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Ohne Tolkien gäbe es gar keine Vielfalt der deutschen Fantasy, also liegt wohl so etwas wie ausgleichende Gerechtigkeit darin, wenn die Mittelerdisierung den Ast der deutschen Fantasy absägen wird. Irgendwann wird die Völkerschlacht geschlagen sein, weil auch der letzte Leser begriffen hat, daß in einer Elbenserie á la Tolkien NICHT Tolkien drin ist, sondern daß es sich nur um gedruckte Fan-Fiktionen, sprich tolkieneske Adaptionen und Interpretationen seiner Stoffwelten handelt. Irgendwann werden diese immer neuen Aufgüsse von Splittern des Altmeisterkonzepts langweilig werden, die Verlage werden auf ihren Zwergenfluten sitzenbleiben und sich nach neuen Suchtmitteln umschauen, mit denen sie die fantasyhungrige Leserschaft anfixen können.
Doch sie werden sich nicht in Deutschland umschauen, denn der deutsche Markt ist viel zu klein und verlagstechnisch gesehen viel zu unbedeutend, als daß es - von Ausnahmeerscheinungen mal abgesehen - deutschen Autoren gelänge, tatsächlich den Sprung auf den englischsprachigen Buchmarkt zu schaffen. Erfolg bei der englischsprachigen Leserschaft ist jedoch seit Jahrzehnten der einzige, wirklich bedeutsame Gradmesser für Fantasy im Verlagswesen.
Insofern ist es egal, ob deutsche Autoren sich gerade Äste absägen, weil es ohne die vielen Völker Tolkiens ohnehin keinen Ast gäbe, auf dem sie sitzen können. Wenn die Elben, Orks und Zwerge ins Altersheim geschickt, sprich im Dutzend billiger verramscht werden, geht für die meisten dieser neuen deutschen Fantasy-Autoren ohnehin das Licht wieder aus - qualitativ ambitionierte Mittelerdevergangenheit hin oder her. Verlage werden sich erneut dem zuwenden, was sie ohnehin all die Jahrzehnte zuvor getan haben - sie werden jene Autoren ins Deutsche übersetzen, deren Bücher bereits auf dem englischsprachigen Markt erfolgreich waren/sind.
Der Lesehunger auf Fantasy IN Deutschland wird nicht enden, aber der Lesehunger auf Fantasy AUS Deutschland wird früher oder später enden, unabhängig davon, ob sich diese Fantasy auf Mittelerde festlegt oder nicht. Wahrscheinlich ist es ein zwangsläufiger Teufelskreis. Neue deutsche Autoren haben als Mittelerdeautoren eine Chance, bei großen Verlagen herauszukommen, die ansonsten nur eingeführte Autoren verlegen und neue Autoren nur dann, wenn deren Bücher schon auf dem englischsprachigen Markt Erfolg hatten. Diese deutschen Autoren würden bei großen Verlagen nicht angenommen werden, wenn sie KEINE Mittelerdedestillate verfassen würden.
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