Vicki Baum - Menschen im Hotel

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  • Vicki Baum ~ Menschen im Hotel


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    Seiten: 319
    Format: Taschenbuch
    Sprache: Deutsch
    Erscheinungsjahr: 1929
    Verlag: Kiepenheuer & Witsch
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    Zum Inhalt
    Als dieser Roman, der im Berliner "Grand Hotel" der 20er Jahre spielt, im Jahr 1929 erschien, war Vicki Baum bereits eine der bekanntesten und auflagenstärksten Autorinnen in Deutschland. Die Geschichte einer Handvoll Menschen, die im Hotel zufällig aufeinandertreffen und durch die Begegnung nachhaltig erschüttert werden, ebnete ihr den Weg nach New York und schließlich nach Hollywood.


    Alle Figuren des Romans stehen an einem entscheidenden Wendepunkt in ihrem Leben. Niemand wird das "Grand Hotel" so verlassen, wie er es betreten hat...


    Da ist zum einen die alterne Ballerina Grusinskaja, die mit ihrer anstrengenden Art aber ihre ganze Umgebung in Atem hält, jedoch unter ihrem verblassendem Ruhm und ihrer Einsamkeit leidet und des Lebens überdrüssig ist.


    Im Foyer des Hotels lernen wir den ehemaligen Arzt Otternschlag kennen, dessen eine Gesichtshälfte durch eine Kriegsverletzung entstellt ist. Otternschlag ist Stammgast des Hotels, morphiumsüchtig und einsam. Er denkt oft an Selbstmord, doch findet er den Mut nicht dazu, sich den "Goldenen Schuss" zu setzen.


    Dann begegnet man dem Baron Gaigern, ein verarmter Adliger, der sich als Taschendieb verdingt, was ihm aber niemand zutrauen würde.


    Herr Kringelein, ein kleiner Hilfsbuchhalter aus Sachsen, vertritt die untere Mittelschicht im Hotel. Man erfährt, dass er sterbenskrank ist und daher alle Bande (Familie, Arbeit, Frau) brechen will, um seine letzten verbleibenden Wochen in Luxus zu leben. Er freundet sich mit Otternschlag und Gaigern an und erlebt manche Dinge zum ersten Mal im Leben, die für andere selbstverständlich sind.


    Und schließlich Herr Generaldirektor Preysing, der Vorgesetzte von Kringelein, der in die Stadt gekommen ist, um wichtige Geschäftsverhandlungen vorzunehmen, die allerdings ganz anders ausgehen, als er vermutet hätte...



    Meine Meinung
    Dies war mein erster Roman von Vicki Baum und ich bin richtig begeistert!
    Der Roman ist recht logisch und klar konzipiert: Zunächst werden langsam die handelnden Personen vorgestellt. Vicki Baum zeigt sich dabei als sehr gute Beobachterin und genaue Analystin der Menschen und ihrem Auftreten, ihrer äußeren Erscheinung und dem, was dahinter steckt.


    Nachdem alle Personen eingeführt wurden, bekommt jeder die Chance, seine eigene kleine Geschichte zu entwickeln, die aber niemals losgelöst von den anderen Hotelgästen ist. Die Beziehungen, die sich untereinander dabei herausbilden, spitzen sich zu und enden in einem regelrechten Drama...


    Trotz der recht ernsten Angelegenheiten, die hier thematisiert werden (Einsamkeit, Krankheit, Lebensüberdruss, Depression), kommt das Buch nicht ernst rüber, sondern immer mit einer feinen Ironie und Leichtigkeit, das man oft schmunzeln muss. Die Personen wirken in ihrer Spießigkeit so grotesk, dass es eine reine Freude ist! Dabei schwingt auch immer etwas Kritik an der anonymen Massengesellschaft des 20. Jahrhunderts und am Verfall der Werte mit.


    Alles in allem ein toller Unterhaltungsroman mit Niveau, der mir eine Menge Lesevergnügen bereitet hat.


    4ratten



    EDIT: Betreff etwas angepasst. LG Seychella

    Einmal editiert, zuletzt von Seychella ()

  • Ich habe das Buch grade beendet und trotzdem bin ich mit meinen Gedanken immer noch im Grand Hotel. Deiner Rezension kann ich eigentlich gar nichts mehr hinzufügen, Ophelia! Du hast es perfekt auf den Punkt gebracht :winken:
    Vicki Baum schafft es, dass man mit jedem der Charaktere mitfühlt, mitbangt und sich mitfreut. Jeder hat seine kleinen oder großen Laster und Macken und trotzdem wachsen einem alle ans Herz. Besonders gefallen hat mir, dass erst die einzelnen Personen und ihre Geschichten erzählt werden und dann immer klarer wird, wie sie zusammen hängen, bis zum Ende hin alle Schicksale miteinander verwoben sind. Was mir persönlich außerdem super gefallen hat ist, dass man so richtig schön in die Atmosphäre der Zwanziger Jahre versetzt wird :herz:.
    Von mir gibt es deshalb auch vier Ratten!
    4ratten

    ~ The world is quiet here ~

  • Menschen im Hotel ist ein netter Unterhaltungsroman für zwischendurch, der die Gesellschaft der 20er Jahre schildert.


    Allerdings hat mir zu den Charakteren ein bisschen der Zugang gefehlt, wodurch sich bei mir kein rechtes Interesse aufbauen konnte.
    Ganz gut gefallen hat mir jedoch die Erkenntnis, dass sich im Hotel nur Bruchstücke des Lebens abspielen, dass die Beziehungen, die man schließt, immer an der Oberfläche bleiben und das eigentliche Leben des Alltags ausgeblendet wird, wodurch die Menschen nicht als "Ganzes" fassbar werden.


    Ich vergebe 3ratten

  • An Ostern habe ich es nun endlich zu Ende gelesen. Ich tat mich anfangs etwas schwer mit dem Buch, weil ich eine alte Ausgabe von 1957 gelesen habe und zu dieser Zeit die Übersetzung noch in einer etwas stelzigen Sprache, eben in der Sprache der 20er Jahre, geschrieben war. Als ich dann eine heutige Fassung von einer Freundin leihen konnte, ging es schon viel besser.


    Mir ging es so mit dem Buch, dass sich bei mir alle Emotionen von Grinsen über Totlachen bis zu tief traurig sein abspielten. Am meisten hat mir gefallen, wie Vicki Baum die einzelnen Figuren peu à peu entwickelte und wie sich die Beziehungen der Figuren untereinander entwickelten und die ganze Handlung sich sehr spannend zuspitzte. Allerdings war das Ende eher ein "Ende gut - alles gut", aber das darf es wohl auch mal sein. Ich meine damit, dass der widerliche Preysing noch so richtig tief in den Schlamassel geraten ist und rundherum eine hohe Strafe erhielt und der unscheinbare, liebenswürdige, sehr kranke Kringelein sozusagen noch das große Los in Sachen Liebe und Leben gezogen hat. Es war schon recht hübsch und unterhaltsam und hat in jedem Fall sehr feinsinnig die tiefen menschlichen Abgründe aufgezeigt.


    Ob ich allerdings so schnell wieder eine Vicki Baum zur Hand nehme, weiß ich noch nicht. Kommt Zeit ..... :zwinker:


    Das Buch bekommt von mir


    4ratten

  • Diesen fast 100 Jahre alten Roman heute zu lesen ist wie eine Zeitreise. Vicki Baum hat eine Lebensart festgehalten, die in dieser Form nach dem 2. Weltkrieg ausgestorben ist - soziale Unterschiede gibt es natürlich heute auch noch, aber sie äußern sich eben auf andere Art als hier beschrieben.

    Inhaltlich hat Ophelia vorne schon genug dazu geschrieben, ich kann mich ihrer Sichtweise in den meisten Punkten einfach anschließen.