Josef Winkler - Natura Morta

  • Josef Winkler: Natura Morta Eine römische Novelle


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    Ein Markt in Rom, auf der Piazza Vittorio Emanuele, dort zentriert sich die Novelle, wobei, wie der Titel schon verrät, die Aufmerksamkeit auf leblose Gegenstände gerichtet wird, wie sie in der Bildenden Kunst seit dem Barock in Form von Stilleben üblich sind. Darstellung von Obst, Blumen, Fisch, Jagd -, Küchen – und Waffengegenständen u.a. So auch in der Novelle. Da kullern Granatäpfel die Ubahntreppe hinunter, als ob der Spaziergänger nur den Äpfeln folgen braucht, um auf den Marktplatz zu kommen, einem Bettler liegt ein Heiligenbild zu Füßen. Der Erzengel sticht am Höllenrand stehend mit einem Schwert einen Dämon nieder. Ein Knabe tastet seinen Hosen schlitz ab, ob er geschlossen ist, weil er sich von jemanden beobachtet fühlt. Mit der Ubahn an der Piatta, dem Marktplatz angekommen, lesen wir von einem Macellaio, der mit einem Hackebeil den Kopf eines Schafs auseinander spaltet, das Gehirn dem Schädel entnimmt, die Gehirnteile auf ein fettiges rosarotes Papier legt, es wird sogar erwähnt, das Papier habe Wasserzeichen. Diese ins Detail gehenden Blicke, die den normalen Marktbesucher entgehen, zeichnet der Autor wie in einem Stilleben nach.


    Schon auf den ersten Seiten erkennen wir Zusammenhänge zwischen Heiligenfiguren, Eros und Tod. Die Sprache ist sehr markant visuell und alles erscheint uns sehr direkt. Übrigens ist es auffallend, das Körpersäfte eine große Rolle spielen. Da spritzt der Saft aus einer Zitrone, der Kittel des Fleischers blutverschmiert, verschmiert auch rostbraune Fischgalle auf einem Oberschenkel und Sätze wie diese:


    Zitat von "Winkler"

    Eine Biene saugte sich an weißen schleimigen Calamariringen fest,..


    In den Löchern der tödlichen Schußwunde in der Stirn von zwei an Fleischerhaken hängenden, leichenweißen Kuhköpfen steckte das Preisschild.


    Im Markttreiben ist der Tod allgegenwärtig und macht auch vor der Kirche nicht halt. Josef Winkler kritisiert die katholische Kirche mit eindrucksvollen Bildern, da ist nicht nur der Sohn einer Feigenverkäuferin, der auf seinem Kruzifix herumbeißt und mit Speichel benetzt, wir begegnen in der Pilgerstadt Bilderchen von Heiligen, die im Umkreis von Ständen mit totem Rindschfleich und Fischkörpern ihren blutigen Mäytyrertod erleiden und ausgerechnet auf dem Petersplatz hängt dem Jungen (wohl versehentlich) sein Geschlechtsteil aus der kurzen Hose heraus. Es ist die Macht der Bilder, die ihre zielgerechte Wirkung zelebrieren. So ist mit Sicherheit die Dornenkrone Christi gemeint, wenn von den „irgelstachelartigen, aus dem Stirnfleich ragenden schwarzen Chirurgenfäden“ die Rede ist. Als das Unglück, der Plot der Novelle, hereinbricht, regnet es sturzbachartig, als ob die Natur mit ihrem Saft alles reinwaschen will, sogar das Märtyrium des Heiligen Sebastian, weches ein Straßenmaler auf dem Asphalt gemalt hat, wird weggespült.


    Eine sehr interessante Rezension hat Stefan Wackwitz in der FAZ geschrieben. Er glaubt, >>Das wichtigste Stilelement der Novelle „Natura morta“ scheint Josef Winkler Kafkas Erzählung Der Jäger Gracchus entlehnt zu haben.<<


    Josef Winkler erhält am 01.November 2008 den Büchnerpreis


    5ratten


    Liebe Grüße
    mombour

    Einmal editiert, zuletzt von mombour ()