Gavino Ledda – Padre Padrone

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    Inhalt: Gavino Ledda erzählt die Geschichte eines sardischen Hirtenjungen. Seine Geschichte. Sie beginnt 1944, als er fünf Jahre alt ist und zum ersten Mal die Schule besucht. Aber aus der holt ihn sein Vater schon einen Monat später persönlich wieder heraus. Gavino ist der älteste Sohn und er braucht ihn bei den Schafen. Gavino soll das Hüten übernehmen, damit sein Vater die vielen anderen Arbeiten der kleinen Landwirtschaft erledigen kann. Anfänglich kann der Vater ihn mit den vielen Kleinigkeiten des Landes locken, Vogelnester, reife Beeren usw. Zwar reizt das Gavino schon bald nicht mehr, aber trotzdem muß er beim Vater draußen bleiben, während der Rest der Famiie im nahegelegenen Dorf wohnen bleibt. Die häufige Einsamkeit macht den Jungen schweigsam und schüchtern. Er ersinnt sich seine eigene Sprache mit und über die ihn umgebende Natur.


    Die Anforderungen des Vaters sind hoch, wenn Gavino ihnen nicht genügt, schlägt der Vater unbarmherzig zu. Der Arzt zeigt ihn nur deshalb nicht an, weil er die Situation der Hirten schon lange kennt. Irgendwann beschließt der Vater, daß die Familie wieder zusammen wohnen soll, was bedeutet, daß alle das Dorf verlassen und in die Hütte ziehen. Auch die kleinen Geschwister müssen jetzt leisten, was sie eben können, der Vater duldet keinen Esser, der sich sein Brot nicht verdient. Dabei überfordert er vor allem Gavino völlig, indem er ihm nicht einmal mehr eine vernünftige Nachtruhe gönnt. Das erste Mal widersetzt sich Gavino, als er bei seinem Onkel Musikunterricht nimmt und der Vater sogar dazu gebracht werden kann, sich am Kaufpreis für eine Ziehharmonika zu beteiligen.


    Auswanderung ist ein großes Thema auf der Insel, die Böden sind karg, Landwirtschaft ernährt die Familien nur noch unzureichend. Viele junge Leute, vor allem die Männer, sind gegangen, entweder dauerhaft nach Amerika oder Australien, oder „nur“ zum Arbeiten in die Bergwerke im Norden. Auch Gavino bewirbt sich mit einem Freund, aber die Familien tricksen mit den Papieren, so daß die beiden bleiben müssen. Gavino meldet sich mit 18 freiwillig zur Armee, um dem Regiment des Vaters zu entkommen. Es wird nach anfänglichen riesigen Problemen (schließlich ist er fast Analphabet und spricht nur Sardisch, kaum Italienisch) zu einer Offenbarung für ihn. Wer auch immer ihm als Lehrer dienen kann, wird von ihm mit Beschlag belegt. So schafft er nicht nur den Kurs zum Radiotechniker bei der Armee, sondern holt peu à peu Schulabschlüsse nach. Nach seiner Armeezeit kehrt er nach Hause zurück, aber im Dorf hat niemand Verständnis für seinen Bildungsdrang, am wenigsten sein Vater, der noch einmal versucht, die Herrschaft über den Sohn durchzusetzen. Aber die Zeiten haben sich gewandelt ...



    Meine Meinung: Es ist faszinierend zu verfolgen, wie es Ledda geschafft hat, aus dieser sklavenhaften Ausbeutung durch seinen jähzornigen und raffgierigen (ja, auch das ist er) Vater herauszukommen und sich über die von allen Dörflern kritisierte Bildung zu emanzipieren. Andere mögen glauben, daß sich das für einen Hirtensohn nicht schickt, daß er sich für etwas besseres hält, doch Ledda folgt damit einer Neigung, die der Vater trotz aller Bemühungen nicht aus ihm hat herausprügeln können. Es ist nur schwer vorstellbar, welche psychische Stärke nötig ist, um unter einer solchen Behandlung nicht einzuknicken.


    Ich finde es immer schwer vorstellbar, wie archaisch es in selbst in den 1950er Jahren auf Sardinien (aber nicht nur dort, sondern durchaus auch in anderen Regionen Europas) noch zuging. Ohne die modernen Einsprengsel zum Ende würde man es auch hundert Jahre früher verorten können. Ledda ist hier ein teilweise erschreckender Einblick in eine Kindheit gelungen, die diesen Namen eigentlich nicht verdient. Abzüge gibt es aber für die doch recht schlichte Erzählweise, die zwar grundsätzlich zum Inhalt paßt, aber ein bißchen anspruchsvoller hätte es schon sein dürfen. Davon sollte man sich gleichwohl nicht vom Lesen abhalten lassen.


    3ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Danke, dass du mich an dieses Buch erinnert hast, Aldawen! Das wollte ich schon seit einigen Jahrzehnten lesen, seit ich Ende der 70er nämlich eine Verfilmung im Fernsehen gesehen hatte, die mich damals tief beeindruckt hatte. Jetzt muss ich mich wirklich auf die Suche nach dem Buch machen.


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    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Eines meiner Lieblingsbücher. Und es ist vermutlich nicht verkehrt, an dessen Fortsetzung zu erinnern :


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    Gavino Ledda : Die Sprache der Sichel


  • Eines meiner Lieblingsbücher. Und es ist vermutlich nicht verkehrt, an dessen Fortsetzung zu erinnern :


    Es gibt auch eine Fortsetzung? Ist das eine Fortsetzung im chronologischen Sinn, erzählt Ledda also die nächsten Jahre seines Lebens? Oder was steht dort im Mittelpunkt? Könnte mich nämlich durchaus interessieren ...


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Ja, das Buch schließt inhaltlich an "Padre Padrone" an und schildert die endgültige Befreiung aus der väterlichen Gewalt und dem nicht minder harschen System des Militärs.....