George Orwell-Animal Farm

Es gibt 49 Antworten in diesem Thema, welches 16.437 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von cynthor.

  • Es handelt sich in meinen Augen auch weniger um ein "Märchen" (wie auf dem Cover angegeben), als viel mehr um eine Parabel. Daher kann ich mich der Meinung von Klassikfreund auch nicht anschließen:



    Eben das ist ja das Erfrischende an dem Buch.


    Die Geschmäcker sind halt verschieden. Ich kann genausowenig wie Klassikfreund etwas Erfrischendes dabei finden, wenn einer derart wild mit dem ideologischen Zaunpfahl herumfuchtelt wie Orwell ... :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Die Geschmäcker sind halt verschieden. Ich kann genausowenig wie Klassikfreund etwas Erfrischendes dabei finden, wenn einer derart wild mit dem ideologischen Zaunpfahl herumfuchtelt wie Orwell ... :winken:


    Wie hätte es Orwell denn deiner Meinung nach besser verpacken können? :winken:


  • Wie hätte es Orwell denn deiner Meinung nach besser verpacken können? :winken:


    Auch wenn ich nicht direkt angesprochen bin, antworte ich mal.


    Zum einen bin ich kein Schriftsteller, so dass ich nur das Ergebnis bewerte. Und das ist mir alles zu platt und einfach daherkommend gemacht. Man lese beispielsweise "Meister und Margaritha", dort sind die Themen Herrschaft und Macht schon intelligenter verpackt. So lassen sich zahlreiche weitere Beispiele in der Literatur finden. In Kafkas Schloss geht es auch um Macht, aber ein Zaunpfahl ist dennoch nicht zu erkennen. Wenn jemand belehrend schreibt, ist es meist nervig. Dieses Werk Orwells geht in diese Richtung.


    Gruß, Thomas

  • Natürlich finden sich andere Beispiele, aber ob sie besser oder schlechter sind, kommt meiner Meinung nach darauf an, wer denn vom Autor angesprochen werden soll und wer sich angesprochen fühlt. Fakt ist doch (zumindest versteh ich das so, ohne irgendwelche Statistiken zu kennen), dass Orwell einen wesentlich größeren Teil Leser anspricht als bspw. Kafka. Der Wink mit dem Zaunspfahl von Orwell bietet sehr vielen Menschen die Möglichkeit zu verstehen, was er sagen will und die Botschaft zu erkennen ... nun, das kann Kafka sicher nicht von sich behaupten :zwinker:

    Ein Leben lang lesen ist nicht genug!<br /><br />Top 3:<br />1. &quot;Die Brautprinzessin&quot; von William Goldman<br />2. &quot;Männer&quot; von Dietrich Schwanitz<br />3. &quot;1984&quot; von George Orwell

  • Das kommt ja noch erschwerend hinzu:


    Der Wink mit dem Zaunspfahl von Orwell bietet sehr vielen Menschen die Möglichkeit zu verstehen, was er sagen will und die Botschaft zu erkennen ...


    Die Botschaft hör' ich wohl; allein, mir fehlt der Glaube ... :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Natürlich finden sich andere Beispiele, aber ob sie besser oder schlechter sind, kommt meiner Meinung nach darauf an, wer denn vom Autor angesprochen werden soll und wer sich angesprochen fühlt.


    Ja, du hast Recht, wenn man einen Roman so ansieht. Meines Erachtens soll ein Roman aber nicht irgendwelche Leserschichten ansprechen, sondern er sollte kunstvoll sein, und (frei nach Arno Schmidt) habe sich der Leser anzustrengen, um sich dieser Kunst zu nähern. Ansonsten müsste man Trivialliteratur verfassen, das würde noch breitere Schichten ansprechen. Gerade die einfach gestrickten Romane verschwinden relativ schnell wieder aus dem Gedächtnis der Geschichte.


    Gruß, Thomas


  • Meines Erachtens soll ein Roman aber nicht irgendwelche Leserschichten ansprechen, sondern er sollte kunstvoll sein, und (frei nach Arno Schmidt) habe sich der Leser anzustrengen, um sich dieser Kunst zu nähern. Ansonsten müsste man Trivialliteratur verfassen, das würde noch breitere Schichten ansprechen. Gerade die einfach gestrickten Romane verschwinden relativ schnell wieder aus dem Gedächtnis der Geschichte.


    Gruß, Thomas


    Deine Form des Literaturgenusses ist völlig legitim, wird aber nicht von der breiten Masse geteilt. Ich möchte behaupten, dass die Wenigsten ein Buch um der Kunstform Willen lesen. Die Mehrzahl richtet sich da sicher eher nach Thema, Schreibstil und Lesbarkeit insgesamt. In der heutigen Zeit muss sich auch (ganz lapidar und ohne Wertung meinerseits) kein Leser mehr anstrengen, sich der Kunst zu nähern, sondern die Kunst muss sich anstrengen, ein Publikum zu finden. Sonst wird nicht verkauft. Wenn nicht verkauft wird, fließt kein Geld und die Künstler gehen baden.


    Übrigens war das schon so seid Erfindung des Buchdruckes, der ja letztendlich für die Verbreitung des Mediums "Buch" gesorgt hat. Das Ziel war, mehr Leute zu erreichen als nur Mönche und lesende Einzelpersonen. Man begann das Buch zu nutzen, um Gedanken unter das Volk zu streuen. Für mich ist das die einzige Erklärung dafür, dass die Bibel das meistverkaufte Buch der Menschheit ist. Die abendländische Kulturgeschichte wäre ohne Gutenberg und Bibel gänzlich anders verlaufen ...


    Ich weiß nicht, ob diese beiden Absätze erklären, was ich sagen will, weil ich gerade ein Problem habe, mich auszudrücken. Eine Diskussion darüber, ob ein Buch lesenswert ist oder nicht unter zwei völlig verschiedenen Gesichtspunkten finde ich hochinteressant. Zumal der Standpunkt von dir und auch von sandhofer, wenn ich nicht irre, sich gänzlich von dem Meinen unterscheidet. Denn ich denke, im Gegensatz zu Arno Schmidt, dass ein Autor, der sich nicht verständlich ausdrücken kann, auch nicht die Mühe wert ist, sich mit ihm auseinanderzusetzen. Das mag hochnäsig klingen, aber für mich ergibt sich ein Lesegenuss nur dann, wenn ich in das Buch eintauchen kann und mich in der Story verliere.


    Was deinen letzten Satz betrifft, so kann ich dem nicht ganz folgen. Es gibt jede Menge einfach gestrickte Romane, die sich über Jahrhunderte gehalten haben: Austen, Dickens, Balzac, Dumas, Hugo, ja, selbst eine Madame de La Fayette oder einen Friedrich de la Motte Fouqué kannst du heute noch haben, während ich mir gerade auf der Suche nach Plutarch die Zähne ausbeiße.


    Und als Unterschrift sei hinzugefügt, dass ich durchaus glaube, dass dem Autor was an der Verbreitung und dem Verkauf seiner Geschichten liegt. Samariter gab es da auch schon in den letzten Jahrhunderten ziemlich wenig :zwinker:


    PS: Spannend für mich ist übrigens an dieser Stelle, obwohl das vielleicht sogar ein neues Thema erfordern könnte, was für euch so reizvoll daran ist, einen kunstvoll gebauten Satz zu lesen und das u. U. über hunderte von Seiten hinweg, ohne dass das Thema wirklich wichtig ist? Was macht Literatur aus? Die Tatsache, dass jeder, der in den Docklands von London unterwegs ist, Oliver Twist durch die Gassen huschen sieht und London das alte Stadtbild nie verlieren wird oder die Tatsache, dass der Zauberberg ein kunstvoll zusammengesetztes Wortensemble bildet?

    Ein Leben lang lesen ist nicht genug!<br /><br />Top 3:<br />1. &quot;Die Brautprinzessin&quot; von William Goldman<br />2. &quot;Männer&quot; von Dietrich Schwanitz<br />3. &quot;1984&quot; von George Orwell

  • Ich finde dieses Buch auch wirklich gut, ich hab´s allerdings auf deutsch gelesen. Die Idee menschliche Revolutionen auf einer, von Tieren eroberten Farm, zu kritisieren hat mir gut gefallen. Einen Kritikpunkt habe ich aber: Diverse Tiere werden als dumm dargstellt, die Pferde z.B., wodurch Orwell ihre Ausbeutung durch die Schweine erklärt. Allerdings halte ich den Faktor "Angst" für weitaus bestimmender, in dem Falle Napoleons Hunde. Ich denke, dass Stalin und auch Hitler durch ihre Säuberungskommandos, Gestapo etc die Angst des Volkes schürten und deshalb niemand traute sich zu erheben.

  • PS: Spannend für mich ist übrigens an dieser Stelle, obwohl das vielleicht sogar ein neues Thema erfordern könnte, was für euch so reizvoll daran ist, einen kunstvoll gebauten Satz zu lesen und das u. U. über hunderte von Seiten hinweg, ohne dass das Thema wirklich wichtig ist? Was macht Literatur aus? Die Tatsache, dass jeder, der in den Docklands von London unterwegs ist, Oliver Twist durch die Gassen huschen sieht und London das alte Stadtbild nie verlieren wird oder die Tatsache, dass der Zauberberg ein kunstvoll zusammengesetztes Wortensemble bildet?


    Kafka enthält eine Menge Stellen über Macht. Die sind natürlich nicht immer einfach verständlich und auch nicht direkt. Wenn es bei einem Roman nur darum ginge, eine Botschaft zu transportieren, dann sollte man besser ein Sachbuch oder einen Essay schreiben. Dazu braucht man keine Kunstfiguren drum herum. Ich habe nichts gegen Sachbücher, aber diese bewegen sich auf einer anderen Ebene als Romane. Deswegen würde ich einen Sachbuchleser auch nicht mit einem Roman-Leser in den gleichen Topf werfen.


    Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass man Romane nur wegen ihrer Kunstform liest. Dabei empfindet jeder Leser etwas anderes als "schön". Der einfacher gestrickte Leser mag einfach nur "angerührt" werden (gelegentlich ist ja jeder gerne mal einfach gestrickt), der intellektuelle Leser benötigt mehrere Schichten, um einen Roman zu genießen, da er die anderen Konstrukte zu leicht durchschaut und sie ihm daher "schal" vorkommen.


    Natürlich ist das Thema auch wichtig. Aber fast jedes Thema kann für einen "echten" Leser interessant werden, wenn es nur entsprechend dargestellt wird. Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass mich eine Beschreibung mit den Phasen des Einschlafens über viele Seiten begeistern kann. Ich will das nicht aus einer Sachbuchperspektive wissen (obwohl das auch nicht ganz uninteressant ist), sondern in einer Weise dargestellt bekommen, die mich "berührt" (wobei wir wieder beim vorne schon erwähnten "anrühren" wären). Das bringt mich zu dem Schluss, dass auch der intellektuelle Leser womöglich nichts anderes sucht als der einfache.


    Man sollte "Thema" nicht mit "Handlung" verwechseln. Gerade die oft handlungsfreien Gedankengänge eines Menschen lassen sich nur im Medium Buch transportieren. Spannung und Action gibt es auch im Kino, das brauche ich nicht (immer) im Buch.


    Gruß, Thomas


    P.S. Zu den einfachen Romanen, die sich gehalten haben: Da hast du recht, es gibt jede Menge. Dennoch unterscheiden auch diese sich aufgrund ihrer Kunstform von der Literatur ihrer Zeit. Sie haben nicht einfach zufällig überlebt, sondern in ihnen gibt es ein "mehr" an Kunst, die anderen Werken der Zeit fehlt.

  • Deine Form des Literaturgenusses ist völlig legitim, wird aber nicht von der breiten Masse geteilt. Ich möchte behaupten, dass die Wenigsten ein Buch um der Kunstform Willen lesen. Die Mehrzahl richtet sich da sicher eher nach Thema, Schreibstil und Lesbarkeit insgesamt. In der heutigen Zeit muss sich auch (ganz lapidar und ohne Wertung meinerseits) kein Leser mehr anstrengen, sich der Kunst zu nähern, sondern die Kunst muss sich anstrengen, ein Publikum zu finden. Sonst wird nicht verkauft. Wenn nicht verkauft wird, fließt kein Geld und die Künstler gehen baden.


    Ich vertrete die Auffassung von Klassikfreund. Das Kunst schwer ist, sagte schon Nabokov. Die Kunst wirkt immer auf den Leser/Betrachter. Was der mit der Kunst anfängt, darauf hat ein Autor/Künstler keinen Einfluss. Es ist ein Todesurteil für die Kunst, wenn sich ein Künstler anstrengen muss, ein Kunstwerk so zu schaffen, dass es von einem Publikum angenommen wird. Ein künstlerischer Schöpfungsprozess kommt von innen und wird nicht von außen aufgestülpt. Ein Künstler, der sich seine Kunst von außen aufstülpen lässt, hat seine Kunstlerseele schon (ich wollte schon sagen: "Dem Teufel" ) verkauft. Das sich manche Leser nicht anstrengen wollen, dafür kann der Künstler nichts. Das hat andere Gründe, vielleicht, weil man vom Fernsehen gewohnt ist, sich berieseln zu lassen oder was weiß ich warum.


    Wozu haben wir denn einen Kopf? Zum Denken, Nachdenken; und gerade das macht Spaß. Ein Buch lesen und dann sagen "abgehakt"(habe ich im Forum manchmal so gelesen), dass kann es doch wohl nicht sein., dass wäre dann m.M.n. nur Lesen als Konsumhaltung. Die große Kunst aber inspiriert den Geist, wenn man sich auf die große Kunst, sei es Kafka, Tolstoi o.a., einlässt.


    Liebe Grüße
    mombour

  • Und als Unterschrift sei hinzugefügt, dass ich durchaus glaube, dass dem Autor was an der Verbreitung und dem Verkauf seiner Geschichten liegt. Samariter gab es da auch schon in den letzten Jahrhunderten ziemlich wenig :zwinker:


    Kafka hat sich nicht um die Leser gekümmert, seine Romane waren zur Veröffentlichung gar nicht vorgesehen. Auch Proust hat geschrieben wie es ihm gefiel, als der Roman keinen Verlag fand, hat er ihn auf eigene Kosten herausgebracht. Musil arbeitete über 20 Jahre an seinem Mammutwerk, Erlösmaximierung hat er so nicht betrieben. Immerhin drei Samariter.


    Gruß, Thomas

  • ein anderer Samariter war Franz Schubert, der so arm war, dass er sich zeitweise nicht einmal Notenpapier kaufen konnte.

    Einmal editiert, zuletzt von mombour ()

  • Natürlich muss Kunst letztlich auch verkauft werden, sonst setzt sie sich nicht durch und findet keine Verbreitung, das ist aber in vielen Fällen nicht der erste Beweggrund des Künstlers, diese Kunst zu schaffen. Arno Schmidt sah das Dilemma sehr deutlich, deswegen musste er "nebenbei" auch immer Übersetzungen und andere "Brotarbeit" (wie er es nannte) erledigen.


    Gruß, Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()

  • Deine Form des Literaturgenusses ist völlig legitim, wird aber nicht von der breiten Masse geteilt.


    Wenn ich so meine arrogante Phase habe (und die habe ich gerne und oft!), pflege ich zu sagen: Umso schlimmer für die breite Masse.


    Spannend für mich ist übrigens an dieser Stelle, obwohl das vielleicht sogar ein neues Thema erfordern könnte, was für euch so reizvoll daran ist, einen kunstvoll gebauten Satz zu lesen und das u. U. über hunderte von Seiten hinweg, ohne dass das Thema wirklich wichtig ist?


    Um hier mal eine typisch männliche Antwort zu geben :breitgrins: : Was ist so reizvoll daran, einer Stripperin zuzusehen, auch wenn man(n) genau weiss, dass ihre Bewegungen nur kunstvoll einstudiert sind und man(n) sie im übrigen nie in die Kiste bringen wird? Kant spricht vom "interesselosen Wohlgefallen" - und trifft damit zumindest einen Teil der Wahrheit, finde ich. :winken:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Dabei empfindet jeder Leser etwas anderes als "schön". Der einfacher gestrickte Leser mag einfach nur "angerührt" werden (gelegentlich ist ja jeder gerne mal einfach gestrickt), der intellektuelle Leser benötigt mehrere Schichten, um einen Roman zu genießen, da er die anderen Konstrukte zu leicht durchschaut und sie ihm daher "schal" vorkommen.


    Das ist wunderbar gesagt. Da könnte ich direkt neidisch werden, denn so schön bring ich es nie auf einen Punkt. :smile:


    Zumal in den Sätzen das Wort "Kunst" fehlt. So, wie es da oben steht, kann ich deine Meinung voll mit tragen. Aber der Satz da oben bedeutet auch, das Hedwig Courts-Mahler Kunst ist. Und das ist nicht gerade das an Literatur, was ich unter "Kunst" einordnen würde.


    Ich habe mal einen Deutschlehrer kennengelernt, der las Bücher ausschließlich wegen des Satzbaues. Er hat die Romane auseinandergenommen und technisch aufgerollt und war fasziniert von Thomas Mann. Der Junge konnte überhaupt nicht fassen, dass es Leute gibt, die Bücher aus reinem Lesegenuss lesen und um vielleicht, um neue Handlungen oder Themenverarbeitungen kennenzulernen. Aller Wahrscheinlichkeit habe ich dich in diesen Topf geworfen, weil ich deine Erläuterung ähnlich interpretiert habe.


    Kunst ist die Gestaltung einer Sache aus der Sicht des Künstlers. Ein aufgebautes Objekt. Nicht alle Schriftsteller haben Objekte aufgebaut oder verwerten eigene Anschauungen. Natürlich gibt es Künstler, die in erster Linie Kunst schaffen wollen und nur in zweiter Linie verkaufen. Meistens sind sie jung und noch nicht vom Leben belehrt, okay, manche träumen vom Leben auch bis an ihr Lebensende :zwinker:, aber ich denke, dass die Masse der Autoren schon geschrieben hat, um Geld zu verdienen. Und sei es mit Nebenbüchern. Henry Miller ist ein Beispiel und Denise Diderot. Kafka kann ich für mich persönlich nicht zählen. Er war einfach zu jung. Zu Musil kann ich mich nicht äußern, da fehlt mir der Hintergrund und Proust hat ja mit der zwanghaften Veröffentlichung schon bewiesen, dass er Geld verdienen wollte. Wenn er nur gewollt hätte, dass ein, zwei Leute sein Werk lesen, hätte er es auch kopieren lassen können. Das sag ich jetzt mal ganz schlacksig, denn ich möchte natürlich keinem der Genannten zu nahe treten.


    @mombour,
    auch Schubert hat versucht, seine Noten an den Mann zu bringen. Balzac war auch arm und der hat ne Menge Geld verdient mit seinen Büchern, schon zu Lebzeiten. Nur weil ein Künstler arm ist, ist er kein Samariter. Ich meinte Menschen, die ihr Leben AUSSCHLIEßLICH der Kunst widmen um der Kunst willen und damit unbestechlich sind.


    und sandhofer,
    Du wirst mir doch nicht sagen wollen, du hättest auch nur ansatzweise arrogante Phasen? :zwinker:
    Wir Frauen werden nie verstehen, was so reizvoll daran ist, einer Stripperin zuzusehen. *g* Vielleicht kommt "interesseloses Wohlgefallen" in unserem Gehirn nicht vor? Wenn mir was gefällt, muss ich es haben. Wenn ich es nicht haben kann, will ich es auch nicht sehen.


