fällt es mir schwer das Buch aus der Hand zu legen und es gefällt mir mit jeder Seite mehr.

    "Man hat in der Welt nicht viel mehr, als die Wahl zwischen Einsamkeit und Gemeinheit." A. Schopenhauer

    :blume::engel::katze:


  • @ Stephi: Ging mir am 'Anfang' genauso. Aber seit ca. Seite 130 fällt es mir schwer das Buch aus der Hand zu legen und es gefällt mir mit jeder Seite mehr.


    Danke, dass lässt mich hoffen. Ich finde einfach das hat bis jetzt noch null Struktur. Und dann diese Sprünge von Kapitel zu Kapitel. Eigentlich mag ich sowas, aber in dem Fall finde ich es sehr unübersichtlich.


    Nun gut, dann werde ich mal weiter lesen. :winken:

    :leserin: Plichota/ Wolf: Oksa Pollock - Die Unverhoffte<br /><br />SLW - Annabas: 1/10<br />SLW - Seychella: 0/10

  • Buch fertig, Rezi fertig:


    Klein-Roda, ein kleines Dorf in Oberhessen. Die erst seit Kurzem hier wohnende Bestsellerautorin Sophie Winter erfreut sich keiner großen Beliebtheit bei den anderen Dorfbewohnern. Warum wohnt die durch ihren Roman 'Summer of Love' bekanntgewordene Autorin in diesem kleinen Dorf, noch dazu in einem verwunschenen Haus? Hat sie etwas mit dem Verschwinden des 12jährigen Luca zu tun? Diese und andere Fragen stellen sich die meisten Bewohner bzw. haben sich manche schon längst ein Urteil darüber gebildet. Nicht so Bremer. Paul Bremer, ein... ja, ein was? Bis zum Schluß war es mir nicht möglich herauszufinden, wer Bremer ist, welchen Beruf er ausübt. Ebendieser Paul Bremer findet eines Tages Frau Winter unter einem umgestürzten Baum auf, der scheinbare Unfall geht glimpflich aus. Die Gerüchte und Mutmaßungen rund um die Autorin lassen in nicht zur Ruhe kommen, er zieht Erkundigungen, bohrt bei den Dorfbewohnern in alten Wunden. Bald wird klar, hinter Sophie Winters erfolgreichem Roman steckt nicht nur Fiktion. Ein Buch über eine kleine Gruppe Hippies im Jahr '68. Aber was der Wahrheit entspricht, was der Fantasie der Autorin entsprang, ist Bremer nicht klar.


    Nicht nur Bremer steht vor einem Rätsel, gleichzeitig auch Giorgio "Jo" DeLange, Mitarbeiter der Polizei, Abteilung Öffentlichkeitsarbeit. Er kommt durch seinen Beruf in den Genuss, bei den Dreharbeiten zur Verfilmung von 'Summer of Love' dabei zu sein. Nachdem er das Buch gelesen hat, schrillen bei ihm die Alarmglocken. Irgendetwas kommt ihm bekannt vor, irgendwie gibt es eine Verbindung zu einem alten Fall. Einem Fall aus dem Jahre '68 als in einem kleinen oberhessischen Dorf eine junge, bildhübsche Frau verschwand....


    Zugegeben, die Leseprobe hatte mich nicht sehr beeindruckt. Der Schreibstil von Anne Chaplet bereitete mir Mühe beim Lesen, da ich kein Freund sehr kurzer Sätze bin. Beim Lesen des Buches dauerte es eine Weile, bis ich mich daran gewöhnt hatte. Dafür gefiel mir der Stil und die Sprache Chaplets dann umso mehr, bis ich mich von dem Buch fast nicht mehr losreissen konnte. Weniger der Handlung wegen, diese lässt nämlich lange auf sich warten. Viele Figuren, zu viele meiner Meinung nach, zu verwirrend. Keine klar erkennbare Struktur, ständig wird zwischen den Personen hin und her gewechselt. Es dauert fast bis zur Hälfte des Buches bis die Story Fahrt aufnimmt. Dafür ist diese dann umso interessanter. Die Autorin schreibt direkt, realistisch, trifft hin und wieder mitten ins Herz, den Nagel auf den Kopf und sie bringt einem oft zum Schmunzeln. Die Charaktere, vor allem Jo DeLange, gut ausgearbeitet und glaubhaft. Zum Schluß werden die gesponnenen Fäden gekonnt miteinander verknüpf und das Ende lies mich das Buch schließlich zufrieden zuklappen.



