Oda Buchholz & Wilfried Fiedler (Hg.) – Erkundungen. 8 albanische Erzähler

  • (keine ISBN, keine ASIN)


    Inhalt:


    Enthalten sind die folgenden acht Erzählungen:


    [li]Fatmir Gjata: Gelbe Fluten – Mühselig ist das Leben der Bauern und Leibeigenen. Der junge Peti möchte Zarika heiraten, aber sie ist Muslimin und er Christ. Und dann kommt auch noch sintflutartiger Regen, die Bauern versuchen ihre Häuschen so gut es geht zu schützen, aber vergeblich. Zarikas Vater Baki weigert sich, seine Hütte zu verlassen.[/li]
    [li]Sotir Andoni: Der Verlorene – Wie so viele andere macht sich Kolja auf den Weg nach Athos, um dort die Arbeit zu finden, die es zu Hause nicht gibt. Zurück läßt er seine Familie und seine junge Frau. Nie ist der richtige Zeitpunkt, die Arbeit bei den Meilern zu verlassen, denn die Familie braucht immer wegen irgendwelcher Katastrophen Geld. Aber schließlich ist der Tag der Heimkehr da ...[/li]
    [li]Dritëro Agolli: Lebe wohl, mein Hauptmann! – Eine Räubergruppe ist eine Räubergruppe und keine Partisanenschar. Kein Wunder, daß die Vereinigung der zwei Gruppen nicht ohne Komplikationen abgeht und letztlich scheitert. Blutig.[/li]
    [li]Jakov Xoxa: Die drei Greise und Mihal – Auch Partisanen müssen essen, aber wie schmuggelt man den Proviant zu ihnen?[/li]
    [li]Shevqet Musaraj: Das war ich, Çobo Rrapushi ... – Nach mehreren Jahren in der Hauptstadt, wo er seinem Neffen und dessen Frau auf der Tasche gelegen hat, wird Çobo von einem Freund zurück in sein Dorf geholt. Dort kennt er sich gar nicht mehr aus, denn die Einzelhöfe sind aufgelöst zugunsten einer großen Genossenschaft. Çobo hat ziemliche Probleme, sich in die neue dörfliche Welt zu integrieren, aber die wohlwollende Anleitung der Genossen hilft ihm natürlich :rollen: [/li]
    [li]Dhimitër Shuteriqi: Die Flöte der Tana – Der Museumsdirektor ist wie elektrisiert, als er von einem wichtigen Stück hört, das seinem Museum fehlt: Die Flöte der Tana. Viel Zeit verbringt er damit, diese Flöte, über die er nichts weiß, aufzutreiben. Bis er eines Tages in einem Dorf auf Opa Shahin trifft, der ihm zumindest die Geschichte der Flöte erzählen kann.[/li]
    [li]Naum Prifti: Die Verlobte – Myrteza ist Witwer und ein Bauer von altem Schrot und Korn, deshalb bestimmt er natürlich, wem die Tochter anverlobt wird. Dumm nur, daß das Gerücht aufkommt, er habe Brautgeld verlangt, was nicht mehr erlaubt ist. Und noch dümmer, daß Sadetja den Nachbarn Raif liebt. Da der Vater sich weigert, die bereits bekannt gegebene Verlobung zu lösen (schließlich will er im Gegenzug noch die Tochter seines zukünftigen Schwiegersohns heiraten), müssen die Liebenden zu anderen Mitteln greifen.[/li]
    [li]Ismail Kadare: Wintersaison im Café Riviera – Kellner im Café Riviera ist eigentlich ein schöner Job. Bis die Verlobungssaison anfängt. Dauernd werden Tische für einen „freudigen Anlaß“ reserviert, bei dem die Leute gar nicht so furchtbar fröhlich aussehen und die zukünftigen Brautleute in den seltensten Fällen anwesend sind. Der Erzähler, der diesen verbotenen Brauch der Vermittlung, ablehnt und ihn in der Hauptstadt auch nicht mehr erwartet hätte, legt sich darüber mit dem Leiter des Cafés an. Aber die schlimmste dieser „Feiern“ steht ihm noch bevor.[/li]



    Meine Meinung: Drei Themen stehen im Mittelpunkt der Erzählungen. Zum einen geht es um die alten feudalistischen Verhältnisse und das ärmliche Leben der Bauern und Leibeigenen (Gjata und Andoni). Dann spielt der Partisanenkampf gegen Italiener und Deutsche im Zweiten Weltkrieg eine wichtige Rolle (Agolli und Xoxa). Und schließlich dreht sich vieles um die sozialistische Umgestaltung der Gesellschaft und die damit einhergehenden Konflikte zwischen moderner Gesellschaftsordnung und alten Bräuchen (Musaraj, Shuteriqi, Prifti und Kadare).


    Erwartungsgemäß (angesichts der Herkunft des Buches) haben mir vor allem die Texte zum letzten Bereich ziemlich Schüttelfrost verursacht. Aus heutiger Warte und mit Kenntnis der Ergebnisse des eingeschlagenen Weges kommt vor allem die Erzählung Das war ich, Çobo Rrapushi ... als ein nerviges Stück Propaganda in der Lobpreisung des Genossenschaftswesens daher. Bei der zweiten Geschichte aus diesem Block, Die Flöte der Tana betrifft es zum Glück nur die Rahmenhandlung, so daß sich einigermaßen leicht darüber hinweglesen läßt. Abgesehen davon haben mir die Geschichten aber recht gut gefallen, sie sind eindringlich erzählt und bieten einen guten Rundumblick auf Albanien, seine Probleme und seine Entwicklung bis etwa in die 1960er Jahre, sofern man sich der Entstehungsumstände bewußt bleibt. Interessant (trotz der Ideologie) war auch das Nachwort der Herausgeber und die Kurzporträts der Autoren.


    4ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen