Kurt Tucholsky, der Satiriker und Lyriker

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  • Hallo zusammen!


    Kurt Tucholsky wird nach meinen Erfahrungen zusehends auf den Autor von Rheinsberg und Schloß Gripsholm reduziert. Zwei zeitlose hingetuschte Liebesgeschichten mit gerade soviel Tiefgang, dass sie nicht kitschig werden. Das ist ok und soll Tucholsky auch nicht angekreidet werden. Den Lesern ebenfalls nicht.


    Doch es gibt auch einen andern Tucholsky: den Satiriker und den Lyriker. Vor allem der Satiriker verdient auch heute noch unsere Aufmerksamkeit. In der Figur des Herrn Wendriner hat er uns den spiessbürgerlichen Kleinunternehmer hingestellt, wie er auch heute noch herumläuft. Tucholsky als Literaturkritiker, der Kafkas Die Strafkolonie und Der Prozess ungeheuer positiv bespricht, auch wenn er zugibt, dass er eigentlich nicht versteht, worum es geht. Dass seine Vorliebe bei den Brüdern Mann eindeutig Heinrich gehört, braucht wohl nicht extra betont zu werden. Am deprimierendsten ist es aber, zu lesen, wie Tucholsky an der Weimarer Republik schon kurz nach dem Ersten Weltkrieg genau die Schwächen erkennt und an den Pranger stellt, die zu deren Versinken im rechtsextremen Sumpf führen konnte.


    Die heutige politische Situation ist anders, ganz anders. Doch das ist ein Grund mehr, den politischen Satiriker Tucholsky immer wieder mal hervorzusuchen und ganz genau zu lesen. Er hat uns immer noch viel zu sagen!


    Den Lyriker könnte ich, ehrlich gesagt, eher missen. Kästner, sein Zeit- und Kampfgenosse hat da m.M.n. Besseres geleistet. Das zentrale Thema praktisch jeder Lyrik: Frauen und Liebe ... man merkt Tucholsky an, dass er damit so seine Mühe hatte ...


    Grüsse


    Sandhofer


    PS. Ich habe, das sich meine Taschenbuch-Werkausgabe in Flugblätter aufgelöst hat und weggeworfen hat werden müssen, mir eine gebundene Auswahlausgabe in 2 Bänden zugelegt:

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    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Kurt Tucholsky wird nach meinen Erfahrungen zusehends auf den Autor von Rheinsberg und Schloß Gripsholm reduziert.


    Ich reihe mich ein, mehr als diese beiden Werke kenne ich wirklich nicht. Das eine als Film, das andere als Buch.
    Ansonsten weiß ich gerade mal um seine Pseudonyme.


    Meine ersten Recherchen ergeben, dass er im eigentlichen Sinne kein Roman- oder Buchautor war, sondern kürzere Erzählungen geschrieben hat und für Chansons Texte geliefert hat? Ich finde nämlich auf Anhibe nur Textsammlungen von ihm...

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  • Hallo zusammen!


    Meine ersten Recherchen ergeben, dass er im eigentlichen Sinne kein Roman- oder Buchautor war, sondern kürzere Erzählungen geschrieben hat und für Chansons Texte geliefert hat? Ich finde nämlich auf Anhibe nur Textsammlungen von ihm...


    Textsammlungen? Ja, logisch: Er schrieb auch praktisch nur kürzere Texte. Die wenigsten davon sind allerdings eigentliche Erzählungen, sondern tagespolitische Satiren und journalistische Berichte. Tucholsky war Mitarbeiter, eine Zeitlang auch Herausgeber, der Zeitschrift Die Weltbühne - einer linksbürgerlichen, pazifistischen Institution der Weimarer Republik.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Tucholsky hat auch viel gegen den Krieg geschrieben und einiges von ihm ist sehr wahr und sehr bitter.
    Aber ich muß sagen, daß ich seine Geschichten vom "Lottchen" auch mag :zwinker:

    viele Grüße<br />Tirah

  • Ich muss ganz ehrlich sagen, dass er mir als Satiriker bekannt war, bevor ich diese beiden Erzählungen von ihm las (die mir auch nicht ganz so gut gefallen mögen wie seine humoristischen Schriften).
    Zweifelsohne ist er einer der ganz großen gewesen; neben Morgenstern eigentlich mein favorisierter (deutscher) Schriftsteller aus dem 20. Jahrhundert. Seine Sprache und sein Witz sind einmalig.


    Bei meiner letztjährigen GFS, die ich über das Thema "Satire" hielt, verwendete ich folgenden Beispieltext dieses wundervollen Literaten: http://www.rhetorik.ch/Tucholsky/Schlecht.html / http://www.rhetorik.ch/Tucholsky/Gut.html


    Herrlich. :smile:

  • Ich habe Tucholsky auch durch "Schloß Gripsholm" kennengelernt und mir dann vor kurzem "Gruß nach vorn" zugelegt, eine Textsammlung, herausgegeben von Erich Kästner und vom Anaconda-Verlag im September 2006 neu aufgelegt.


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    Es sind wohl Erich Kästners Lieblingstexte von Tucholsky und damit vermutlich nur ein kleiner Ausschnitt aus seinem Werk. Aber für den Einstieg reicht es bestimmt, denke ich.


    Schmunzeln musste ich bei der Beschreibung Tucholskys im Klappentext als "kleiner, dicker Berliner, der mit der Schreibmaschine eine Katastrophe aufhalten wollte."


    Bin schon gespannt darauf, nun muss ich nur noch zum Lesen kommen. :zwinker:


    Viele Grüße
    Miramis

    :lesen: Kai Meyer - Die Bibliothek im Nebel

  • Hallo


    Ich habe auch meinen Tucho einmal komplett und diagonal mehrmals gelesen. Es ist schon faszinierend, wie ein Mann unter 4 verschiedenen Pseudonymen dermassen brillante Satiren schreiben konnte. Er ist für mich neben Heine der grösste Satiriker in deutscher Sprache. Auch seine Gedichte haben ja in Kästner einen kongenialen Nahfolger gefunden.


    Aber seine politischen Urteile....


    Was mir nach einer mehrmaligen Lektüre auffiel: Er hat in keinster Weise in Weimarer Republik unterstützt, sondern nur Häme und Spott über sie und ihre Repräsentanten ausgeschüttet. Sein Urteil über Lenin mag ja noch erklärbar sein, aber sein Auge war auf der linken Seite fast blind. Das schlimmste Fehlurteil hat er in seiner Charakterisierung des "Stresemann-Typus" ausgesprochen. So sehr er die Nazis verachtet hat, so sehr war er politisch auf der Seite der damaligen Linken, und was er über die SPD sagt.....


    Ihm fehlte die Liebe, die bei Heine noch in seinen schärfsten Satiren durchschimmert. Das ist wahrscheinlich der Grund, warum ich sie nicht mehr lesen mag.


    MFG


    Ralf

  • Als großer Fan von Tucholsky kam es mir eben beim Lesen des Threads ein bisschen seltsam vor, dass ich die beiden oben genannten Romane gar nicht gelesen habe :zwinker: muss ich unbedingt nachholen. Tucholsky ist mir bisher fast ausschließlich als Satiriker bekannt und hat mich als solcher begeistert, vor allem durch seine pazifistischen Ansichten, aber auch durch seine Sprach- und Argumentationskunst. Wenn man ihn gelesen hat, sieht man die Welt anders.

  • ich bin grosser Tucholsky Fan und habe ich sogar einige Zeit mit dem Gedanken getragen ueber ihn zu promovieren (aber das haette geheissen mich auf das 20. Jahrhundert zu spezialisieren und das wollte ich dann doch nicht)


    Anyways, ich habe natuerlich beide oben genannten Werke gelesen und muss zugeben, dass ich Rheinsberg voellicg verfallen bin - siehe meine Signatur. Aber ich habe auch einen grossen Teil seiner anderen Dinge gelesen und sie sind immer wieder frisch und erfruelich. Ich habe mich immer gefragt warum deutsche Autoren seit 1950 ihre Kritik nicht so satirisch und witzig verpacken konnten wie Autoren der 20er Jahre - aber nein, alles neue ist deprimiert und dull.

    &quot;Ganze Literaturen wären nicht, riegelten die Maedchen ihre Türen auf&quot; Kurt Tucholsky

  • Ich mag Tucholsky auch sehr gerne. Die Sammlung "Zwischen Gestern und Morgen" habe ich vor einigen Jahren hoch und runter gelesen.

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    Habe einen anderen, älteren Band.


    Ich finde Tucholskys Sprache super, wie er sich auszudrücken weiß, und natürlich seinen Humor, Zynismus, Satire, wie man es auch nennen mag. Einer meiner absoluten Lieblingstexte von ihm ist Der Mensch, welcher auch in dem Buch enthalten ist.