Liebe Leser!
1978 haben meine Frau und ich unsere erste größere Urlaubsreise unternommen - und zwar mit dem Flugzeug nach Athen und mit der Fähre nach Kreta. Im Rückblick war das unser bisher schönster und abenteuerlichster Urlaub, denn das war keine Pauschalreise, die wir damals machten, und wir hatten auch keine Zimmer in Pensionen im Voraus gebucht oder ähnliche Vorbereitungen getroffen. Wie hätten wir denn - ohne Internet. Kurz: Wir sind auf blauen Dunst in den Süden gefahren. Was wir damals erlebt haben - von den Problemen bei der Ein- und Ausreise, von den Ängsten während unseres ersten Fluges bis zu den vielen Begegnungen mit den Einwohnern Kretas - habe ich im Mai 2017, also 39 Jahre später, aufgeschrieben - mit einigen Fotos aufgelockert, die ich in einer verstaubten Kiste gefunden habe. Diese Fotos waren es im Übrigen auch, die mich dazu veranlasst haben, das Buch zu schreiben.
Es versteht sich von selbst, dass das Gedächtnis nicht mehr so ganz "mitspielt", wenn es um die Einzelheiten und vor allem um die Gespräche geht, die wir damals untereinander und mit den Griechen geführt haben. Hier hat die "dichterische Freiheit" ein wenig ausgeholfen. Die Erlebnisse allerdings, die ich aufgeschrieben habe, sind so abgelaufen, wie sie geschildert werden.
Ich habe das Manuskript in etwa drei Wochen geschrieben: Danach folgte der Satz des Textes, das Bearbeiten und Einfügen der Fotos, das Korrektorat, das Lektorat und das Erstellen des Covers - alles in Eigenregie, denn ich bin nicht nur ein verhältnismäßig fauler Autor, sondern auch ein geiziger.
Wer heute nach Kreta reisen will, besorgt sich tunlichst einen Reiseführer. Diese Funktion kann mein Buch nicht erfüllen. Ich lege es trotzdem jedem Kreta-Reisenden ans Herz, denn ich glaube, dass allein der Vergleich des heutigen Urlaubserlebnisses mit unserem Abenteuer vor fast vierzig Jahren sehr interessant ist. Und jeder Interessierte wird versuchen, die überbordende Gastfreundschaft, die uns entgegengebracht wurde, für sich zu entdecken.
http://www.hermann-markau.jimdo.com
[Blockierte Grafik: https://scontent-ams3-1.xx.fbcdn.net/v/t1.0-9/21193019_790160954490808_137420797963909427_n.jpg?oh=72ec7c4a088104b7d062fef3347eca73&oe=5A7EA104]
LESEPROBE:
Wir fuhren jetzt auf einer Sandpiste, auf der der Wagen eine lange Staubwolke hinter sich herzog. Und die Fahrt war um keinen Deut langsamer als auf der befestigten Straße kurz vorher. Im Gegenteil: Der Fahrer drückte ordentlich aufs Gas, der Pick-Up rüttelte wie ein Presslufthammer und schüttelte uns durch wie einen Korb Oliven. In nackter Angst klammerten wir uns an den Seiten der Ladefläche fest, um nicht durch einen unerwarteten Hopser den Halt zu verlieren und möglicherweise auf der Straße zu landen. Na ja, es war vielleicht nicht die nackte Angst, aber doch eine gewisse Ängstlichkeit. Auf die Straße fliegen würden wir sicherlich nicht.
Es war jedoch äußerst unbequem, so ganz ohne Polsterung auf nacktem Metall zu sitzen und unsere Hinterteile regelrecht durchgeprügelt zu bekommen. Ein klein wenig Erleichterung verschafften uns nur die Rucksäcke, die wir extra nah an uns herangezogen hatten.
Wir schrien und juchzten um die Wette, jedes Mal, wenn ein besonders tiefes Schlagloch unsere Körper in die Höhe schnellen ließ.
Der Weg schlängelte sich immer höher die Hügel empor. So ganz langsam und unbemerkt schlich sich die alte Phobie, die sich meiner vor Jahren schon bemächtigt hatte, in mein Gemüt und meinen ganzen Körper: die Höhenangst. Und als ich meinen Kopf zur Seite drehte und feststellte, dass da keinen Meter neben dem Wagen ein Abgrund gähnte, wurde mir ganz anders. Jetzt konnte ich tatsächlich von nackter Angst sprechen, die mich plötzlich gefangen hielt. Man musste es meinem Gesichtsausdruck ansehen. Denn Karin war die Panik in meinem Blick nicht entgangen.
»Was ist los?«, schrie sie mir gegen den Fahrtlärm entgegen. »Du kuckst so.«
Ich antwortete nicht, sondern verzog meinen Mund zu einem säuerlichen Grinsen, während ich mich krampfhaft festklammerte und stur geradeaus sah.
»Ganz locker und tief atmen!«, schrie sie weiter.
Ich atmete ganz locker und tief.
»Denk an was anderes!«
Ich dachte an was anderes.
»Mach dir nicht in die Hose! Wir sind ja gleich da.«
Ich machte mir nicht in die Hose. Und – okay – dahinten sah ich das Meer über den Bergen schimmern. Vielleicht waren wir also wirklich gleich da. Aber wann war gleich? Der Weg schlängelte sich in unzähligen Serpentinen immer höher. Das konnte also dauern.
Und irgendwann gab es nur noch eine Möglichkeit für mich, am Leben zu bleiben oder den Gruseligkeiten dieses nicht enden wollenden Augenblicks in meinem jungen Leben zu trotzen. Ich ergab mich meinem Schicksal. Lass doch passieren, was passieren soll! sagte ich mir. Es kommt, wie es kommt. Lass dich gehen! Genieße diese Fahrt einfach, solange du kannst!
Kaum hatte ich mich auf diese Art und Weise mit meiner Todesangst arrangiert, passierte Folgendes: