Herbert Rosendorfer - Großes Solo für Anton

  • Herbert Rosendorfer - Großes Solo für Anton (1976)


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    Anton L., ein hypochondrischer Mittvierziger, lebt nach wie vor zur Untermiete in einem kleinen möblierten Zimmer und pflegt seine eingebildeten Krankheiten. Eines nachts wird er durch einen hellen Blitz geweckt, schläft aber gleich wieder ein. Am nächsten Morgen sind seine Vermieter nicht mehr da und bald darauf bemerkt Anton L., daß außer ihm wohl alle Menschen verschwunden sind. Zusammen mit dem Leguan Sonja (dem Haustier seiner Vermieter) zieht er - der größeren Bequemlichkeit halber - in eines der Nobelhotels in der Innenstadt und beginnt von dort aus seine Erkundungen durch die verlassene Stadt, wobei er es hauptsächlich auf Waffen- und Feinkostgeschäfte abgesehen hat. Bei einem seiner Streifzüge fällt ihm ein geheimnisvoller Brief in die Hände, der ihn auf die Spur eines mysteriösen Buches führt, das angeblich alle Geheimnisse über das Universum und die Erde enhält. Während um ihn herum die Stadt allmählich zerfällt und von der Natur zurückerobert wird, versucht Anton L., sich in seinem neuen Leben einzurichten und macht sich außerdem auf die Suche nach dem unbekannten Buch...

    Inhaltlich teilt sich das Buch in drei Bereiche: zum einen werden Anton L.s Streifzüge und Erkundungen durch die Stadt beschrieben, die - meiner Meinung nach relativ schnell - zerfällt und bald von vielen wilden Tieren bevölkert wird. Zum zweiten begleitet man Anton L. auf seiner Suche nach dem Buch und der dritte Bereich beinhaltet Rückblicke in Anton L.s früheres Leben. Hier trifft der Leser auf typisch rosendorfersche Charaktere, meist kleinbürgerliche Spießer und psychisch überspannte Leute. Auch Anton L. ist da keine Ausnahme, denn die Tatsache, daß er sich nur alle paar Monate wäscht und selbstverständlich die Kleidung nicht wechselt, beschert ihm des öfteren neue Jobs bzw. Zimmer zur Untermiete, da es kaum jemand auf Dauer mit ihm aushält.

    Das Buch ist, wie zu erwarten bei Rosendorfer, sehr amüsant und leicht zu lesen. Man fragt sich wie es wohl ausgehen mag, warum Anton L. von der Katastrophe verschont geblieben ist und was "die Moral von der Geschichte" ist. Etwas verwunderlich finde ich, daß Anton L. sich sehr wenig Gedanken darüber macht, warum gerade er verschont wurde und er kommt auch gar nicht auf die Idee, nach anderen Überlebenden zu suchen. Allerdings fallen ihm die Erkundungen in der Stadt schon sehr schwer, weil viele Straßen blockiert sind und sich Bären und Wölfe (teils wohl aus dem Zoo entkommen) herumtreiben, sodaß er sich eher um eine sichere und warme Bleibe bemüht.

    Da für eine komplette Einschätzung des Buches der Schluß wichtig ist, schreibe ich ihn mal in einen Spoiler:



    Das Ende bietet leider nicht ganz das, was man erwartet. Rosendorfer stellt dem Buch als Motto ein Zitat von Mallarmé voran: "Der Endzweck der Welt ist ein Buch". Dies mag sich einerseits auf das von Anton L. gesuchte Buch beziehen, das die Geheimnisse der Welt enthält, andererseits ist es vielleicht ein Hinweis darauf, daß Rosendorfers Roman als Buch seinen Zweck erfüllt und die Geschichte um Anton L. keinen weiteren Daseinszweck braucht. Auf jeden Fall beinhaltet es Sozialkritik auf sehr amüsante Weise. Was ich interessant finde ist, daß in dem bekannten Szenario "der letzte Mensch auf der Erde" mal kein Held übrigbleibt oder ein organisiert sein weiteres Überleben planender Mensch, sondern ein etwas planloser, pralinensüchtiger, ungewaschener Finanzbeamter, der auch später noch beim Finanzamt vorbeischaut, denn es könnte ja tatsächlich plötzlich das normale Leben weitergehen und er bleibt unentschuldigt der Arbeit fern...

    Münchner und München-Kenner werden sehr schnell in Anton L.s Heimatstadt, die keinen Namen trägt, München wiedererkennen, auch wenn die Straßennamen frei erfunden sind. Die Topographie bleibt dieselbe und so kann man sich recht plastisch vorstellen, wie bestimmte Straßen verrotten und verfallen und wo sich Anton L. jeweils genau befindet.

    Wegen des eher rätselhaften Schlusses vergebe ich 3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus: