Alain Mabanckou - Zerbrochenes Glas / Verre cassé / Broken Glass

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 2.690 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von illy.

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links

    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Dieses Buch gibt es leider (noch?) nicht in deutscher Übersetzung und auch die englische erscheint erst in einigen Monaten. Ich habe es in schwedischer Übersetzung unter dem Titel Slut på kritan gelesen.
    Eigentlich hätte ich mir ein Buch mit einem so grauenhaftem Cover wie dem schwedischen nicht gekauft, aber nachdem ich festgestellt hatte, dass der Autor aus Kongo-Brazzaville stammt, mir dieses Land in meiner literarischen Weltreise noch fehlte und der Autor zudem noch zu einer Lesung, bzw. einem Gespräch mit seinem schwedischen Verleger in die Stockholmer Stadtbücherei kommen würde, schlug ich zu.


    "Broken glass", bzw. "Verre cassé" ist nicht nur der Titel des Buches sondern auch der Spitzname des Ich-Erzählers. Bei ihm handelt es sich um einen ehemaligen Lehrer und nunmehrigen Berufssäufer, der seine Tage in der Kneipe "Angeschrieben wird nicht" (oder so ähnlich) verbringt. Eines Tages überreicht der Wirt ihm ein Schreibheft mit der Aufforderung, doch die Lebensgeschichten der anderen Stammgäste aufzuschreiben. Broken Glass lässt sich nach anfänglichem Sträuben darauf ein und so erfahren wir, was die anderen Gäste und ihn selbst zum Saufen gebracht hat - streng subjektiv natürlich - und dabei zugleich einiges über die Lebensbedingungen in einem armen afrikanischen Land.


    Das könnte leicht in einen Klagegesang über die schlimmen Nachwirkungen der Kolonialzeit münden, tut es aber nicht. Denn Menschen sind Menschen überall, auch in Afrika, und man säuft nicht wegen der Landesgeschichte sondern aus persönlichen Gründen. Und Schuld am Saufen der Männer sind auch in Afrika natürlich die Frauen. Ob das nun die französische Frau des Mannes, der lange Jahre in Frankreich gelebt hatte oder die einheimische Frau des "Windelmannes" ist, spielt dabei keine Rolle. "Sie" hat ihren Mann nicht nur betrogen, sondern auch durch Lügen ins Unheil gestürzt. Und was bleibt einem armen Mann da anders übrig, als sich mit Alkohol zu trösten?


    Nichts Neues unter der Sonne bzw. im Buch, könnte man also meinen, aber ein Buch wie alle anderen ist Mabanckous Werk nun ganz und gar nicht. Besonders wird es nämlich durch seinen Stil, der ganz ohne Punkte auskommt und dabei einen großen Lesesog ausübt. Es wirkt sehr mündlich, man hört praktisch Broken Glass und die anderen Säufer wie sie ihren Nebenmann zuschwallen, vom Hölzchen zum Stöckchen kommen und immer wieder auf ihr Hauptthema - die betrügerische Frau - zurückkehren.
    Das ist amüsant zu lesen, lässt aber gleichzeitig ein Gefühl der Erleichterung darüber aufkommen, dass man (frau) diesen Personen und ihren Erzählungen nicht in Wirklichkeit ausgeliefert ist.


    Besonders gefällt mir an dem Buch, dass Mabanckou seine kongolesischen Mitbürger (und Afrikaner überhaupt) nicht heroisiert. Seine Figuren sind arme Würstchen, die Stärken und vor allem Schwächen wie alle anderen Menschen auch haben, die auch einiges an Vorurteilen und auch an Rassismus mit sich tragen. Die Szene, in denen der ehemals in Frankreich lebende Mann sich über die Charaktereigenschaften der Bewohner anderer afrikanischer Länder auslässt, zählt dabei zu den Höhepunkten des Buches.


    Dieses Leseerlebnis der besonderen Art bekommt von mir
    4ratten

    *deutschen Titel hinzugefügt* LG illy

    Wir sind irre, also lesen wir!

    Einmal editiert, zuletzt von illy ()

  • Vielen Dank für diese aufschlußreiche Rezi, ich werde mir das Buch natürlich sofort in der englische Übersetzung zulegen, sobald diese erscheint. Schön, daß keine Abrechnung mit der Landeshistorie passiert, allerdings ist es eine durchaus weit verbreitete Haltung unter afrikanischen Intellektuellen, nicht (mehr) jedes aktuelle Übel in ihren Ländern mit der Kolonialvergangenheit erklären zu wollen, sondern eher mit dem Versagen der jeweiligen eigenen „Eliten“. Daher überrascht mich es mich nicht besonders. Ganz ähnlich ist mir das auch schon Patrice Nganangs Hundezeiten aufgefallen.


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Ich habe heute in der Buchhandlung die englische Übersetzung gesehen. Sogar richtig auffallend auf einem Tischchen mit interessanten Neuerscheinungen plaziert. Wenn ich das Buch nicht schon auf Schwedisch gelesen hätte...

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Es steht auch schon auf meiner Einkaufsliste :zwinker: Obwohl ich ja angesichts meiner neu entdeckten Fähigkeit zum Französisch-Lesen auch zum Original greifen könnte :gruebel:

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    „Zerbrochenes Glas“ ist Stammkunde in der 24h-geöffneten Bar „Angeschrieben wird nicht“ in Brazzaville. Eines Tages bekommt der ehemalige Lehrer und heutige Vollalkoholiker vom Wirt ein Heft in die Hand gedrückt, um darin die Geschichten der Gäste festzuhalten. Und das tut er auch ungefähr die erste Hälfte des Buches, man erfährt, welche Schicksalsschläge einzelne von ihnen in die Bar und den Alkoholismus getrieben haben. In der zweiten Hälfte bekommt man dann zunächst „Zerbrochenes Glas“ eigene Geschichte und dann kurz erneute Einblicke in das aktuelle Leben der anderen Gäste. Gerade in dieser Hälfte spielt die französischsprachige Literatur eine wichtige Rolle und ich weiß, dass ich nur einen Teil der Anspielungen auf diverse wegweisende Romane und Autoren der französischen Literaturszene mitbekommen habe. Die beschriebenen Leben sind von einer gewissen Alltäglichkeit, genau das, was man als Erzählungen von Kneipengästen erwartet und doch enthalten sie immer wieder fremdartiger Details, die sie interessant zu lesen machen.


    „Zerbrochenes Glas“ redet ohne Punkt (dafür mit reichlichem Einsatz des Kommas) und ist dadurch von einer gewissen Atemlosigkeit, die mich nach ein paar Absätzen das Buch immer wieder erschöpft zur Seite legen ließ. Doch kurz daraus musste ich es erneut zur Hand nehmen und weiterlesen, weil ich in dem Sog der Erzählung gefangen war.


    4ratten