    4ratten


    Ich bin dankbar, dass ich das Buch als Leseexemplar erhalten habe, ein Buch dieser Autorin hätte ich mir sicher nie selbst gekauft. Aber das wird sich jetzt ändern. Jawohl :smile:

    "Man hat in der Welt nicht viel mehr, als die Wahl zwischen Einsamkeit und Gemeinheit." A. Schopenhauer

    :blume::engel::katze:

    Einmal editiert, zuletzt von sandi ()

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Anne Chaplet, Schrei nach Stille
    (List Verlag, August 2008)
    ISBN 978-3-471-77282-9
    336 Seiten; € 19.90 (HC)




    Eine in die Jahre gekommene Frau kehrt zurück in ein hessisches Dorf. Das Pikante daran? Sie hat ein Buch geschrieben „Summer of Love“, das gut verkauft wurde und zudem auch noch verfilmt wird. Es erzählt auch einen Teil ihres Lebens: als junge Frau hat sie mit zwei weiteren jungen Leuten in jenem Dorf gelebt – zur Zeit der 1968er. Damals wurden die Hippies mehr als kritisch von der Dorfgemeinschaft beäugt, die mit Sex und Drogen nichts am Hut haben wollten, ja, es kam sogar zum Eklat. Eine der jungen Frauen verschwand und kehrte bislang nie mehr zurück...


    Was ist damals geschehen? Sophie Winter, die Wiedergekommene, spricht - oder besser schreibt - eine eindeutige Sprache: sie unterstellt den Dorfbewohnern von damals und heute Mord. Oder noch konkreter: sie sollen die junge Frau zu Tode gehetzt und verscharrt haben.
    So bleibt den Dorfbewohnern - zu denen neuerdings auch Paul Bremer gehört – eigentlich nur Verachtung für die etwas verwirrt erscheinende Autorin, zumindest aber Nichtachtung für den Rufmord, den sie verfasst hat. Folglich muss sich dann auch der Neuling im Dorf, Paul Bremer, um Sophie Winter kümmern, als ein Sturm die Bäume ihres Gartens entwurzelt und ihr Dach zerstört hat. Dabei findet er jede Menge Erinnerungszettel im Haus und anschließend die Besitzerin unter einem Baum eingekeilt, glücklicherweise aber nur leicht verletzt.


    Außerdem ereignet sich ein weiterer 'Fall': ein Junge aus dem Dorf verschwindet und alle nehmen Anteil daran – ganz anders als damals, beim unbeliebten Blumenkind. Aber der Fall von damals wird durch einen Zufall neu aufgerollt: ein neuer Kriminalhauptkommissar macht mit Hilfe der Staatsanwältin Karen Stark (und gleichzeitig auch Paul Bremers gute Freundin) eine Entdeckung...


    Anne Chaplet hat diese ganz eigene Sprache, die mich schon bei ihren vorhergegangenen Romanen so fasziniert hat: eine bilderreiche, präzise Sprache mit teilweise sehr knappen Sätzen. Dadurch werden ihre Geschichten stimmungsvoll und dicht. Wer allerdings auf blutige, rasante Krimis und Thriller steht, kommt hier vermutlich nicht so sehr auf seine Kosten. Die Autorin strickt feine Kriminalromane, die Konflikte innerhalb unserer Gesellschaft beleuchten: dieses Mal pünktlich zum 40sten der 1968-Generation. Dennoch malt sie niemals schwarzweiß oder erklärt uns als LeserInnen gar die Welt – nein, sie erzählt von der damaligen Zeit und lässt manches auch im Dunkeln, zeigt Gegensätze damals wie heute auf und schreibt irgendwie auch einen politischen Roman. Letzteres kann sie wohl mit Fug und Recht, war sie doch selbst in dieser Zeit aktiv – zum Beispiel in der antiautoritären Schülerbewegung, wie sie selbst in einem Interview erzählte.


    Kurzum, 'Schrei nach Stille' ist ein sehr gut erzählter (Kriminal-)Roman mit Facetten, die über einen Krimi eigentlich hinausreichen, und erzählt von einer interessanten Zeit!


