Ismail Kadare – Der General der toten Armee

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    Inhalt: Etwa 20 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges reisen zwei Italiener, ein General und ein Priester im Range eines Oberst, durch Albanien, um gefallene italienische Soldaten zu exhumieren und zurückzuschicken. Der General, der selbst den Krieg an anderen Schauplätzen verbrachte, spricht kein Albanisch und sieht das Projekt zu Beginn als eine Angelegenheit von zwar mehreren Wochen, aber immerhin einer ehrenhaften Aufgabe. Der Priester, des Albanischen mächtig und mit den Sitten und Gebräuchen wohl vertraut, ist ob der Ignoranz des Generals oft verzweifelt, muß sich aber seinem ranghöheren Vorgesetzten unterordnen. Die widrigen Witterungsbedingungen und das gebirgige Gelände bereiten den beiden ebensoviele Schwierigkeiten wie die mal mehr, mal weniger offene Ablehnung der Bevölkerung, so daß das Suchen der Gräber und die Exhumierungen schließlich zwei Jahre brauchen. Vor allem der General leidet psychisch unter dem Druck, keinen Soldaten und vor allem nicht Oberst Z. vergessen zu dürfen, denn viele Hinterbliebene hatten ihn persönlich aufgesucht. Dazu kommen eine ganze Reihe von Einzelschicksalen, die sich den beiden Suchern offenbaren: von Deserteuren, die bei Albanern gearbeitet haben und dann doch aufgespürt und hingerichtet wurden, von tiefer Freundschaft zwischen Soldaten, von wahnwitzigen Einzel- und Guerillaaktionen der Albaner gegen die Besatzer. Vieles davon läßt den Krieg speziell in Albanien für den General in anderem Licht erscheinen, was seiner seelischen Verfassung nicht zuträglich ist. Aber zum Glück ist ein Ende der Arbeit in Sicht, nur Oberst Z. fehlt immer noch ...



    Meine Meinung: Es war auf jeden Fall eine interessante Lektüre, mit diesem Duo aus „unwissendem“ (um nicht zu sagen ignoranten) General und dem Priester. Die Albaner kommen hierbei nicht gut weg, der Priester bezeichnet sie mehrfach als quasi von Natur aus gewalttätig und kriegslüstern, beklagt den Stellenwert von Waffen und ähnliches. Eigentlich entspricht dies so ziemlich dem vagen Bild, das sich – wie ich zugeben muß – auch bei mir von diesem Land breit gemacht: Ehre ist ein wichtiger Begriff, und daß durch die Blutrache noch nicht das ganze Land entvölkert ist, ist ein Wunder. Es stellt sich mir die Frage, ob Kadare damit vor allem seine Landsleute und eine Reihe ihrer Bräuche, Angewohnheiten und Lebensweisen kritisieren wollte, insbesondere im Hinblick auf verbreitete Gewalttätigkeit (das Bild also im großen und ganzen stimmt), oder ob er damit eigentlich überzeichnet hat, um just jenes außerhalb Albaniens herrschende Bild vom Land zu karikieren. Ich kann das gegenwärtig einfach nicht entscheiden.


    Weiterhin hat mich gewundert, mit welcher Selbstverständlichkeit hier ausschließlich Christen auftauchen, obwohl der Islam in Albanien die vorherrschende Religion war und trotz der kommunistischen Anwandlungen zumindest nominell immer noch ist. Wie hätte dann ein Umgang mit dem Thema „Störung der Totenruhe“ ausgesehen? Aber möglicherweise wäre das dann doch zuviel der Konfliktpotentiale geworden, die stellvertretenden Einzelschicksale aus dem Krieg, die Kadare hier aus den Ermittlungen des Generals und des Priesters, aus aufgefunden Tagebüchern und aus den Berichten der Albaner aufscheinen läßt, sorgen schon für einige Erschütterungen an einem Schwarz-Weiß-Bild von „recht getan“ oder „unrecht getan“. Obwohl dem General hier durchaus eine Entwicklung anzumerken ist, wäre diese vielleicht für den Leser noch eindrücklicher ausgefallen, wenn die Personen nicht so distanziert blieben. Namen bekommen nur ein paar wenige Nebenfiguren, ansonsten ist immer nur vom General, vom Priester, vom albanischen Spezialisten, vom Fahrer usw. die Rede. Selbst der verschollene Oberst Z. wird durch diesen Buchstaben schon fast greifbarer als die beiden Sucher.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen