Historische Genauigkeit - ein Muss im historischen Roman?

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  • Zitat

    Scheinst dich aber selber auch betroffen zu fühlen, wenn Literaturprofessoren das Genre abwerten?


    Ich fühle mich aber zum Unterschied nicht persönlich betroffen, sondern Leid tut es mir, dass das wunderbare Genre des Hist. Romans als tot angesehen wird.


    Zitat

    Warum man in dieser Frage überhaupt jemanden zur Verantwortung ziehen soll/muss/will verstehe ich auch nicht.


    Vielleicht, weil man etwas verbessern will?


    Mal Klartext:


    Wir Leser sind mittlerweile Spielball der Bücherindustrie. Die verarschen uns nach Strich und Faden, und lachen sich regelmäßig ins Fäustchen. Leidtragende sind wir Leser (die meisten wollen es nicht merken) und jene Autoren, die sich etwas trauen, nämlich wirklich eine kluge Message in ihren Büchern mit Verantwortung zu verbreiten, aber gegen die mächtige Bücherindustrie keine Chance haben. Es ist schon soweit, dass die Verlage vorgeben, was der Autor gefälligst zum schreiben hat. Nur selbstbewusste Autoren setzen sich durch, die meisten von denen geben auf. Toll, nicht?


    Sollen wir nicht einmal Mut zur Selbstkritik haben? :zwinker:


    Zitat

    Ein Roman ist halt ein Roman und darf nie als bare Münze genommen werden.


    Warum kann ich das in der Praxis bloß nie erkennen? :zwinker:


    Zitat

    Sonst könnte man jetzt auch hergehen und sagen alle Leser von Autoren die man im allgemeinen nicht zur "besseren" Literatur zählt und nicht mindestens 5 Preise haben, sind daran mitschuld, dass weniger hochwertige Literatur auf den Markt kommt. Das ist doch reiner Schwachsinn.


    Ja, das ist Schwachsinn. So habe ich das allerdings nie gesagt. ;)


    Gruß

  • In Alfeld, einer Kleinstadt in Niedersachsen mit vielleicht 20000 Einwohnern hatte sich vor ca. 15+ Jahren mal ein Buchladen angesiedelt, der sich auf anspruchsvolle Literatur spezialisiert hatte. Triviales hatten die nicht im Programm. Lange gehalten hat sich der Laden nicht. Okay, ich weiß nicht mehr, ob ich da je was gekauft habe, denn damals war ich wohl noch Schülerin oder in der Ausbildung. Aber die Buchläden werden von der hohen Literatur nicht fett. Dürfte durchaus auch auf anspruchsvolle Historienromane zutreffen, oder?

    &quot;Wenn es mir schlecht geht, gehe ich nicht in die Apotheke, sondern zu meinem Buchhändler&quot; (Philippe Dijan)<br /><br />[url=https://literaturschock.de/literaturforum/forum/index.php?thread/11612.0.html]Mein SUB[/url

  • ich finde es grundsätzlich schon vermessen Bücher damit indirekt auch die Leser in zwei Gruppen zu unterteilen und zu sagen die einen sind gut und die anderen schlecht. Geschmäcker sind verschieden, dass muss man akzeptieren und jeder soll sich das aussuchen, mit dem er am meisten Freude und Spaß hat.

  • Selbt ein einziger Leser vermag ja vielleicht auch verschiedene Bücher zu lesen. Meine Mutter mal als Beispiel: Früher las sie jahrelang einen Konsalik nach dem anderen, einfach zur Entspannung. Inzwischen hat sie ihre Liebe für Ägypten entdeckt und liest wesentlich Anspruchsvolleres.

    &quot;Wenn es mir schlecht geht, gehe ich nicht in die Apotheke, sondern zu meinem Buchhändler&quot; (Philippe Dijan)<br /><br />[url=https://literaturschock.de/literaturforum/forum/index.php?thread/11612.0.html]Mein SUB[/url

  • Mein Senf:
    Es gibt Leute, die wollen lesen, um unterhallten zu werden.
    Es gibt Leute, die wollen lesen, um gut (im Sinne von anspruchsvoll) unterhalten zu werden.
    Die Leser letzterer Kategorie haben es nicht einfach: Sie müssen sich ihre «Perlen» regelrecht zusammensuchen, weil die Verlage je länger desto mehr qualitativ fragwürdige Bücher als Knüller verkaufen wollen. Das nervt und erschwert die Suche nach guten Büchern. Und wenn man mal versehentlich zur Masse statt zur Klasse greift, ist der Ärger doppelt so gross. Man hat Zeit und Geld investiert, um nichts dafür zu bekommen.
    Aber anstatt hier gegen Verlage und Autoren zu schimpfen (obwohl sie die Schelte verdient haben), sollte man die aktuelle Situation eher als Herausforderung sehen. Mit der Zeit wird man einen siebten Sinn für «schlechte» Literatur entwickeln und sich wehren können, indem man keine Fehlkäufe mehr tätigt, gute Bücher weiterempfiehlt und von schlechten abrät – dann kann man auch im Bekanntenkreis das Image von Genres wie «Historischer Roman» korrigieren.


    Wir kennen dieses Spiel um Qualität und Quantität in anderem Rahmen doch schon: Wer einen Fernseher besitzt und ab und zu auch reinschaut, ist doch mit dem selben Problem konfrontiert: Auch dort muss man sorgfältig aussuchen und filtern, bis man mal eine gute Sendung entdeckt, die neben Unterhaltung auch noch seriöse Information vermittelt... Der Rest ist mehr oder weniger billige Unterhaltung für die Leute, die das wollen.
    Und genauso wenig wie jemand gezwungen wird, sich das Dschungelcamp anzusehen, wird man gezwungen, ein Buch von Dan Brown zu lesen.
    Und so schlimm wie in der TV-Welt ist es bei den Büchern ja noch nicht...


    Gruss


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Zitat von "Alfa_Romea"


    Und genauso wenig wie jemand gezwungen wird, sich das Dschungelcamp anzusehen, wird man gezwungen, ein Buch von Dan Brown zu lesen.
    Und so schlimm wie in der TV-Welt ist es bei den Büchern ja noch nicht...


    Dein Wort in Gottes Ohr!!! :bang:

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog

  • Hallo, Alfa Romea!


    Zitat von "Alfa_Romea"

    Es gibt Leute, die wollen lesen, um unterhallten zu werden.
    Es gibt Leute, die wollen lesen, um gut (im Sinne von anspruchsvoll) unterhalten zu werden.


    Und nicht selten lesen dieselben Leute, die Eco schätzen, auch mal einen richtig trivialen Thriller! :breitgrins:


    Zitat

    Und so schlimm wie in der TV-Welt ist es bei den Büchern ja noch nicht...


    Da bin ich mir nach "meinen" beiden letzten Buchmessen nicht mehr so sicher. Daß die Auswahl für viele Leser qualitativ besser erscheint, als sie ist, liegt am Engagement vieler Buchhändler; denn wenn man sich zum Vergleich Bahnhofsbuchhandlungen, Supermarktregale, die Buchsortimente der Warenhäuser etc. anschaut, ergibt sich leider ein anderes Bild.
    Einige große Publikumsverlage -- vor allem die in globalen Medienkonzernen konzentrierten -- verlegen sich zunehmend aufs reine Lizenzgeschäft (d.h. TB von HC, aber vor allem fremdsprachliche Lizenzen). Dabei werden vor allem "Pakete" gekauft, der interessanteste Pool sind die USA, wobei auch Lizenzen von bisher unveröffentlichten Manuskripten gekauft werden, um diese im deutschsprachigen Raum auf ihre "Marktfähigkeit" zu testen. Diese Vorgehensweise ist im Hinblick auf die Kosten, die die Herstellung von Büchern für einen Verlag verursachen, wesentlich leichter zu kalkulieren als die Betreuung von noch unfertigen Manuskripten. Man benötigt dazu z.B. weitaus weniger Personal, und die einzelnen Arbeitsschritte sind leichter kontrollierbar, da der Umfang des Manuskripts von Anfeng an feststeht.
    An sich sollte sich das Problem durch das Kaufverhalten der Leser regeln (so die wirtschaftswissenschaftliche Theorie). Aber da die Konzerne Verlag um Verlag aufzukaufen suchen, werden andere Angebote immer weiter reduziert, zugleich sorgt das für eine Marktdominanz, gegen die die kleineren Verlage nicht ankommen. In der Konsequenz bedeutet das, daß die Möglichkeit der Käufer, auf das Marktgeschehen Einfluß zu nehmen, immer weiter schwinden.
    Und da die Vertriebspolitik dieser Konzerne zunehmend "offensiv" (umnicht zu sagen: aggressiv) wird, verengt sich der Spielraum für die Buchhändler immer mehr. Vermutlich ist euch schon aufgefallen, daß der Anteil kleiner Verlage zunehmend aus dem Sortiment verschwindet.
    Sorry, für die etwas geschwollene Ausdrucksweise ... Ich gelobe Besserung! :)
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne:

  • Ich oute mich auch als Unterhaltungsleserin. Wobei ich es auch zunehmend nervig finde, dass die Hauptpersonen in ihrer Denkweise ihrer Zeit oft sehr 21.-Jahrhundert-mäßig voraus sind. Man ist doch normalerweise sehr stark von seinem Umfeld geprägt, so dass ich mir manchmal kaum vorstellen kann, dass es damals wirklich Leute gab, die ohne jeden Anhaltspunkt so fortschrittlich dachten.


    Und ich hasse anachronistische Namen. Ich mag keine kleinen Lucas und Viviens in deutschen Familien aus der Nazizeit, nur mal als Beispiel. Und natürlich ist es mir lieber, wenn die Details historisch korrekt wiedergegeben sind, wobei es mir in den meisten Fällen wohl auch nicht auffallen würde, wenn sich dort Fehler finden. Schlampige Recherchen könnte ich in den meisten Fällen wohl nicht aufdecken :redface:


    Mir hat aber auch "Die Päpstin" gefallen, einfach so zur Unterhaltung, ohne Anspruch auf historische Korrektheit und ohne die Darstellung größer zu hinterfragen.


    Wenn ich mich wirklich über die Zeit informieren möchte, muss ich eben Fachliteratur lesen oder Fachleute interviewen. Dass das durch historische Romane nur sehr bedingt möglich ist, dürfte klar sein.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Huhu,


    in meinem neuen Leserundenbuch "Wassermusik" von T.C. Boyle habe ich heute morgen folgendes Vorwort gelesen:


    <i>Da der Anstoß zur Wassermusik in erster Linie der Ästhetik, nicht der Gelehrsamkeit entsprang, habe ich den historischen Hintergrund aus der Freude und Faszination genutzt, die er mir bereitete, keinesfalls aber in dem Wunsch, die darin festgehaltenen Ereignisse genauestens zu rekonstruieren oder für einen Roman zu bearbeiten. Ich pflege hier absichtlich Anachronismen, erfinde Sprachen und Terminologien, aber die Originalquellen dienen mir als Material für Abschweifungen und Ausschmückungen. Wo immer die historischen Tatsachen den Bedürfnissen meiner Phantasie Barrieren bauten, habe ich sie, in vollem Wissen und mit reinem Gewissen, in einer Weise umgestaltet, die meinen Absichten entsprach.</i>


    Liebe Grüße
    nimue

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Ich habe manchmal Schwierigkeiten damit, wenn historische Personen mit fiktiven Charakteren verknüpft werden bzw. wenn ich mich auf einem Gebiet nicht so gut auskenne und folglich nicht genau abschätzen kann, ob die Story der Phantasie des Autors entspringt.


    Bestes Beispiel dafür "Der geheime Faden", es geht um den Teppich von Bayeux und es wird an keiner Stelle erläutert, wieviel davon der Wahrheit entspricht und was die Autorin dazufabuliert hat. Wie soll ich mir da ein Urteil erlauben?


    Positive Beispiele sind da z.B. die Bücher von Ulrike Schweikert und von Iris, da wird immer schön aufgedröselt, wie ich die Figuren einzuordnen habe... :klatschen:


    Aber wehe, ich kenne mich aus! :breitgrins: Da stören mich schon kleine Fehler (z.B. "Der Meister des siebten Siegels" - da lebt Kaiser Maximilian noch fröhlich vor sich hin, obwohl er schon vor Jahren das Zeitliche gesegnet hatte - das mag zwar kein schlimmer Fehler sein, aber wenn es mir schon mal auffällt, stört es mich schon, ich gebs zu).


    Die Autoren sollten im Zweifelsfall schon zugeben können, dass sie die Phantasie der historischen Genauigkeit vorziehen... :smile:


    Viele Grüsse
    Liz

    Viele Grüße<br />Liz

  • Hallo, Nimue -- hallo, ihr Lieben!


    Wenn ein Autor selbst darauf hinweist, habe ich überhaupt kein Problem damit. Poetische Freiheit bedeutet auch, Fakten zu verändern -- das haben auch die Klassiker getan, wenn es um die Vermittlung von über den Rahmen hinausweisenden Inhalten ging.


    Wie ich schon mehrfach schrieb: Problematisch wird es für mich, wenn ein Autor oder ein Verlag mit der Authentizität der Hintergründe wirbt. Als besonders unfaires Geschäftsgebaren sehe ich es an, wenn ein Verlag Autoren der historischen bzw. historisierenden Phantastik (z.B. Kai Meyer, den ich als Phantastik-Autor schätze) aus rein wirtschaftlichen Gründen als historischen Autor anpreisen -- das ist schlicht und einfach Etikettenschwindel, den obendrein der Autor ausbaden muß, denn sein Name steht auf dem Einband!
    Nervig ist auch wenn Autoren ohne Grund erkennbar schlampig recherchiert haben, weil es ihnen die Sache nicht wert war, oder wenn sie die realen Verhältnisse nach ihren ideologischen Bedürfnissen verbiegen (Autoren mit religiösem Impetus sind besonders schlimm).


    Wobei ich ausdrücklich die Historicals ausschließen möchte, die erst gar nicht den Anspruch auf einen wie auch immer gearteten Realitätsbezug erheben, sondern nur eine simple Geschichte vor bunter Kulisse bieten. Auch das findet seine Leser und hat somit Berechtigung, und die Tatsache, daß ich persönlich solche Sachen schauderhaft finde, bedeutet ja nicht, daß ich ihre Abschaffung fordern oder gegen sie missionieren muß! :breitgrins:
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne:

  • Also ein Historischer Roman ist für mich nur ein Roman, wo die Fakten stimmen. Andernfalls ist er nur noch ein Roman. Punkt aus...

  • Hallo maaa,


    erst mal Herzlich Willkommen hier im Forum.


    Mir fällt auf, dass Du sehr unpersönliche Postings schreibst? Wir sind hier nur ein relativ kleines Forum, das sehr von dem höflichen Miteinander lebt. Mir ist es beispielsweise eine liebe Angewohnheit, meine Postings mit Grußformeln zu versehen. Natürlich ist das kein Muss, aber gerade, wenn man schon mit dem allerersten Posting nur einen Thread eröffnet, wo kein Hallo und Tschüß steht, dann sträube ich mich da immer etwas mit meinen Antworten.


    Es wäre auch schön, wenn Du Dich kurz im entsprechenden Forum vorstellen würdest :)


    Zum Thema:


    Zitat von "maaa"

    Also ein Historischer Roman ist für mich nur ein Roman, wo die Fakten stimmen. Andernfalls ist er nur noch ein Roman. Punkt aus...


    Sory, aber in dem Satz ist für mich zu viel "Roman" - ich kapiere ihn nicht. Ein historischer Roman ist eben ein Roman und kein Fachbuch.


    Liebe Grüße
    nimue

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.


  • Ja, aber ein historischer Roman sollte nicht an Fakten vorbeizielen, sonst hat der Roman den Zusatz "historisch" nicht verdient. Sorry, aber so hart muss man sein. Ich spreche hier - wohlgemerkt - aber auch nicht von Winzigkeiten, immerhin hat man bei historischen Romanen, wo nur wenige Aufzeichnungen existieren, nicht Einsicht in alle Gegebenheiten.
    Bin leider grad nicht zu Hause, aber wenn ich die Zeit finde, führe ich gerne Beispiele an, wie ich das genau meine. (Doofer Stress! :grmpf: )

  • Und wer bist Du?
    Siehst Du, das meine ich mit Höflichkeit - wenn Du Dich nämlich nicht einloggst _und_ alle Grußformeln außer Acht lässt, hat hier _niemand_ eine Ahnung, von wem das Posting ist :grmpf:


    Zitat von "Anonymous"

    Ja, aber ein historischer Roman sollte nicht an Fakten vorbeizielen, sonst hat der Roman den Zusatz "historisch" nicht verdient. Sorry, aber so hart muss man sein. Ich spreche hier - wohlgemerkt - aber auch nicht von Winzigkeiten, immerhin hat man bei historischen Romanen, wo nur wenige Aufzeichnungen existieren, nicht Einsicht in alle Gegebenheiten.
    Bin leider grad nicht zu Hause, aber wenn ich die Zeit finde, führe ich gerne Beispiele an, wie ich das genau meine. (Doofer Stress! :grmpf: )

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Hallo nimue,


    Zitat von "nimue"

    Sory, aber in dem Satz ist für mich zu viel "Roman" - ich kapiere ihn nicht. Ein historischer Roman ist eben ein Roman und kein Fachbuch.


    ich schließe mich hier der Meinung von maaa an. Sicher ist ein historischer Roman kein Fachbuch - trotzdem fände ich hier eine klare Unterscheidung hilfreich.


    Ein Autor hat die Freiheit einen Roman zu schreiben, der in längst vergangenen Zeiten spielt, Städte, Kriege und Herrscher frei zu erfinden.


    Nachdem es aber auch genug historische Romane gibt, die man durchaus auch zur Erweiterung seiner Geschichtskenntnisse lesen kann, sollte es irgendwie für den Leser ersichtlich sein, ob die Fakten in dem Roman auf Tatsachen beruhen.
    In echten historischen Romanen sollten die Leute in Städten leben, die es gegeben hat, Speisen essen, die damals tatsächlich gegessen wurden, an Schlachten teilnehmen, die stattgefunden haben usw.


    Bei einem einfachen Roman, der nur in einer vergangenen Epoche spielt, ist das nicht zwingend notwendig.


    Liebe Grüße


    Noja

  • Ich habe gerade bei einer Leserunde eines historischen Romans hinter mir und auch da ging es um dieses Thema.
    Dabei haben sich für mich eindeutige Kriterien ergeben, was ich als historischen Roman bezeichne.


    Ist eine historischer Zeitraum oder gar genaue Jahrszahlen vorgegeben, dann sollten auch nur Dinge und Ereignisse, die dafür belegt sind, vorkommen. Das bezieht sich nicht auf fiktive Personen, Handlungen im Rahmen der damaligen Möglichkeiten, Gespräche usw.


    Beispiel:


    Wenn der Roman im 14. Jahrhundert in Europa spielt, dürfen keinen Kartoffeln vorkommen, den die gab es damals noch nicht.


    Wenn eine Pestepidemie beschrieben wird, der ein Drittel der Bewohner einer damals real existierenden Stadt zum Opfer fallen, dann sollte es diese Epidemie auch gegeben haben.


    Wenn eine fiktive Person eine real existierende trifft, muss diese geschichtliche Person auch schon bzw. noch gelebt haben und auch altersmäßig in den Zeitraum passen. Einen Roman, in dem Karl der Große Friedrich den Großen trifft oder John F. Kennedy gegen George W. Bush jr antritt, kann ich, auch wenn beide realistisch beschrieben sind, nur als historische Fantasy, aber nicht als historischen Roman bezeichnen.



    Ein Roman ist zwar fiktiv, aber durch Zeitangaben und real existierende Personen, Orte, Ereignisse legt sich der Autor auf einem bestimmten Rahmen fest.


    Einen Roman, der ausschließlich in der alltäglichen Gegenwart spielt mit Dingen und Ereignissen, die heute üblich sind, wird auch keiner als Science Fiction bezeichnen oder einen Roman in dem kein einziges Verbrechen (wenn auch nur gedacht), kein Ermittler, kein Polizist vorkommt als Krimi.


    Zusammengefasst: durch die Etikettierung eines Romans mit einem bestimmten Genre unterwirft sich dieser den Regeln und dem Anspruch dieses Genres.


    LG Dyke

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Iris"

    Poetische Freiheit bedeutet auch, Fakten zu verändern -- das haben auch die Klassiker getan, wenn es um die Vermittlung von über den Rahmen hinausweisenden Inhalten ging.


    Da kann ich Dir nur zustimmen. Bestes Beispiel wohl (ist zwar kein Roman sondern ein Drama, aber sein Autor war immerhin Professor der Geschichte!): Die Jungfrau von Orleans - Friedrich Schiller.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Hallo sandhofer!


    Zitat von "sandhofer"

    Da kann ich Dir nur zustimmen. Bestes Beispiel wohl (ist zwar kein Roman sondern ein Drama, aber sein Autor war immerhin Professor der Geschichte!): Die Jungfrau von Orleans - Friedrich Schiller.


    Schiller hat auch bei anderen historischen Dramen wie z.B. Maria Stuart, Don Carlos und den beiden Wallenstein-Dramen schon mal Fünfe gerade sein lassen -- allerdings auf der Basis eines dezidierten poetologisch-ethischen Konzepts (nachzulesen in seinen tragödientheoretischen Schriften, die stilistisch übrigens ein wahrer "Gaumenschmaus" sind).