    4ratten

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Summer of Love, 1968. Dass das nicht immer nur Liebe, Frieden, Freiheit bedeutet, verdeutlicht einem das Buch von Anne Chaplet. Einer fiktiven Geschichte, in der viel Wahrheit steckt. Auf der Suche nach ihrem Summer of Love, ziehen drei Hippies in die ländliche Idylle Oberhessens und finden sich in einem Albtraum der Intoleranz wieder. Das spurlose Verschwinden von Menschen ist ein allgegenwärtiges Thema in dem Buch. Nicht nur eine der Hippies verschwindet 1968 spurlos, auch 40 Jahre später vermissen die Dorfbewohner einen kleinen Jungen. Diesmal ist es einer aus ihrer dörflichen Gemeinde, diesmal wird das Thema nicht totgeschwiegen. So kommt es, dass man von dem Verschwinden des Jungens am Anfang des Buches mehr zu lesen bekommt, als von dem Vermisstenfall 40 Jahre zuvor. Von den Hippies die von der Gemeinde nie Akzeptiert wurden. „Vergessen ist Gefahr und Gnade zugleich.“ Was ist damals geschehen? Diese Frage begleitete mich durch das ganze Buch und doch musste ich mich lange gedulden, bis ich mir aus einem Puzzle von Informationen etwas zusammensetzen konnte, was ich erst für die Wahrheit hielt.
    Es scheint als würden die Leser zusammen mit den Protagonisten nach der Wahrheit suchen. Nur das die Suche durch die Tatsache erschwert wird, das sich jede Figur des Romans zusätzlich mit ihrem eigenen kleinen Drama auseinandersetzen muss. Darüber wird nicht nur in einer kleinen Fußnote berichtet, ihnen werden ganze Buchseiten gewidmet, wodurch die Bezeichnung „Krimi“ während des Romans in den Hintergrund gedrängt wird. Würde auf dem schön gestaltetem Cover, nicht Kriminalroman stehen, währe ich nicht auf dieses Genre gekommen. In dem Buch zählt vieles mehr, als der Kriminalfall. Beim Lesen schien immer ein Lied mitzuklingen, das einem zum träumen von einem anderen Leben verleitet und doch werden jegliche Illusionen vom Summer of Love verdrängt. Nicht nur die Faszination die von den 60er Jahren ausgeht, auch die Art und Weise wie Anne Chaplet den Leser an die Geschehnisse von Damals heranführt, haben mich von Anfang an von dem Buch überzeugt. Die Frage nach der Wahrheit, als roter Faden der Geschichte fesselten mich ab der ersten Seite. If the truth is found to be lies and all of the joy within you dies.

  • Um gleich nochmal eine Frage dranzuhängen, die mich nach dem Buch doch ein wenig beschäftigt hat. Entweder habe ich an einer bestimmten Stelle zu unaufmerksam gelesen oder es wurde nie richtig erwähnt: Wer ist der Fotograf mit der Baskenmütze und dem roten Stern vorne. Er kommt im Buch regelmäßig vor und zum Schluss meinte er auch, das er im leben Sophi Winters eine Rolle gespielt hat...oder so ähnlich. Kann mir jemand weiterhelfen?

  • Ich hab es auch endlich geschafft. :schwitz:


    Inhalt:
    Sophie Winter lebt erst seit Kurzem in Klein-Roda, einem kleinen Dorf in Hessen. Jeder kennt dort jeden, aber sie lebt sehr zurückgezogen und hat kaum Kontakt zu den Bewohnern. Es stellt sich heraus, dass sie schon einmal dort gelebt hat – nämlich 1968 in einer Hippie-Kommune. Damals wurden sie und ihre beiden Mitbewohner vom Dorf schikaniert und es deutet zunächst alles darauf hin, dass sich dies fortsetzt.
    Ihre Erinnerungen an den „Summer of Love“ hat Sophie in dem gleichnamigen Buch festgehalten. Im Dorf stößt sie damit jedoch nur auf Widerstand und Ablehnung, da sich die Menschen in ihren Erzählungen wieder erkennen und bloßgestellt fühlen. So scheint auch schnell klar zu sein, wer Sophies Alltag immer wieder boykottiert.
    Im Laufe des Buches werden jedoch immer mehr Einzelheiten aufgedeckt, die ein ganz neues Licht auf das Geschehen werfen...


    Meine Meinung:
    Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich habe bis zum Ende keinen Zugang zu diesem Buch gefunden. Leider.


