Klaus Mann - Symphonie Pathétique

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  • "Symphonie Pathétique" (Roman, 1935)


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    "Überall werde ich - Fremdling sein. Ein Mensch meiner Art ist stets und allüberall durchaus einsam " (Briefe und Antworten, S. 15),


    sagt Klaus Mann über sich selbst. Dasselbe gilt für den Künstler in dem Roman "Symphonie Pathétique", in dem Klaus Mann den russischen Komponisten Peter Iljitsch Tschaikowsky porträtiert, einen Künstler, der aufgrund seiner Homosexualität ein Leben als Außenseiter führt. Das entspricht exakt der Überlieferung. Constantin Floros zitiert in seiner Tschaikowskybiographie den Musiker wie folgt:


    "Ich bin hier sehr, sehr einsam, und wäre nicht die ständige Arbeit, dann würde ich in Melancholie verfallen. Und auch das ist richtig, daß die verfluchte Homosexualität zwischen mir und den meisten Menschen einen unüberschreitbaren Abgrund bildet" (S. 26).


    Klaus Mann, der seit 1933 im Exil lebt, dem 1934 die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt wird, schreibt 1935 diesen Tschaikowsky-Roman, erzählt von den Tourneen des Komponisten durch Europa bis in den USA. Ein ruhelos Reisender, jemand der ruhelos herumirrt und keine Heimat hat. Darum sagt Klaus Mann in seinem Lebensbericht "Der Wendepunkt", er sei


    "ein Emigrant, ein Exilierter, nicht aus politischen Gründen, sondern weil er sich nirgends zu Hause fühlte."


    Keine politischen Gründe, aber ich habe mich gefragt, ob es im Roman nicht doch einen zeitkritisch bezogenen Bezug zu Klaus Manns Gegenwart gibt und bin auf zwei Textstellen gestoßen:


    1) Tschaikowsky beklagt, dass in seiner Heimat Wälder abgeholzt werden:

    "Es ist nur traurig,", sagte er, "daß man auch hier schon anfängt, so unbarmherzig abzuholzen. Sie werden es noch machen wie in Maidanowo: sie verderben mir meine schöne Landschaft, sie wollen mich aus ihr verjagen."
    (Seite 221/222)


    2) Tschaikowskys Musik wird in Russland kritisiert:

    "...seine Musik sei nicht echt, nicht authentisch, nicht russisch; sie sei unpersönlich, konventionell, verwestlicht, heillos beeinflußt von dem internationalen Juden Anton Rubinstein, es sei gar keine russische Musik; die Echten aber, die Eigentlichen, das waren die fünf >Novatoren< , die vom Volkslied her kamen und nichts gelernt hatten, und von ihnen der Allerechteste war Mussorgsky, das pathetische Kraftgenie, der Säufer, der Urwüchsige, Volksverbundene, den Peter Iljitsch den >lärmenden Dilettanten< nannte."
    (Seite 86).


    Ich glaube, besonders in diesen Textstellen wird die zeithistorische Dimension des Romans sichtbar: Die Vertreibung aus der Heimat und die die Musikkritik, die sich Tschaikowsky selber anhören musste, erwecken Assoziationen zu den Schikanen, denen Künstler im Dritten Reich ausgesetzt waren.


    In den zwanziger Jahren wurde in der Sowjetunion Abtreibung und Homosexualität nicht mehr strafrechtlich verfolgt und Ehescheidungen wurden erleichtert (vgl. Naumann, Seite 71). Diese Bestimmungen wurden 1934 wieder verschärft, worüber Klaus Mann sich sehr betroffen äußert:


    "...in dem Lande, das wir für das aufgeklärteste und fortschrittlichste der Welt halten möchten, hat man die Liebesform, von der wir sprechen, aufs neue unter grausame Strafe gestellt."( Heute und morgen, Schriften zur Zeit, München 1969, zit. in Naumann, Seite 71).


    Im Roman hat Tschaikowsky eine äußerst innige Beziehung zu seinem Neffen Wladimir Dawydow, kann seine homosexuellen Neigungen aber nicht ausleben. Des Nachts erscheint er ihm als "Todesengel". Die hoffnungslose Liebe treibt den Komponisten in Melancholie und Phasen von Todessehnsucht. Seine letzte Symphonie, die "Pathétique", widmet er seinem geliebten Neffen.


    "meine Symphonie...von einer Stimmung durchdrungen..., die der, von der das >Requiem< erfüllt ist, nahe verwandt ist." (Floros, Seite 124).


    Klaus Mann las u.a Richard H. Stein: Tschaikowskij (1927). Darin ist über Tschaikowskys Verhältnis zu seinem Neffen folgendes zu lesen:


    "Manche seiner Briefe an den Neffen sind in einem Ton gehalten, wie er sonst nur unter ganz jungen Verliebten üblich ist." (Helm, 1976, Seite 111).


    Im "Wendepunk" schreibt Klaus Mann über Tschaikowsky:

    "Seine neurotische Unrast, seine Komplexe und seine Extasen, seine Ängste und seine Aufschwünge, die fast unerträgliche Einsamkeit, in der er leben mußste, der Schmerz, der immer wieder in Melodie, in Schönheit verwandelt sein wollte, ich konnte es alles beschreiben; nichts davon war mir fremd."
    (Seite 382)


    Mich hat der Roman völlig in den Bann gezogen. Natürlich hat es mir gefallen, dass es um Tschaikowsky geht. Das ist aber nicht der einzige Grund meines Gefallens. Klaus Mann schreibt sehr einfühlsam und ergreifend über das Leiden, um das es hier geht. Auch der Schluss ist sehr gelungen. Wie leicht könnte ein Autor gerade hier ins Triviale fallen. Klaus Mann beherrscht aber sein schriftstellerisches Können bis zum letzten Wort. So sei der Roman wärmstens empfohlen.



    Benutzte Literatur:


    Constantin Floros: Peter Tschaikowsky, rororo, 2006
    Everett Helm: Tschaikowsky, rororo, 1976
    Klaus Mann: Briefe und Antworten, rororo, 1991
    Klaus Mann: Symphonie Pathétique, rororo, 1999
    Klaus Mann: Der Wendepunkt, Deutscher Bücherbund, Stuttgart, (ohne Jahresangabe)
    Uwe Naumann: Klaus Mann, rororo, 1984


    Liebe Grüße
    mombour



    EDIT: Betreff etwas angepasst. LG Seychella

    Einmal editiert, zuletzt von Seychella ()

  • Hallo mombour,
    das ist mal eine schöne Art eine Rezi zu schreiben! "Symphonie Pathètique" habe ich bisher noch nicht gelesen aber das wollte ich so oder so noch nachholen. Deine Rezension hat mich umso neugieriger gemacht!


    Grüße


    HoldenCaulfield

  • Und nun habe ich den Roman gelesen...


    Irgendwie weiß ich nicht weshalb ich mit dem Roman nicht warm wurde. Normalerweise mag ich die Romane von Klaus Mann sehr. Vielleicht war ich auch in der falschen Stimmung? Ich überlege ob ich den Roman wieder lesen sollte, wenn es mir einmal nicht so gut geht.


    Die Grundstimmung ist sehr melancholisch und fast schon bitter. Irgendwie hat mich das in diesem Fall nicht berührt. Ich habe zu Tschaikowsky in diesem Roman keinen Zugang gefunden. Obwohl mich gerade das Spiel von Literatur und Musik sehr interessiert hat. Vielleicht sollte ich mich durch die Musik noch einmal dem Thema nähern und kann dann auch mit dem Roman anders umgehen.


    So kann ich nur wiedergeben wie ich es dieses mal beim Lesen empfunden habe. Ich war Stellenweise ein wenig gelangweilt und dachte mir an vielen Stellen, *hm soll ich lieber nicht etwas anderes Lesen?* Aber dennoch habe ich es nicht über mich gebracht einfach abzubrechen, Stellenweise ist die Sprache ganz wunderbar und der Roman hat einige Szenen die ich sehr schön geschrieben fand. Klaus Mann beschreibt die vielen Reisen des Komponisten so, das man sie sich sehr gut vorstellen kann, gerade die Hektik der Reise und Tschaikowskis Leben hat er sehr gut eingefangen. Auch seine Gefühlswelt kann man an vielen Stellen nachvollziehen und sie wird der intentsiv beschrieben. Dennoch irgendwie ist mir doch etwas zuviel Distanz und manchmal hätte ich Tschaikowski am liebsten geschüttelt. Insgesamt glaube ich lag es vor allem am Stil der mit diesmal nicht so ganz zugesagt hat.


    Wie gesagt ich kann es nicht genau verstehen weshalb ich hier den Zugang einfach nicht gefunden habe, weshalb ich denke das ich den Roman in ein paar Jahren noch einnmal lesen sollte um zu sehen ob es nicht einfach die falsche Zeit war.

  • Wie gesagt ich kann es nicht genau verstehen weshalb ich hier den Zugang einfach nicht gefunden habe, weshalb ich denke das ich den Roman in ein paar Jahren noch einnmal lesen sollte um zu sehen ob es nicht einfach die falsche Zeit war.


    Dieses Phänomen kenne ich auch, hin und wieder.
    Es ist sicherlich von Vorteil, wenn man Tschaikowskys Leben und Musik ein wenig kennt.


    Liebe Grüße
    mombour

  • Ich lese das Buch zur Zeit, bin ca 100 Seiten vor dem Ende, und mir geht es wie Holden. Ich kann diese Distanz nicht überwinden und bin eigentlich ganz froh, bald durch zu sein. Dabei liebe ich Tschaikowskys Musik sehr, daran kann es jedenfalls nicht liegen, dass mir der Mensch so fremd bleibt. Gelegentlich finde ich Manns Beschreibungen sehr schön und einfühlsam, dann wieder prescht er durch Tschaikowskys Leben, dass man kaum mitkommt. Ich war wie Holden auch schon einigen Male davor, abzubrechen, aber irgendwie bringe ich das nicht fertig. Die letzten Seiten schaffe ich auch noch und dann lege ich eine CD mit Tschaikowskys Musik auf - das bringt mich ihm näher als dieses Buch.