Olga Tokarczuk - Der Schrank

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    Dieses Büchlein vereinigt 7 kurze Erzählungen der polnischen Autorin, deren Roman "Taghaus, Nachthaus" mich vor einigen Jahren sehr beeindruckt hatte. Entsprechend hoch waren meine Erwartungen, die allerdings nicht ganz erfüllt werden konnten.


    Der Schrank:
    Ein junges Paar kauft einen alten Schrank, der eine eigenartige Anziehungskraft auf sie ausübt. Immer häufiger suchen sie Zuflucht in ihm.


    Deus ex:
    Ein Mann spielt Computerspiele, in denen Entstehen und Vergehen von Städten oder ganzen Welten simuliert werden. Soll er dem Geschehen freien Lauf lassen oder selbst eingreifen?


    Zimmernummern:
    Ein Zimmermädchen spürt anhand der Spuren, die die Gäste in ihren Hotelzimmern hinterlassen, deren Leben nach.


    Sauermehlsuppe:
    Wer ist der Vater des Kindes einer psychisch oder geistig zurückgebliebenen jungen Frau?


    Amos:
    Krystyna unterhält sich in einem wiederkehrenden Traum mit einer Männerstimme, die ihr sagt, sie sei seine große Liebe. Sie forscht der Existenz von "Amos" - so stellt sich die Stimme vor - nach, glaubt schließlich, ihn gefunden zu haben und sucht den nichtsahnenden Mann auf.


    Peter Dieter:
    Ein Deutscher (?) fährt nach vielen Jahrzehnten zurück in seine alte Heimat in Polen nahe der tschechischen Grenze. Dort stirbt er.


    Ergo Sum:
    Ein Altphilologe liest einen Satz von Platon "Wer von menschlichen Innereien gekostet hat, wird unweigerlich zum Wolf" und sein Leben gerät aus den Fugen, denn im Krieg war er gezwungen, von einem gestorbenen Kameraden zu essen, um nicht zu verhungern.


    Inhaltlich haben mir diese Erzählungen recht gut gefallen. Sie sind ziemlich "offen", geben keine Deutungen vor, sondern bieten Gelegenheit, länger über sie nachzugrübeln.
    Auffällig oft suchen die Protagonisten Zuflucht in einer anderen Welt, hoffen auf ein anderes Leben, vermutlich auf der Flucht vor ihrer nicht zufriedenstellenden Gegenwart. Allerdings fehlt teilweise die Darstellung eben dieser Realität, etwas was negativ bei mir zu Buche schlägt. Der kurze Einblick in die Psyche der Menschen ist gelungen, aber über die realen Hintergründe, über die Lebensbedingungen der Menschen erfährt man teilweise zu wenig. Andererseits ist ihre Einbindung, ihre Verwurzelung in ihre Umwelt oft nur schwach, so dass diese ihnen oft unwirklich erscheint - unwirklicher als ihre Phantasiewelt.
    Dieses Schweben zwischen Alltag und Phantasiewelt ist interessant dargestellt, kann mich aber nicht ganz so sehr fesseln, wie ich es mir wünschte und wie es potentiell der Fall sein könnte. Dies mache ich an der Sprache fest, die zwar auch in der Übersetzung in sich stimmig ist, der es aber doch an etwas mangelt, was ich kaum in Worte fassen kann. Dieses letzte Quäntchen, die geniale Formulierung, die eine neue Welt öffnet, die Realität überhöht, fehlt leider.


    Daher vergebe ich "nur"
    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Ich habe gerade "Taghaus, Nachthaus" fertig gelesen und somit war mein Interesse an weiteren Büchern der Autorin geweckt. Deine Rezi von "Der Schrank" macht mir wirklich Lust auf mehr, allerdings kommen die Geschichten "Amos", "Ergo Sum" und "Peter Dieter" auch stückchenweise in "Taghaus, Nachthaus" vor. Das hat mich etwas stutzig gemacht.. Sind die Geschichten in "Der Schrank" vllt. länger, detaillierter ausgefüllt, oder wiederholen sie sich in der Form wie in "Taghaus, Nachthaus"?


    Liebe Grüße,
    Naru

    :leserin:

  • Es ist ja schon eine Weile her, dass ich "Der Schrank" gelesen habe und die Lektüre von "Taghaus, Nachthaus" ist noch viel länger her. Daher kann ich zu eventuellen Parallelen nichts mehr sagen. Aber eine Wieholek von "Taghaus, Nachthaus" habe ich schon seit längerem vor; vielleicht bin ich dann klüger.

    Wir sind irre, also lesen wir!