    Am Anfang fand ich den Schreibstil noch richtig klasse. Die Grundstimmung des Buches wurde wunderbar deutlich und der Leser wird nicht einfach in die Handlung „hineingeworfen“, sondern allmählich mit den bereits bekannten Sachverhalten vertraut gemacht. So weit so gut.


    Unglücklicherweise ändert sich der Stil nicht. Das Handlung treibt vor sich hin. Die Kapitelanfänge stellen jedes Mal einen Szenenwechsel dar – das ist ja an sich kein Problem, aber dadurch ist es mir nicht möglich gewesen, in die Handlung einzutauchen. Die Kapitel sind überwiegend sehr kurz. Das macht das Lesen zwar angenehm, aber die wirklich toll ausgearbeiteten Charaktere wirken nicht wirklich.


    Die Beschreibung der Personen und die Einblicke ihre Gedankenwelten gelingen der Autorin wirklich hervorragend – dies war es letztlich auch, was mich das Buch zu Ende lesen ließ. Die innere Zerrissenheit Sophies und die inneren Konflikte Bremers und DeLanges erzeugen eine Tiefe, die man selten bei Romanfiguren vorfindet. Um so bedauerlicher ist es, dass dies durch bereits erwähnte Szenenwechsel meist unterbrochen wird, um erst später irgendwann fortgesetzt zu werden.


    Außerdem positiv hervor zu heben ist in meinen Augen der Aufbau des Buches. Die durchaus vorhandene Spannung wird aufrecht erhalten, da sich die einzelnen Handlungsstränge mit dem Fortschreiten der Handlung immer weiter annähern. Es ergeben sich Beziehungen zwischen einzelnen Personen, die teilweise nicht zu erwarten waren. Für Überraschungsmomente ist also gesorgt.


    Dazu gehört auch das für mich überraschende Ende. Den Ausgang des Buches hätte ich so nicht erwartet. Die allmähliche Herleitung der tatsächlichen Geschehnisse verhindert einen konstruiert wirkenden Abschluss der Geschichte und wertet das Buch durchaus auf.
    Dennoch ist „Schrei nach Stille“ für mich insgesamt nur durchschnittlich, da die positiven Aspekt das Negative in meinen Augen nicht gänzlich wett machen können und ich eben keinen Zugang zum Buch gefunden habe.


    Meine Bewertung: 3ratten

    :leserin: Plichota/ Wolf: Oksa Pollock - Die Unverhoffte<br /><br />SLW - Annabas: 1/10<br />SLW - Seychella: 0/10

  • Anne Chaplet - Schrei nach Stille

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Klappentext:


    Sophie Winter konnte ihr dunkles Geheimnis bis jetzt bewahren. Doch vierzig Jahre nach '68 wird ihre wilde Vergangenheit plötzlich wieder lebendig. Nicht nur die Polizei interessiert sich auf einmal für das rätselhafte Verschwinden einer jungen Frau aus der Hippiebewegung. Ein spannender Kriminalroman um den mörderischen Sommer der Liebe.


    Meine Meinung:


    Sophie Winter hat ein sehr erfolgreiches Buch geschrieben, das verfilmt werden soll. In ihrem Buch geht es um drei Hippies, die in einem großen Haus wohnen, allerdings von den anderen Dorfbewohnern gemieden werden und Sophie geht sogar noch einen Schritt weiter, und behauptet, dass die Dorfbewohner für den Tod einer der Personen verantwortlich sind.
    Viele Parallelen lassen sich aus dem Roman in die Wirklichkeit ziehen, denn auch 1968 lebten drei Hippies in Klein-Rhoda und ein Mädchen verschwand für immer...


    Nach einem Sturm findet Paul Bremer Sophie eingeklemmt unter einem Baum und kümmert sich seitdem um die etwas verwirrte Autorin. Dadurch bemerkt er, dass dem Dorf manche Fremde immernoch nicht recht sind...


    Positiv angetan von einer Leseprobe, habe ich mit Freude diesen Krimi gelesen.
    Actionreich ist das Buch nicht, im Gegenteil. Der Anfang plätschert eher leicht vor sich hin, und gibt dem Leser nach und nach Einblicke in das Dorfleben und in die ganze Situation.
    Etwas störend fand ich, dass jedes Kapitel aus der Sicht einer anderen Person erzählt wird. An sich finde ich so etwas gut und interessant, allerdings waren es in diesem Fall zu viele Personen.
    Die bildhafte Sprache von Anne Chaplet, zusammen mit teilweise eher kurzen, abgehackten Sätzen, hat mir von Anfang an sehr gut gefallen. Die Atmosphäre empfand ich als sehr bedrückend, düster und geheimnisvoll. Von der ersten Seite an, wurde meine Neugier geweckt, wie das Buch wohl ausgehen wird.


    Insgesamt war es ein schönes und interessantes Leseerlebnis für mich.
    4ratten

    Books are the ultimate Dumpees: put them down and they’ll wait for you forever; pay attention to them and they always love you back.<br />John Green - An Abundance of Katherines<br /><br />:lesewetter: Caprice

  • Hallo zusammen,
    nun reihe ich mich auch ein in die wachsende Liste der Rezis. :zwinker:


    [hr]


    Eigentlich lese ich keine Krimis. Aber Schrei nach Stille ist eigentlich auch kein Krimi.


    Für eingefleischte Krimi-Fans startet die Handlung wahrscheinlich viel zu spät. Besonders am Anfang liefert die Autorin eher Einblicke in die Gesellschaft von Klein-Roda und die besonderen Regeln des Dorflebens. Oder Rückblicke in den Sommer der Liebe. Parallel folgt sie dem Kripobeamten DeLange. Ich hingegen fand es wunderbar, wie Chaplet eine subtile Spannung aufbaut, indem sie erst fast beiläufig Fragen stellt und Ungereimtheiten einstreut, und dabei eine wunderbar dichte Atmosphäre schafft. Nach und nach rückt der Kriminalfall immer mehr in den Vordergrund, Verbindungen werden aufgedeckt, Vermutungen zu Gewissheiten.


    Dabei bietet Chaplet dem Leser runde Protagonisten, oder besser: Figuren mit Ecken und Kanten. DeLange z.B. wurde von seiner Frau verlassen, allerdings nicht, weil er ein Arbeitstier ist sondern weil sie sich selbst verwirklichen wollte. Und er lebt nun mit den beiden pubertierenden Töchtern zusammen und sehnt sich nach einer intakten Familie.


    Chaplets Sprache hat mich bereits bei der Leseprobe überzeugt, das Niveau hält sie über die gesamte Erzählung. Interessant sind die Einschübe direkter Rede, mit denen sie manchmal kurz und knapp Stimmungen oder Begebenheiten abruft, oder auch SMS-Gesprächsfetzen oder Liedzitate.


    Insgesamt ein lesenswertes Buch, wenn man subtile Kriminalfälle mit Atmosphäre mag statt Handlungen zwischen Tatort und Verhörraum.


    4ratten


    [hr]


    Die Sprünge der Handlung von Kapitel zu Kapitel, die manchen von euch negativ aufgefallen sind, fand ich überhaupt nicht störend. Im Gegenteil, dadurch musste ich immer weiter lesen, auch bei den kurzen Kapiteln liest man sich so doch recht schnell fest. :zwinker:



    Ein kleiner Punkt ist mir aufgefallen: Anne Chaplet schreibt von einem schwarzweißroten Kater. Den würde ich gerne sehen… da diese Katzen immer weiblich sind. Es können zwar auch dreifarbige Kater geboren werden, aber diese sterben kurz nach der Geburt, weil sie ein Gen zuviel haben, hat mir mein Tierarzt mal erklärt.


    Für Deutschland scheint das zu stimmen, aber ich habe selbst in Griechenland schon einige dreifarbige Kater gesehen - eigentlich waren dort die "Glückskatzen" immer Kater. Um so interessanter finde ich deinen Hinweis mit dem Gen, ich werde bei Gelegenheit meine Tierärztin auch mal fragen...



    Mir ist aufgefallen, dass überall Katzen auftauchen in dem Roman. Ich wusste das nicht zu deuten, deshalb habe ich das in meiner Rezension nicht erwähnt. Hast du, beziehungsweise habt ihr, da eine Interpretation?


    Ich glaube, Chaplet mag Katzen einfach. :zwinker: Laut Klappentext besitzt sie selbst drei. Was Alisha, die weiße Katze von Sophie Winter, angeht:



    Um gleich nochmal eine Frage dranzuhängen, die mich nach dem Buch doch ein wenig beschäftigt hat. Entweder habe ich an einer bestimmten Stelle zu unaufmerksam gelesen oder es wurde nie richtig erwähnt: Wer ist der Fotograf mit der Baskenmütze und dem roten Stern vorne. Er kommt im Buch regelmäßig vor und zum Schluss meinte er auch, das er im leben Sophi Winters eine Rolle gespielt hat...oder so ähnlich. Kann mir jemand weiterhelfen?


    Ich glaube, das ist der junge Mann, mit dem Sophie an dem Abend in der Kneipe ist, als sie Charles trifft. Der beim Reden Gesten macht, als würde er eine Salami zerteilen. :zwinker:


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Betreffend der dreifarbigen Kater. Es handelt sich um eine Anomalie in der Chromosomenanzahl. Männchen haben ja normalerweise X und Y, Weibchen X und X. Nur das X Chromosom trägt die Farbinformation. Entweder schwarz oder rot. Und da Kater normalerweise nur ein X Chromosom haben, können sie auch nur rot oder schwarz im Fell haben. Solche dreifarbigen Kater haben ein X Chromosom zuviel, nämlich X, X und Y. Die meisten dreifarbigen Kater sind steril, sonst jedoch 'normal'. Dass die alle sterben ist ein Blödsinn. :rollen: Gibt es beim Menschen übrigens auch (natürlich nicht dreifarbig, sondern steril :zwinker:) Übrigens, lieber einen Genetiker fragen. Meiner Erfahrung nach haben 95% der Tierärzte von sowas null Ahnung (bestätigt sich hier im Thread auch wieder). Einer behauptete doch glatt, es gäbe keine roten Weibchen. Dann muss wohl die Mutter meines Katers ein Geist sein :breitgrins:


    Ich hoffe, das war jetzt halbwegs verständlich.


    Bezüglich Griechenland ist mein heißer Tipp folgender: Stressfaktoren spielen bei solchen Anomalien eine große Rolle. Unter Stressfaktoren fallen auch schlechte, unregelmäßige Ernährung, mangelnde medizinische Versorgung etc. Also schlicht und einfach schlechte Umwelt-, Lebensbedingungen. Das führt zu einer höheren Anfälligkeit für Erbkrankheiten. Da so etwas in den südlichen Ländern leider öfters als hier der Fall ist, werden dort auch dementsprechend mehr 3farbige Kater rumlaufen. Ich bin mir sicher, dass das alle Gebiete betrifft, in denen die Katzen solchen Umweltbedingungen ausgesetzt sind zB auch Türkei, Spanien, Süditalien etc.

    "Man hat in der Welt nicht viel mehr, als die Wahl zwischen Einsamkeit und Gemeinheit." A. Schopenhauer

    :blume::engel::katze:

  • Sandi, vielen lieben Dank für diesen interessanten Exkurs! Da kann ich demnächst ja wunderbar mit meinem neuen Wissen angeben. :zwinker:


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Ein beeindruckendes Zeugnis des "Summer of Loves"


    „Das Haus. Es wehrt sich. Es schlägt um sich. Es platzt vor Wut.“
    Ein Gefühl von Nostalgie und einer, den Leser scheinbar einholenden Vergangenheit umhüllt dieses Buch.
    Ein altes Haus, umgeben von dichtem Blattwerk. Knarrendes Holz und der Duft nach Harz und Regen. Es ist hier, ganz dicht neben uns... es lauert in diesem Buch... das Fremde.
    „Das Haus seufzte. Ein kühler Lufthauch zog an ihr vorbei. Sie musste den Geistern opfern.“
    Welchen Geistern? Den Schatten der Vergangenheit? Sich selber?


    Mit kurzen, sich dem Leser einprägenden Sätzen gelingt es Anne Chaplet eine Spannung und ein Lebensgefühl heraufzubeschwören welches den Leser an das Buch fesselt.
    Das Buch erscheint mir primär nicht als Krimi sondern eher als eine erklärte Wertschätzung an den „Summer of Love“ Eine längst vergangene Zeit, voll von einer ungeheuren Magie und Lebensfreude. Nicht nur freie Liebe, sondern auch Freundschaft, Lebenslust und Lebensgier prägten diese Zeit. Dies habe ich dank des Buches verstanden.
    Ich bin 1991 geboren und damit entschieden zu jung um die Atmosphäre nachvollziehen zu können. Bislang blieben mir nur Filme, Musikstücke und die Erzählungen von „Zeitzeugen“ dieser länderübergreifenden „Epoche“ um nur annähernd zu verstehen, um was es damals wirklich ging. Freiheit über sich selbst. Loslösung von längst Festgelegtem. Der Abwurf von Ketten und Prinzipien. Jugend! Die Jugend begehrt immer gegen die Erwachsenengeneration und die Eltern auf. Doch 1968 war anders. Ganz anders.


    Verpackt in einen sehr anschaulich beschriebenen Krimi, verfolgt der Leser das Leben von verschiedenen Menschen mit den unterschiedlichsten Lebensauffassungen. Die Geschichte spielt nicht „wirklich“ im Jahre 1968 sondern erzählt im Grunde die „Verarbeitung“ dieser Zeit innerhalb der Grenzen einer kleinen abgeschiedenen und traditionellen Dorfgemeinschaft.
    Sophie Winter, lebt in einem alten aber geschichtsträchtigem Haus welches so gar nicht in die geordnete Dorfgemeinschaft passen will. Unausgesprochene Spannungen schweben in der Luft. Was haben die Dörfler gegen Sophie? Was macht sie selber so anders? Was ist echt, aus ihrem vor kurzem veröffentlichtem Buch „Summer of Love“?
    Faszinierend finde ich, dass die erzählte Geschichte selber in „Schrei nach Stille“ am häufigsten in jenem Buch „Summer of Love“ auftaucht, bevor sie sich, durch die Gedanken und Erscheinungen Sophies vergegenständlicht und in die neue Zeit hinein versetzt.


    „Sie blieb sitzen am Küchentisch, die Katze auf dem Schoß, horchte auf die Atemzüge des Hauses und das Pochen ihres Herzens. Sie saß und saß und starrte hinaus in den Garten. Die Tanne winkte ihr zu, als ob sie ihr etwas sagen wollte.“
    Die Seele der Natur erscheint in diesen Momenten als eine Wirklichkeit. Es bleibt bis kurz vor Schluss verborgen was das Gesicht des Hauses und des Gartens einst prägte. Nur Sophie scheint es von Anfang an zu wissen, aber sie wirkt dem Ganzen nicht gewachsen. Ihre Mentalität passt daher, finde ich, genau zu ihrem Wohnsitz.


    Durch die häufigen Veränderungen in der Perspektive wird dem Leser eine Art Rund-um-Blick ermöglicht. Lange bleibt der wirkliche Kriminalfall geheim und der Leser kann ungehindert und unbeachtet der erst später folgenden „Verbindungen“ und „Verstrickungen“ in die geschilderte Atmosphäre eintauchen. Eine Atmosphäre gespickt von beängstigender Harmonie zwischen Leblosem und Lebendem, einer einflussreichen Vergangenheit und ihrer Gegenwart.
    „Schrei nach Stille“ ist ein gelungenes und ein wirklich „anderes“ Buch über das Ende der 1960er.


    4ratten

    Ich bin, was du träumst.<br />Ich wache immer über dich.<br />Ich bin, was deine Hand lenkt.<br />(gez. Seele)

  • Das Buch "Summer of Love" der zurückgezogen
    lebenden Schriftstellerin Sophie Winter soll verfilmt
    werden. Vor ziemlich genau 40 Jahren ereignete sich
    etwas Schreckliches in genau dem Dorf, in dem nun lebt.
    Der junge Hippie Sascha verschwand spurlos. Dies
    verarbeitete sie in dem Roman und ließ darin Sascha
    sterben. Weiß sie mehr, als die Polizei oder ist dies
    schriftstellerische Freiheit?


    Der Frankfurter Polizeibeamte Giorgio DeLange, der die
    Verfilmung des Buches als polizeilicher Berater
    unterstützt, wird neugierig. Gleichzeitig beschäftigt
    ihn das Verschwinden eines Jungen. Steht dies in einem
    Zusammenhang? Ist er einfach von zuhause abgehauen oder
    ist er Opfer eines Sexualverbrechers?


    Die dicht geschilderte Atmosphäre im Dorf, die
    familiäre Situation des Ermittlers und der Kampf gegen
    eine beginnende Demenz der Schriftstellerin konnten
    mich beim Lesen ebenso fesseln, wie der eigentliche
    Kriminalfall.


    Die kurzen Sätze machen mich beim Lesen darauf
    aufmerksam, dass ein dementer Mensch Probleme mit
    Schachtelsätzen haben muss und verdichtet die Situation
    ebenso, wie die akribische Schilderung der
    Wassertropfen, die sich erst einen Weg ins Regenfass
    und dann dort heraus bahnen.


    5ratten