    Wenn bei heutigen historischen Unterhaltungsromanen dieses laissez-faire nur der Begründung des Handlungsverlaufes dient, bekomme ich allerdings Bauchweh.
    Wobei es da graduelle Unterschiede gibt: Wenn die Story den Quellen klar widerspricht, rollt es mir die Fußnägel auf; werden Dinge eingeführt, die den Quellen zumindest nicht klar widersprechen, dann schlucke ich das -- es sei denn, es handelt sich um groben Unfug.
    Bei "historischen Unterhaltungsromanen" findet sich leider sehr viel grober Unfug (speziell was z.B. die Rolle der Frau u.ä. angeht :rollen:) -- wenn mal eine Epidemie auftritt, die nicht vermerkt ist, man aber davon ausgehen kann, daß in besagtem Jahrhundert mehrere Epidemien an diesem Ort gewütet haben, dann geht 's noch (der Begriff "Pest" z.B. bezeichnete jede epidemisch auftretende, lebensbedrohliche Seuche -- und lebensbedrohlich war für die Masse der Armen damals auch eine Magen-Darm-Grippe!). Außerdem traten vereinzelte Fälle der Beulenpest auch während anderer Epidemien immer wieder auf -- Schädlinge und Ungeziefer waren nun einmal stark verbreitet.
    Da finde ich verzerrte Lebensdaten schon problematischer. ;)
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne:

  • Zitat von "Historikus"

    Was mich am meisten wundert in diesen Diskussionen, ist der ständige Einwand "Wir wollen doch nur unterhalten werden. Wenn wir etwas lernen wollen, beziehen wir es aus einem Lehrbuch." Da stellt sich mir die Frage, warum in Augen einiger Leser man anscheinend Qualität mit Unterhaltung nicht verbinden kann.


    Q und U sollten sich nicht ausschließen. Aber wenige der hier Diskutierenden kennen sich in der Geschichte offensichtlich besser aus (z.B. Iris). Genau das ist das Problem bei der Beurteilung solcher Romane.


    Ich erwarte zwar, dass Autoren recherchieren (egal ob Neuzeit-Roman oder historischer Roman), aber letztlich widersprechen sich doch auch Historiker. Keiner weiss letztlich wirklich, wie es gewesen ist - Zeitreisen gibt es halt nicht.
    So vieles ist Vermutung oder Schlussfolgerung aus irgendetwas anderem. So vieles wird in der wissenschaftlichen Literatur weitergeschleift, weil der ursprüngliche Autor eine Kapazität sein soll, weil man sich damit schmücken will o.ä. (Wissenschaftler sind beim Zitieren manchmal seltsam). D.h. selbst die Recherchequellen für Autoren sind mitunter ungenau oder werden von anderen angezweifelt. Da aber keiner (s.o.) wirklich etwas weiss, muss man als Autor glauben, dass die Angaben einer Recherchequellen glaubhaft, schlüssig oder richtig sind.


    Bei aller Recherchepflicht: Aber irgendwann muss der Roman ja auch geschrieben werden. Nach 2 Jahren Recherche oder nach 7 Jahren Recherche? In einem Roman kann man keinen Historikerstreit aufbereiten, sondern muss sich für eine Sichtweise entscheiden. Und ein Autor historischer Romane hat vermutlich irrsinnig viel Unterlagen über sein Umfeld und Details dazu, sodass irgendwo schon mal eine Lücke sein kann - da habe ich kein Problem mit. Ich kenne die Arbeit mit mehreren hundert Literaturstellen aus eigener Erfahrung.


    Für mich als Leser muss der Roman schlüssig sein mit dem, was ich aus anderen Quellen über eine bestimmte Epoche erfahre, z.B. TV, Zeitschriften, andere Bücher oder Zeitungen. Denn ich kann mich nicht selbst in Sekundärliteratur vertiefen.


    :ohnmacht: Eigentlich ist es doch so: Wer historische Genauigkeit verlangt und diese nachdrücklich einfordert, darf sich in voller Konsequenz eigentlich nicht mit SF befassen. Da wird so viel Physik missachtet, dass es schon gar nicht mehr mit sich widersprechenden Quellen erklärbar ist und dass es manchmal echt wehtut.

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