    Ich sehe meine Aufgabe als Leser eher darin (gerade in dieser medienwirksamen Zeit), Menschen Büchern zuzuführen und daher bin ich dankbar dafür, dass es Schriftsteller gibt, die die Sprache der Masse sprechen. Jemandem, der nie Sinn im Lesen eines Buches fand, werde ich mit "Effi Briest" kaum dazu überreden, es doch mal zu versuchen. Mit "Illuminati" schaff ich es vielleicht ... :winken:

    Ein Leben lang lesen ist nicht genug!<br /><br />Top 3:<br />1. &quot;Die Brautprinzessin&quot; von William Goldman<br />2. &quot;Männer&quot; von Dietrich Schwanitz<br />3. &quot;1984&quot; von George Orwell


  • Proust hat ja mit der zwanghaften Veröffentlichung schon bewiesen, dass er Geld verdienen wollte. Wenn er nur gewollt hätte, dass ein, zwei Leute sein Werk lesen, hätte er es auch kopieren lassen können.


    Natürlich wollte er weltberühmt werden und Geld verdienen. Aber - und das ist doch der Ausgangspunkt unserer Diskussion - er hat sich dazu in keiner Weise der Masse angebiedert, oder wie du es formuliert hast, der Sprache der Masse bedient. Das war ihm egal. Weil er darauf gesetzt hat, dass ihn genügend Leute verstehen werden. Finanziell war er auch durch seine Eltern versorgt, er konnte sich das Künstlerleben leisten. Da treffen halt glückliche Umstände zusammen.


    Deine Ausgangsthese ist doch, dass man sich der Sprache der Masse bedienen müsse, um als Künstler leben zu können. Viele Autoren bedienen sich der Sprache der Masse um Geld zu verdienen, aber nicht alle diese Autoren sind Künstler. Als Künstler können halt nur sehr, sehr wenige überleben. Um als Autor überleben zu können, muss man sich im Regelfall wohl der Sprache der Masse bedienen. Aber es gibt zum Glück genügend Ausnahmen. Es gibt natürlich auch genügend ernsthafte Künstler, die vor sich hin vegitieren, aber deswegen würde ich ihnen ja nicht die Ernsthaftigkeit ihrer Kunst absprechen. Sie werden halt unentdeckt bleiben.


    Wäre doch furchtbar, wenn es nur Illuminati-Verschnitte gäbe. Das befriedigt in keiner Weise.


    Gruß, Thomas

  • Ich sehe meine Aufgabe als Leser eher darin (gerade in dieser medienwirksamen Zeit), Menschen Büchern zuzuführen und daher bin ich dankbar dafür, dass es Schriftsteller gibt, die die Sprache der Masse sprechen. Jemandem, der nie Sinn im Lesen eines Buches fand, werde ich mit "Effi Briest" kaum dazu überreden, es doch mal zu versuchen. Mit "Illuminati" schaff ich es vielleicht ...


    Was schafft man mit Illuminati? Einen Leser zu machen? Na ja, mir wären solche Leser egal (Illuminati ist eines der wenigen Werke dieses Genres, die ich zumindest angelesen habe - ich war nicht gelangweilt, eher genervt, von Literatur erwarte ich anderes).


    Jeder kann gerne zu seiner Unterhaltung lesen, was er möchte, das ist mir vollkommen egal, aber für mich wird jemand interessant, wenn ich ihn zumindest zu Manns Buddenbrooks bringe. Ich will mich nicht über Illuminati austauschen, sondern über Lektüre, die bewegt. Das hat nichts mit der Geringschätzung von Trivialem zu tun, ich will mich auch nicht über komplexe politische Theorien in Sachbüchern austauschen, sondern über gute Literatur. Triviales erlebe ich jeden Tag in meiner Arbeit zur Genüge, und natürlich auch im Privaten, Literatur ist mein Rückzugsraum für anspruchsvolle Kunst.


    Schöne Grüße,
    Thomas


  • Deine Ausgangsthese ist doch, dass man sich der Sprache der Masse bedienen müsse, um als Künstler leben zu können. Viele Autoren bedienen sich der Sprache der Masse um Geld zu verdienen, aber nicht alle diese Autoren sind Künstler. Als Künstler können halt nur sehr, sehr wenige überleben. Um als Autor überleben zu können, muss man sich im Regelfall wohl der Sprache der Masse bedienen. Aber es gibt zum Glück genügend Ausnahmen. Es gibt natürlich auch genügend ernsthafte Künstler, die vor sich hin vegitieren, aber deswegen würde ich ihnen ja nicht die Ernsthaftigkeit ihrer Kunst absprechen. Sie werden halt unentdeckt bleiben.


    Wäre doch furchtbar, wenn es nur Illuminati-Verschnitte gäbe. Das befriedigt in keiner Weise.


    Gruß, Thomas


    Für mich war die Ausgangstheses, dass es bei jedem Werk darauf ankommt, WEN genau der Autor mit seinen Gedanken erreichen will und dass er, wenn er möglichst viele Leute erreichen will, die Sprache wählen muss, die möglichst viele Leute verstehen (z. B. Farm der Tiere).


    Proust hatte viel Zeit und ein zeitfressendes Hobby. Dandylike konnte er sich leisten, was Wilde weit mehr zu schaffen machte. Und Proust konnte damit egal sein, ob er sich verkauft oder nicht - Wilde nicht. Beide haben Kunst geschaffen, beide auf völlig unterschiedliche Weise - und ich denke, Wilde hatte das größere Lesepublikum und dies war für ihn auch überlebenswichtiger als für Proust.


    Übrigens muss ich jetzt mal was einschieben: Der Vergleich beider Charaktere ist mir gerade beim Schreiben so gekommen und wegen der Jahreszahlen hab ich bei wiki nachgeschlagen. Hast du gewusst, dass die beiden sich sogar ähnlich sehen? Ich staune gerade deshalb :smile:


    Ich denke also, nachdem hier hoffentlich die Missverständnisse ausgeräumt sind, so haben wir einen gemeinsamen Konsens gefunden. Das heißt nicht, dass wir einen ähnlichen Literaturgeschmack haben, denn wir legen auf vollkommen verschiedene Dinge wert und das ist auch gut so. Die guten deutschen Klassiker wollen ja auch leben :zwinker:. Und, um noch eins drauf zu setzen, bewegen mich die Buddenbrooks überhaupt nicht, was ich von den Forsytes (Galsworthy) wieder nicht behaupten kann.


    Will sagen: Für meinen Geschmack ist Thomas Mann nicht plastisch genug und er versteht es nicht, mich als Leser für seine Gedanken zu gewinnen. Ihm fehlt meiner ganz persönlichen Meinung nach das gewissen Etwas. Ich möchte nicht wissen, wie viele Bücherregale dieser Mann ungelesen ziert. Nur, dass jemand sagen kann: "Guck, ich hab Thomas Mann im Schrank. Ich bin gebildet!" Das gilt bis auf wenige Ausnahmen im Großen und Ganzen für die gesamte deutsche Literatur. Ich hab sie versucht, mehrfach, aber ich weiß heute, dass ich mich nie für sie erwärmen werde. Und mittlerweile geb ich das auch zu :zwinker:


    Illuminati hab ich nie gelesen, es war nur ein Beispiel für einen reißenden Bestseller. Auch ich hab mit dem Buch meine Schwierigkeiten und da ich ziemlich medienfern lebe, bekomme ich derartige Bücher sowieso nur am Rande mit ... ich lese selten Bestseller. Aber es gibt Menschen, die man auf diesem Wege für das Lesen begeistern kann und so gaaaanz langsam auch an höherwertige Literatur heranführt. Mir reicht es aus, jemanden Lesen zu sehen, der Rest kommt von alleine. (Und sicherlich gibt es genügend Leser, die auch Illuminati bewegt hat :zwinker:). Analog Kindern, die im Lesealter sind. Du kannst sie mit Robinson Crusoe oder Jules Verne quälen, du kannst aber auch Enid Blyton wählen, um sie zum Lesen zu bringen. :winken:

    Ein Leben lang lesen ist nicht genug!<br /><br />Top 3:<br />1. &quot;Die Brautprinzessin&quot; von William Goldman<br />2. &quot;Männer&quot; von Dietrich Schwanitz<br />3. &quot;1984&quot; von George Orwell

