Leo Perutz - Der Meister des Jüngsten Tages

Es gibt 12 Antworten in diesem Thema, welches 4.974 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Line.

  • Leo Perutz: Der Meister des Jüngsten Tages. dtv, 207 Seiten


    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Dieser Roman ist 1923 erschienen. Perutz ist ein österreichischer Schriftsteller. Borges zählt dieses Buch zu den besten aus dem Bereich Kriminalliteratur, dabei kann man darüber streiten, ob hier wirklich ein Krimi vorliegt.


    In der durchgehend spannend erzählten Geschichte stehen drei mysteriöse Selbstmorde (oder sind es Morde?) im Mittelpunkt. Die Rahmenerzählung umfasst nur wenige Tage des Jahres 1909 und fünf Figuren, zumeist Akademiker, die gemeinsam musizieren, treiben die Handlung voran. Die Auflösung des Falles wird in Sherlock-Holmes-Manier durch scharfes logisches Nachdenken betrieben. Das Ende überrascht mit einem Kunstgriff, der Leser wird aufgefordert, Teile des Textes anzuzweifeln. Aber auch ohne diesen Kunstgriff stellt der Roman auf der Krimi-Ebene eine intelligente Unterhaltung dar. Auf einer anderen Ebene kann man den Roman auch als Blick die Abgründe der menschlichen Seele und die Verführbarkeit des Menschen lesen.


    Der Roman führt ein neues Wort in die deutsche Sprache ein, die Farbe Drommetenrot. Diese Farbe, eine zentrale Rolle für die Aufklärung der Fälle spielt, wird in späteren Jahren von Künstlern häufiger aufgegriffen.


    Kein Buch, welches mich noch länger beschäftigen wird. Aber ein rundherum schönes Buch für zwischendurch.


    4ratten


    Gruß, Thomas

  • Hallo Klassikfreund,


    "Der Meister des jüngsten Tages" ist wirklich der einzige Roman des Autors, den man evtl. ins Krimigenre einordnen könnte. Es ist schon viele Jahre her, dass ich Perutzromane verschlungen habe. "Der Meister des jüngsten Tages" fand ich sehr spannend. Eine Selbstmordwelle hat es zur Jahrhundertwende (19/20. Jahrhundert) in Wien wirklich gegeben.


    So gerne ich den Roman gelesen habe, halte ich ihn nicht für seinen besten Roman. Leo Perutz ist sehr raffiniert, auch in diesem Roman, raffinierter aber noch in anderen. In "Die dritte Kugel" gebt es z.B. keine Lösung und man wird niemals erfahren, wer die dritte Kugel abgefeuert hat. Perutz konstruiert ein unlösbares Rätsel.


    Leo Perutz in ein Genre einzuordnen ist schwierig. Ich kenne in der Literatur nichts vergleichbares. Oft spielen seine Romane in einer bestimmten geschichtlichen Zeit, beinhalten Elemente der Phantastik (manchmal weiß man nicht was Realität und was Wahnvorstellungen sind).


    Ich lese gerne in den geb. Ausgaben des Zsolnay-Verlages. Diese Ausgaben haben ein Nachwort Hans Harald Müller (ob die dtv-Ausgaben das Nachwort haben, weiß ich nicht). Es ist aber ratsam, das Nachwort nach der Lektüre zu lesen.


    Liebe Grüße
    mombour

  • Die dtv-Ausgabe hat dieses Nachwort auch. Ich finde es aber nicht so schlimm, wenn man das Ende vorab kennt. Bei diesem Krimi ist es aber tatsächlich nicht so günstig. Bitte auch nicht den inneren Klappentext von dtv lesen.


    Gruß, Thomas

  • Ich habe die volle Wahrheit geschrieben.“ beteuert der Ich-Erzähler Baron von Yosch gleich zu Beginn des Romans, dessen Handlung 1909 in Wien spielt. Schon bald jedoch Entstehen beim Leser erste Zweifel daran, die sich im Laufe der Zeit immer mehr verstärken. Zu viele Widersprüche und Doppeldeutigkeiten lassen den Baron wenig glaubwürdig erscheinen zumal auch die anderen Protagonisten ein eher zweifelhaftes Bild von ihm zeichnen. So ist es keineswegs klar, welche Rolle Yosch bei dem Selbstmord des Schauspielers Bischoff gespielt hat, der Teil einer mysteriösen Selbstmordserie zu sein scheint. Beteiligt er sich an den Ermittlungen um seine Unschuld zu beweisen oder um seine Schuld zu verschleiern?


    Auch wenn die Ausgangslage die eines Krimis ist, so gibt es durchaus verschiedene Möglichkeiten, diesen Roman zu lesen. Vor allem als psychologische Studie über das Verhältnis von Wirklichkeit und Schein, von Schuld und Verdrängung. Es ist aber auch ein Roman über Kunst und Religion.


    Viele Grüße
    christie

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Amazon Kurzbeschreibung
    »Ein Buch für schlaflose Nächte, eines das schlaflose Nächte erzeugt«


    »Wisse, daß geschehene Dinge niemals ein Ende haben.«


    Das sagt im Jahre 1532 in Florenz der Arzt und Chemiker Salimbeni. Und im Jahre 1909 in Wien bewahrheiten sich seine düster-prophetischen Worte. Gleich mehrere Personen begehen Selbstmord, sämtlich unter den gleichen rätselhaften Umständen und – das ist das Unheimlichste – ohne jedes Motiv.


    War es doch Mord? Ich-Erzähler Freiherr von Yosch, selbst in einem der Fälle in Verdacht geraten, stellt Nachforschungen an. Wie in Ecos ›Name der Rose‹ führt die Spur zu einem Buch, einem alten Folianten, der das gefährliche Geheimwissen des Salimbeni enthält. Als einen Roman, der bis zur letzten Seite unerwartete Wendungen bereithält und nervenzerrüttend spannend bleibt, nahm Jorge Luis Borges den ›Meister des jüngsten Tages‹ in seine Edition der besten Kriminalromane der Welt auf.


    Meine Meinung
    Perutz hat zu diesem Buch gesagt, er habe keinen Kriminalroman geschrieben. Und doch wächst die Spannung systematisch, Seite für Seite folgt man den Spuren der geheimnisvollen Selbstmorde. Perutz weiß, wie er die Leser fesseln kann. Er schreibt kurz und präzise. Kein schmückendes Beiwerk, nur die Fakten.
    Der Vergleich mit Eco ist irreführend. Das Buch spielt bei Perutz nicht die Hauptrolle. Sondern es ist der Mensch. Der Mensch mit seinen verborgenen Ängsten.
    Das Ende nach dem Ende des Buches ist überraschend und verwirrend zugleich. Perutz spielt mit seiner Geschichte und mit dem Leser.
    "Der Meister des Jüngsten Tages" ist ein Buch, was ich unbedingt empfehlen kann. 5ratten + :tipp:

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Hallo BigBen,


    Perutz ist der einzige Autor von dem ich alle Romane und Erzählungen gelesen habe (ist bloß schon länger her).


    Zitat

    Theodor W. Adorno schätzte den "Meister des jüngsten Tages" als "genialen" und "bedeutenden Spannungsroman" (Theodor W. Adorno: Blochs Spuren. In: Noten zur Literatur. FRankfurt a.M.: Suhrkamp 1981, S. 235; Ästhetische Theorie. ebd. 1973; S. 129)


    zitiert aus: Leo Perutz 1882-1957, Eine Austellung der deutschen Bibliothek Frankfurt am Main, Paul Zsolnay, Wien, Darmstadt, 1989


    Liebe Grüße
    mombour


  • Perutz ist der einzige Autor von dem ich alle Romane und Erzählungen gelesen habe


    Ich arbeite daran. :winken:

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Danke für diesen Tip. Das Buch hört sich sehr spannend an und ist sofort auf meine Wunschliste gewandert! :smile:


    Ich habe mir mal ein paar andere Bücher des Autors bei Amazon angeschaut (und ein paar Rezis) und noch ein paar interessante Bücher gefunden. Ich bin sehr gespannt auf seine Erzählweise.


  • Ich habe mir mal ein paar andere Bücher des Autors bei Amazon angeschaut (und ein paar Rezis) und noch ein paar interessante Bücher gefunden. Ich bin sehr gespannt auf seine Erzählweise.


    "Nachts unter der steinernen Brücke" habe ich direkt davor gelesen. Und ich war erstaunt, wie wandelbar Perutz' Sprache ist. In "Nachts unter der steinernen Brücke" imitiert er sehr gekonnt den barocken Sprachduktus. Der Aufbau des Buches ist interessant und am Anfang etwas verwirrend. Aber die vielen kleinen Histörchen sind sehr lesenswert.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Das Buch hört sich auch sehr interessant an. Wenn seine Sprache so wandelbar ist, sollte man wirklich mehrere lesen...


    Ich habe jetzt auch noch ein bisschen nach dem Autor und seinen Büchern recherchiert und die Aussage, dass er phantastische Elemente einbringt und folgender Satz über seine Werke bei Wikipedia machen mich auch sehr neugierig:


    Zitat Wikipedia:

    Zitat

    Ein zentrales Motiv ist die Frage „Was ist real?“, wobei sich konkurrierende Versionen, häufig die eines Ich-Erzählers und die der Umwelt, gegenüber stehen, ohne dass sich entscheiden ließe, welche Version den „tatsächlichen“ Ereignissen entspricht


    Hast du das beim Lesen so erlebt?


  • Ich habe jetzt auch noch ein bisschen nach dem Autor und seinen Büchern recherchiert und die Aussage, dass er phantastische Elemente einbringt und folgender Satz über seine Werke bei Wikipedia machen mich auch sehr neugierig:


    Zitat Wikipedia:


    Hast du das beim Lesen so erlebt?


    Jain. Beim Lesen war da schon irgendwie manchmal ein komisches Gefühl, aber das Nachwort hat erst alles richtig geklärt.

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001

  • Ich hab das Buch gerade gelesen und bin ziemlich begeistert. Allerdings hat meine Ausgabe kein Nachwort. Was wird denn da geklärt?