Milton Hatoum – Zwei Brüder

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    Inhalt: Zana und Halim, libanesische Einwanderer, leben mit ihren drei Kindern, den Zwillingen Yakub und Omar sowie der Tochter Rânia, in Manaus. Der jüngere Zwilling Omar war als Baby sehr krank und Zana rechnete damit, ihn zu verlieren. Daher konzentriert sie ihre gesamte Zuwendung auf diesen Sohn, Yakub wächst mehr oder weniger unter der Obhut des indianischen Hausmädchens Domingas auf. Omar ist der draufgängerische der beiden Brüder, was zunächst kein Problem ist, bis sich beide Jungen in das gleiche Mädchen verlieben und Omar Yakub aus Eifersucht im Gesicht verletzt. Weil die Mutter eine Trennung von ihrem Liebling nicht erträgt, wird Yakub für fünf Jahre zu Verwandten in den Libanon geschickt, nach seiner Rückkehr beginnt eine schwierige Phase der Wiedereingewöhnung. Da Zana immer noch nicht in der Lage ist, ihre Zuneigung beiden Söhnen gleichermaßen zu gewähren, besinnt sich Yakub auf sich selbst und macht Karriere als Ingenieur in São Paulo. Omar hingegen verbringt seine Nächte saufend und mit sexuellen Ausschweifungen, immer in der Sicherheit, zu Hause von drei Frauen (seiner Mutter, seiner Schwester und Domingas) wieder aufgepäppelt zu werden und jeden Wunsch erfüllt zu bekommen. Auch kriminelle Handlungen verzeiht Zana ihrem Sohn und macht andere für seine Fehler verantwortlich. Nur eines darf er nicht tun: Sich ernsthaft in eine Frau verlieben, die eine Konkurrenz zur Mutter-Sohn-Liebe werden kann. Dann ergreift Zana wirkungsvolle Maßnahmen zur Entfernung der betreffenden Frau aus Omars Leben. Halim ekelt sich manchmal regelrecht vor Omar und wünscht sich seinen anderen Sohn näher, ist aber aus Liebe zu seiner Frau nicht in der Lage ihrer unvernünftigen Mutterliebe Grenzen zu setzen, von solchen Omar gegenüber ganz zu schweigen. Und Yakub plant nach wie vor seine Rache am Bruder.



    Meine Meinung: Der Leser erfährt die Geschichte aus dem Mund von Domingas Sohn Nael, der eigene Beobachtungen, Erzählungen Halims und seiner Mutter zusammenpuzzelt, auch weil er vor einer für ihn wichtigen Frage steht: Welcher der beiden Zwillinge ist sein Vater? Und obwohl Nael immer wieder auf diese Frage zurückkommt, ist sie nicht bestimmend für die Erzählung. Die Rivalität der Brüder und die Dreiecksbeziehung mit der Mutter stehen im Mittelpunkt, auf geschickte Weise präsentiert.


    Das Verhältnis zwischen den Brüdern ist – sowohl in den Auswirkungen als auch im konkreten Verhalten – gut nachvollziehbar, wenn auch im Detail erschreckend, die Rivalität förmlich mit Händen zu greifen. Völlig unverständlich blieb mir aber die Mutter Zana. Ich kann verstehen, daß eine Mutter negative Seiten ihres Kindes nicht sehen will und es gegen (tatsächliche oder vermeintliche) Anfeindungen von außen in Schutz nimmt, das erwarte ich eigentlich sogar. Aber die Bedingungslosigkeit, mit der Zana sich auf Omar konzentriert und Yaqub, das eigentliche Opfer, zum Täter definiert, das hatte etwas Erschreckendes. Yaqub war für mich auch nicht gerade ein Sympathieträger, dafür ist er zu in sich abgeschottet, aber die Behandlung durch Mutter und Bruder hat er nicht verdient, zumal auch nicht klar ist, inwieweit diese erst Auslöser seines Verhaltens ist. Der Vater Halim ist zwar durchaus sympathisch, aber ein Schwächling Frau und Kindern gegenüber, der die familiäre Katastrophe nicht stoppen kann. Seine vereinzelten Ansätze werden entweder von Zana unterlaufen oder sind von vornherein von Hilflosigkeit geprägt.


    Die Zwangsläufigkeit, mit der die Personen ihrem Schicksal folgen und sich in ihren Ansichten über die Verletzungen, die die anderen ihnen jeweils zugefügt haben (sollen), einrichten, lassen eine Versöhnung der Brüder von Beginn an aussichtlos erscheinen. Man ist versucht, den ein oder anderen ordentlich durchzuschütteln, um die Realität zur Kenntnis zu nehmen, aber so, wie vor allem die Frauen hier veranlagt sind, ist zu bezweifeln, daß es etwas nützen würde. Ich habe jetzt zwei brasilianische Romane gelesen, die im Milieu der levantinischen Immigranten angesiedelt waren, und muß feststellen, daß familiäre Konfliktlösungsmechanismen ein schwieriges Feld zu sein scheinen – noch mehr, als sie es in den Ursprungsländern, wenn ich Vergleiche zu entsprechender Literatur aus diesen Ländern ziehe, ohnehin auf Grund einer Konzentration auf die Männer bzw. Jungen sind. Insgesamt aber ein wirklich tolles Buch!


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen