Hilary Mantel - Der riesige O'Brien

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    Klappentext:


    Man schreibt das Jahr 1782 und Charles O'Brien flüchtet vor dem Hunger aus Irland nach London. O'Brien ist nicht nur von außerordentlicher Gestalt, er ist auch ein Barde, ein Mann der Balladen und Geschichten, der von den alten Mythen erzählt, von irischen Königen und Feen. In London, so verspricht ihm sein Freund und Impresario Joe, wird er eine Sensation sein. Als "der riesige O'Brien" bietet er sich dar und gegen gutes Geld begaffen ihn die sensationslüsternen Massen. Unter den Besuchern ist aber auch ein Mann, dessen scharfer Blick O'Brien Angst einjagt - es ist John Hunter, der Anatom und Sezierer, für seine Experimente berühmt und fieberhaft auf der Suche nach dem Geheimnis des Lebens. Als O'Brien eines Tages entdeckt, dass er erneut anfängt, zu wachsen, weiß er, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Und wieder erscheint Hunter.


    Meine Meinung:


    Für dieses Buch habe ich lange Zeit gebraucht und hätte es zugegebenermaßen öfter beinahe wieder zurück auf den SUB wandern lassen. Es ist nicht unbedingt leichte Lektüre und wirkte auf mich auch manchmal ein wenig verwirrend. Dennoch hatte ich abschließend das Gefühl, ein gutes Buch gelesen zu haben, beklemmend und oftmals traurig, aber insbesondere zum Schluss hin dann auch mitreißend.


    Was den Roman auszeichnet, ist vor allem eine sehr düstere Grundatmosphäre, welche sich durch die Geschichte zieht. Schon von Beginn an ist dem Leser klar, dass die Geschichte für den Riesen nur schlecht ausgehen kann. Der Stil des Buches liegt irgendwo zwischen düster-poetisch und vulgär - je nachdem, von welcher Figur gerade die Rede ist. Charlie O'Brien ist eine sehr faszinierende, tragische Figur. Nicht nur, dass er ein Riese ist, nein, er ist auch noch ein gebildeter Feingeist und Geschichtenerzähler. Dies steht in einem enormen Kontrast zu seinen irischen Kameraden, welche allesamt recht einfältig wirken.


    Der windige Agent Joe Vance verspricht Charlie und seinen Freunden großen Reichtum und ein besseres Leben, wenn sie ihm nur nach London folgen würden. Charlie garantiert er dort Ruhm und Gold, das ihm seine außergewöhnliche Erscheinung einbringen werde. Es bleibt den Freunden nichts anderes übrig, als Joe zu folgen, um in London ihr Glück zu suchen.
    Allerdings werden ihre Erwartungen, auch wenn Charlie in London anfangs wirklich eine Sensation ist, bitter enttäuscht. Auch in London ist das Leben sehr hart, Charlies Kameraden verrohen in den Straßen und Kneipen der Stadt allmählich, während Charlie der Ruhm langsam zu Kopf steigt und ihre Freundschaft wird oftmals auf eine harte Probe gestellt.


    Sehr fasziniert haben mich auch die Passagen mit John Hunter, den man von seiner Kindheit an durch seine außergewöhnliche wissenschaftliche Karriere begleitet. Auch er hatte es in seiner Kindheit nicht leicht, ein Großteil seiner Familie starb sehr früh und schließlich verschreibt er sein Leben der Wissenschaft. Bekannt ist er vor allem für seine extravaganten Forschungsmethoden. Auch Hunter ist auf seine Weise eine tragische Figur, besessen von seinem Fachgebiet und von der Forschung, für die er selbst einiges an Leid in Kauf nimmt.


    Im Buch wechseln die Passagen manchmal nahtlos zwischen Charlie und seinen Freunden und John Hunter hin und her, so dass man konzentriert dabei bleiben muss, um Verwirrung zu vermeiden. Viele tragische Charaktere begleiten den Weg Charlies, so zum Beispiel das Dienstmädchen Mary, die - bei der ersten Begegnung noch jung und unschuldig - dem Leser immer wieder begegnet und zum Schluss gezwungen ist, ihren Körper zu verkaufen, um sich über Wasser halten zu können.


    Insbesondere zu Beginn des Buches gibt es häufig kleine Einschübe, in welchen Charlie seine mythischen Geschichten und Gleichnisse zum Besten gibt. Auch diese kleinen "Geschichten in der Geschichte" sind sehr lesenswert und regen des öfteren zum Nachdenken an.
    Die Figuren sind zwar gut charakterisiert, dennoch konnte ich während des Lesens keine gefühlsmäßige Nähe zu ihnen aufbauen. Selbst die Hauptfigur Charlie blieb mir relativ fern und sein Schicksal beobachtete ich eher distanziert. Einzig für die oben schon angesprochene Mary empfand ich während des Lesens Mitgefühl und für John Hunter eine gewisse Faszination - wobei er mich ein wenig an die Figur Jean-Baptiste Grenouille aus "Das Parfüm" erinnerte.


    Das Ende fand ich gelungen, es rundet die Geschichte gut ab und passt sich sehr stimmig der düsteren Atmosphäre des Romans an.
    Insgesamt ein ungewöhnliches, interessantes und manchmal auch ein wenig schwieriges Leseerlebnis, für das ich dennoch


    3ratten und :marypipeshalbeprivatmaus: vergebe.

    :lesen: Joe Navarro - Menschen lesen