  • Zu welchem Ergebnis man kommt bzw. welche These man vertritt, ist vermutlich auch davon abhängig, auf welcher Seite (Autor bzw. allgemeiner Künstler oder Leser) man steht. Ein Autor (ich beschränke mich jetzt mal darauf) mag durchaus den Anspruch an sich haben, ein künstlerisch wertvolles Werk abzuliefern, das ist sein gutes Recht und niemand sollte ihm diesen Anspruch zum Vorwurf machen. Die Anzahl Leser, die er dafür findet, hängt dann wohl entscheidend von diesem künstlerischen Anspruch ab – abgesehen vom Zufall des Das-Buch-unter-der-Masse-an-anderen-Büchern-Entdeckens. Ein anderer Autor hat diesen Anspruch vielleicht auch gar nicht, sondern will einfach viele Menschen erreichen, ob vorrangig aus finanziellem Interesse oder ob andere Faktoren hineinspielen oder gar im Vordergrund stehen ist dabei zunächst egal.


    Ein Leser dagegen mag den Anspruch an ein Buch haben, daß ihm eine Geschichte erzählt wird. Das Erzählen von Geschichten wie auch das Erzähltbekommen gehört wohl zu den Grundbedürfnissen des Menschen, sonst wäre es nicht so alt. Eine besonders künstlerische Präsentation ist dann vielleicht ein mehr oder weniger willkommenes Add-On, aber sie ist nicht konstitutiv für das Geschichtenerzählen. Vielfach erweckt eine solche Päsentation nämlich (ob zu recht oder zu unrecht ist dabei erst einmal nebensächlich) den Eindruck, daß damit wahlweise einer von zwei Effekten erzielt werden soll: entweder bewußter Ausschluß aller Leser, die für diese Kunst einfach „zu blöd“ sind (obwohl es sich dabei ja durchaus auch um intelligente Menschen handeln kann) oder bewußte Vera... der Leser, frei nach Reinhard Mey: „vom Lyriker, der sich vor Lachen in die Hose macht, weil alles glaubt, er habe sich bei seiner Lyrik was gedacht“. Im Sinne des erzählerischen Grundbedürfnisses finden sicherlich viele Leseprozesse statt, die damit näher am Fernsehkonsum als an der Kunstbetrachtung sind, d.h. das Lesen von Romanen geschieht nicht wegen ihrer Kunstform sondern als Befriedigung dieses Grundbedürfnisses. Genauso gibt es aber Leser, die eben diesen Kunstgenuß suchen, und daher zum Adressaten der Autoren mit Kunstanspruch werden.


    Ich halte es aber für wenig zielführend, diejenigen Leser abzuqualifizieren, die bei Mainstream-Thrillern oder ähnlicher Literatur hängenbleiben und den Sprung in die künstlerische Welt nicht schaffen, vielleicht auch gar nicht schaffen wollen, weil ihr Anspruch eben ein anderer ist. Daher finde ich Aussagen wie:



    Was schafft man mit Illuminati? Einen Leser zu machen? Na ja, mir wären solche Leser egal


    relativ überflüssig. Niemand zwingt Dich, mit diesen Leuten über Bücher zu reden. Aber nur weil sie Illuminati lesen und ihnen die Mehrschichtigkeit in einem Roman nicht fehlt, sind sie nicht zwangsläufig dümmere Menschen oder weniger intellektuell, sie setzen eben nur ihre Prioritäten anders. Sie sind auch als Leser nicht weniger wertvoll. Wer sich auf einen solchen Standpunkt stellt, läßt für meinen Geschmack – und ich formuliere jetzt absichtlich drastisch – ein Maß an bildungsbürgerlicher Borniertheit erkennen, man könnte es auch Überheblichkeit nennen, die durch nichts gerechtfertigt ist. Einen Wenig-, Unterhaltungs- oder gar Nicht-Leser bringt man mit dieser Haltung wohl kaum zum Lesen künstlerischer Literatur.


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Schön geschrieben, Aldawen :daumen: Besonders die Passage übers Geschichten-erzählt-bekommen als menschliches Grundbedürfnis gefällt mir!

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen